Suchen Hilfe
OGH 04.11.2019, 3Ob181/19t

OGH 04.11.2019, 3Ob181/19t

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Priv.-Doz. Dr. Rassi und Mag. Painsi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in den verbundenen Familienrechtssachen 1. des Antragstellers M*, vertreten durch BHF Briefer Hüller Frohner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Antragsgegner Mag. A*, vertreten durch Ing. Mag. Andreas Reiff, Rechtsanwalt in Stockerau, wegen Unterhalts Volljähriger (16 Fam 14/18g), 2. des Antragstellers Mag. A*, vertreten durch Ing. Mag. Andreas Reiff, Rechtsanwalt in Stockerau, gegen den Antragsgegner M*, vertreten durch BHF Briefer Hüller Frohner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Enthebung von der Unterhaltsverpflichtung (16 Fam 20/18i und 16 Fam 24/18b), über den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs des Antragsgegners des führenden Verfahrens gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 283/19d-56, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom , GZ 16 Fam 14/18g, 20/18i, 24/18b-46, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Der Antragsteller des führenden Verfahrens und Antragsgegner der beiden verbundenen Verfahren (im Folgenden kurz: Antragsteller) ist der Sohn des Antragsgegners des führenden Verfahrens und Antragstellers der verbundenen Verfahren (im Folgenden kurz: Antragsgegner).

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom wurde der Antragsgegner zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 289,57 EUR an den Antragsteller verpflichtet.

Der Antragsteller begehrte (im führenden Verfahren) zuletzt die Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners für den Zeitraum März 2016 bis einschließlich August 2018 auf monatlich 935 EUR.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung dieses Antrags. In den beiden verbundenen Verfahren beantragte er, einerseits seine Unterhaltsverpflichtung für den Zeitraum März 2016 bis einschließlich August 2018 und andererseits seine – im führenden Verfahren mit Teilvergleich vom beginnend mit festgelegte – monatliche Unterhaltsverpflichtung in Höhe von 800 EUR ab für erloschen zu erklären.

Das Erstgericht erhöhte die Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners – unter Abweisung des Mehrbegehrens – auf 750 EUR monatlich für den Zeitraum März bis September 2016, auf 835 EUR monatlich für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2016, auf 780 EUR monatlich für das Jahr 2017, auf 830 EUR monatlich für den Zeitraum Jänner bis Mai 2018 und auf 890 EUR monatlich für den Zeitraum Juni bis August 2018. Die Anträge des Antragsgegners wies es zur Gänze ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners, der sich sowohl gegen die Unterhaltserhöhung als auch gegen die Abweisung seiner Anträge richtete, nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der „außerordentliche“ Revisionsrekurs des Antragsgegners, den das Erstgericht direkt dem Obersten Gerichtshof vorlegte.

Rechtliche Beurteilung

Diese Vorlage widerspricht der Rechtslage.

1. Gemäß § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs – außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. In einem solchen Fall kann eine Partei nach § 63 Abs 1 und Abs 2 AußStrG einen Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung).

2. Im Unterhaltsbemessungsverfahren hat das Rekursgericht keine Bewertung des Entscheidungsgegenstands gemäß § 59 Abs 2 AußStrG vorzunehmen, weil der Streitgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur ist und ausschließlich in einem Geldbetrag besteht. Maßgeblich ist grundsätzlich allein der 36-fache Betrag jenes monatlichen Unterhaltsbeitrags, der zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz zwischen den Parteien noch strittig war. Dabei ist regelmäßig auf den laufenden Unterhalt abzustellen, während außerdem begehrte bereits fällige Ansprüche nicht zusätzlich zur dreifachen Jahresleistung zu bewerten sind (RIS-Justiz RS0122735 [T5, T8]).

3. Während das Erhöhungsbegehren des Antragstellers ausschließlich einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum betrifft, beziehen sich die Anträge des Antragsgegners auf Unterhaltsenthebung auch auf den laufenden Unterhalt von 800 EUR monatlich. Ausgehend davon übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands daher nicht 30.000 EUR (36 x 800 EUR = 28.800 EUR).

4. Wird gegen eine Entscheidung, die nur mit Zulassungsvorstellung angefochten werden kann, ein ordentlicher oder ein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben, so hat das Erstgericht dieses Rechtsmittel – auch wenn es direkt an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist – dem Rekursgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel als Anträge iSd § 63 AußStrG zu werten sind (RS0109623 [T13]). Ob der dem Rekursgericht vorzulegende Schriftsatz den Erfordernissen des § 63 Abs 1 AußStrG entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RS0109623 [T14]).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Priv.-Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr, Dr. Kodek und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in den verbundenen Familienrechtssachen 1. des Antragstellers M*, vertreten durch BHF Briefer Hüller Frohner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Antragsgegner Mag. A*, vertreten durch Ing. Mag. Andreas Reiff, Rechtsanwalt in Stockerau, wegen Unterhalts Volljähriger (AZ 16 Fam 14/18g; führend), und 2. des Antragstellers Mag. A*, vertreten durch Ing. Mag. Andreas Reiff, Rechtsanwalt in Stockerau, gegen den Antragsgegner M*, vertreten durch BHF Briefer Hüller Frohner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Enthebung von der Unterhaltsverpflichtung (AZ 16 Fam 20/18i und AZ 16 Fam 24/18b), über den Revisionsrekurs des Mag. A* gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 283/19d-56, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom , GZ 16 Fam 14/18g, 20/18i, 24/18b-46, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurswerber ist schuldig, dem Revisionsrekursgegner die mit 834,07 EUR (hierin enthalten 139,01 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Antragsgegner des führenden Verfahrens (im Folgenden: Antragsgegner) ist der Vater des Antragstellers des führenden Verfahrens (im Folgenden: Antragsteller). Er wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 289,57 EUR an den Antragsteller verpflichtet.

Im Wintersemester 2014/15 war der Antragsteller „auf Drängen beider Elternteile“ an der Universität Klagenfurt für das Bachelorstudium Technische Mathematik inskribiert, dies insbesondere um den Anspruch auf Familienbeihilfe nicht zu verlieren. Im Anschluss daran leistete er bis Februar 2016 seinen Zivildienst ab. Seit März 2016 betreibt er an der Universität Wien das Bachelorstudium Mathematik mit einer Regelstudiendauer von sechs Semestern und insgesamt 180 zu erreichenden ECTS. Die durchschnittliche Studiendauer beträgt rund neun Semester. „Bis dato“ [bis zur Beschlussfassung des Erstgerichts am ] hat der Antragsteller in diesem Studium in fünf absolvierten Semestern insgesamt (nur) 89 ECTS erreicht, nämlich neun im Sommersemester 2016, 24 im Wintersemester 2016/17, 14 im Sommersemester 2017 und je 21 im Wintersemester 2017/18 und im Sommersemester 2018.

Von Oktober 2017 bis September 2018 erzielte der Antragsteller ein Eigeneinkommen von insgesamt 670 EUR (also rund 55 EUR pro Monat). Der Antragsgegner verdiente im Jahr 2016 [monatlich] 4.172,68 EUR, 2017 [monatlich] 4.477,06 EUR und 2018 [monatlich] 4.769,58 EUR (jeweils inklusive Sonderzahlungen).

Im Zeitraum bis leistete der Antragsgegner [gemeint: über den bisherigen Unterhaltstitel hinausgehende] monatliche Mehrbeträge von 242,80 EUR.

Der Antragsteller beantragte (im führenden Verfahren AZ 16 Fam 14/18g des Erstgerichts) letztlich – nach Abschluss eines Teilvergleichs in der Tagsatzung vom , womit sich der Antragsgegner beginnend mit zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 800 EUR bis auf weiteres, längstens bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit verpflichtete – die Erhöhung seines Unterhaltsanspruchs auf monatlich 935 EUR ab (unter Anrechnung der geleisteten Zahlungen). Im Wintersemester 2014/15 habe er zwar das Studium der Technischen Mathematik inskribiert, aber nicht zielstrebig verfolgt, weil er gewusst habe, dass er es nach einem Semester wegen des von ihm abzuleistenden Zivildienstes für ein Jahr unterbrechen werde müsse. Nach dem Zivildienst in Klagenfurt sei er im Februar 2016 nach Wien übersiedelt und habe das Bachelorstudium Mathematik inskribiert, das vom Studienplan in der Studieneingangs- und Orientierungsphase der Technischen Mathematik in Klagenfurt stark abweiche. Es sei um einiges schwieriger, ein aufbauendes Studium wie Mathematik im Sommersemester zu beginnen, weil Lehrveranstaltungen nur zyklisch angeboten würden und grundlegende Techniken des mathematischen Arbeitens aus den Lehrveranstaltungen des Wintersemesters vorausgesetzt würden. Obwohl er das Versäumte aus dem Wintersemester parallel zu den besuchten Lehrveranstaltungen nachgeholt habe, sei ihm nicht der gewünschte Studienerfolg gelungen. Er habe den Sommer 2016 genutzt, um sein selbständiges Leben in Wien zu regeln. Mittlerweile betreibe er sein Studium durchaus ernsthaft und zielstrebig.

Der Antragsgegner beantragte im Gegenzug (zu AZ 16 Fam 20/18i des Erstgerichts) die Feststellung seiner Unterhaltsbefreiung für den Zeitraum März 2016 bis einschließlich August 2018 und – nach Abschluss des Teilvergleichs vom – (zu AZ 16 Fam 24/18b des Erstgerichts) überdies (schon am ) die Feststellung, dass seine Unterhaltsverpflichtung mit erloschen sei. Der Antragsteller habe sein Studium niemals ernsthaft und zielstrebig betrieben. Sowohl beim Studium der Technischen Mathematik (Klagenfurt) als auch jenem der Mathematik (Wien) handle es sich um ein Bachelorstudium mit einer Regelstudienzeit von sechs Semestern und 180 ECTS-Punkten. Naturgemäß seien die einführenden Lehrveranstaltungen beinahe ident und würden von den Universitäten im Regelfall problemlos gegenseitig angerechnet. Das Wintersemester 2014/15 sei daher jedenfalls in die Studienzeit einzurechnen. Innerhalb von fünf Semestern (einschließlich des Wintersemesters 2014/15) habe der Antragsteller lediglich 68 ECTS absolviert; dies entspreche 55 % der notwendigen Leistung für ein Erreichen der aufgerundeten durchschnittlichen Studienzeit von – ausgehend vom Medianwert anstelle des Mittelwerts – (nur) acht Semestern bzw dem normalen Studienerfolg nach zwei Semestern gemäß Regelstudienzeit. Realistischerweise werde der Antragsteller auch durch ein ab sofort zielstrebig betriebenes Studium nur eine Gesamtstudienzeit von zumindest zehn Semestern erreichen.

Das Erstgericht erhöhte die Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners gegenüber jener laut Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom auf insgesamt 750 EUR monatlich für den Zeitraum März bis September 2016, auf 835 EUR monatlich für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2016, auf 780 EUR monatlich für das Jahr 2017, auf 830 EUR monatlich für den Zeitraum Jänner bis Mai 2018 und auf 890 EUR monatlich für den Zeitraum Juni bis August 2018, während es das Mehrbegehren abwies. Die Anträge des Antragsgegners, den Unterhaltsanspruch des Antragstellers im Zeitraum März 2016 bis August 2018 sowie ab Oktober 2018 für erloschen zu erklären, wies es ab. Entscheidend für die Aufrechterhaltung des Unterhaltsanspruchs während des Studiums sei, dass das Kind dieses ernsthaft und zielstrebig betreibe. Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit seien zu bejahen, wenn die durchschnittliche Studiendauer und eine gewisse Prüfungsfrequenz eingehalten würden. Ein einmaliger Studienwechsel beeinträchtige den Unterhaltsanspruch nicht, wenn er aus gerechtfertigten Gründen, etwa aus entschuldbarem Irrtum über das Erststudium, und ohne unnötigen Aufschub erfolge. Dies sei hier der Fall. Angesichts der durchschnittlichen Studiendauer von rund neun Semestern müssten pro Semester 20 ECTS erreicht werden. Bis einschließlich des fünften Semesters habe der Antragsgegner 89 der insgesamt notwendigen 180 ECTS, also durchschnittlich 17,8 ECTS pro Semester absolviert, und damit 89 % der Leistung, die zur Einhaltung der durchschnittlichen Studiendauer erforderlich sei. Aufgrund der gebotenen ex-post-Betrachtung könne sein Studienfortschritt durchwegs als ernsthaft und zielstrebig bezeichnet werden, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die ständige Rechtsprechung eine stark unterdurchschnittliche Leistung verlange, um die Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit des Studierenden anzuzweifeln. Die Anträge des Antragsgegners, die richtigerweise auf Enthebung von der Unterhaltsverpflichtung zu lauten hätten, seien daher abzuweisen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners nicht Folge. Es sei nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht die vom Antragsgegner bekämpfte Feststellung über die durchschnittliche Studiendauer auf Basis des Mittelwerts und nicht des Medianwerts getroffen habe, weil der Mittelwert (das arithmetische Mittel) alle Abschlüsse im betreffenden Zeitraum einbeziehe, während der Medianwert die Dauer der schnellsten 50 % der Abschlüsse dieses Zeitraums zeige. Soweit der Rekurswerber auf dem Standpunkt stehe, dass der Antragsteller keinen Studienwechsel vorgenommen habe, sondern sein bisheriges Studium bloß an einem anderen Studienort fortgesetzt habe, entferne er sich vom festgestellten Sachverhalt. Ein einmaliger Studienwechsel sei, insbesondere nach dem ersten Studienjahr, jedenfalls zulässig und führe nicht zum Verlust des Unterhaltsanspruchs. Die Studiendauer des Antragstellers in Klagenfurt sei daher nicht zu berücksichtigen. Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, wonach der Antragsteller, der sich noch dazu nahezu laufend in seinen Leistungen steigere, ernsthaft und zielstrebig studiere, sei nicht zu beanstanden. Bei der Beurteilung der Frage der Zumutbarkeit der Finanzierung eines Studiums seien stets die Verhältnisse einer „intakten Familie“ heranzuziehen. In einer solchen würde aber ein akademisch gebildeter und über ein überdurchschnittliches Einkommen von rund 4.500 EUR monatlich verfügender Vater seinem Sohn wohl einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von durchschnittlich rund 800 EUR als Zuschuss auch dann weiter gewähren, wenn mit einer gewissen Überschreitung der Durchschnittsstudiendauer zu rechnen sei. Der Antrag des Antragsgegners, seinen Unterhaltsanspruch ab dem für erloschen zu erklären, sei schon deshalb abzuweisen, weil er wesentliche Umstandsänderungen seit dem Teilvergleich vom nicht habe nachweisen können.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nachträglich zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob für die Ermittlung der durchschnittlichen Studiendauer als Richtlinie für die Frage, ob ein Studium ernsthaft und zielstrebig verfolgt werde, der von den Universitäten bekannt gegebene Medianwert oder aber der Mittelwert heranzuziehen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Dass die Vorinstanzen einen Studienwechsel des Antragstellers (vom Studium der Technischen Mathematik in Klagenfurt zum Studium der Mathematik an der Universität Wien) bejahten – und folglich das in Klagenfurt absolvierte Semester nicht in die Dauer seines Studiums in Wien einrechneten (vgl RS0047679) –, ist nicht zu beanstanden. Wie schon ihre unterschiedliche Bezeichnung belegt, handelt es sich nämlich um zwei verschiedene Studienrichtungen, wenngleich sie zweifellos thematisch verwandt sind. Der vom Revisionsrekurswerber vermissten näheren Feststellungen zu den jeweiligen Studieninhalten bedurfte es daher nicht.

2.1. Nach ständiger Rechtsprechung hat ein noch nicht selbsterhaltungsfähiges studierendes Kind so lange Anspruch auf Unterhalt, als es sein Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt, was in der Regel zu bejahen ist, wenn die durchschnittliche Studiendauer für das betreffende Fach nicht überschritten wird (RS0083694). Die durchschnittliche Gesamtstudiendauer der betreffenden Studienrichtung bildet die Grenze für eine unzumutbare Belastung des Unterhaltspflichtigen (RS0110600 [T4]).

2.2. Die Vorinstanzen haben für die Ermittlung der durchschnittlichen Studiendauer zutreffend auf das arithmetische Mittel und nicht auf den – aus der vom Erstgericht eingeholten Auskunft der Universität Wien ebenfalls hervorgehenden – Medianwert abgestellt. Beim Medianwert handelt es sich nämlich gerade nicht um den nach der Rechtsprechung relevanten Durchschnittswert (also das arithmetische Mittel der Studiendauer), sondern er sagt als numerischer Wert lediglich aus, dass 50 % der Absolventen kürzer und 50 % länger für den Abschluss dieses Studiums benötigt haben, sodass nicht die hier interessierende Studiendauer aller Absolventen in dessen Ermittlung einfließt.

3.1. Die Kontrolle, ob ein Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird, hat bei – wie hier – fehlender Gliederung in Studienabschnitte durch eigenständige Beurteilung der vom Unterhaltswerber erbrachten Leistungen zu erfolgen (RS0120928). Ob ein Kind seinen Unterhaltsanspruch verliert, weil es seine Ausbildung nicht zielstrebig betreibt, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls entschieden werden (RS0008857). Dabei ist ein zielstrebiger Studienerfolg nicht zwingend bereits dann zu verneinen, wenn nach schlichtem Dividieren die pro Semester erreichten ECTS-Punkte nicht (stets) jenen Punkten entsprechen, die bei einer durchschnittlichen Studiendauer im rechnerischen Durchschnitt auf ein Semester entfallen (4 Ob 40/18p; 7 Ob 131/19v). Auch Anpassungs- und Umstellungsschwierigkeiten beim Beginn eines Universitätsstudiums sind angemessen zu berücksichtigen (6 Ob 118/14t).

3.2. An dieser Rechtsprechung haben sich die Vorinstanzen orientiert. Die aufgrund der Feststellungen bejahte Zielstrebigkeit ist nicht korrekturbedürftig. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Antragsteller, wie sich aus der vom Antragsgegner selbst mit seinem Revisionsrekurs vorgelegten Bestätigung der Universität Wien vom ergibt, im Sommersemester 2018 insgesamt 26 ECTS (und nicht nur, wie vom Erstgericht aufgrund der ihm damals vorliegenden Bestätigung vom festgestellt, 21 ECTS) erreicht und damit – nach dem ersten Semester (Sommersemester 2016) mit nur 9 ECTS – in den daran anschließenden vier Semestern (Wintersemester 2016/17 bis einschließlich Sommersemester 2018) insgesamt 85 ECTS erzielt hat. Damit hat er aber in diesem Zeitraum im Schnitt mehr als jene 20 ECTS pro Semester erreicht, die für die Absolvierung des Studiums innerhalb der durchschnittlichen Dauer von neun Semestern erforderlich sind. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kann daher – für den relevanten Zeitpunkt der Erlassung des Beschlusses durch das Erstgericht (RS0006801) – nicht gesagt werden, dass der Antragsteller die durchschnittliche Studiendauer von neun Semestern jedenfalls überschreiten werde.

3.3. Schon deshalb fehlt auch jede Grundlage für eine Abänderung des ab verglichenen Unterhalts.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO. Die Parteien haben die Kosten für den Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung zwar (wie auch schon im Rekursverfahren) auf Basis von 33.535 EUR verzeichnet, Bemessungsgrundlage ist gemäß § 9 Abs 2 und 3 RATG jedoch nur die einfache Jahresleistung der geforderten Erhöhung oder Herabsetzung. Während das Erhöhungsbegehren des Antragstellers ausschließlich einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum betrifft, beziehen sich die Anträge des Antragsgegners auf Unterhaltsenthebung auch auf den laufenden Unterhalt von 800 EUR monatlich. Die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung stehen dem Antragsteller daher nur auf Basis von 9.600 EUR (12 x 800 EUR) zu (RS0121989 [T1]).

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2019:E126844
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAD-46861