OGH vom 30.10.2015, 5Ob167/15t

OGH vom 30.10.2015, 5Ob167/15t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1 H***** G*****, 2 H***** G*****, 3 B***** G*****, alle *****, alle vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, wegen Einverleibung des Eigetumsrechts und anderer Grundbuchshandlungen, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom , AZ 2 R 215/15f, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom , TZ 5661/2015, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss lautet:

„ Urkunden

1 Übergabevertrag vom

2 Geburtsurkunde vom

Bewilligt wird:

1 in EZ ***** KG *****

auf Anteil B LNR 4

4 ANTEIL: 145/738

H***** G*****

GEB: ***** ADR: *****

c 6031/1992 Wohnungseigentum an W 2

d 6031/1992 Verbindung gem § 12 Abs 1 WEG 1975

zu 145/738 (hinsichtlich der Liegenschaft)

auf Anteil B LNR 5

5 ANTEIL: 145/738

H***** G*****

GEB: ***** ADR: *****

c 6031/1992 Wohnungseigentum an W 2

d 6031/1992 Verbindung gem § 12 Abs 1 WEG 1975

zu 145/738 (hinsichtlich der Liegenschaft)

die Einverleibung des Eigentumsrechts

für B***** G***** , geb. *****

2 in EZ ***** KG *****

auf Anteil gemäß Pkt. 1

Wohnungsgebrauchsrecht

gemäß Pkt III Übergabevertrag vom

für H***** G***** , geb. *****

H***** G***** , geb. *****

3 in EZ ***** KG *****

auf Anteil gemäß Pkt. 1

Veräußerungs und Belastungsverbot

gemäß Pkt IV Übergabevertrag vom

für H***** G***** , geb. *****

H***** G***** , geb. *****

Verständigt werden:

1 Dr. Michael Battlogg, 6780 Schruns, Gerichtsweg 2

2 B***** G*****, geb *****

3 H***** G*****, geb *****

4 H***** G*****, geb *****

5 Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern, 6900 Bregenz, Brielgasse 19, *****

6 Marktgemeinde *****“

Der Vollzug und die Verständigung der Beteiligten obliegt dem Erstgericht.

Text

Begründung:

Erst und Zweitantragsteller sind Miteigentümer von je 145/738 Anteilen (B LNR 4 und 5) an der EZ ***** KG *****, mit denen Wohnungseigentum an W2 verbunden ist. Mit Übergabevertrag vom , der nicht als Notariatsakt errichtet wurde, übergaben sie ihre Anteile an ihre gemeinsame Tochter, die Drittantragstellerin als Übernehmerin. Der Vertrag enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

III. Gegenleistungen:

B ***** G***** ... räumt nunmehr ihren Eltern H***** G***** ... und H***** G***** ... das lebenslängliche, unentgeltliche und unwiderrufliche Wohnungsgebrauchsrecht an sämtlichen Räumlichkeiten der vertragsgegenständlichen Wohnung ein, an denen die Übergeber ein mit ihrem Wohnungseigentum im Zusammenhang stehendes ausschließliches Nutzungsrecht haben. Das Wohnungsgebrauchsrecht erstreckt sich darüber hinaus zusätzlich auch auf sämtliche allgemeinen Teile im Rahmen der bestehenden Nutzung des bestehenden Wohnungseigentumsvertrages. Die Vertragsparteien erklären wechselseitig die Vertragsannahme. Für Zwecke der Gebührenbemessung wird das Wohnrecht mit monatlich Eur 500, bewertet.

IV.

Veräußerungs und Belastungsverbot:

B ***** G***** ... räumt ihren Eltern H***** G***** .... und H***** G***** ... hinsichtlich ihrer jeweiligen 145/738 Miteigentumsanteile an B LNR 4 und B LNR 5 und dem damit untrennbar verbundenen Wohnungseigentum an W2 das Veräußerungs und Belastungsverbot gem § 364c ABGB ein. Die Vertragsparteien erklären die wechselseitige Vertragsannahme.

V.

Die Übernehmerin hat bereits die Verwaltung der Liegenschaften an sich genommen, diese betreten und diese gem § 312 ABGB in Besitz genommen, sodass die tatsächliche Übergabe der hier geschenkten Miteigentumsanteile bereits erfolgt ist.“

VI. Vertragsstichtag:

Besitz, Wag und Gefahr gehen mit auf die Übernehmerin über.....

Vertragspunkt X enthält die entsprechenden Aufsandungserklärungen.

Die Antragsteller begehrten unter Vorlage dieses Vertrags, der Geburtsurkunde der Drittantragstellerin sowie einer Einheitswertbekanntgabe die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Drittantragstellerin sowie des Wohn und Gebrauchsrechts und des Belastungs und Veräußerungsverbots zugunsten der Erst und Zweitantragsteller.

Das Erstgericht wies das Grundbuchsgesuch ab. Rechtlich folgerte es, dass Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe des Schenkungsgegenstands zu ihrer Gültigkeit eines Notariatsakts bedürften. Vom Formzwang seien nur solche Schenkungsverträge befreit, in denen ein als Übergabe erkennbarer Akt hinzukomme. Der Geschenkgeber müsse die Sache nicht bloß symbolisch oder durch Erklärung, sondern „real“ aus der Hand geben. Dies sei nicht der Fall, wenn der Geschenkgeber die Liegenschaft aufgrund eines bücherlich einzuverleibenden Wohnrechts bis zu seinem Tod weiter allein nutzen solle.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. In der rechtlichen Beurteilung teilte es die Rechtsansicht des Erstgerichts zur Notariatsaktspflicht. Es verwies insbesondere auf die bereits vom Erstgericht zitierten Entscheidungen 9 Ob 149/04h und 4 Ob 166/14m. Es bedürfe zwar im Grundbuchsverfahren beim urkundlichen Nachweis der bereits erfolgten Übergabe nicht der Darstellung konkreter Übergabsakte, weshalb ein Hinweis in der Vertragsurkunde, das die „wirkliche Übergabe“ bereits erfolgt sei, genüge. Gebe der Inhalt eines nicht als Notariatsakt errichteten Vertrags aber zu Zweifeln Anlass, ob der Schenker dem Beschenkten die Gewahrsame an der Sache übertragen habe, hinderten die dadurch ausgelösten Bedenken die begehrte Einverleibung. Laut Punkt V des Übergabevertrags sei die Übergabe nur symbolisch durch Betreten und Ansichnahme der Verwaltung erfolgt. In Punkt III werde den Übergebern auf Lebenszeit ein umfassendes dingliches Wohnungsgebrauchsrecht an sämtlichen Räumlichkeiten der Wohnung eingeräumt, an denen die Übergeber ein mit ihrem Wohnungseigentum im Zusammenhang stehendes ausschließliches Nutzungsrecht hätten. Das Vorbringen im Rekurs, dass die Übernehmerin gemeinsam mit ihren Eltern in dieser Wohnung lebe und bereits vor Unterfertigung des Vertrags Sachbesitz erlangt habe, sei eine im grundbücherlichen Rekursverfahren unzulässige Neuerung. Der Vertrag sei auch nicht entgeltlich, weil das dem Übergeber vorbehaltene Wohnungsgebrauchs oder Fruchtgenussrecht nicht als Gegenleistung, sondern als Wertminderung der übergebenen Sache zu veranschlagen sei.

Die Zulassung des Revisionsrekurses begründet das Rekursgericht mit fehlender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage, ob die in den höchstgerichtlichen Entscheidungen 9 Ob 149/04h und 4 Ob 166/14m aufgestellten Grundsätze im Grundbuchsverfahren auch dann gelten, wenn nach dem Vertragswortlaut anders als zu 5 Ob 227/14i keine „geteilte Nutzung“ der Beschenkten an der Sache vorgesehen bzw zum Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung praktiziert worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist zulässig und berechtigt.

1. Das den Übergebern vorbehaltene Wohnungsgebrauchsrecht ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht als Gegenleistung, sondern als Wertminderung zu veranschlagen (RIS Justiz RS0012978 [T9, T 11]; 5 Ob 227/14i mwN). Die Vorinstanzen haben den Übergabevertrag daher zutreffend als Schenkung angesehen.

2. Nach § 1 Abs 1 lit d NotariatsaktsG bedürfen Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe zu ihrer Gültigkeit eines Notariatsakts. Eine „wirkliche Übergabe“, muss nach außen erkennbar und so beschaffen sein, dass aus ihr der Wille des Schenkers hervorgeht, das Objekt der Schenkung sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Beschenkten zu übertragen (RIS Justiz RS0011383; RS0011295 [T16]). Der Ausdruck „wirkliche Übergabe“ bedeutet nichts anderes als das Gegenteil der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsversprechens (RIS Justiz RS0011295 [T2]; RS0018908 [T1]; RS0011383 [T6]). Bei Liegenschaften genügt die außerbücherliche Übergabe (RIS Justiz RS0011383 [T4]; RS0011228 [T11]). Das Erfordernis der wirklichen Übergabe dient dem Schutz des Geschenkgebers vor übereilten Schenkungen (5 Ob 82/05b mwN).

3. Zu 9 Ob 149/04h hat der Oberste Gerichtshof in einem streitigen Verfahren auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit eines Schenkungsvertrags und Löschung der Einverleibung des Eigentumsrechts der Beschenkten aus dem im Übereilungsschutz liegenden Formzweck der Notariatsaktspflicht abgeleitet, dass eine wirkliche Übergabe im Sinn des § 943 ABGB nur dann vorliegt, wenn der Geschenkgeber die Sache nicht bloß symbolisch oder durch Erklärung, sondern „real“ aus der Hand gegeben hat. Das trifft nach dieser Entscheidung nicht zu, wenn der Geschenkgeber die Liegenschaft aufgrund eines bücherlich einzuverleibenden Wohnrechts bis zu seinem Tod weiter allein nutzen sollte und nie die Absicht bestand, der Beschenkten die Gewahrsame am Schenkungsobjekt zu übertragen. Unter diesen Umständen ist auch ein gemeinsames Begehen und Besichtigen der Liegenschaft einschließlich der Übergabe von „Verwaltungsunterlagen“ keine „wirkliche Übergabe“ im Sinn des § 943 ABGB.

4. In der Entscheidung 4 Ob 166/14m folgte der Oberste Gerichtshof dieser Rechtsansicht mit dem Ergebnis, dass eine Liegenschaft, an der sich die Erblasserin ein lebenslängliches ausschließliches Wohnungsgebrauchsrecht einräumen hatte lassen und die sie bis zu ihrem Tode bewohnte, zum Nachlass gehöre und in das Inventar aufzunehmen sei. Er sah die Formulierung im Schenkungsvertrag, wonach die Übergabe zu einem bestimmten Termin an Ort und Stelle bereits erfolgt sei, als nicht ausreichend an, um ihr mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen, dass die Erblasserin die Liegenschaft tatsächlich „real“ aus der Hand gegeben hatte. Zwar sei eine „wirkliche Übergabe“ im Sinn von § 943 ABGB auch bei gleichzeitiger Einräumung eines Nutzungsrechts nicht ausgeschlossen, wie bei Übersendung des Schlüssels und Auftrag an den Notar, einen Schenkungsvertrag zu verfassen. Solche Umstände ergäben sich aber nicht aus der für die Inventarisierung allein maßgebenden Urkunde.

5. Diese beiden, nicht in Grundbuchsachen ergangenen Entscheidungen tragen das Ergebnis der Vorinstanzen entgegen ihrer Auffassung jedoch nicht. Im Grundbuchsverfahren ist für die Beantwortung der Frage der Übertragung der Gewahrsame und damit der wirklichen Übergabe der Wortlaut des Schenkungsvertrags maßgeblich (vgl RIS Justiz RS0060573; RS0060878). Aus diesem Wortlaut unmittelbare logische Schlussfolgerungen zu ziehen, ist dem Grundbuchsgericht zwar nicht verwehrt, es darf sich aber nicht auf Spekulationen zu Fragen der Auslegung des Vertrags insbesondere nach der wahren oder hypothetischen Absicht der Parteien einlassen (vgl RIS Justiz RS0060573 [T16]; RS00608678 [T36]). Die Konzentration auf den urkundlichen Nachweis einer erfolgten Übergabe beruht auf dem Gedanken, dass im Grundbuchsverfahren, einem reinen Akten und Urkundenverfahren, darüber hinausgehende Überlegungen zum Schutz des Geschenkgebers, der entgegen dem Wortlaut der Urkunde das Schenkungsobjekt nicht tatsächlich übergeben hatte, in der Regel ausgeschlossen sind (5 Ob 82/15t).

6. Im Grundbuchsverfahren erschöpft sich der „Nachweis“ der Übergabe daher in mehr oder weniger ausführlichen Urkundenfloskeln (5 Ob 227/14i; 5 Ob 172/15b). Konkrete Übergabsakte müssen nicht dargestellt werden, es genügt ein Hinweis in der Vertragsurkunde, dass die „Übergabe“ bereits erfolgt ist. Ein Notariatsakt ist dann entbehrlich (RIS Justiz RS0018923). Dies wurde in der höchstgerichtlichen Judikatur auch bei gleichzeitiger Einräumung eines lebenslangen, alleinigen Wohnungsrechts zugunsten des Schenkers bejaht (5 Ob 247/02p; 5 Ob 82/15t; 5 Ob 172/15b).

7. Die im vorliegenden Vertrag gewählte Formulierung „die Übernehmerin hat bereits die Verwaltung der Liegenschaften an sich genommen, sie betreten und diese gem § 312 ABGB in Besitz genommen, sodass die tatsächliche Übergabe der hier geschenkten Miteigentumsanteile bereits erfolgt ist“ ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Grundbuchsachen an sich ein ausreichender urkundlicher Nachweis für eine wirkliche Übergabe.

8. Dem Wortlaut des Vertrags ist nicht zu entnehmen, dass die Eigentumswohnung schon vor der im Vertrag festhaltenden Übergabe nur von den Erst und Zweitantragstellern bewohnt wurde, eine derartige ausschließliche Nutzung faktisch unverändert blieb und sich nur der Rechtstitel für die Benützung ohne Übertragung der Gewahrsame an die Beschenkte ändern sollte. Dass die Adressen der Geschenkgeber und des Schenkungsgegenstands nach Straße und Hausnummer im Vertrag übereinstimmend aufscheinen, reicht nicht aus, um begründete Zweifel an der vor Vertragsabschluss erfolgten urkundlich nachgewiesenen Tatsache der „wirklichen Übergabe“ zu wecken (5 Ob 82/15t). Das Wohnungsgebrauchsrecht soll nach Punkt III des Übergabevertrags an sämtlichen Räumlichkeiten der Wohnung eingeräumt werden, an denen die Übergeber ein mit ihrem Wohnungseigentum im Zusammenhang stehendes ausschließliches Nutzungsrecht haben. Nach ihrem Wortlaut umschreibt diese Formulierung lediglich das einem Wohnungseigentümer in § 2 Abs 1 Satz 1 WEG 2002 eingeräumte ausschließliche Nutzungsrecht am Wohnungseigentumsobjekt. Ein Wohnungseigentümer muss das Wohnungseigentumsobjekt jedoch nicht zwingend tatsächlich allein benützen, er kann es beispielsweise vermieten oder sonst anderen Personen den (Mit )Gebrauch überlassen.

9. Der von den Vorinstanzen angenommene rein symbolische Charakter einer Übergabe ohne realen Hintergrund ist durch die allein maßgebliche Urkunde somit nicht gedeckt. Der Schenkungsvertrag musste nach wirklicher Übergabe des Schenkungsobjekts nicht als Notariatsakt errichtet werden.

10. Sonstige Abweisungsgründe liegen nicht vor. Die Voraussetzungen für die beantragten Einverleibungen sind erfüllt, weshalb das Grundbuchsgesuch zu bewilligen ist.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00167.15T.1030.000