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OGH vom 29.01.2019, 4Ob164/18y

OGH vom 29.01.2019, 4Ob164/18y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin A*****aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die Beklagte A*****, vertreten durch Hammer & Schweighofer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 182.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 68/18t-38, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Beklagte haftet als Realschuldnerin mit ihrer Liegenschaft bis zum Höchstbetrag in Höhe des Klagebegehrens für einen Kredit ihres mittlerweile verstorbenen Sohnes. Die Verpfändung ihrer Liegenschaft erfolgte laut Pfandurkunde

ohne Rücksicht darauf, ob der Sparkasse für die besicherten Forderungen allfällige zusätzliche andere Sicherheiten bestellt sind. Die Sparkasse ist daher berechtigt, solche Sicherheiten freizugeben und Erlöse aus deren Verwertung nach ihrer Wahl zu verrechnen, auch wenn dadurch für den Fall der Realisierung des Pfandrechts die Durchsetzung meiner (unserer) Ersatzansprüche gegen den Kunden und/oder Sicherheitenbesteller erschwert wird.

Die Beklagte hatte keine Kenntnis davon, dass als weitere Sicherheiten für den Kredit drei Er- und Ablebensversicherungen dienten. Sie wurde auch nicht darüber informiert, dass der Kreditnehmer diese Versicherungen in der Folge kündigte und den Rückkaufswert dem Kreditkonto zuführte.

Die Vorinstanzen gaben der Kreditklage der klagenden Bank statt.

Die Beklagte macht in ihrer außerordentlichen Revision im Wesentlichen geltend, die Klägerin hätte gemäß § 1360 ABGB nicht zu Lasten der Beklagten andere Sicherheiten freigeben dürfen.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt die Beklagte jedoch keine erheblichen Rechtsfragen auf:

1.1. Die Beklagte behauptet unter Berufung auf die Entscheidung 1 Ob 666/88 die Sittenwidrigkeit der gegenständlichen Klausel. Im genannten Verfahren war im Vordruck einer Bürgschaftserklärung festgelegt, dass die Haftung des Bürgen unverändert in Kraft bleibe, wenn die Bank Sicherheiten irgendeiner Art, die ihr für ihre Forderungen anderweitig bestellt sind oder bestellt werden, freigibt. Der 1. Senat führte aus, diese Klausel „dürfte“ nach § 879 Abs 3 ABGB nichtig sein, wobei eine Aufhebung und Zurückverweisung erfolgte, weil noch offen war, ob der Bürge erst durch die in Aussicht gestellte weitere Sicherheit zur Übernahme der Bürgschaft bewogen werden konnte. Die weiteren Sicherheiten waren bereits im Kreditvertrag angeführt und den Mithaftenden somit bekannt.

1.2. Damit unterscheidet sich der dortige Sachverhalt grundlegend vom vorliegenden, weil nach den hiesigen Feststellungen die Beklagte von den verpfändeten Lebensversicherungen nichts wusste und sie somit nicht erst wegen dieser weiteren Sicherheiten bereit war, ihre Liegenschaft zu verpfänden; vielmehr tat sie dies, ohne darauf zu vertrauen, dass es weitere Sicherheiten geben würde.

1.3. Auch die Klauseln unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt: Im vorliegenden Fall erklärte die Beklagte ausdrücklich, das Pfandrecht ohne Rücksicht auf allfällige andere Sicherheiten einzuräumen, während in 1 Ob 666/88 eine solche Erklärung fehlte und dort nicht nur auf „allfällige“ andere Sicherheiten Bezug genommen war, sondern andere Sicherheiten im Vertrag konkret genannt waren.

1.4. In der Entscheidung 4 Ob 108/06w = SZ 2006/116 führt der Senat unter Bezugnahme auf 1 Ob 666/88 aus, dass durch einen von § 1360 ABGB unmittelbar erfassten Wegfall einer dinglichen Sicherheit das Vertrauen von Mithaftenden auf einen anteiligen Regress enttäuscht wird, und dass es dem gleichzuhalten ist, wenn ein Mithaftender auf eine Sicherheit vertraut, die zwar im Kreditvertrag angeführt ist und auf die auch in der Bürgschaftserklärung hingewiesen wird, deren Einholen der Gläubiger aber unterlässt.

1.5. Nach dieser Rechtsprechung (jüngst auch 3 Ob 76/18z) kommt es also darauf an, das Vertrauen des Bestellers einer Sicherheit auf bekannte weitere Sicherheiten und auf einen anteiligen Regress zu schützen. Wenn aber, wie hier, die Pfandbestellerin explizit erklärt, das Pfandrecht ohne Rücksicht auf allfällige andere Sicherheiten einzuräumen und auch nichts von anderen Sicherheiten weiß, liegt demgemäß kein Anwendungsfall des § 1360 ABGB vor.

2. Auch abgesehen von der Thematik des § 1360 ABGB zeigt das Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage auf:

2.1. Eine analoge Anwendung der § 25c und 25d KSchG auf die Interzession durch bloße Pfandbestellung kommt nach der Rechtsprechung mangels Vorliegens einer ungewollten Gesetzeslücke nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0116829). Außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Bestimmungen gilt, dass nur in besonderen Ausnahmefällen eine Warn- und Aufklärungspflicht der Bank gegenüber dem Bürgen besteht, etwa wenn die Bank bereits vor Abschluss des Bürgschaftsvertrags Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Schuldners hat; ein derartiger Ausnahmefall wird auch schon dann anzunehmen sein, wenn die Bank aufgrund ihrer Kenntnis der wirtschaftlichen Situation des Hauptschuldners von vornherein weiß, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Hauptschuldner zur seinerzeitigen Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein wird und sie daher den Bürgen allein
– abweichend von der (banküblichen) üblichen Funktion einer Bürgschaft – wird in Anspruch nehmen müssen (RIS-Justiz RS0026805; RS0026488). Diese Grundsätze gelten auch für die Pfandbestellung (4 Ob 254/14b; 7 Ob 176/16g).

2.2. So wie die Bank nicht verpflichtet ist, einen Bürgen vor dem Abschluss eines Bürgschaftsvertrags über die Vermögensverhältnisse des Schuldners aufzuklären, ist es auch nicht üblich, dass die Bank demjenigen, der ein Pfand beistellt, Auskünfte über die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers erteilt (RIS-Justiz RS0026779). Dies gilt erst recht dann, wenn der Bürge in einer besonderen Nahebeziehung zum Schuldner steht und von diesem selbst alle näheren Auskünfte fordern und erlangen kann (RIS-Justiz RS0026779 [T10]).

2.3. Die Beratungspflichten und Aufklärungspflichten von Banken sind grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls. Gegenteiliges gilt nur dann, wenn eine grobe Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0106373).

2.4. Nach den Feststellungen bestand keine Geschäftsbeziehung zwischen Kreditnehmer und Bank vor Aufnahme des Kredits; auch hat die Bank eine Bonitätsprüfung durchgeführt. Angesichts dieser Umstände hält sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Kreditgeberin habe keine Warn- und Aufklärungspflichten der Beklagten gegenüber verletzt, im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung.

3.1. Schließlich wird eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend gemacht. Entgegen der Revision hat sich das Berufungsgericht jedoch mit der Mängelrüge in der Berufung der Beklagten inhaltlich auseinandergesetzt und begründet, weshalb es die Erwägungen des Erstgerichts für ausreichend hält. Auch das Gericht zweiter Instanz muss sich nicht mit jedem einzelnen Beweisergebnis und jedem Argument des Rechtsmittels auseinandersetzen (vgl RIS-Justiz RS0043162).

3.2. Soweit neuerlich die unterlassene Vernehmung einer Zeugin beanstandet wird, ist zu entgegnen, dass ein in zweiter Instanz verneinter Verfahrensmangel in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0042963).

4. Auch eine allenfalls mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst – wovon hier aber nicht die Rede sein kann –, ist sein Verfahren mangelhaft (RIS-Justiz RS0043371).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00164.18Y.0129.000

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