OGH vom 24.09.2019, 6Ob120/19v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. G*****, vertreten durch Dr. Dieter Rautnig, Rechtsanwalt in Graz, und dessen Nebenintervenientin L***** GmbH & Co KG, *****, gegen die beklagte Partei J***** D.O.O. *****, Bosnien und Herzegowina, vertreten durch Mag. Thomas Pfaller, Rechtsanwalt in Wien, wegen 114.631,66 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 37/19x-33, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2, § 528 Abs 3 Satz 2 und § 521a Abs 2 ZPO abgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Frage der Wirksamkeit des Abschlusses einer Gerichtsstandsvereinbarung richtet sich nach Art 25 EuGVVO 2012, der weitgehend Art 23 EuGVVO in der Fassung der Verordnung (EG) Nr 44/2001 entspricht. Gemäß Art 25 EuGVVO 2012 können auch Personen mit (Wohn-)Sitz in Drittstaaten die Zuständigkeit mitgliedstaatlicher Gerichte vereinbaren. Der Begriff der Gerichtsstandsvereinbarung, der autonom auszulegen ist, bedeutet eine übereinstimmende Willenserklärung der Parteien über die Zuständigkeitsbegründung (RS00117156). Das Vorliegen einer übereinstimmenden Willenserklärung ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Nur im Fall einer im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung der zweiten Instanz liegt eine erhebliche Rechtsfrage nach § 528 Abs 1 ZPO vor (RS0117156 [T5]; RS0114604 [T8]). Eine solche vermag der außerordentliche Revisionsrekurs nicht aufzuzeigen.
1. Voraussetzung für das Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung iSd Art 25 EuGVVO ist, dass die zuständigkeitsbegründende Klausel tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung zwischen den Parteien war, die klar und deutlich zum Ausdruck gekommen ist; es soll gewährleistet sein, dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht. Einer Klausel, die von den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften abweicht, müssen die Parteien tatsächlich zugestimmt haben (RS0113571 [T1]). Die Willenseinigung ist von der Partei zu beweisen, die sich – wie hier der Kläger – auf die zuständigkeitsbegründende Klausel beruft (RS0114192). Art 25 Abs 1 EuGVVO normiert Mindesterfordernisse an die vertragliche Vereinbarung, die keine Beweisregeln, sondern Wirksamkeitsvoraussetzungen darstellen (RS0114193 [T7]). Die Voraussetzungen für die Gültigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen sind eng auszulegen (RS0114604 [T1]; [Estasis Salotti/Ruwa] EU:C:1976:177), weil nach der Zielsetzung des Art 25 EuGVVO Zuständigkeitsvereinbarungen nicht unbemerkt Inhalt des Vertrags werden sollen (RS0114604 [T5, T 10]; RS0113570 [T7]).
2. Dem Erfordernis der Schriftlichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 25 EuGVVO durch Bezugnahme auf Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), in denen eine Gerichtsstandsklausel enthalten ist, ist zwar entsprochen, wenn der Vertragstext ausdrücklich auf die AGB Bezug nimmt (RS0111715; RS0109865 [T1]). Dies gilt jedoch nur für den Fall eines deutlichen Hinweises, dem eine Partei bei Anwendung der normalen Sorgfalt nachgehen kann, und wenn feststeht, dass der anderen Partei mit dem Vertragstext, auf den Bezug genommen worden ist, auch die eine Gerichtsstandklausel enthaltenden AGB tatsächlich zugegangen sind ( [Estasis Salotti/Ruwa] EU:C:1976:177; RS0111716). Darüber hinaus müssen die eine Gerichtsstandklausel enthaltenden AGB den Vertragspartnern spätestens im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorliegen (4 Ob 161/14a; RS0111716; RS0115079 [T2]; RS0109865 [T4, T 5]).
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen, die der Kläger im Revisionsrekursverfahren unzulässigerweise bekämpft, liegen diese Voraussetzungen hier nicht vor.
3. Die Berufung des Klägers auf § 88 Abs 1 JN übergeht die ständige Rechtsprechung, wonach in der betreffenden Vereinbarung der Ort des Gerichtsstands bzw der Erfüllungsort namentlich genannt werden müssen (RS0046687). Die vom Kläger behauptete Vereinbarung „Hinsichtlich der Rechnungslegung an die Bosnische J*****: Der Leistungsort liegt in Österreich ...“ wird dem nicht gerecht, worauf bereits das Rekursgericht hingewiesen hat.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00120.19V.0924.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.