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OGH vom 15.11.2012, 1Ob203/12b

OGH vom 15.11.2012, 1Ob203/12b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. G***** S*****, und 2. B***** OG, *****, beide vertreten durch Dr. Dieter Zaponig, Rechtsanwalt in Graz, gegen die Antragsgegnerin Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Kostenersatz nach den §§ 31, 117 Abs 4 WRG (Streitwert 237.600,74 EUR), über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 2 R 98/12p 16, mit dem der Zwischenbeschluss des Landesgerichts Steyr vom , GZ 4 Nc 6/11y 12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin wird zurückgewiesen.

2. Dem Revisionsrekurs des Erstantragstellers wird nicht Folge gegeben.

3. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung:

Am kam der Erstantragsteller mit einem von ihm gelenkten und von der Zweitantragstellerin gehaltenen LKW auf einem Güterweg auf Höhe eines Hauses von der Fahrbahn ab. Das Fahrzeug kippte in den angrenzenden Garten; dabei traten etwa 200 Liter Dieselkraftstoff aus und versickerten im Vorgarten. Im Auftrag des Erstantragstellers wurden nach Bergung des LKW und des Ladeguts umgehend die erforderlichen Erstsicherungsmaßnahmen durchgeführt. Dennoch gelangten erhebliche Dieselölmengen zunächst unbemerkt in den Untergrund, versickerten zum Teil in den Grundwasserkörper unterhalb des Hauses und wurden im Lauf des Winters 2007/2008 durch Regen und Schmelzwässer abwärts des Hauses verfrachtet. Zu Beginn der Vegetationsperiode 2008 wurden Teile dieser Verunreinigung im Bereich der angrenzenden Wiese eines Landwirts wieder an die Oberfläche gedrückt; eine Untersuchung des Wurzelbereichs mittels Spatenaushubs zeigte sofort Öl und Bodensickerwasser im Untergrund. Unmittelbar nach Bekanntwerden dieser Restkontamination leitete die zuständige Bezirkshauptmannschaft im Einverständnis mit dem Erstantragsteller die ersten erforderlichen Erkundungs und Sicherungsmaßnahmen in die Wege. Als der Erstantragsteller diese Arbeiten nicht weiterführen ließ, trug ihm die Wasserrechtsbehörde im Zuge einer mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle am mit in der Verhandlungsschrift protokolliertem Bescheid gemäß § 31 Abs 3 WRG auf, die begonnenen Sofort und Abwehrmaßnahmen sowie die im Bescheid detailliert aufgezählten weiteren Maßnahmen bis zum Sanierungserfolg ohne Aufschub und Unterbrechung fortzuführen. Da der Amtssachverständige für Hydrologie und Ölalarmdienst im Zuge seiner Befund und Gutachtenserstattung vom unter anderem ausführte, es sei zur Sanierung der noch im Boden befindlichen Ölverunreinigungen insbesondere erforderlich sicherzustellen, dass die derzeit offenen Aushubbereiche und ölverunreinigten Bodenmaterialien zB durch Aufbringen einer wind und regensicheren Abplanung nicht durch Niederschläge und Bodensickerwasser abgeschwemmt oder verdriftet werden können, wurde dem Erstantragsteller mittels des erlassenen Bescheids auch dieser Auftrag erteilt. Gemäß § 64 Abs 2 AVG wurde wegen Gefahr im Verzug die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid ausgeschlossen. Der Erstantragsteller erhob kein Rechtsmittel, erklärte jedoch noch in der mündlichen Verhandlung vom , die ihm aufgetragenen Maßnahmen nicht zu setzen. In der Folge sah die Wasserrechtsbehörde von einer Vollstreckung dieses Bescheids ab und ordnete statt dessen gemäß § 31 Abs 3 WRG die unmittelbare Durchführung der erforderlichen Arbeiten an. Sie beauftragte Drittfirmen mit der Durchführung dieser Arbeiten. Mit Bescheid vom wurden die Antragsteller zur ungeteilten Hand verpflichtet, der Republik Österreich die für die gemäß § 31 Abs 3 WRG angeordneten und in der Folge durchgeführten Sanierungsmaßnahmen aufgelaufenen Kosten von 237.600,74 EUR zu ersetzen.

Mit ihrem Antrag nach § 117 Abs 4 WRG begehren die Antragsteller nun den Ausspruch, dass eine Verpflichtung zum Ersatz der bescheidmaßig vorgeschriebenen Kosten nicht bestehe; in eventu möge das angerufene Gericht feststellen, welche Kosten für die Sanierungsmaßnahmen angemessen und gerechtfertigt seien. Sie führen dazu zusammengefasst aus, die Wasserrechtsbehörde habe dem Erstantragsteller gemäß § 31 Abs 3 erste Alternative WRG mit Bescheid vom einen wasserpolizeilichen Auftrag erteilt. Sie müsse diesen Bescheid im Wege des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens vollstrecken und könne nicht statt dessen gemäß § 31 Abs 3 zweite Alternative WRG die entsprechenden Maßnahmen unmittelbar anordnen und durchführen lassen. § 31 Abs 3 WRG sehe zwei unterschiedliche Instrumente der Behörde vor, die nicht miteinander kombiniert werden könnten, weil es sich um eine Anordnungsalternative handle. Die unmittelbare Anordnung und Durchführung der Maßnahmen und die daraus resultierende Kostenvorschreibung sei somit rechtswidrig. Im Übrigen sei bei der Anordnung und Durchführung der Maßnahmen keine Gefahr im Verzug im Sinne des § 31 Abs 3 WRG vorgelegen. Die vorgeschriebenen Kosten seien auch erheblich überhöht, insbesondere weil die Behörde nach dem ursprünglichen Schadensereignis unzulängliche Sofortmaßnahmen ergriffen habe.

Die Antragsgegnerin wandte im Wesentlichen ein, es sei wegen Gefahr im Verzug geboten gewesen, die notwendigen Maßnahmen unmittelbar anzuordnen, ohne die zwangsweise Durchsetzung des Bescheids abwarten zu müssen, nachdem der Erstantragsteller anlässlich der mündlichen Bescheiderlassung erklärt habe, er werde die erforderlichen Maßnahmen nicht setzen.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenbeschluss aus, dass die Antragsteller dem Grunde nach zur ungeteilten Hand für die ihnen bescheidmäßig vorgeschriebenen Kosten haften. Die Wasserrechtsbehörde habe gemäß § 31 Abs 3 WRG dem Verpflichteten die entsprechenden Maßnahmen aufzutragen oder bei Gefahr im Verzug unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Dass die Behörde dem Erstantragsteller zunächst mit Bescheid aufgetragen hat, selbst Sanierungs und Sicherungsmaßnahmen durchzuführen, hindere nicht, dass sie in der Folge bei Gefahr im Verzug gemäß § 31 Abs 3 zweite Alternative WRG solche Maßnahmen anordnet und selbst bzw durch Dritte durchführen lässt. Im vorliegenden Fall habe die Behörde zu Recht Gefahr im Verzug angenommen, seien doch Kontaminationen in einem Wasserschutzgebiet, einem Schongebiet zum Schutz von Trinkwasservorkommen und in einem für die Trink und Nutzwasserversorgung aus Quellen dienenden Bereich gelegen gewesen. Es sei sicherzustellen gewesen, dass die offenen Aushubbereiche und ölverunreinigten Bodenmaterialien nicht durch Niederschläge oder Bodensickerwasser abgeschwemmt oder verdriftet werden können, was bei den im Frühsommer erfahrungsgemäß zu erwartenden Starkregenereignissen als unmittelbar bevorstehend zu befürchten gewesen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Die Zweitantragstellerin betreffe das einzige Argument des Rekurses überhaupt nicht, habe sich doch der (mündlich verkündete) Bescheid vom nicht gegen sie, sondern ausschließlich gegen den Erstantragsteller gerichtet. Davon abgesehen teile das Rekursgericht den Standpunkt der Antragsteller nicht, durch Erlassung eines Bescheids hätte die Wasserrechtsbehörde ihre Möglichkeiten nach § 31 Abs 3 WRG gleichsam „konsumiert“, weshalb sie nicht mehr Maßnahmen unmittelbarer Befehls und Zwangsgewalt hätte ausüben dürfen. Die aufgrund der zu befürchtenden weiteren Ausbreitung der Ölverunreinigung zu bejahende Gefahr im Verzug habe die Behörde verpflichtet, die entsprechenden Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Dies habe im konkreten Fall umso mehr gegolten, als sich der Erstantragsteller nach bescheidmäßiger Erteilung entsprechender Aufträge noch in der Behördenverhandlung geweigert habe, diese durchzuführen. Damit sei die Behörde gehalten gewesen, die erforderlichen Maßnahmen selbst zu veranlassen. Auch wirtschaftlich sei die Argumentationslinie der Antragsteller nicht nachvollziehbar. Letztendlich habe die Weigerung des Erstantragstellers, die ihm aufgetragenen Maßnahmen zu setzen, zu einer von der Behörde veranlassten „Ersatzvornahme“ geführt. Nichts anderes wäre aber auch im Wege des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens bei Durchsetzung des gegen den Erstantragsteller erlassenen Bescheids durchzuführen gewesen. Der ordentliche Revisonsrekurs sei zulässig, weil der Frage, ob nach Erlassung eines Bescheids nach § 31 Abs 3 WRG noch eine unmittelbare Anordnung und Durchführung der erforderlichen Maßnahmen durch die Behörde auf Kosten des Verpflichteten zulässig sei, über diesen Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs erweist sich, soweit er von der Zweitantragstellerin erhoben wurde, als unzulässig, im Übrigen als zulässig, aber nicht berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, dass sich die Revisionsrekurswerber nur noch dagegen wenden, dass die Behörde selbst Maßnahmen zur Behebung der Verunreinigungen veranlasst hat, anstatt den gegenüber dem Erstantragsteller erlassenen Bescheid zu vollstrecken. Dass Gefahr im Verzug gegeben war, die eine unverzügliche Beseitigung der Kontaminationen erforderlich machte was beide Vorinstanzen angenommen haben , wird im Revisionsrekurs nicht mehr in Frage gestellt, weshalb im Weiteren davon auszugehen ist, dass dieses gesetzliche Tatbestandsmerkmal des § 33 Abs 3 WRG als erfüllt anzusehen war. Im Übrigen haben die Revisionsrekurswerber schon im Rekursverfahren zugestanden, dass sich der Unfall in naher Umgebung des Schutzgebiets einer Wassergewinnungsanlage ereignet hat.

Damit erweist sich aber worauf schon das Rekursgericht hingewiesen hat der Antrag der Zweitantragstellerin jedenfalls als unberechtigt, vermag sie doch in keiner Weise aufzuzeigen, warum es der Behörde nicht zustehen sollte, gegenüber einem von mehreren Verpflichteten mit sofortiger unmittelbarer Veranlassung der notwendigen Maßnahmen vorzugehen (und ihm in der Folge entsprechenden Kostenersatz vorzuschreiben), auch wenn einem anderen Verursacher bescheidmäßig die Vornahme bestimmter Sanierungsmaßnahmen aufgetragen wurde. Da die Zweitantragstellerin von den Wirkungen des gegenüber dem Erstantragsteller erlassenen Bescheids nicht erfasst ist, kann ihr gegenüber das an sich gesetzlich gebotene unmittelbare Einschreiten der Behörde keinesfalls unzulässig sein. Es kann daher auch ohne Lösung einer im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfrage ohne weiteres beurteilt werden, dass der Zweitantragstellerin die angefallenen Kosten dem Grunde nach zu Recht vorgeschrieben wurden, nachdem die Behörde wegen Gefahr im Verzug zu unverzüglichem Handeln aufgerufen gewesen war.

Ob die Wasserrechtsbehörde berechtigt war, die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen unmittelbar anzuordnen und die dadurch verursachten Kosten dem Erstantragsteller aufzuerlegen, der sich explizit geweigert hatte, seine Verpflichtungen aus dem (unbekämpft gelassenen) Bescheid zu erfüllen, ist von den Gerichten im Rahmen ihrer sukzessiven Zuständigkeit nach § 117 Abs 4 WRG nicht zu beurteilen. Die genannte Norm ordnet eine gerichtliche Zuständigkeit an, wenn die Wasserrechtsbehörde gemäß § 117 Abs 1 WRG über die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten entschieden hat. Dabei ist zwar allenfalls auch zu prüfen, ob die der klagenden Partei auferlegte Leistungspflicht (Kostenersatz) überhaupt, also dem Grunde nach, zu erbringen ist (vgl nur VwGH 95/07/0009 ua), doch ist das der Kostenersatzpflicht zugrunde liegende Verwaltungshandeln jedenfalls dann nicht auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen, wenn für eine solche Prüfung Rechtsinstitute des Verwaltungsverfahrensrechts zur Verfügung stehen.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Erstantragsteller die Gewässerverunreinigung verursacht hatte und die Wasserrechtsbehörde gemäß § 31 Abs 1 Satz 1 WRG wegen Gefahr im Verzug und der Weigerung des Erstantragstellers, die notwendigen Sanierungsmaßnahmen selbst zu veranlassen, diese durch Dritte durchführen ließ, was grundsätzlich nach der genannten Bestimmung eine entsprechende Kostenersatzpflicht des Verursachers nach sich zieht (vgl dazu auch VwGH, verstärkter Senat, 93/07/0126 = VwSlg 14.193A = RdU 1995/59). Obwohl der Erstantragsteller von den Maßnahmen der Behörde Kenntnis erlangte, unterließ er es, diese Maßnahmen unmittelbarer behördlicher Befehls und Zwangsgewalt im dafür vorgesehenen Verwaltungsweg auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen zu lassen. Dies wäre gemäß § 67a Satz 1 Z 2 AVG durch eine innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnis der Maßnahme (§ 67c Abs 1 AVG) erhobene Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat, in dessen Sprengel der Verwaltungsakt gesetzt wurde, möglich gewesen. Im Falle einer (von den Revisionsrekurswerbern behaupteten) Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts hätte der UVS gemäß § 67c Abs 3 AVG die Rechtswidrigkeit der Maßnahme feststellen müssen, woran auch die Gerichte im Rahmen ihrer sukzessiven Kompetenz gebunden gewesen wären. Hat der Erstantragsteller aber den der Entscheidung der Wasserrechtsbehörde über den Kostenersatz gemäß § 117 Abs 1 WRG zugrunde liegenden Verwaltungsakt unbekämpft gelassen, haben auch die Gerichte von dessen Rechtmäßigkeit auszugehen und können diese nicht selbständig beurteilen (s zu einer vergleichbaren Konstellation VwGH 96/07/0106: Kostenersatz nach § 32 Abs 1 AWG 1990; Oberleitner/Berger , WRG³ § 31 Rz 26; Bumberger/Hinterwirth , WRG § 31 Anm zu E 45). Das hat bereits das Rekursgericht dargelegt. Rechtliche Gegenargumente enthält der Revisionsrekurs des Erstantragstellers dazu nicht.

Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass mit der Zwischenentscheidung die Sache noch nicht im Sinn des § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG erledigt ist.