OGH vom 21.08.2001, 5Ob168/01v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragsteller 1. Claudia S*****,
2. Martin T*****, beide *****, beide vertreten durch Mag. Werner Amcha, Reisenbauerring 6/1/11, 2351 Wiener Neudorf, gegen die Antragsgegner 1. Johanna P*****, und 2. Maria G***** beide vertreten durch Dr. Elisabeth Fechter-Petter, Rechtsanwältin in Wien, wegen Überprüfung des Hauptmietzinses (§ 37 Abs 1 Z 8 MRG), infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 41 R 487/00x-38, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt vom , GZ 17 Msch 27/99a-20, abgeändert wurde, den
Sachbeschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Antragsteller, seit Mieter der Wohnung top 11 im Haus *****, haben zunächst bei der Schlichtungsstelle, dann gemäß § 40 Abs 1 MRG bei Gericht die Überprüfung des vereinbarten Hauptmietzinses begehrt. In Erledigung dieses Begehrens stellte das Gericht zweiter Instanz fest, dass der zulässige Hauptmietzins in der Zeit vom bis ausgehend von einer monatlichen Vorschreibung von S 8.000,-- zuzüglich 10 % USt um monatlich S 1.717,53 zuzüglich 10 % USt, in der Zeit vom bis ausgehend von einer monatlichen Vorschreibung von S 8.184,-- zuzüglich 10 % USt um monatlich S 1.901,53 zuzüglich 10 % USt und in der Zeit vom bis (dem Tag der Antragstellung) ausgehend von einer monatlichen Vorschreibung von S 8.306,76 zuzüglich 10 % USt um monatlich S 2.024,29 zuzüglich 10 % USt überschritten wurde.
Bei dieser Mietzinsüberprüfung ging es vor allem um die Ausstattungskategorie der Wohnung im Hinblick auf die fehlende Kücheneinrichtung sowie um Zu- und Abschläge zum Richtwertmietzins. In dritter Instanz sind nur die in weiterer Folge behandelten Rechtsfragen strittig geblieben.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 130.000,-- übersteigt und der Revisionsrekurs zulässig sei. Letzteres deshalb, weil der Oberste Gerichtshof noch nicht zur hier relevanten Rechtsfrage Stellung genommen habe, ob die mietrechtliche Normwohnung eine Alt- oder Neubauwohnung ist.
Im gegenständlichen Fall geht es um eine vor der Vermietung an die Antragsteller vollständig renovierte Altbauwohnung. Da sie mit einer Gegensprechanlage, Telefon- und Telekabelanschluss ausgestattet ist, hat das Rekursgericht - wie schon zuvor das Erstgericht - Zuschläge zum Richtwertmietzins gewährt, die die Antragsteller für ungerechtfertigt halten, weil unter der mietrechtlichen Normwohnung eine Neubauwohnung zu verstehen sei, bei der diese Einrichtungen zur Standardausstattung gehören. Das Rekursgericht war nicht dieser Meinung und begründete diesen Teil seiner Entscheidung wie folgt:
Entsprechend § 16 Abs 2 MRG sei der zulässige Hauptmietzins ausgehend vom Richtwert durch Berücksichtigung allfälliger Zuschläge und Abstriche zu berechnen, wobei vom Standard der mietrechtlichen Normwohnung auszugehen sei. Um festzulegen, welche Kriterien Zuschläge rechtfertigen bzw Abschläge erfordern, wann also "werterhöhende oder wertvermindernde Abweichungen vom Standard der mietrechtlichen Normwohnung" vorliegen, bedürfe es zunächst einer Festlegung der mietrechtlichen Normwohnung. Dies sei im § 2 Abs 1 RichtWG erfolgt. Danach sei die mietrechtliche Normwohnung eine Wohnung mit einer Nutzfläche zwischen 30 m**2 und 130 m**2 in brauchbarem Zustand, die aus Zimmer, Küche (Kochnische), Vorraum, Klosett und einer dem zeitgemäßen Standard entsprechenden Badegelegenheit (Baderaum oder Badenische) besteht, über eine Etagenheizung oder eine gleichwertige stationäre Heizung verfügt und in einem Gebäude mit ordnungsgemäßem Erhaltungszustand auf einer Liegenschaft mit durchschnittlicher Lage (Wohnumgebung) gelegen ist. Während also Kriterien wie Wohnungsgröße, Ausstattung mit kategoriebestimmenden Merkmalen, Erhaltungszustand und Lage des Gebäudes dem Gesetz selbst - jedenfalls bei Anwendung des üblichen Auslegungsinstrumentariums - entnommen werden können, fehle es an einer wünschenswerten Klarstellung, ob die "mietrechtliche Normwohnung" in einem Alt- oder einem Neubau liegt.
Dies sei deshalb relevant, weil Ausstattungsdetails wie Gegensprechanlage und Telefon- bzw Telekabelanschluss bei Neubauten wohl als selbstverständlich gelten, aber nicht gerade typischer Bestandteil einer Altbauwohnung sind. Einen Zuschlag rechtfertigen diese Elemente also nur dann, wenn man annimmt, dass es sich bei der mietrechtlichen Normwohnung um eine Altbauwohnung handelt.
Tatsächlich sei dies der Fall:
Im Gesetz selbst (Richtwertgesetz) werde zwar nur bei Beurteilung der durchschnittlichen Lage (unter anderem) auf den Errichtungszeitraum (des überwiegenden Gebäudezustands) abgestellt; gehe man aber davon aus, dass die Bestimmungen über den Richtwertmietzins nicht für typische Neubauwohnungen gelten (§ 1 Abs 4 Z 1 MRG nehme Mietgegenstände, die in Gebäuden gelegen sind, die ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel aufgrund einer nach dem erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind, von den Zinsbestimmungen des MRG aus), wäre es nicht recht nachvollziebar, wenn zur Beurteilung, ob eine mietrechtliche Normwohnung vorliegt, doch auf eine Wohnung abgestellt wird, auf welche diese Beurteilungkriterien gar nicht anzuwenden sind.
Auch die Normierung von Zuschlägen für nicht dem typischen Althausbestand entsprechende Gebäudeteile durch § 16 Abs 2 Z 2 MRG spreche dafür, dass es sich bei der mietrechtlichen Normwohnung um eine Altbauwohnung handelt.
Die Annahme, die mietrechtliche Normwohnung sei eine Altbauwohnung, werde auch in der Lehre überwiegend gebilligt (bejahend Stabentheiner, Der Sachverständige, Heft 3/1994, 21; Würth in Würth/Zingher, Miet- und WohnR20, Rz 21 zu § 16 MRG unter Berufung auf den "Willen des Gesetzgebers"; Dirnbacher und Rustler in Dirnbacher/Heindl/Rustler, Der Richtwertmietzins, 53; ablehnend allerdings Heindl ebendort).
Der Umstand, dass die Berechnungsgrundlagen für die Richtwertfestsetzung dem Neubau entnommen wurden (vgl § 3 RichtWG), könne nicht stichhaltig gegen diese Ansicht ins Treffen geführt werden, werde doch auch bei der Richtwertermittlung für nicht dem typischen Althausbestand entsprechende Gebäudeteile ein Abzug von den Baukosten vorgenommen (§ 3 Abs 4 RichtWG).
Demnach habe schon das Erstgericht zutreffend Zuschläge für die nicht typische Bestandteile einer Altbauwohnung bildende Gegensprechanlage bzw Telefon- und Telekabelanschluss vorgenommen (die vom Rekursgericht lediglich in ihrer Höhe korrigiert wurden).
Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs beharren die Antragsteller auf ihrem Rechtsstandpunkt, die mietrechtliche Normwohnung sei eine Neubauwohnung, sodass für die Gegensprechanlage, den Telefon- und Kabelanschluss keine Zuschläge zum Richtwertmietzins gebühren. Dies entspreche auch der Rechtsansicht des Beirats für Wien. Andernfalls könnte für die (im konkreten Fall mit 3,20 m bis 3,30 m festgestellte) besondere Raumhöhe kein Zuschlag zum Richtwertmietzins gewährt werden. Der Oberste Gerichtshof möge daher feststellen, "ob unter der mietrechtlichen Normwohnung gemäß § 2 RichtWG eine Altbau- oder Neubauwohnung zu verstehen ist und betreffend der angefochtenen Zuschläge zum Richtwertmietzins entscheiden". Dazu wurde unter Berufung auf § 496 Abs 1 Z 1, § 527 Abs 2 ZPO noch ein Aufhebungsantrag gestellt, weil die Vorinstanzen den Sachantrag nicht vollständig erledigt hätten. Es sei verabsäumt worden, im Spruch der Entscheidung die Ausstattungskategorie der Wohnung und die Höhe des zulässigen Richtwertmietzinses im Anmietungszeitpunkt festzustellen. Gegebenenfalls hätte in Wahrnehmung der richterlichen Anleitungspflicht auf ein entsprechendes Vorbringen der Antragsteller hingewirkt werden müssen.
Die Antragsgegner haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
Da der erkennende Senat die Rechtsansicht des Rekursgerichtes über den normativen Gehalt des in § 16 Abs 2 MRG verwendeten und in § 2 Abs 1 RichtWG näher ausgestalteten Begriffs der mietrechtlichen Normwohnung teilt und die dagegen im Revisionsrekurs vorgebrachten Argumente nicht als stichhältig erachtet, genügt es, auf die einschlägigen Rechtsausführungen im angefochtenen Sachbeschluss zu verweisen (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 528a und § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO). Zu bemerken bleibt, dass die Annahme, mit der mietrechtlichen Normwohnung sei eine Wohnung in einem Althaus gemeint, schon deshalb nahe liegt, weil der Richtwertmietzins gemäß § 16 Abs 1 Z 2 MRG für Wohnungen, die in einem nach dem neu errichteten Gebäude gelegen sind (oder nach diesem Zeitpunkt duch Auf-, Ein- oder Zubau neu geschaffen wurden), gar nicht gilt. Auch im AB zu Art IX des 3. WÄG (abgedruckt bei Würth/Zingher, Wohnrecht 94, 140 ff) wurde festgehalten, dass "die mietrechtliche Normwohnung auf den Altwohnungsbestand Bezug nimmt". Es ist daher Stabentheiner (Das Richtwertsystem, WoBl 1994, 81 [84]) und Würth (in Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20, Rz 21 zu § 16 MRG) zu folgen, dass diese Auslegung dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Dementsprechend waren Zuschläge für die bei Altbauwohnungen als Sonderausstattung zu qualifizierenden Anschlüsse (Gegensprechanlage, Telefon, Telekabel) gerechtfertigt; deren Höhe ist in dritter Instanz kein Streitpunkt mehr.
Was die gerügten Verfahrensmängel betrifft, genügt an sich der Hinweis, dass sie nicht vorliegen (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 528a, § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Zusätzlich bemerkt sei lediglich, dass der im Anmietungszeitpunkt zulässige Hauptmietzins (den es zu überprüfen galt) ohnehin festgestellt wurde und dass für die Feststellung der Ausstattungskategorie der Wohnung (die die Beiziehung der übrigen Hauptmieter des Hauses erfordert hätte) kein Anlass bestand, weil kein darauf gerichteter Zwischenfeststellungsantrag gestellt wurde. Die in diesem Zusammenhang gerügte Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht kann der Oberste Gerichtshof gar nicht aufgreifen, weil dieser angebliche Verfahrensmangel im Rekurs an die zweite Instanz nicht geltend gemacht worden ist (RIS-Justiz RS0037325).
Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.