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OGH vom 29.01.2002, 4Ob290/01b

OGH vom 29.01.2002, 4Ob290/01b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria F*****, vertreten durch Dr. Klaus Herke, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Josef F*****, vertreten durch Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt in Innsbruck, und den Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei Dr. Helge M*****, vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalts (Streitwert 300.240 S), infolge Rekurses des Nebenintervenienten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 235/01g-34, womit die Berufungsbeantwortung des Nebenintervenienten zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Gericht zweiter Instanz wird die Fortsetzung des Berufungsverfahrens unter Berücksichtigung eines wirksamen Betritts des Nebenintervenienten aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist die Mutter des Beklagten. Ihre Ehe mit dem Vater des Beklagten wurde mit Urteil des Erstgerichts vom , 1 C 1175/96k, aus dem Alleinverschulden des Ehegatten geschieden, der zugleich auch zu Unterhaltszahlungen verpflichtet wurde. Mit einem vom Nebenintervenienten errichteten Notariatsakt (Übergabsvertrag) übergab der Vater des Beklagten diesem seine Liegenschaft. Der Beklagte räumte im Gegenzug unter anderem seinen Eltern ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an der bisherigen Ehewohnung ein und verpflichtete sich, zwei Darlehen seiner Eltern zur Rückzahlung zu übernehmen und die Beerdigungskosten seiner Eltern zu tragen.

Die Klägerin begehrt, den Beklagten zur Zahlung der Unterhaltsrückstände laut Zuspruch im Scheidungsurteil und zur Zahlung von monatlich 8.340 S ab Mai 2000 zu verpflichten. Der Beklagte habe den Übergabsvertrag abgeschlossen, obwohl er gewusst habe, dass mit seinem Vater jegliche Einnahmequelle abgeschnitten werde und damit die Klägerin keine Unterhaltszahlungen mehr erlangen könne. Diese Verkürzung ihrer Unterhaltsansprüche berechtige die Klägerin, vom Beklagten jene Unterhaltszahlungen zu verlangen, die nach der Hofübergabe vom unterhaltspflichtigen Übergeber nicht mehr einbringlich zu machen seien. Darüber hinaus bestehe auch eine eigene Unterhaltspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin. Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Im Zeitpunkt der Hofübergabe habe er von der Scheidung seiner Eltern nichts gewusst. Er habe den Hof allein deshalb übernommen, um ihn im Familienverband zu erhalten. Eine Verkürzung von Unterhaltsansprüchen der Klägerin sei bei der Übergabe kein Thema gewesen.

Mit am eingelangtem Schriftsatz (ON 14) verkündete der Beklagte dem Nebenintervenienten den Streit und forderte ihn auf, auf seiner Seite dem Streit beizutreten. Mit am eingelangtem Schriftsatz (ON 19) erklärte der Nebenintervenient seinen Beitritt auf Seite des Beklagten. Der Schriftsatz trägt den Vermerk "Je eine weitere Ausfertigung dieses Schriftsatzes wurde dem KV und dem BV gem § 112 ZPO auf direktem Weg übermittelt". Die Zustellung dieses Schriftsatzes an die Parteienvertreter ist nicht aktenkundig. In der Tagsatzung vom (ON 21) wurde der Schriftsatz verlesen und vorgetragen. In der Folge erstattete der Rechtsvertreter des Nebenintervenienten ein weiteres Vorbringen (das vom Vertreter der Klägerin bestritten wurde) und beteiligte sich an der Beweisaufnahme, indem er Fragen an die vernommenen Personen richtete; in der Tagsatzung vom stellte er auch verschiedene prozessuale Anträge.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, der Klägerin ab September 1996 monatliche Unterhaltsleistungen zu erbringen, dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Gegen diese Entscheidung erhoben beide Parteien Berufung. Der Nebenintervenient erstattete eine Berufungsbeantwortung zur Berufung der Klägerin.

Das Berufungsgericht wies die Berufungsbeantwortung des Nebenintervenienten zurück. Es liege kein rechtswirksamer Beitritt vor, weil die Rechtswirkungen der Nebenintervention erst mit der Zustellung des Beitrittsschriftsatzes an die Parteien einträten, die Zustellung aber gem § 25 ZPO vom Gericht anzuordnen sei. Ein derartiger vom Gericht angeordneter Zustellvorgang liege nicht vor und könne auch nicht durch Verlesung des Beitrittsschriftsatzes in der mündlichen Verhandlung ersetzt werden. Der Weg einer direkten Zustellung gem § 112 ZPO stehe nur Parteien offen; die noch nicht rechtswirksam beigetretene Nebenintervenientin sei aber noch nicht Verfahrenspartei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Nebenintervenientin ist jedenfalls zulässig (Kodek in Rechberger, ZPO2 § 519 Rz 3); das Rechtsmittel ist auch berechtigt. Der Nebenintervenient vertritt den Standpunkt, seine Beitrittserklärung sei spätestens durch Vortrag des Beitrittsschriftsatzes in der Tagsatzung am rechtswirksam geworden, zumal keine der Parteien dem Beitritt widersprochen habe. Der Nebenintervenient werde durch den angefochtenen Beschluss in seinem rechtlichen Gehör verletzt.

Der erkennende Senat hat erst jüngst (Beschluss vom , 4 Ob 224/01x) zu einem nahezu identen Sachverhalt folgendes ausgeführt:

"Der Beitritt als Nebenintervenient ist gemäß § 18 Abs 1 ZPO gegenüber dem Gericht zu erklären. Er wird mit Zustellung des Beitrittsschriftsatzes an beide Parteien wirksam (EvBl 1999/148 mwN). Die Beitrittserklärung kann aber auch durch Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung erfolgen (SZ 68/218). Das Gericht hat, noch ehe es die Zustellung eines Beitrittsschriftsatzes anordnet, von Amts wegen die formellen Beitrittsvoraussetzungen zu prüfen und die Nebenintervention bei deren Verneinung zurückzuweisen (EvBl 1999/148 mwN aus Lehre und Rsp). Deixler-Hübner (Die Nebenintervention im Zivilprozess, 72 ff) stellt mit beachtlichen Gründen die Richtigkeit der herrschenden Auffassung, der Beitritt eines Nebenintervenienten werde erst mit der vollzogenen Zustellung an beide Parteien wirksam, in Frage. Ihrer Ansicht nach sei eine Unterscheidung zwischen dem Zeitpunkt der Abgabe der Beitrittserklärung, zu dem die Nebenintervention erfolge, und jenem der Zustellung an beide Parteien, zu dem erst die Wirksamkeit der Nebenintervention eintrete, weder aus dem Wortlaut des § 18 Abs 1 ZPO, noch aus der ratio der Nebeninterventionsbestimmungen erschließbar. Die Beitrittserklärung sei vielmehr ein Dispositivakt gegenüber dem Gericht, der den Prozess unmittelbar durch Hinzutreten eines Dritten gestalte, und dessen Zugang an beide Parteien für die Wirksamkeit ohne Bedeutung sei. Der prozesserhebliche Schritt sei bereits mit der Abgabe der Erklärung an das Gericht getan; ab nun könne der Nebenintervenient im Verfahren handeln und jede Partei die Zurückweisung beantragen, selbst wenn sie vom Beitritt zunächst auf andere Weise erfahren habe. Der Zustellung der Beitrittserklärung durch das Gericht komme bloß die Bedeutung einer amtlichen Mitteilung an die Parteien zu. Für diese Auslegung spreche insbesondere auch § 18 Abs 3 ZPO; diese Bestimmung ermögliche es dem Nebenintervenienten, bis zur rechtskräftigen Stattgebung eines Zurückweisungsantrags Prozesshandlungen vorzunehmen. Nur bei dieser Auslegung werde auch dem Prozessprinzip des optimalen Zugangs zum Recht entsprochen. Der erkennende Senat hält diese Auffassung von Deixler-Hübner - ohne dass es einer weitergehenden Auseinandersetzung mit den Gegenstimmen bedarf - jedenfalls insoweit für zutreffend, als ein wirksamer Beitritt des Nebenintervenienten spätestens dann vorliegt, wenn sein Beitrittsschriftsatz in Gegenwart beider Parteien in einer Tagsatzung vorgetragen und anschließend mit den Parteien über einen Zurückweisungsantrag mündlich verhandelt wird, mag auch ein förmlicher Zustellvorgang des Beitrittsschriftsatzes durch das Gericht gem § 25 ZPO unterblieben sein. In diesem Fall ist der durch den gesetzlich vorgeschriebenen Zustellvorgang angestrebte Zweck, die Parteien über die Nebenintervention zu informieren und ihnen die Möglichkeit eines Zurückweisungsantrags zu eröffnen, auch ohne den Zustellvorgang bereits erreicht, sodass es ein nicht zu rechtfertigender Formalismus wäre, wollte man unter diesen Umständen der Nebenintervention ihre Wirksamkeit unter Hinweis auf eine Verletzung des § 25 ZPO absprechen."

An dieser Auffassung ist auch bei dem hier maßgeblichen Sachverhalt festzuhalten: Wurde der Beitrittsschriftsatz des Nebenintervenienten in einer Tagsatzung verlesen und von den Parteien widerspruchslos zur Kenntnis genommen, und wurde das nachfolgende Verfahren unter Zuziehung des Nebenintervenienten durchgeführt, liegt ein wirksamer Beitritt des Nebenintervenienten auch dann vor, wenn die Zustellung des Beitrittsschriftsatzes an die Parteien nicht aktenkundig ist. Ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht hat das Berufungsgericht die Berufungsbeantwortung des Nebenintervenienten zu Unrecht zurückgewiesen. Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben und dem Berufungsgericht die Fortsetzung des Berufungsverfahrens unter Berücksichtigung eines wirksamen Beitritts des Nebenintervenienten aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 50 Abs 1, 52 Abs 1 ZPO.