OGH vom 25.08.1994, 2Ob549/94

OGH vom 25.08.1994, 2Ob549/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Denis David B*****, geboren am , vertreten durch den Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt, Abteilung Jugend und Familie, als Sachwalter, infolge Revisionsrekurses des Vaters Franz O*****, vertreten durch Dr.Michael Mülner und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 1 R 148/94-6, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom , GZ 4 P 156/87-2, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der 40-jährige Fräser Franz O***** ist als Vater des 7-jährigen Denis David B***** seit zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.300,-- verpflichtet; er hat für das Kind ab Jänner 1993 Unterhaltsbeträge von monatlich S 1.500,-- geleistet. Er verdient im Monatsdurchschnitt rund S 15.100,-- netto, wohnt in einer ihm gehörenden Eigentumswohnung und ist nur für das antragstellende Kind sorgepflichtig. Die Mutter des Minderjährigen ist am gestorben. Das Kind besucht vormittags die Vorschule und nachmittags den Hort und wird darüber hinaus im Haushalt der mütterlichen Großmutter betreut, der seit auch die Obsorge für den Minderjährigen übertragen wurde. Für den Minderjährigen gelangt weiteres eine Waisenpension zur Auszahlung, die im Monatsdurchschnitt S 1.533,-- beträgt.

Das Erstgericht gab einem Unterhaltserhöhungsantrag des Sachwalters des Minderjährigen insoweit statt, als es eine Unterhaltserhöhung auf monatlich S 1.800,-- vornahm und das Mehrbegehren von weiteren S 700,-- abwies. Rechtlich war das Erstgericht der Auffassung, daß das Kind von seiner Großmutter betreut werde und daß der Vater den gesamten Unterhalt in Geld zu leisten habe, weil die Mutter des Minderjährigen bereits verstorben sei. Die Waisenpension des Minderjährigen sei als Einkommen des Kindes zu werten und müsse bei der Unterhaltsbemessung berücksichtigt werden. Bei einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.800,-- seitens des unterhaltspflichtigen Vaters verfüge die Großmutter für das Kind über einen Betrag von rund S 3.300,--, womit die Bedürfnisse des Minderjährigen gedeckt seien, zumal der sogenannte Regelbedarf für Kinder der Altersgruppe sechs bis zehn Jahre monatlich S 2.940,-- betrage.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Sachwalters des minderjährigen Kindes Folge und erhöhte den Unterhalt auf monatlich S 2.500,--. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für zulässig. Es führte folgendes aus:

Während die Rechtsprechung einzelner Rekursgerichte auf dem Standpunkt stehe, daß der Bezug einer Waisenpension nach dem Tod der Mutter keinen Einfluß auf den Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes gegenüber seinem Vater habe, habe der Oberste Gerichtshof diese Rechtsmeinung unter Hinweis auf Pichler in Rummel2 § 140 ABGB Rz 11, abgelehnt und dargelegt, daß als Einkünfte des unterhaltsberechtigten Minderjährigen im Sinne des § 140 Abs 3 ABGB auch Geldleistungen aufgrund eines öffentlich rechtlichen Anspruches aus der Sozialversicherung und somit die dem Kind nach der verstorbenen Mutter zustehende Waisenpension (§ 260 und § 266 ASVG) anzusehen seien. Daß diese Pension in erster Linie die dem Kind gegen die Mutter zustehenden Ansprüche decken werde, sei von der Seite der Bedürfnisse des Kindes her zu berücksichtigen, wobei das Gesetz dem Beitrag des Elternteiles, der den Haushalt führe, in dem er das Kind betreue, gleiches Gewicht gebe wie dem Beitrag des anderen

Elternteiles (EFSlg 61.945 = JUS extra 741 = 5 Ob 606/90; EFSlg

65.064 = 6 Ob 569/91; EFSlg 65.066 = 5 Ob 544/91). Hieraus sei

allerdings nicht zu folgern, daß die an das Kind zur Auszahlung gelangende Waisenpension einfach vom sogenannten Regelbedarf des Kindes oder aber von der mittels der Prozentsatzmethode errechneten Unterhaltshöhe in Abzug gebracht werden dürfe, weil dies zu dem Ergebnis führen würde, daß der Tod des betreuenden Elternteiles und die aus diesem Grund an das Kind ausbezahlte Waisenpension jeweils die Reduktion der Unterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteiles zur Folge hätte. Das Gesetz gebe vielmehr dem Beitrag des betreuenden Elternteiles gleiches Gewicht wie dem Beitrag des anderen Elternteiles. Falle daher der Betreuungsbeitrag durch den Tod der Mutter weg, seien erheblich höhere Bedürfnisse des Kindes anzusetzen (5 Ob 606/90 und 6 Ob 569/91). Von der Rechtsprechung anerkannt sei ferner, daß ein Eigeneinkommen des Kindes keine einseitige Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteiles bewirke (5 Ob 1537/92; RZ 1992/3).

Wende man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, dann zeige sich, daß sich durch den Tod der Mutter die primäre gesetzliche Unterhaltspflicht der Eltern auf den überlebenden Vater konzentriert habe - das Vorliegen einer dem § 142 ABGB zu unterstellenden Situation sei weder behauptet worden noch biete die Aktenlage hiefür einen Anhaltspunkt - und daß mit der monatlich an das Kind ausbezahlten Waisenpension von rund S 1.500,-- nur dessen zufolge des Todes der Mutter höheren Bedürfnisse abgedeckt würden, nicht aber, daß damit eine Entlastung des unterhaltspflichtigen Vaters unter den sogenannten Regelbedarf des Kindes (derzeit S 2.940,--) bzw unter die nach der Prozentkomponente ermittelte Unterhaltshöhe (18 % von S 15.098,-- = S 2.717,--) eintrete. Es könne daher dahinstehen, ob die mütterliche Großmutter ihren Enkel unentgeltlich betreue, weil eine solche freiwillige unentgeltliche Zuwendung - der Fall des § 141 ABGB, der die Unterhaltspflicht der Großeltern auslöse, sei hier nicht gegeben - nur dem Kind zugute komme und nicht dem Vater auf dessen Unterhaltspflicht angerechnet werden könne. Demnach ergebe sich, daß die durch den Tod der Mutter entstandenen höheren Bedürfnisse des Minderjährigen zwar wenigstens zum Teil durch die von ihm bezogene Waisenpension gedeckt würden, daß aber der unterhaltspflichtige Vater hiedurch nicht soweit von seiner Unterhaltspflicht entlastet werde, daß er weniger als die begehrten S 2.500,-- (die deutlich unter dem Regelbedarf und immerhin mehr als S 200,-- unter dem nach der Prozentkomponente ermittelten Unterhaltsbetrag lägen) leisten müßte.

Weil die durch den Tod der Mutter eingetretenen höheren Bedürfnisse des Kindes vom Erstgericht nicht konkret festgestellt worden seien (vgl hiezu 5 Ob 606/90), jedoch der Frage, ob in einem so gelagerten Fall jeweils Ermittlungen über die konkrete Höhe der Bedürfnisse eines Minderjährigen vorzunehmen sind, erhebliche Bedeutung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG zukomme, sei auszusprechen gewesen, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des unterhaltspflichtigen Vaters mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 16 Abs 3 AußStrG,§ 510 Abs 3 ZPO).

Was die im Revisionsrekurs aufgeschlüsselten Fixkosten des Rechtsmittelwerbers anlangt, so sind die schon in erster Instanz bekannt gegebenen Rückzahlungsraten und Betriebskosten für die Eigentumswohnung des Rechtsmittelwerbers nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht abzugsfähig (Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 244 E 3,4). Die Aufzählung der übrigen Auslagen stellt eine im Revisionsrekursverfahren unzulässige Neuerung dar (EFSlg 67.459, 70.377). Abgesehen davon handelt es sich aber auch hiebei um nicht abzugsfähige Auslagen des täglichen Lebens (vgl Purtscheller-Salzmann, Rz 243).

Ebenso unerheblich für die Entscheidung ist die Erwartung des Rechtsmittelwerbers, er werde spätestens am wegen ab diesem Zeitpunkt zu befürchtender Arbeitslosigkeit einen Herabsetzungsantrag zu stellen haben.

Gegen die Rechtsausführungen des Rekursgerichtes vermag der Rechtsmittelwerber nichts ins Treffen zu führen. Auf diese im wesentlichen zutreffenden Entscheidungsgründe wird hingewiesen (§ 16 Abs 3 AußStrG,§ 510 Abs 3 ZPO).

Zur vom Rekursgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage hat der Oberste Gerichtshof in 5 Ob 606/90 = Purtscheller-Salzmann Rz 39 E 1 = EFSlg 61.787, 61.945, 62.613 ausgesprochen, daß der Fall des Halbwaisen von sogenannten Regelbedarfsätzen oder einer sonst üblichen Obergrenze der dem Kind zustehenden Alimentierung so wesentlich abweicht, daß nur nach Ermittlung der konkreten nach den in § 140 Abs 1 ABGB aufgezählten Kriterien zu beurteilenden Lebensverhältnisse gesagt werden kann, welchen Bedarf das Kind hat, um seinen gesamten Lebensunterhalt decken zu können, wozu auch die Mindestpensionshöhen einen Anhaltspunkt liefern können aber nicht müssen (vgl § 293 ASVG). Beim Bedarf ist darauf Bedacht zu nehmen, daß das Kind nach dem Tod seiner Mutter nun auf Betreuung in anderer Weise angewiesen ist und dieser Aufwand aus den zum Lebensunterhalt insgesamt zufließenden Mitteln, also sowohl aus dem Pensionseinkommen als auch aus Unterhaltszahlungen des Vaters zu decken ist. Auch in EvBl 1993/12 = JBl 1993, 238 wurde (von einem verstärkten Senat) dargelegt, daß für die Ermittlung jenes Einkommens, mit dem der Minderjährige alle seine Bedürfnisse einschließlich des für Betreuungsleistungen nötigen Aufwandes bestreiten könnte, sich keine allgemein gültigen Regeln aufstellen lassen. Für einfache Lebensverhältnisse kann aber der Richtsatz im Sinne des § 293 ASVG als Richtschnur gelten (vgl Purtscheller-Salzmann RZ 45).

Im vorliegenden Fall beträgt die Waisenpension ca S 1.500,--, was

zuzüglich des beantragten Unterhaltes von S 2.500,-- insgesamt ca. S

4.000,-- ergibt. Dieser Betrag liegt somit um nur ca S 1.000,-- über

dem Regelbedarf eines gleichaltrigen, von seiner Mutter betreuten Kindes und erheblich unter dem erwähnten Richtsatz. Es entspricht der Lebenserfahrung, daß die durch den Tod der Mutter erheblich höheren Bedürfnisse damit nicht gedeckt werden können. Bei einer solchen Fallgestaltung bedarf es für den Zuspruch des hier begehrten Unterhaltsbetrages keiner Ermittlung konkreter Lebensverhältnisse. Das Rekursgericht hat daher weitere Feststellungen über die Höhe der Bedürfnisse des Halbwaisen zu Recht als entbehrlich angesehen.

Daß die Leistungsfähigkeit des Rechtsmittelwerbers mit einer monatlichen Unterhaltszahlung von S 2.500,-- nicht überschritten wird, hat schon das Rekursgericht erläutert.

Dem unberechtigten Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.