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OGH vom 13.07.2000, 6Ob251/99a

OGH vom 13.07.2000, 6Ob251/99a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Engelbert B*****, vertreten durch Dr. Klaus Herke, Rechtsanwalt in Innsbruck, und dem Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Helmut B*****, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol, 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 7, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung, hilfsweise Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 59/99x-13, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 10 Cg 181/98b-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger war Bediensteter der I***** (nach Verschmelzung nun: I***** und S***** GmbH - im Folgenden nur - Unternehmen). Dort wurde 1945 eine Personalvertretung errichtet und eine sogenannte Sterbekasse eingerichtet, die zunächst aus der Personalvertretungsumlage gespeist wurde. Nunmehr wird die Sterbekasse aus einem Teil der von den aktiven Dienstnehmern geleisteten Betriebsratsumlage und aus Einzahlungen der Pensionisten sowie der Lebenspartner von aktiven und pensionierten Mitarbeitern finanziert. Bis zur Bestellung eines gemeinsamen Betriebsrates der nunmehr verschmolzenen Gesellschaften wurden die Gelder der Sterbekasse vom Obmann bzw Geschäftsführer der Personalvertretung verwaltet. Der Nebenintervenient war seit Mai 1990 Obmann der Personalvertretung und ist nun Vorsitzender des Betriebsrates des Unternehmens. Er verwaltet nach wie vor die Gelder der Sterbekasse. Beim Tod eines Einzahlers kommt ein Sterbekostenbeitrag zur Auszahlung. Der Kläger, nunmehr Pensionist, zahlte und zahlt ebenfalls Beiträge für die Sterbekasse ein. Ob es für die Sterbekasse Satzungen gibt, ist nicht feststellbar. Bei der Vereinsbehörde wurden keine Statuten angezeigt. Die der Sterbekasse zufließenden Gelder wurden auf zwei Sparkonten und ein Girokonto bei der B*****AG einbezahlt. Teilweise wird Bargeld auch in einer Handkasse verwahrt. Der Kläger hat weder Haftungen für die Sterbekasse übernommen, noch die Sparbücher in Besitz noch irgendeine Verfügungsgewalt über die Konten und die Handkasse.

Der Kläger begehrte, die beklagte Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol habe die Prüfung und Einsichtnahme in die Vermögensbestände und Unterlagen der Sterbekasse, insbesondere in die Sparbücher, das Girokonto bei der BAWAG sowie die Handkasse zu unterlassen, sowie hilfsweise die Feststellung, dass die Sterbekasse nicht Teil des Betriebsratsfonds der Gesellschaft sei. Die Sterbekasse sei kein der Prüfung der beklagten Partei unterliegendes Vermögen. Da die beklagte Partei eine Klage gegen den Betriebsratsfonds des Unternehmens eingebracht habe, mit der sie die entsprechende Offenlegung verlange, habe sie ihren ernstlichen Willen bekundet, sich in die genannten Konten Einblick zu verschaffen, wogegen sich der Kläger verwahre. Der Nebenintervenient schloss sich diesen Ausführungen an.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei nicht aktiv legitimiert. Die Sterbekasse sei Teil des Betriebsratsfondsvermögens. Die beklagte Partei sei daher gemäß § 74 Abs 6 ArbVG berechtigt und auch verpflichtet, die Rechtmäßigkeit der Gebarung der Sterbekasse zu prüfen.

Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage der Rechtsnatur der Sterbekasse und der - von der zweiten Instanz begehrten - Revisionsbefugnis der beklagten Partei Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist jedoch entgegen diesem den Obersten Gerichtshofes nicht bindenden Ausspruch mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen unzulässig.

Der Kläger bekämpft die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass die Sterbekasse eine Vermögensmasse darstelle, die zweckbestimmtem Vermögen gemäß § 73 ArbVG gleichzuhalten sei. Die Sterbekasse sei vielmehr als Verein oder zumindest als ein als seit 1945 in Gründung befindlicher Verein zu qualifizieren, dessen Mitglied oder Proponent der Kläger sei. Es komme auch eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht in Betracht. Dem Kläger seien Einsichts- und Kontrollrechte auch als Einzelperson zugestanden worden, wie sich aus der Aussage des die Sterbekasse verwaltenden Nebenintervenienten ergeben habe. Daraus folge auch die Aktivlegitimation des Klägers, die eines Mehrheitsbeschlusses der Gesellschafter nicht bedürfe.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, dass die die Klage abweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen schon deshalb mit der Rechtsprechung in Einklang stehen, weil dem Kläger selbst dann, wenn die Sterbekasse nicht als dem Betriebsratfonds zugehörig zu beurteilen wäre, sondern ein Verein, ein Vorverein oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes (GesbR) vorläge, keine Klagelegitimation zukäme.

Der Kläger hat nach den insoweit unstrittigen Feststellungen keinerlei Vertretungsbefugnis für die Sterbekasse. Diese wird vielmehr ausschließlich vom Nebenintervenienten verwaltet. Selbst bei Unterstellung, dass die nach herrschender Ansicht für das Entstehen eines Vereins als juristische Person erforderliche Gründungsvereinbarung und Konstitutionierung stattgefunden hätte (vgl 4 Ob 71/90 = SZ 63/156 = JBl 1991, 784; RIS-Justiz RS0042573), wäre der Kläger kein satzungsmäßiges Organ und hätte daher über die Frage der Einsichtgewährung an Dritte in die Geldgebarung des Vereins nicht zu bestimmen. Eine individuelle Klagelegitimation als "Mitglied" in einer nicht ihn, sondern den Verein als juristische Person betreffenden Angelegenheit stünde ihm nicht zu.

Ohne Konstituierung durch Bestellung der satzungsmäßigen Organe kann ein Verein seine Vereinstätigkeit als juristische Person nicht aufnehmen; bis dahin betrifft eine dennoch aufgenommene "Vereinstätigkeit" einen noch nicht rechts- und parteifähigen Vorverein (SZ 63/156). Wären noch keine Statuten beschlossen worden, käme höchstens das Vorliegen einer GesbR in Betracht (vgl Brändle, Das österreichische Vereinsrecht 51, Punkt 6), sodass einem einzelnen "Proponenten", zu denen sich der Kläger zählen will, ebenfalls keine Klagelegitimation zukäme:

Soweit sich der Kläger als Gesellschafter einer GesbR bezeichnet und sich auf Einsichts- und Kontrollrechte beruft, macht er einen Individualanspruch gegenüber der GesbR (eine Sozialverbindlichkeit der GesbR gegenüber dem Gesellschafter) geltend (vgl hiezu Torggler-Kucsko in Straube2, Rz 12 ff, insb Rz 19 zu § 109 HGB), die aber seinen Unterlassungs- und Feststellungsanspruch gegenüber einem gesellschaftsfremden Dritten nicht zu begründen vermögen. Im Übrigen verkennt der Kläger das Wesen der "actio pro socio", die er als Argument dafür heranzieht, dass er nicht die Zustimmung der übrigen Gesellschafter für seine Klage einholen habe müssen. Es geht hier nicht um einen Sozialanspruch der Gesellschaft gegen einen anderen Gesellschafter, die ein einzelner Gesellschafter nach Rechtsprechung und Lehre (6 Ob 58/00y mwN) unabhängig davon, ob er geschäftsführungs- oder vertretungsbefugt ist, im eigenen Namen geltend machen kann (wobei teils Subsidiarität gegenüber der Klage der Gesellschaft und eine Bescheinigung ihrer Notwendigkeit gefordert wird).

Bei Ansprüchen der GesbR haben, da diese nicht parteifähig ist, grundsätzlich die (alle) Gesellschafter einzuschreiten (1 Ob 33/79 = SZ 53/2 ua). Eine der Negatorienklage vergleichbare Klage, bei der auch der einzelne Teilnehmer einer Gemeinschaft als befugt angesehen wird, die Klage ohne Zustimmung der übrigen Teilnehmer zum Schutz eines Anteilsrechtes einzubringen (1 Ob 2019/96k mwN), liegt nicht vor. Es geht hier nicht um die Freiheit der im Eigentum der Gemeinschaft stehenden Sachen von dinglichen Rechten oder um die Abwehr entsprechender Eingriffe, sondern um eine Angelegenheit der Verwaltung, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat. Ohne Gestattung der Bucheinsicht durch die Gesellschafter oder des von den Gesellschaftern bevollmächtigten Vertreters können außenstehende Dritte ohnehin keine Kontrolltätigkeit ausüben, auf deren Unterlassung das Klagebegehren in seiner Gesamtheit gerichtet ist. Andere Mitglieder der Gemeinschaft könnten mit der Prüfung der Geldgebarung durch einen Dritten durchaus einverstanden sein. Ob diesem für den Fall, dass überhaupt eine GesbR vorläge, die Kontrolle zu gestatten wäre, könnte nur zwischen der beklagten Partei und allen Mitgliedern der Gemeinschaft entschieden werden. In einem darüber geführten Rechtsstreit bildeten die Gesellschafter nicht nur materielle Streitgenossen, sondern auch eine einheitliche Streitpartei im Sinn des § 14 ZPO, weil das Klagebegehren das gemeinsame Rechtsverhältnis der Mitglieder der Gemeinschaft zur beklagten Partei betrifft, die Frage der Kontrollbefugnis Dritter nur für oder gegen alle festgestellt werden kann und bei Nichterfassung aller Beteiligter die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierender Entscheidungen besteht (9 ObA 257/98d = RdW 1999, 548).

Auf die Frage der Rechtsform der Sterbekasse kommt es daher nicht an, weil der Kläger einen Individualanspruch im Sinne des Klagebegehrens selbst dann nicht ableiten könnte, wenn ein Verein, ein Vorverein oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes vorläge.

Die Revision ist daher mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, sodass diese nicht zu honorieren war, weil sie nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war.