OGH vom 25.01.2011, 1Ob206/10s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der Antragsteller 1. H***** Z***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Robert Müller, Mag. Gregor Riess, Rechtsanwälte in Hainfeld, und 2.) W***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Prof. Dr. Hans Peter Draxler, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Feststellung des Nichtbestehens einer Kostenersatzpflicht gemäß § 31 Abs 3 WRG (Streitwert 465.295,60 EUR), über die außerordentlichen Revisionsrekurse der Antragsteller gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 12 R 175/09g 48, womit der Zwischenbeschluss des Landesgerichts St. Pölten vom , GZ 28 Nc 35/06z, 36/06x 42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
I. Zum Rekurs der Erstantragstellerin:
1.) § 31 WRG normiert eine öffentlich rechtliche Reinhaltungsverpflichtung nach der jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, zur Einhaltung der nach den Regeln des bürgerlichen Rechts (§§ 1297, 1299 ABGB) zu beurteilenden Sorgfalt verhalten ist, um Gewässerverunreinigungen zu vermeiden (Abs 1). Durch die Zitierung der §§ 1297 und 1299 ABGB wird der Sorgfaltsmaßstab festgesetzt, der bei der Herstellung, Instandhaltung und beim Betreiben einer Anlage einzuhalten ist, um eine Gewässerverunreinigung hintanzuhalten. Kommt es dennoch also trotz Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt - zur (konkreten) Gefahr einer Gewässerverunreinigung, hat gemäß § 31 Abs 2 WRG der nach Abs 1 Verpflichtete unverzüglich die zur Vermeidung einer Verunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen (RIS Justiz RS0082526 [T3]). Unterlässt der Verpflichtete die erforderlichen Maßnahmen, obgleich die konkrete Gefahr einer Gewässerverunreinigung eingetreten ist, verpflichtet § 31 Abs 3 WRG die Wasserrechtsbehörde, die zur Vermeidung der Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen anzuordnen und gegebenenfalls auf Kosten des Verpflichteten durchführen zu lassen. Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom , AZ 84/07/0114 = ZfVB 1985/346, ist das bereits dann erforderlich, wenn sich kein Verpflichteter findet, der die notwendigen Maßnahmen selbst durchführen würde.
Aus den Feststellungen folgt, dass sich vor der Auftragserteilung an die F***** GmbH kein Verpflichteter zur Beseitigung der Kontamination (auf eigene Kosten) fand. Darin, dass demnach das Rekursgericht die Behörde als zu einem Vorgehen nach § 31 Abs 3 WRG berechtigt ansah, liegt daher keine wahrzunehmende Fehlbeurteilung. Das Anbot der Erstantragstellerin zur (entgeltlichen) Vornahme der Entsorgungsarbeiten war kein Versuch zur Vornahme der erforderlichen Abwehrmaßnahmen durch einen nach § 31 Abs 1 oder Abs 2 WRG Verpflichteten. Auf die Ausführungen der Erstantragstellerin zur Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Antragsgegnerin muss schon aus diesem Grund nicht näher eingegangen werden.
2.) Aus dem Inhalt des einen Bestandteil des Behördenakts darstellenden Bewilligungsbescheids vom kann lediglich geschlossen werden, dass die Versorgung der mit Ölbrennern ausgestatteten Kerntrockenkammern aus zwei Öltanks erfolgte, die nach den Feststellungen bereits jahrzehntelang nicht mehr in Betrieb waren. Damit hat das Rekursgericht zu Recht darauf verwiesen, dass im Zeitpunkt der Abbruchsanzeige vom die fortdauernde Existenz von unterirdischen Öltanks nicht bekannt sein musste. In der Verneinung des Mitverschuldeneinwands, den die Erstantragstellerin aus der Unterlassung einer bescheidmäßigen Anordnung zur Entfernung der Öltanks aus Anlass der Abbruchsanzeige vom ableiten will, liegt damit ebenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.
3.) Nach Ansicht der Erstantragstellerin soll die Republik Österreich im Umfang von 95 % der verfahrensgegenständlichen Entsorgungskosten (als „Aufwendungen im Sinne der §§ 1042 f ABGB“) bereichert sein, weil das Betriebsareal nach dem hier gegenständlichen Vorfall einer Altlastensanierung unterzogen worden sei, deren Kosten die Republik im Ausmaß von 95 % getragen habe.
Der Verursacher ist im Rahmen seiner verschuldensunabhängigen Haftung zur Abwehr einer möglichen Gewässerverunreinigung auf eigene Kosten bzw zum Ersatz des dafür von einem anderen notwendig und zweckmäßig gemachten Aufwands verpflichtet (RIS Justiz RS0082526 [T6]). Dies gilt unabhängig davon, ob das Gewässer bereits verunreinigt ist und ob es im Bereich noch andere „Altlasten“ gibt (1 Ob 207/98t = SZ 72/47). Die Verpflichtung der Erstantragstellerin zum Ersatz der Kosten der aus Anlass des Vorfalls vom angeordneten notstandspolizeilichen Maßnahmen ergibt sich unmittelbar aus § 31 Abs 3 WRG. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Antragsgegnerin diesen Aufwand nach dem Gesetz selbst hätte machen müssen, dass ein Fall des § 1043 ABGB vorläge, führt die Erstantragstellerin selbst gar nicht aus. Darüber hinaus lässt sie unberücksichtigt, dass der 95%ige Zuschuss zu den Kosten für die dem gegenständlichen Vorfall nachfolgende Sanierung eine Förderung der Republik Österreich gegenüber der Z***** Privatstiftung darstellte. Folgte man der Argumentation der Erstantragstellerin, hätte sich aufgrund der wegen des verfahrensgegenständlichen Vorfalls notwendig gewordenen Maßnahmen allenfalls der Förderungsaufwand für die nachfolgende Sanierung reduziert.
II. Zum Rekurs der Zweitantragstellerin:
1.) Bei der Beurteilung, ob eine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG 2005 zu lösen ist, kann auf die Rechtsprechung zu den Parallelbestimmungen in der Zivilprozessordnung zurückgegriffen werden (RIS Justiz RS0123569). Ob im Einzelfall ein Schaden noch als adäquate Folge eines schädigenden Ereignisses anzusehen ist, ist im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, weil dabei die Umstände des Einzelfalls maßgebend sind und der Lösung dieser Frage keine über den Anlassfall hinausgehende und daher keine erhebliche Bedeutung im Sinn der angeführten Gesetzesstelle zukommt (RIS Justiz RS0110361).
2.) Um die Pflichten des § 31 Abs 1 bzw Abs 2 WRG auszulösen, muss mit dem Betrieb der Anlage eine Gewässerbeeinträchtigung nicht „geradezu typisch“ verbunden sein. Es genügt, dass die Anlage bzw ihr Betrieb zu einer solchen Einwirkung konkret geeignet ist (1 Ob 173/97s = SZ 70/222; RIS Justiz RS0108676). Die Handlungspflicht nach Abs 2 leg cit ist verschuldensunabhängig und besteht auch, wenn alle gebotenen Vorsorgen eingehalten wurden. Ohne rechtliche Bedeutung ist, ob ein Schaden überhaupt vorhersehbar gewesen ist ( Oberleitner , WRG² [2007] § 31 Rz 5).
3.) Die Zweitantragstellerin gesteht in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel selbst zu, dass ihr Kleinkraftwerk am Beginn der Kausalkette stand und gesteht damit eine Mitursächlichkeit der von ihr betriebenen Anlage für die Gewässerverunreinigung zu. Entgegen ihrer Ansicht war die Überschwemmung aber nicht ein bloßes Naturereignis, sondern (zumindest auch) Folge des Bestehens ihrer Wasserkraftwerkanlage, wobei die Vermengung des Wassers infolge der dadurch bedingten Überschwemmung mit giftigen Substanzen nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung liegt. Als Verpflichteter eines Auftrags nach § 31 Abs 3 WRG kommt jedermann in Betracht, dessen Maßnahmen, Unterlassungen oder Anlagen typischerweise zu nicht bloß geringfügigen Einwirkungen auf Gewässer führen können, wobei auch die Möglichkeit einer Solidarverpflichtung mehrerer besteht (VwGH; N bei Oberleitner aaO E 62). Der Regelungszweck des § 31 WRG erfordert es bei Vorhandensein mehrerer auch zeitlich aufeinanderfolgender Mitverursacher, selbst bei Feststellbarkeit der Anteile an der Schadenszufügung in jedem Fall, Solidarverpflichtung zur Gefahrenbeseitigung und der Tragung der Kosten gemäß § 31 Abs 3 WRG anzunehmen (1 Ob 207/98t = SZ 72/47). Auf den Anteil, den sich die Zweitantragstellerin an der Gewässerverunreinigung selbst zubilligt, kommt es damit für die vorliegende Entscheidung nach der zutreffenden Rechtsansicht der zweiten Instanz nicht an.
Da weder dem Rekursgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen ist noch die Antragstellerinnen Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigen, sind die Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen.