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OGH vom 20.03.1997, 2Ob13/97v

OGH vom 20.03.1997, 2Ob13/97v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef R*****, vertreten durch Dr.Christian Kleinszig und Dr.Christian Puswald, Rechtsanwälte in St.Veit/Glan, wider die beklagte Partei Dr.Sabine C*****, vertreten durch Dr.Dietrich Clementschitsch, Rechtsanwalt in Villach, wegen Unterlassung (Streitwert S 60.000,--), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 379/96d-24, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom , GZ 9 C 3169/95y-17, bestätigt wurde, zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Unterlassung von Immissionen in Form von Steinen und Felsbrocken im Bereich seiner Liegenschaft EZ *****, ausgehend vom Grundstück der Beklagten *****. Dieses Grundstück schließe an seine Liegenschaft hangaufwärts an. 1993 habe die Beklagte rechtswidrig den auf ihrem Grundstück befindlichen Schutzwald durch Kahlschlägerung weitgehend entfernt. Die Folge sei, daß sich insbesondere durch Erosion, Wind- und Wassereinwirkung und aufgrund der steilen Hanglage zahlreiche Steine, zum Teil sogar Felsbrocken, lösten, in seine Liegenschaft eindrängen und dort Schäden anrichteten. Solche Steinschläge habe es zuvor nie gegeben. Die Steinschlaggefahr sei durch die Schlägerung jedenfalls erhöht worden.

Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, ihr Grundstück weise eine steil abfallende Hanglage auf und sei im oberen Drittel von einer senkrechten Felswand durchsetzt. Daß gelegentlich Steine aus dem Wald auf das Nachbargrundstück können, sei ein Naturereignis. Das Erosionsphänomen Steinschlag sei für die unter dem Waldgebiet liegenden Grundstücke eine natürliche und daher ortsübliche Immission, die für deren ortsübliche Nutzung keine außerordentliche Beeinträchtigung darstellen könne. Im übrigen sei Steinschlag nicht erstmals nach der ungesetzlichen Fällung durch den von ihr beauftragten Gewerbebetrieb auf die Liegenschaft des Klägers gelangt. Es handle sich um einen Schutzwald im Sinne des § 21 Abs 1 ForstG und nicht um einen Bannwald im Sinne des § 27 Abs 1 ForstG. Für den vorgenommenen Blößenschlag von 0,3 ha wäre die forstrechtliche Bewilligung jederzeit erteilt worden, und zwar in Verbindung mit eben jenen Wiederaufforstungsmaßnahmen, die aufgetragen und durchgeführt worden seien. Die bisherige Steinschlaghäufigkeit sei durch die konsenslose Schlägerung nicht verändert worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang statt. Es ging hiebei von folgenden Feststellungen aus:

Bei dem im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstück handelt es sich dabei um eine rund 10 ha große Waldfläche, die nördlich an das Grundstück des Klägers anschließt und eine steil nach Süden abfallende Hanglage aufweist, die im nördlichen Drittel von einer senkrechten Felswand durchsetzt ist. Der Kläger betreibt auf seinem Grundstück während der Sommermonate eine Fremdenpension.

Die Waldfläche auf dem Grundstück der Beklagten ist Schutzwald im Sinne der §§ 21 ff Forstgesetz. Im Waldentwicklungsplan des Forstbezirkes Villach wird der Wald mit der höchsten Schutzfunktion bewertet.

Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach-Bezirksforstinspektion vom wurde die Beklagte verpflichtet, das auf ihrem Grundstück befallene Holz und die in der näheren Umgebung befindlichen kranken Stämme bis bekämpfungstechnisch zu behandeln und stockende, von Forstschadinsekten befallene Hölzer vorher zu fällen.

Die Beklagte beauftragte daraufhin ein Holzschlägerungsunternehmen mit der Durchführung dieser Maßnahmen. Im Verlauf der von diesem Unternehmen durchgeführten Arbeiten kam es aufgrund von Anrainerbeschwerden und einer Meldung der Bezirksforstinspektion Villach zu einer örtlichen Überprüfung durch die Bezirkshauptmannschaft Villach im Beisein eines forsttechnischen Amtssachverständigen. Dabei wurde erhoben, daß auf dem Grundstück der Beklagten im Zuge der Fällung von mit Borkenkäfern befallenen Bäumen zusätzlich auch ca 100 Festmeter gesunde, starke Bäume geschlägert wurden. Insgesamt wurde ein Ausmaß der Kahlfläche bzw der unter 0,8 bestockten Fläche von 3000 bis 4000 m2 festgestellt. Die Forstbehörde stellte fest, daß die Fällungsmaßnahmen zudem unsachgemäß durchgeführt wurden, zumal der verbleibende Bestand erhebliche Wipfelbrüche und Rindenverletzungen aufweist, wodurch eine zusätzliche Gefährdung dieser Bäume durch Schadorganismen bewirkt wurde. Die Stabilität des Schutzwaldes sei aufgrund der konsenslos und unsachgemäß vorgenommenen Fällungen im Hinblick auf den felsigen und seichtgründigen Untergrund nicht mehr voll gewährleistet.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach vom wurde die Beklagte gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 in Verbindung mit der Schutzwaldverordnung BGBl Nr 398/1977 "im Zuge der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes" verpflichtet, die in ihrer Parzelle vorhandene Kahlschlagblöße von 0,3 ha bis längstens mit 400 Stück Fichten, 400 Stück Buchen und 400 Stück Eschen aufzuforsten. Weiters wurde bestimmt, daß die Holzarten gruppenweise mit einem Pflanzenabstand von max. 1,5 m zu versetzen seien und die Aufforstung in den Folgejahren zu pflegen, erforderlichenfalls nachzubessern und gegen Wildverbiß zu schützen sei.

Da die Beklagte die laut Bescheid durchzuführenden Maßnahmen in der Folge nicht fristgerecht durchführte, wurde ihr mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Villach vom für die ordnungsgemäße Durchführung der Wiederaufforstungsmaßnahmen auf ihrer Parzelle eine Frist bis spätestens bei Androhung der sonstigen Ersatzvornahme gesetzt.

Im Zuge zweier von der Bezirkshauptmannschaft Villach am 22.5. und (dies auf Antrag des Klägers) durchgeführter Ortsaugenscheine wurde festgestellt, daß die vorgeschriebenen je 400 Stück Fichten, Buchen und Eschen von der Beklagten zwar versetzt worden seien, jedoch durch eine ungünstige Verteilung der Pflanzen (der Unterhang wurde etwas zu dicht aufgeforstet) eine aufforstungsbedürftige kleine Blöße im Oberhang unter dem Felsen freigeblieben und nachzubessern sei. Die Bezirkshauptmannschaft Villach stellte fest, daß von der Beklagten noch folgende Maßnahmen durchzuführen wären: 1. Aufforstung der Blößenfläche unter dem Felsen mit 250 Stück Lärchen und 100 Stück Buchen. 2. Nachbesserung der durch Trockenheit ausgefallenen Fichten durch ca 200 Stück Lärchen. Weiters stellte die Bezirkshauptmannschaft Villach in der Verhandlungsschrift des Ortsaugenscheines vom fest, daß die Aufforstung im Frühjahr 1996 durchzuführen ist, wobei die Tätigkeiten der Bezirksforstinspektion Villach 14 Tage vor der Durchführung mitzuteilen sind. Schließlich wurde der Beklagten noch vorgeschrieben, sämtliche Forstpflanzen ab Herbst 1995 bis zur Sicherung der Kultur gegen Wildverbiß zu schützen und die Forstpflanzen mindestens einmal jährlich von der Schlagvegetation auszuschneiden.

In einer an die Waldbesitzer versandten Verständigung vom stellte die Bezirkshauptmannschaft Villach - Bezirksforstinspektion Villach unter anderem fest, daß der Schutzwald zwischen der Ortschaft Treffen und der Bezirksgrenze zu Feldkirchen auf der Südseite der Gerlitze teilweise verbesserungswürdig sei. Die Unwetterkatastrophen aus dem Jahr 1993 und starke Schäden durch Borkenkäferbefall hätten gezeigt, daß nur standortgemäße und gesunde Wälder die Schutzfunktion optimal erfüllen könnten. Die Bezirksforstinspektion Villach beabsichtige daher die Ausarbeitung eines Schutzwaldverbesserungsprojektes, um die Verbesserung und Erhaltung der Schutzwirkung zu fördern. Weiters führte die Bezirkshauptmannschaft Villach in diesem Schreiben aus, daß für die Durchführung von Maßnahmen keinerlei Zwang und Verpflichtung bestehe.

Am hat der Kläger im Verfahren 7 C 1120/93p des BG Villach im Zuge einer an Ort und Stelle durchgeführten Tagsatzung hinsichtlich einer festgestellten Steinansammlung ausgesagt, daß es sich um Steine handle, die aus der nördlichen Waldparzelle abgekollert seien.

Der wesentliche Teil des Bereiches, in dem die Beklagte den Kahlschlag durchführte, liegt unterhalb der senkrechten Felswand, die das nördliche Drittel ihres Grundstückes durchsetzt. Diese Fläche liegt ca 150 Meter nördlich in der direkten Linie oberhalb des Grundstückes des Klägers in steilem Gelände. Unterhalb dieser Fläche verläuft das Grundstück der Beklagten dann etwas flacher in Richtung des klägerischen Grundstückes. Diese senkrechte Felswand ist Ausgangspunkt von Steinschlägen, insbesondere bei Frostaufkommen oder bei starken Niederschlägen. In diesem Waldbereich gibt es bereits seit Jahrtausenden Steinschlag.

Als im Jahr 1989 im Zuge von Holztransporten die Grasnarbe des Waldes auf dem Grundstück der Beklagten aufgerissen wurde, wurde dabei auch Gestein gelockert und es drangen damals auch Steine in die Liegenschaft des Klägers ein. Ob bereits vor den Schlägerungen durch die Beklagte im Frühjahr 1993 jemals Steine aus der im nördlichen Drittel des Grundstückes der Beklagten gelegenen Felswand in die Liegenschaft des Klägers eingedrungen sind, kann nicht festgestellt werden.

Zu den ca 100 Festmeter gesunden, starken Bäumen, welche die Beklagte im Frühjahr 1993 im Zuge der Fällung von mit Borkenkäfern befallenen Bäumen schlägern ließ, gehörten im Bereich unterhalb der Felswand auch 80 bis 100 Jahre alte Bäume, die zu diesem Zeitpunkt Steinschlagschäden aufwiesen. Dadurch hat sich die Steinschlaggefahr für das unter diesem Bereich liegende Grundstück des Klägers durch die Reduktion der Stammzahl derart erhöht, daß nunmehr das Abgehen von Steinen aus der Felswand oberhalb der Kahlfläche bzw das Hinunterrollen von Steinen erleichtert wird. Andererseits hat sich die Steinschlaggefahr aus dem Bereich der Kahlfläche selbst im Zusammenhang mit der Bringung und Fällung in diesem Bereich erhöht. Eine Erhöhung der Steinschlaggefahr in dem Sinn, daß sich nunmehr auch Steine aus diesem Bereich des Kahlschlages leichter lockern, ist nicht eingetreten. Insbesondere bei starken Niederschlägen oder bei Frostaufkommen hat sich die Steinschlaggefahr für das Grundstück des Klägers durch den Kahlschlag der Beklagten erhöht. Vor der Durchführung des Kahlschlages durch die Beklagten wären Steine, die sich aus der Felswand lösten, wahrscheinlich teilweise durch den 80 bis 100jährigen Baumbestand aufgehalten oder zumindest im Hinblick auf den flacheren Teil des Geländes durch solche Bäume abgebremst worden.

Seit der Durchführung des Kahlschlages durch die Beklagte ist es zumindest einmal, und zwar vor den Osterfeiertagen 1996, zu einem Eindringen eines Felsbrockens aus der Waldfläche der Beklagten auf die Liegenschaft des Klägers gekommen.

Rechtlich führte das Erstgericht unter anderem aus, die Beklagte habe durch die Reduzierung der Stammzahl, die mit den Schlägerungen im steilen Gelände unmittelbar unter der senkrechten Felswand verbunden gewesen sei, eine Erhöhung der Steinschlaggefahr für das Grundstück des Klägers bewirkt und damit einen Zustand geschaffen, der eine unmittelbare Zuleitung der Gesteinsbrocken mit sich bringe. Da es auch tatsächlich bereits zu einem Eindringen eines Felsbrockens in die Liegenschaft des Klägers gekommen sei, liege eine direkte Immission vor, die rechtlich jedenfalls unzulässig sei und abstrakt abgewehrt werden könne. Durch die Erhöhung der Steinschlaggefahr liege rechtlich aber auch ein mittelbares Eindringen vor. Auch ohne Feststellung der Ortsüblichkeit des Steinschlages vor dem Kahlschlag durch die Beklagte und ohne Feststellung, ob bereits vorher Steine aus der Felswand auf das Grundstück des Klägers gelangt seien, liege jedenfalls eine durch den von der Beklagten veranlaßten Kahlschlag verursachte Erhöhung der Steinschlaggefahr vor. Aus diesem Grund könne nicht von einer Auswirkung der natürlichen Beschaffenheit des Nachbargrundstückes, welche hinzunehmen wäre, gesprochen werden. Da dieser Zustand nach wie vor andauere und somit auch Wiederholungsgefahr vorliege, bestehe das Unterlassungsbegehren des Klägers auf der Grundlage des § 364 Abs 2 ABGB zu Recht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Zur Rechtsrüge führte es im wesentlichen folgendes aus:

Im vorliegenden Fall sei die Frage eines zusätzlichen Eindringens von Steinen auf die Liegenschaft des Klägers von dem darüber liegenden Grundstück der Beklagten, welches erst durch die Kahlschlägerung der Beklagten ermöglicht wurde, entscheidend. Die unmittelbare Zuleitung der Gesteinsbrocken sei gemäß § 364 Abs 2 ABGB ohne besonderen Rechtstitel - auf einen solchen könne die Beklagte nicht verweisen - unter allen Umständen unzulässig; auf die Ortsüblichkeit komme es hiebei nicht an, weil unmittelbare Immissionen (mit Ausnahme von dem Schikaneverbot zu unterstellenden Fällen) nicht geduldet werden müßten. Daß die - erhöhte - Gefahrenlage noch andauere, werde von der Beklagten nicht bestritten, weshalb es rechtlich auch ohne Belang sei, inwieweit die Beklagte dem forstbehördlichen Auftrag zur Wiederaufforstung nachgekommen sei.

Wenn die Beklagte in ihrer Rechtsrüge davon ausgehe, daß eine Erhöhung der Steinschlaggefahr aus der Kahlschlagsfläche durch die Schlägerung nicht eingetreten sei, so ändere dies nichts an der festgestellten erhöhten Immission durch aus der Felswand gebrochene Steine, deren Abgang nun nicht mehr oder im geringeren Maß verhindert werde.

Die forstrechtlich unterschiedliche Definition des Schutz- und Bannwaldes sei für die Haftung der Beklagten ohne Bedeutung. Das Schutzinteresse des Forstgesetzes bei der Bestimmung eines Waldes zum Schutzwald sei der Bestand des Waldes. Daneben bestehende weitere schutzwürdige Interessen würden unabhängig davon durch andere Institute der Rechtsordnung abgedeckt; nachbarrechtliche Interessen seien in diesem Sinne aufgrund der immissionsrechtlichen Bestimmungen unabhängig von Schlägerungsbewilligungen der Forstbehörde durchsetzbar. Der verwaltungsrechtliche Konsenswerber habe im Falle der Gefährdung des Nachbarn eben Maßnahmen (seiner Wahl) zu setzen, die eine unbeschadete Rechtsstellung des Nachbarn gewährleisten. Hiezu würde im vorliegenden Fall, wie die Ausage des zuständigen Beamten der Forstbehörde ergeben habe, etwa die Errichtung eines Steinschutzwalles durch einen Bagger in einer Höhe von 2 m genügen.

Die Beklagte habe daher unabhängig von der Art der Entscheidung der Forstbehörde über einen rechtzeitigen Antrag alles vorzukehren, um Immissionen in Form von direkt zugeleiteten Steinbrocken zu unterbinden. Durch das Kahlschlägern im gefährdeten Bereich habe sie Voraussetzungen dafür geschaffen, daß Steinbrocken in den Bereich der Liegenschaft des Klägers gelangen. Dies zu verhindern, sei sie nach den getroffenen Feststellungen nach immissionsrechtlichen Grundsätzen verpflichtet.

Unabhängig von diesen grundsätzlichen Erwägungen liege den Feststellungen des Erstgerichts aber auch der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach- Forstbehörde vom zugrunde. Diesem zufolge sei die Schlägerung des Schutzwaldes (unbekämpftermaßen) unsachgemäß in dem Sinne durchgeführt worden, daß die Erhaltung eines möglichst stabilen, dem Standort entsprechenden Bewuchses mit kräftigem inneren Gefüge bei rechtzeitiger Erneuerung nicht gewährleistet sei. Auch wenn die Forstbehörde eine Schlägerung von 0,3 bis 0,4 ha bewilligt hätte, hätte diese nicht unsachgemäß erfolgen dürfen, was wiederum eine Erhöhung der Steinschlaggefahr für das Grundstück des Klägers mit sich gebracht habe; aus forstlicher Sicht wäre nämlich nur eine sachgerechte Schlägerung bewilligt worden. Daß eine solche zu direkter Immission durch Steinschlag im selben Ausmaß wie nach der unsachgemäß vorgenommenen Kahlschlägerung geführt hätte, habe die Beklagte nicht vorgebracht.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil zu den zu beurteilenden Rechtsfragen in der Rechtsprechung keine Zweifelsfragen bestünden und sich das Berufungsgericht auf höchstgerichtliche Judikatur beziehe.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Interesse der Rechtseinheit und der Rechtsentwicklung zulässig, sie ist aber nicht berechtigt. Die dem Kläger freigestellte Beantwortung der Revision ist verspätet.

Die Mitteilung, daß dem Kläger die Beantwortung der Revision freigestellt werde, wurde ihm am zugestellt, womit die vierwöchige Frist zu laufen begann. Er hat seine Revisionsbeantwortung entgegen der Bestimmung des § 508a Abs 2 ZPO nicht beim Obersten Gerichtshof, sondern beim Erstgericht eingebracht. Beim Obersten Gerichtshof langte die Revisionsbeantwortung erst am , somit nach Fristablauf ein. Sie war daher als verspätet zurückzuweisen (Kodek in Rechberger, § 508a ZPO Rz 2 mwN).

In der Revision macht die Beklagte im wesentlichen geltend, der Steinschlag aus der Felswand werde von Elementarereignissen, wie Frost und starkem Regenfall, ausgelöst; solche Auswirkungen der natürlichen Beschaffenheit des Nachbargrundes stellten weder eine mittelbare noch eine unmittelbare Einwirkung im Sinne des § 364 Abs 2 ABGB dar. Der Oberste Gerichtshof habe in seiner vergleichbaren Lawinenentscheidung SZ 41/150 ausgeführt, daß Fällungsmaßnahmen, die den Deckungsschutz des Unterliegers beseitigen, im Rechtswidrigkeitszusammenhang beurteilt werden müßten. Es müsse eine Vorschrift bestehen und verletzt werden, die den Schutz der Nachbarliegenschaft vor Elementarereignissen zum Zweck habe. Wenn eine solche Schutzvorschrift bestehe, so sei ein Leistungsbegehren möglich, aber kein Unterlassungsbegehren. Das angefochtene Urteil würde der Beklagten eine Erfolgshaftung für gegenwärtige und nachfolgende Naturereignisse auferlegen. Abgesehen davon bleibe das Verfahren ergänzungsbedürftig, weil Feststellungen dazu, daß eine Bannlegung nicht stattgefunden habe und daß die ausgeführte Schlägerung bewilligt worden wäre, fehlten.

Hiezu wurde erwogen:

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob vom Nachbargrund ausgehender Steinschlag immissionsrechtlich hinzunehmen ist. Gemäß § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig.

Nur das mittelbare Eindringen unwägbarer Stoffe ist im Rahmen des Ortsüblichen zu dulden, unmittelbare Zuleitungen können hingegen grundsätzlich unbeschränkt abgewehrt werden. Diesen direkten Immissionen rechtlich gleichgestellt wird das Eindringen grobkörperlicher Stoffe, wie zB Steine oder Erdmassen (Spielbüchler in Rummel2 § 364 ABGB Rz 7 mwN; Jabornegg, Bürgerliches Recht und Umweltschutz, GA 9.ÖJT 12 mwN). Eine Zurechnung von Naturereignissen oder bloßem Naturwirken ist hiebei im allgemeinen aber nicht vorzunehmen (Spielbüchler aaO Rz 11 mwN; Jabornegg aaO 47 ff, 42 mwN; Fink, Zur Haftung des Grundeigentümers für Naturereignisse, ZVR 1985, 129 mwN).

In diesem Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof in SZ 41/150 anläßlich einer Klage wegen drohender Lawinenschäden ausgeführt, der damalige Kläger könne seinen Anspruch (auf Durchführung von Vorkehrungen und Feststellung der Schadenersatzpflicht) nicht auf eine Einwirkung vom Grundstück der Beklagten oder eines anderen, auf dem die Holzschlägerungen vorgenommen wurden, stützen. Im Gegensatz zum Fall des § 364a ABGB gehe die erste Ursache für einen etwaigen Schaden des Klägers nicht von dort aus. Vielmehr könne es sich nur um Naturereignisse handeln, deren Ursachenreihe in höhergelegenen Schneelagen durch Abgleiten von Schneemassen oder durch Aufwirbeln von Schneemengen und deren Absturz eingeleitet werde. Ursächlich für einen Schaden des Klägers könnte nur sein, daß auf den durch Schlägerung entstandenen Kahlflächen kein Hindernis mehr bestünde, weshalb die Naturgewalten darüber hinweggingen und zerstörend auf den Boden des Klägers einwirkten. Im allgemeinen sei niemand verpflichtet, seine Liegenschaft in einem solchen Zustand zu halten, daß der Nachbar oder sonst jemand gegen von außen, also nicht auf dem Grund dieses Liegenschaftsbesitzes, entstehende Einwirkungen geschützt sei. Doch bestünden in zahlreichen Fällen diesbezüglich Vorschriften, kraft deren ein Grundeigentümer seinen Besitz nur auf solche Art benützen dürfe, daß andere gegen Naturereignisse geschützt würden. Es kämen hier die Bestimmungen über die Bannlegung von Waldbesitz und über die Genehmigungspflicht der Schlägerung in Betracht. Zwischen einer unzulässigen Schlägerung und einer Vergrößerung der Lawinengefahr würde gegebenenfalls ein Rechtswidrigkeitszusammenhang bestehen. Nur wenn die Beklagten eine darauf gegründete Verbindlichkeit verletzt haben sollten, könne ihr Verhalten rechtswidrig gewesen sein. Ohne Rechtswidrigkeit gebe es aber keine Schadenersatzpflicht. Weiters wurde ausgeführt, es handle sich um keinen Fall der §§ 364, 364a ABGB. Der Kläger könne daher nicht die Unterlassung eines Eingriffs durch Lawinen verlangen, weil deren Abgang ein Naturereignis und vom Willen der Beklagten unabhängig sei.

In SZ 44/22 wurde die Ansicht vertreten, beim Erwerb eines an einen natürlich gewachsenen Konglomeratfelsen grenzenden Grundstücks sei objektiv erkennbar, daß Einwirkungen durch herabfallendes Gestein auf Dauer nicht auszuschließen seien. Der Erwerber habe damit die Unzukömmlichkeiten auf sich genommen, die mit dem Erwerb einer solchen Liegenschaft verbunden seien. Er könne vom Eigentümer der Nachbarliegenschaft nur zumutbare Vorkehrungen gegen Schäden durch herabfallendes Gestein, Erdreich und größere Äste begehren.

Die Entscheidung SZ 57/187 behandelte den Fall eines Felssturzes, der dem Oberlieger die Stütze entzog. Damals wurde ausgesprochen, daß aus der natürlichen Geländebeschaffenheit wie Felshängen, Bodenerhöhungen usw sich allein aufgrund naturgesetzlicher Vorgänge ergebende Vertiefungen eines Grundstückes nicht der Norm des § 364b ABGB unterstellt werden könnten. Irgendein menschliches Zutun war nicht behauptet worden.

In SZ 57/179 ist die im Zusammenhang mit der Errichtung einer Straße mit behördlicher Bewilligung vorgenommene Rodung und Beseitigung des bisher gegebenen Deckungsschutzes gegen Wind als Immission im Sinne des § 364 Abs 2 ABGB gewertet worden, die für den dadurch verusachten Schaden gemäß § 364a ABGB ersatzpflichtig mache, wenn sie in einer das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreitenden Weise notwendigerweise zur Folge habe, daß die ortsübliche Benutzung eines Nachbargrundstückes wesentlich beeinträchtigt werde (vgl auch JBl 1989, 646).

Die von der Rechtsmittelwerberin als Fortschreibung von SZ 41/150 bezeichnete Entscheidung JBl 1989, 101 ist insoweit nicht einschlägig, als es nicht um die Auswirkungen von Elementarereignissen, sondern um Lärmbelästigung und Luftverunreinigung durch einen Gewerbebetrieb ging und insbesondere die Frage geprüft wurde, ob ein nachbarrechtlicher Unterlassungsanspruch schon allein wegen Fehlens einer gewerbebehördlichen Genehmigung besteht.

Nach Auffassung des erkennenden Senates ist grundsätzlich daran festzuhalten, daß nachbarrechtliche Ansprüche ausgeschlossen sind, wenn es sich um Elementarereignisse handelt, die ohne menschliches Zutun eintreten. Nun stellt zwar eine forstwirtschaftliche Waldnutzung an sich bereits einen Eingriff in die Natur dar, der eine Veränderung gegenüber dem Zustand eines Urwaldes mit sich bringt. Dennoch löst nicht schon jegliche Waldbewirtschaftung eine Immissionshaftung für Steinschlag- oder Lawinengefahr aus. Auch dann steht im Vordergrund die Naturgewalt, deren Auswirkungen im allgemeinen dem Waldeigentümer nicht zuzurechnen sind. Wird aber eine im Hinblick auf das Naturwirken besonders gefährliche Nutzungsart gewählt, kann eine nachbarrechtliche Verantwortlichkeit bestehen (vgl Jabornegg aaO 97).

Richtig hat das Berufungsgericht erkannt, daß immissionsrechtliche Ansprüche grundsätzlich unabhängig von forstrechtlichen Bestimmungen bestehen. Daß ein Verhalten öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht, schließt einen Anspruch gemäß § 364 ABGB ebensowenig aus, wie umgekehrt der Verstoß gegen öffentliches Recht nicht schon einen privatrechtlichen Unterlassungsanspruch begründet (Spielbüchler aaO Rz 20 mwN; Jabornegg aaO 28 ff; vgl JBl 1989, 101; RIS-Justiz RS0010484). Mehr als eine hilfsweise Heranziehung öffentlich-rechtlicher Vorschriften kommt bei der Beurteilung privatnachbarrechtlicher Abwehransprüche nicht in Betracht (Jabornegg, ebendort).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies folgendes: Zunächst ist festzuhalten, daß die Steinschlaggefahr - anders als die Lawinengefahr in SZ 41/150 - vom Grundstück der Beklagten selbst, nämlich von der dort gelegenen Felswand ausgeht. Diese Gefahr für das Nachbargrundstück des Klägers hat die Beklagte dadurch herbeigeführt (oder zumindest wesentlich erhöht), daß sie unmittelbar unterhalb dieser Felswand einen Kahlschlag in erheblichem Ausmaß vornehmen ließ, der überdies unsachgemäß in einer dem inneren Gefüge des Bewuchses abträglichen Weise vorgenommen wurde. Damit hat sie eine besonders gefährliche Nutzungsart gewählt, weshalb sie die hiedurch begünstigten Auswirkungen der Naturgewalten immissionsrechtlich zu verantworten hat. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen wurde die Steinschlaggefahr für die Liegenschaft des Klägers durch den Kahlschlag tatsächlich erhöht und ist es auch schon mindestens einmal zum Eindringen eines Felsbrockens gekommen. Daß auch vor dieser Schlägerung Steine aus der Felswand auf sein Grundstück gelangt wären, konnte hingegen nicht festgestellt werden.

Ob die Forstbehörde die durchgeführte Schlägerung bei rechtzeitiger Antragstellung genehmigt hätte, ist hier im Hinblick auf die selbständige Anknüpfung des privatrechtlichen Unterlassungsanspruches nicht entscheidend; zutreffend hat überdies schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß die Behörde wohl nur eine sachgerechte Schlägerung bewilligt hätte. Daß Bannwald geschlägert worden wäre, hat das Erstgericht ohnehin nicht festgestellt.

Zusammenfassend ergibt sich, daß der Kläger das Eindringen von Felsbrocken aus der Nachbarliegenschaft auf sein Grundstück nicht hinnehmen muß. Von einem bloßen Naturwirken oder höherer Gewalt kann unter den festgestellten Umständen nicht mehr gesprochen werden. Der Unterlassungsanspruch des Klägers besteht daher zu Recht.

Der Revision der Beklagten war demnach ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.