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OGH vom 19.02.2009, 6Ob249/08y

OGH vom 19.02.2009, 6Ob249/08y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache der am verstorbenen Marianne J*****, über den Revisionsrekurs des Erben Franz P*****, vertreten durch Dr. Herbert L. Partl und Dr. Edith Egger, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 53 R 42/08b-96, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Telfs vom , GZ 5 A 30/06k-83, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Erblasserin verstarb am ohne Hinterlassung von Nachkommen oder einer letztwilligen Verfügung; als gesetzliche Erben kommen jedoch 18 Cousins (darunter Franz P***** und Josef F*****), 22 Großcousins und 5 Kinder vorverstorbener Großcousins in Betracht. Sie war Alleineigentümerin des M*****hofs in K***** in Tirol, eines geschlossenen Hofes gemäß § 1 TirHöfeG. Dessen Übernahmswert gemäß § 21 TirHöfeG beträgt 346.000 EUR.

Der 1927 geborene Franz P***** übergab seinen H*****hof in K*****, dessen Hofstelle sich deutlich weniger als einen Kilometer Luftlinie vom M*****hof entfernt befindet, bereits im Jahr 1994 an seinen Sohn. Er hatte die landwirtschaftliche Meisterprüfung abgelegt und bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1988 den H*****hof als Vollerwerbslandwirt bewirtschaftet.

Der 1939 geborene Josef F***** hat ebenfalls die landwirtschaftliche Meisterprüfung abgelegt und ist seit jeher Vollerwerbslandwirt. Er ist Eigentümer des K*****hofs, den er auf eigene Rechnung und Gefahr selbst bewirtschaftet, obwohl er bereits im Jahr 2004 in Pension gegangen ist. Auch beim K*****hof handelt es sich um einen geschlossenen Hof gemäß § 1 TirHöfeG. Den M*****hof hat Josef F***** seit dem Jahr 1957 teilweise, seit dem Jahr 1965 zur Gänze gepachtet. Er betreibt ihn zusammen mit dem K*****hof und einigen weiteren Pachtflächen als wirtschaftliche Einheit. So ist etwa die maschinelle Ausstattung auf die von Josef F***** insgesamt bewirtschaftete Fläche ausgelegt. Würde er daher den M*****hof verlieren, wäre dies ein erheblicher Nachteil für seinen landwirtschaftlichen Betrieb; sollte er jedoch Anerbe des M*****hofs werden, würde er ihn zusammen mit seinem K*****hof weiter bewirtschaften, wie er dies bereits bisher tatsächlich getan hat. Sein Sohn arbeitet als Vollerwerbslandwirt auf dem Hof mit und ist als dessen Übernehmer vorgesehen. Das Erstgericht bestimmte Franz P***** als Anerben des M*****hofs und stellte weiters fest, dieser arbeite seit seiner Pensionierung im Jahr 1988 immer noch intensiv auf dem Hof mit; sollte er Anerbe des M*****hofs werden, habe er vor, dessen landwirtschaftliche Flächen zusammen mit denen des H*****hofs durch seinen Sohn mit seiner eigenen Mithilfe zu bewirtschaften; die Hofstelle wolle er jedoch nicht aufgeben; den den übrigen Miterben zufallenden Teil des Übernahmswerts wolle er durch Verkauf eines entfernter liegenden Feldes des H*****hofs aufbringen. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, nach dem Kriterienkatalog des § 15 TirHöfeG gehe Franz P***** dem Josef F***** im Hinblick auf sein höheres Lebensalter vor (Abs 3); außerdem müsse Josef F***** gemäß § 19 TirHöfeG zurücktreten, sei er doch selbst Eigentümer eines geschlossenen Hofes. Franz P***** sei auch nicht nach § 18 TirHöfeG von der Übernahme ausgeschlossen, weil er weder unfähig sei, den M*****hof dauernd zu bewirtschaften, noch durch seinen Beruf vorübergehend verhindert sei, den Hof von der Hofstelle aus persönlich zu bewirtschaften. Dass er ihn nicht selber führen wolle, sei aufgrund der taxativen Aufzählung des § 18 TirHöfeG unbeachtlich; im Übrigen habe er ohnehin vor, im Rahmen des Familienbetriebs bei der Bewirtschaftung weiterhin mitzuwirken.

Das Rekursgericht bestimmte Josef F***** als Anerben und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteigt und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Ausschließungsgrund des § 18 Abs 1 Z 4 TirHöfeG sowie zur Frage, ob ein potenzieller Anerbe, der bereits Eigentümer eines geschlossenen Hofes ist, seinen Hof auch ausgeschlossenen Erben anbieten müsse und ob eine Übersiedlung des Anerben auf die Hofstelle für die persönliche Bewirtschaftung zwingend zu fordern sei. Es änderte die - ergänzend wiedergegebenen - Feststellungen des Erstgerichts dahin ab, dass Franz P***** seit dem Jahr 1988 in Pension sei; er sei jedoch den ganzen Tag über noch auf dem Hof seines Sohnes, auf dem er auch wohnt, beschäftigt; wenn Franz P***** den Hof zugewiesen erhalten würde, würde er nicht die Pension zurücklegen und den Hof betreiben, er strebe vielmehr die Anerbenstellung für seinen Sohn an; er würde den M*****hof in die Landwirtschaft seines Sohnes einverleiben und nicht auf die Hofstelle ziehen. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Rekursgericht die Auffassung, Franz P***** wäre zwar primär zum Anerben zu bestimmen, das Tiroler Höfegesetz messe der persönlichen Bewirtschaftung des geschlossenen Hofes aber ein derartiges Gewicht bei, dass auch derjenige als Anerbe ausgeschlossen sei, der von Vorneherein gar nicht beabsichtigt, den Hof persönlich (von der Hofstelle aus) zu bewirtschaften, sondern ihn einem anderen in dessen geschlossenen Hof einzuverleiben. Josef F***** sei hingegen nicht ausgeschlossen, weil er zwar auch nicht auf den M*****hof ziehen wolle, dessen Hofstelle sich jedoch in unmittelbarer räumlicher Nähe seines K*****hofs befindet und er außerdem die beiden Höfe bereits seit dem Jahr 1965 als wirtschaftliche Einheit führe. Da Franz P***** als Anerbe ausgeschlossen ist, müsse Josef F***** ihm auch den K*****hof nicht gemäß § 19 TirHöfeG anbieten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Franz P***** macht in seinem Revisionsrekurs in formeller Hinsicht geltend, das rekursgerichtliche Verfahren leide an einer Mangelhaftigkeit infolge Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes. Das Rekursgericht habe nämlich die erstinstanzlichen Feststellungen ausschließlich aufgrund einer Verlesung seiner vom Erstgericht unmittelbar aufgenommenen Parteieneinvernahme (teilweise) abgeändert, obwohl er im Rekursverfahren ausdrücklich darauf hingewiesen gehabt habe, persönlich einvernommen werden zu wollen.

Josef F***** hält dem in seiner Revisionsrekursbeantwortung entgegen, dieser Umstand könne infolge rügeloser weiterer Einlassung Franz P*****s in die mündliche Rekursverhandlung nicht mehr wahrgenommen werden; er beruft sich dabei auf § 281a ZPO.

1.1. Das Erstgericht hat jene Feststellungen, von denen das Rekursgericht abgegangen ist, aufgrund einer unmittelbaren Beweisaufnahme, nämlich der Einvernahme Franz P*****s, getroffen. Dieser brachte dem Rekursgericht gegenüber deutlich zum Ausdruck, dass er persönlich einvernommen werden wolle, weil „die Rechtsangelegenheit einerseits für ihn von höchster Wichtigkeit ist und [er] andererseits der Ansicht ist, dass er durch seine Aussage zur Klärung des Sachverhalts wichtige Angaben machen kann" (Vertagungsbitte ON 94, AS 779). Da das Rekursgericht offensichtlich seine persönliche Einvernahme für notwendig erachtete, vertagte es infolge Verhinderung Franz P*****s zwar zunächst die mündliche Rekursverhandlung, verlas dann aber trotz seiner Anwesenheit seine Aussage vor dem Erstgericht ebenso wie jene Josef F*****s. Die Parteien „erklär[t]en dazu wie bisher" (vgl AS 789 am Ende der mündlichen Rekursverhandlung).

1.2. Nach § 52 Abs 2 AußStrG darf das Rekursgericht, wenn es erwägt, von den Feststellungen des Erstgerichts abzuweichen, nur dann von der neuerlichen Aufnahme eines in erster Instanz unmittelbar aufgenommenen, für die Feststellungen maßgeblichen Beweises Abstand nehmen, wenn es vorher den Parteien bekanntgegeben hat, dass es gegen die Würdigung dieses Beweises durch das Erstgericht Bedenken habe, und ihnen Gelegenheit gegeben hat, eine neuerliche Aufnahme dieses Beweises durch das Rekursgericht zu beantragen. Diese Bestimmung entspricht § 488 Abs 4 ZPO (3 Ob 108/07i EFSlg 118.811; Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 52 Rz 4; Klicka in Rechberger, AußStrG [2006] § 52 Rz 3).

Wurden den Parteien die Bedenken bekanntgegeben, beantragen sie aber keine neuerliche Aufnahme des Beweises durch das Rekursgericht, kann dieses somit von der unmittelbaren Beweisaufnahme Abstand nehmen (Klicka aaO). Stellt eine Partei jedoch einen derartigen Antrag und nimmt das Rekursgericht den Beweis nicht unmittelbar auf, begründet es einen Verfahrensmangel, wenn das Rekursgericht - der Grundsatz der Unmittelbarkeit ist nunmehr im Verfahren außer Streitsachen ausdrücklich auch für das Rekursgericht angeordnet (6 Ob 178/06d EF-Z 2007/24 = iFamZ 2007/57 [Fucik]; 3 Ob 108/07i EFSlg 118.813) - von den tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts abgeht (3 Ob 108/07i EFSlg 118.813).

1.3. Mit seiner - zu 1.1. dargestellten - Vorgehensweise hat das Rekursgericht gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen und sein Verfahren mit einer Mangelhaftigkeit behaftet. Daran vermag auch - entgegen den Überlegungen Josef F*****s in seiner Revisionsrekursbeantwortung - nichts zu ändern, dass Franz P***** sich nicht bereits während der Rekursverhandlung ausdrücklich dagegen verwahrt hat. § 281a ZPO wurde nämlich durch das Außerstreitgesetz BGBl I Nr 2003/111 nicht in das Verfahren außer Streitsachen übernommen, bestand doch aufgrund der Bestimmungen der §§ 31 bis 35 AußStrG keine Notwendigkeit für einen Verweis auf die allgemeinen Bestimmungen der Zivilprozessordnung über den Beweis und die Beweisaufnahme (Rechberger in Rechberger, AußStrG [2006] § 35 Rz 1; ebenso Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 35 Rz 1; vgl auch die ErläutRV zu § 35 AußStrG, zit bei Fucik/Kloiber aaO 152).

Lediglich der Vollständigkeit sei außerdem darauf hingewiesen, dass eine rügelose (vgl dazu SSV-NF 3/57 sowie die Kritik Rechbergers in Fasching/Konecny, ZPO² [2004] § 281a Rz 12 und in Rechberger, ZPO³ [2006] § 281a Rz 7 an dieser Rechtsprechung) Einlassung Franz P*****s angesichts seiner Erklärung am Ende der mündlichen Rekursverhandlung ohnehin nicht angenommen werden könnte.

1.4. Allerdings weist Josef F***** in seiner Revisionsrekursbeantwortung zutreffend darauf hin, dass Franz P***** die Mängelrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt hat. Dieser meint nämlich lediglich, „[s]eine direkte Befragung hätte es ermöglicht, genaueres zu seinen Plänen und Vorstellungen zur Gestaltung der Führung des nachlassgegenständlichen Hofes zu erfragen und damit im Detail zu eruieren, inwiefern er im Sinne des § 18 Abs 4 TirHöfeG persönlich von der Hofstelle aus die Bewirtschaftung führen würde". Da allerdings auch im Verfahren außer Streitsachen ein Mangel des Verfahrens abstrakt geeignet sein muss, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen (Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 45 Rz 8; Klicka in Rechberger, AußStrG [2006] § 45 Rz 9), obliegt es - von ganz offenkundigen Fällen abgesehen - dem Rechtsmittelwerber, die Relevanz des Mangels darzutun, das heißt zu welcher anderen Sachverhaltsgrundlage die Vorinstanz aufgrund eines mängelfreien Verfahrens gekommen wäre. Es wäre also Sache Franz P*****s gewesen, konkret zu behaupten, zu welchen Feststellungen das Rekursgericht hätte kommen müssen, hätte es seine Parteieinvernahme durch unmittelbare Aufnahme wiederholt bzw ergänzt. Seine bereits wiedergegebenen Ausführungen im Revisionsrekurs stellen demgegenüber lediglich einen Erkundungsbeweisantrag dar.

1.5. Der Mängelrüge kommt damit letztlich keine Berechtigung zu, sodass der Oberste Gerichtshof bei seinen rechtlichen Überlegungen von dem vom Rekursgericht abgeänderten Sachverhalt auszugehen hat. Dabei ist allerdings - lediglich der Vollständigkeit halber - zu bemerken, dass in den aus der Sicht des Obersten Gerichtshofs letztlich entscheidungsrelevanten Fragen die Feststellungen der beiden Vorinstanzen im Wesentlichen ohnehin übereinstimmen.

2. Nach § 15 Abs 1 TirHöfeG kann, wenn zur gesetzlichen Erbfolge nach dem Alleineigentümer eines geschlossenen Hofes mehrere Miterben berufen sind, der Hof samt Zubehör nur einem von ihnen, dem Anerben (Übernehmer), zufallen. Können sich die Miterben nicht einigen, wer von ihnen Anerbe werden soll, so hat diesen das Verlassenschaftsgericht nach dem primär in § 15 Abs 1 Z 1 bis 4 TirHöfeG (Grobauslese) und sekundär in Abs 2 bis 4 (Feinauslese) enthaltenen Kriterienkatalog zu bestimmen (vgl dazu Eccher in Schwimann, ABGB³ III [2006] § 15 TirHöfeG Rz 3 mwN). Josef F***** meint nun in seiner Revisionsrekursbeantwortung, entgegen der Auffassung des Rekursgerichts spreche für ihn § 15 Abs 2 TirHöfeG, weil zwar sowohl er als auch Franz P***** zur Land- und Forstwirtschaft erzogen worden seien, er jedoch außerdem auf dem M*****hof aufgewachsen sei.

2.1. Das Erstgericht stellte im vorliegenden Verfahren fest, Josef F***** sei in seiner Kindheit und Jugend wegen der Nähe und der Verwandtschaft in seiner Freizeit sehr häufig auf dem M*****hof, in den dortigen Wohnräumen, Schupfen und Dachböden gewesen und habe auf dem M*****hof in der Landwirtschaft mitgeholfen, wie es damals üblich gewesen sei und er es auch auf seinem Heimathof getan habe. 1957 habe er den Hof zum Teil, ab etwa 1965 zur Gänze gepachtet. Josef F***** hatte dazu im Verfahren erster Instanz vorgebracht, er habe sich regelmäßig als Kind und Jugendlicher auf dem Hof aufgehalten und eine Nahebeziehung dazu gewonnen, als hätte er dort auch gewohnt. In seiner Revisionsrekursbeantwortung betont er, er habe sich auf dem Hof von klein an nicht nur regelmäßig und ständig bewegt und nur wenige Meter neben der Hofstelle geschlafen, sondern auch regelmäßig auf dem Hof mitgearbeitet, die Felder mitbestellt und solcherart zu dem Hof während seines Großwerdens eine individuelle und enge Bindung und Kenntnis seiner Eigenheiten aufgebaut und erworben, wie sie für dessen Fortführung von großem Vorteil seien. Er rügt, dass die Vorinstanzen die von ihm in diesem Zusammenhang angebotenen Beweise nicht vollständig aufgenommen hätten.

2.2. § 15 Abs 2 TirHöfeG wurde durch BGBl 1989/657 vollkommen neu geregelt. Nach den Materialien sollten an die Stelle des oft als zu starr empfundenen Vorrangs gradnäherer und älterer Verwandter Merkmale treten, „die den Übergang des Hofes auf einen ausgebildeten und mit dem Betrieb vertrauten Anerben ermöglichen". Unter mehreren zur Land- und Forstwirtschaft erzogenen Miterben sollen die auf dem Hof aufwachsenden oder aufgewachsenen bevorzugt werden, „um einen Anerben zu erhalten, der den Erfordernissen des Betriebes gewachsen ist und eine Nahebeziehung zum Hof entwickeln kann oder entwickelt hat". Von einem Aufwachsen auf dem Hof werde „dann auszugehen sein, wenn ein Miterbe seine Kindheit und wenigstens einen Teil seiner Jugend darauf verbringt bzw verbracht hat" (ErläutRV 859 BlgNR 17. GP 9).

2.3. Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits ausgesprochen, „auf dem Hof aufwachsen" setze voraus, dass der Nachkomme seit seiner Geburt dort lebt oder seine Kindheit und einen Teil seiner Jugend dort verbracht hat; gelegentliche Aufenthalte oder Ferien vor Ort erfüllten die Voraussetzungen hingegen nicht (6 Ob 2/93 NZ 1994, 84). Nach dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Sohn des Erblassers als Kleinkind rund viereinhalb Jahre auf dem Hof gelebt, dann den Vater im Rahmen dessen Besuchsrechts aufgesucht und schließlich jeweils in den Sommerferien in der Landwirtschaft tatkräftig mitgeholfen.

2.4. Bereits der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt indiziert eine stärkere Nahebeziehung Josef F*****s zum M*****hof als der der Entscheidung 6 Ob 2/93 zugrunde liegende, hat er doch nicht lediglich seinen Großvater besucht und in den Sommerferien in der Landwirtschaft mitgeholfen. Er ist vielmehr sehr häufig auf dem M*****hof, in den dortigen Wohnräumen, Schupfen und Dachböden gewesen und hat dort in der Landwirtschaft mitgeholfen, wie es damals üblich war und er es auch auf seinem Heimathof getan hat. Ergänzte man dies um seine in der Revisionsrekursbeantwortung vorgetragene subjektive Einschätzung, er habe solcherart zu dem Hof während seines Großwerdens eine individuelle und enge Bindung und Kenntnis seiner Eigenheiten aufgebaut und erworben, wie sie für dessen Fortführung von großem Vorteil seien, könnte die Auffassung des Rekursgerichts, Josef F***** komme nicht schon aufgrund § 15 Abs 2 TirHöfeG der Vorrang gegenüber Franz P***** zu, nicht geteilt werden. Intention des Novellengesetzgebers des Jahres 1989 war es ja, einen Anerben zu erhalten, der den Erfordernissen des Betriebs gewachsen sowie mit diesem vertraut ist und eine Nahebeziehung zum Hof entwickelt hat.

2.5. Auf den vom Rekursgericht hervorgehobenen Umstand, dass Franz P***** älter als Josef F***** ist und daher nach § 15 Abs 3 TirHöfeG vorgehen würde, käme es somit nicht an.

3. Einer Ergänzung des Sachverhalts durch die Vorinstanzen bedarf es jedoch nicht, weil das Rekursgericht zu Recht das Vorliegen des Ausschließungsgrundes des § 18 Abs 1 Z 4 TirHöfeG hinsichtlich Franz P*****, nicht jedoch hinsichtlich Josef F***** angenommen hat:

3.1. Nach dieser Bestimmung hat das Verlassenschaftsgericht einen nach § 15 TirHöfeG berufenen Anerben von der Übernahme des Hofes auszuschließen, wenn er durch seinen Beruf nicht nur vorübergehend verhindert ist, den Hof von der Hofstelle aus persönlich zu bewirtschaften. Der Anerbe muss dabei zwar nicht persönlich Hand anlegen (6 Ob 245/03b); auch eine ununterbrochene Anwesenheit auf dem Hof ist nicht erforderlich (7 Ob 187/55 SZ 28/105; Eccher aaO § 18 Rz 2). Damit ist unter Bewirtschaftung nicht Selbstbewirtschaftung zu verstehen; es genügt vielmehr die Fähigkeit zur Leitung des Betriebs (1 Ob 258/60 SZ 33/81; vgl auch 3 Ob 61/50 SZ 23/34), weshalb auch relativ hohes Alter kein Hinderungsgrund sein muss (3 Ob 61/50; 6 Ob 2403/96t; 6 Ob 54/03i SZ 2003/44).

3.2. Allerdings hat das Rekursgericht festgestellt, Franz P***** sei seit dem Jahr 1988 in Pension; sollte er den Hof zugewiesen erhalten, würde er nicht die Pension zurücklegen und den Hof betreiben, er strebe vielmehr die Anerbenstellung für seinen Sohn an und würde den M*****hof in die Landwirtschaft seines Sohnes einverleiben. Bei Franz P***** geht es somit nicht - im Sinne der dargestellten Rechtsprechung - um die Art der Bewirtschaftung, die er tatsächlich (noch) auf dem M*****hof ausüben könnte. Er strebt vielmehr eine solche selbst überhaupt nicht an, welche Absichtserklärung bei der Entscheidung zu berücksichtigen ist (vgl 6 Ob 12/77 SZ 50/154; 6 Ob 2/78; anders noch 1 Ob 342/50 SZ 23/206). Gerade auf das Merkmal der „persönlichen" Bewirtschaftung wollte der Novellengesetzgeber des Jahres 1989 bei der Neufassung (auch) des § 18 Abs 1 Z 4 TirHöfeG - im Gegensatz zu § 8 Abs 1 Z 4 KrntErbHöfeG - jedoch ausdrücklich nicht verzichten (ErläutRV 859 BlgNR 17. GP 11; vgl auch 7 Ob 187/55).

Dass § 18 Abs 1 Z 4 TirHöfeG von einer Verhinderung „durch [den] Beruf" des Anerben spricht - worauf Franz P***** in seinem Revisionsrekurs vornehmlich hinweist -, ist vor dem Hintergrund dieser Intentionen des Novellengesetzgebers des Jahres 1989 nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen ist bei der Auslegung von Einzelbestimmungen des Höferechts vor allem auch dessen Gesamtzweck zu beachten (6 Ob 253/05g). Es mag dabei zwar durchaus sein, dass die Ausschließungsgründe streng und restriktiv handzuhaben sind (Eccher in Schwimann, ABGB³ III [2006] § 5 AnerbenG Rz 1 unter Hinweis auf 6 Ob 54/03i) und dass deren Aufzählung in § 18 Abs 1 TirHöfeG infolge Wegfalls der Wortfolge „in der Regel" als eine taxative anzusehen ist (so Eccher aaO § 18 TirHöfeG Rz 1). Offensichtlich würde aber die bereits erfolgte Pensionierung Franz P*****, der sich schon im fortgeschrittenen Alter befindet, dazu bewegen, den Hof nicht selbst zu betreiben, sondern ihn in die Landwirtschaft seines Sohnes einzuverleiben und auch nicht auf die Hofstelle ziehen. Damit erscheinen aber auch bei restriktiver Auslegung die Grenzen des § 18 Abs 1 Z 4 TirHöfeG nicht überschritten (unklar in diesem Zusammenhang Eccher aaO § 5 AnerbenG Rz 5).

3.3. Franz P***** meint in seinem Revisionsrekurs unter Hinweis auf die Entscheidung 3 Ob 61/50, der Umstand der beabsichtigten Weitergabe des M*****hofs an seinen Sohn sei unbeachtlich. Er übersieht dabei aber, dass der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung davon ausgegangen ist, der dortige Anerbe „könnte" (möglicherweise) den Erbhof „später seinem Sohn übergeben"; im vorliegenden Verfahren liegt diesbezüglich aber bereits eine konkrete Feststellung der beabsichtigten Vorgangsweise Franz P*****s vor. Im Übrigen ist Franz P***** in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, die gesetzlichen Erben eines potenziellen Anerben träten unter anderem dann an seine Stelle und nähmen an der Auswahl nach § 3 AnerbenG teil, wenn der potenzielle Anerbe auf sein Erbrecht (und damit auf sein Hofübernahmerecht) verzichtet (6 Ob 212/07f unter Hinweis auf Kralik in Ehrenzweig/Kralik, Erbrecht³ [1983] 387; Fellner, Zur Novellierung des Anerbengesetzes, NZ 1990, 292; Eccher in Schwimann, ABGB³ III [2006] § 10 AnerbenG Rz 4); dies würde auch im Zusammenhang mit § 15 TirHöfeG gelten. Franz P***** hätte daher auf seine Rechte zugunsten seines Sohnes verzichten können.

3.4. Das Rekursgericht hat somit zutreffend das Vorliegen des Ausschließungsgrundes des § 18 Abs 1 Z 4 TirHöfeG in der Person Franz P*****s angenommen.

4. Franz P***** meint in seinem Revisionsrekurs, dieser Ausschließungsgrund treffe auch Josef F*****, weil dieser nicht auf die Hofstelle des M*****hofs ziehen werde, auch Josef F***** bereits in Pension und sein Sohn auf den Höfen als Vollerwerbslandwirt tätig sei.

4.1. Dazu ist er zunächst darauf hinzuweisen, dass Josef F***** nach den Ausführungen der Vorinstanzen in unmittelbarer Nähe des M*****hofs wohnt, dessen Hofstelle im Übrigen nach den eigenen Darlegungen Franz P*****s im Revisionsrekurs „verfallen" ist, und weiterhin seinen K*****hof und den M*****hof gemeinsam bewirtschaften will.

4.2. Dass (auch) Josef F***** bereits seit dem Jahr 2004 Alterspension gemäß § 121 BSVG bezieht, schadet ebenfalls nicht. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen bewirtschaftet er nämlich - im Unterschied zu Franz P***** - den K*****hof selbst auf eigene Rechnung und Gefahr; er hat auch noch nicht an seinen Sohn übergeben. Er würde so auch mit dem M*****hof vorgehen; sein Sohn ist lediglich als Hofübernehmer vorgesehen, ohne dass diesbezüglich ein konkreter Zeitpunkt feststeht oder ein solcher von Franz P***** behauptet wurde.

Josef F***** ist damit zwar offensichtlich nach § 2 BSVG in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz pflichtversichert; infolge Beseitigung sämtlicher „Ruhensbestimmungen" durch das SRÄG 2000 (Aufhebung des § 121 Abs 2 BSVG; vgl Teschner/Widlar, Die Sozialversicherung der Bauern [2008] 318, 321) ist es jedoch nicht ausgeschlossen, dass ein eine Alterspension nach dem BSVG beziehender Landwirt seinen Betrieb weiterführt (zur Erwerbsunfähigkeitspension vgl allerdings § 123 Abs 5 BSVG). Im Übrigen stellen die höferechtlichen Bestimmungen nicht auf eine sozialversicherungsrechtliche, sondern auf eine wirtschaftliche („bewirtschaften" [etwa § 18 Abs 1 Z 1 und 4 TirHöfeG; § 8 Abs 1 Z 1 und 4 KrntErbHöfeG; § 5 Abs 1 Z 1 AnerbenG]) und sachenrechtliche („Eigentümer" [etwa § 19 TirHöfeG; § 9 KrntErbHöfeG]) Betrachtungsweise ab.

5. Schließlich führt Franz P***** in seinem Revisionsrekurs noch aus, Josef F***** habe gemäß § 19 TirHöfeG zurückzutreten, weil er bereits Eigentümer eines geschlossenen Hofes sei. Da allerdings nach § 19 Abs 1 Satz 2 TirHöfeG in einem solchen Fall das Anerbenrecht „auf den nach § 15 Nächstberufenen" übergeht und Franz P***** aufgrund seiner Ausschließung nach § 18 Abs 1 Z 4 TirHöfeG nicht nach § 15 TirHöfeG „berufen" ist, kommt ein Zurücktreten des Anerben Josef F***** nicht in Betracht.

6. Damit war dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen.