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OGH 26.09.2017, 4Ob161/17f

OGH 26.09.2017, 4Ob161/17f

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der betroffenen Person H***** J*****, geboren am ***** 1926, *****, infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses ihres Vorsorgebevollmächtigten  Mag. Dr. H***** J*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 48 R 144/17g-47, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die betroffene Person erteilte am ihrem Stiefsohn Mag. Dr. H***** J***** (im Folgenden: Vorsorgebevollmächtigter) eine im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis seit registrierte Vorsorgevollmacht, die auch die Vertretung vor allen öffentlichen Stellen umfasst. Der Vorsorgebevollmächtigte ist emeritierter Rechtsanwalt.

Das Erstgericht bestellte den Rechtsanwalt Mag. A***** B***** zum Verfahrenssachwalter und einstweiligen Sachwalter mit dem Wirkungskreis finanzielle Angelegenheiten, Vertretung vor Ämtern, Behörden, Gerichten, Sozialversicherungsträgern und gegenüber privaten

Vertragspartnern. Es sei zu befürchten, dass der Vorsorgebevollmächtigte nicht im Sinne des Bevollmächtigungsvertrags tätig werde bzw durch seine (Un-)Tätigkeit das Wohl der Betroffenen gefährde, weshalb ein außenstehender einstweiliger Sachwalter zu bestellen sei.

Das Rekursgericht erachtete den gegen diesen Beschluss vom Vorsorgebevollmächtigten im eigenen Namen erhobenen Rekurs als zulässig, aber nicht als berechtigt. Es ging davon aus, dass der Vorsorgebevollmächtigte nur im Namen und im Interesse der betroffenen Person rekurslegitimiert sei. Der Rekurs wende sich gegen die Fortsetzung des Sachwalterbestellungsverfahrens, sei daher als im Namen der Betroffenen als erhoben zu werten und daher zulässig. Inhaltlich ging das Rekursgericht von einer Gefährdung des Wohls der Betroffenen durch die Untätigkeit des Vorsorgebevollmächtigten aus.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der im eigenen Namen erhobene Revisionsrekurs des Vorsorgebevollmächtigten. Das Rechtsmittel ist nicht durch einen Rechtsanwalt oder Notar im Sinne des § 6 Abs 2 AußStrG unterfertigt.

Nach § 6 Abs 2 AußStrG müssen sich die Parteien in Verfahren über die Sachwalterschaft für behinderte Personen im Revisionsrekursverfahren durch einen Rechtsanwalt oder Notar vertreten lassen. Der Revisionsrekurs ist durch Überreichung eines mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts oder Notars versehenen Schriftsatzes beim Gericht erster Instanz zu erheben (§ 65 Abs 2 iVm Abs 3 Z 5 AußStrG).

Gemäß § 6 Abs 4 AußStrG sind die Vorschriften der ZPO über die Bevollmächtigung sinngemäß anzuwenden. Nach § 28 Abs 1 ZPO bedürfen Rechtsanwälte, wenn sie in einem Verfahren „als Partei“ einschreiten, keiner Vertretung durch einen Rechtsanwalt. Auch ein emeritierter Rechtsanwalt bleibt nach ständiger Rechtsprechung in eigenen Angelegenheiten von der Anwaltspflicht befreit (RIS-Justiz RS0119575 [T2, T4], vgl auch RS0035758).

Ungeachtet des Umstands, dass nach § 127 AußStrG der Rekurs auch dem Vertreter der betroffenen Person und ihren nächsten Angehörigen, deren Vertretungsbefugnis im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis registriert ist, zusteht, wird der Vorsorgebevollmächtigte im Rechtsmittelverfahren nicht „als Partei“ im Sinne des § 28 Abs 1 ZPO tätig. Der auch im Revisionsrekursverfahren anzuwendende (RIS-Justiz RS0124570) § 127 AußStrG ist vielmehr als bloß klarstellende Anordnung zu interpretieren, wonach der Vertreter (nur) im Namen und im Interesse der betroffenen Person rekurslegitimiert ist (RIS-Justiz RS0125240; ebenso Schauer in Gitschthaler/Höllwerth, § 127 AußStrG Rz 5).

Der Akt ist daher dem Erstgericht zur Durchführung des unterlassenen Verbesserungsverfahrens (§ 10 Abs 4 AußStrG) zurückzustellen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der betroffenen Person H***** J*****, geboren am ***** 1926, *****, infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses ihres Vorsorgebevollmächtigten Mag. Dr. H***** J*****, vertreten durch Dr. Christiane Pirker, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 48 R 144/17g-47, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die betroffene Person erteilte am ihrem Stiefsohn Mag. Dr. H***** J***** (im Folgenden: Vorsorgebevollmächtigter) eine im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis seit registrierte Vorsorgevollmacht, die auch die Vertretung vor allen öffentlichen Stellen umfasst.

Das Erstgericht bestellte am den Rechtsanwalt Mag. A***** B***** zum Verfahrenssachwalter und einstweiligen Sachwalter mit dem Wirkungskreis finanzielle Angelegenheiten, Vertretung vor Ämtern, Behörden, Gerichten, Sozialversicherungsträgern und gegenüber privaten Vertragspartnern. Es sei zu befürchten, dass der Vorsorgebevollmächtigte nicht im Sinne des Bevollmächtigungsvertrags tätig werde bzw durch seine (Un-)Tätigkeit das Wohl der Betroffenen gefährde, weshalb ein außenstehender einstweiliger Sachwalter zu bestellen sei.

Das Rekursgericht erachtete den gegen diesen Beschluss vom Vorsorgebevollmächtigten im eigenen Namen erhobenen Rekurs für zulässig, aber nicht berechtigt. Es ging davon aus, dass der Vorsorgebevollmächtigte nur im Namen und im Interesse der betroffenen Person rekurslegitimiert sei. Der Rekurs wende sich gegen die Fortsetzung des Sachwalterbestellungsverfahrens, sei daher als im Namen der Betroffenen als erhoben zu werten und daher zulässig.

Inhaltlich ging das Rekursgericht von einer Gefährdung des Wohls der Betroffenen durch die Untätigkeit des Vorsorgebevollmächtigten aus. Es legte seiner Entscheidung zugrunde, dass sich der Vorsorgebevollmächtigte nicht ausreichend um die Betroffene kümmere. Aufgrund der hohen Zahlungsrückstände sei sogar eine Zahlungs- und Räumungsklage gegen die Betroffene eingebracht worden. Die Betroffene sei somit der Gefahr ausgesetzt, dass sie ihre Unterkunft und die für sie offensichtlich erforderliche Pflege und Betreuung verliere. Es sei auch weiters zu befürchten, dass der Vorsorgebevollmächtigte seine Einschätzung, dass die Pflegemaßnahmen nicht erforderlich seien, beibehalten werde, obwohl überzeugende Anhaltspunkte gegeben seien, dass die Betroffene einer solchen Unterstützung bedürfe. Das Rekursgericht verwies auch auf den Bericht des einstweiligen Sachwalters, wonach der Vorsorgebevollmächtigte in den letzten Monaten hohe Bargeldabhebungen von insgesamt 59.900 EUR vom Girokonto der Betroffenen getätigt habe, wobei er zu dem Zweck dieser Abhebungen und der Verwendung der Gelder die Auskunft verweigere. Auch der Umstand, dass aufgrund der Ungereimtheiten in der für die Betroffene wahrgenommenen finanziellen Gebarung die Klageführung gegen den Vorsorgebevollmächtigten pflegschaftsgerichtlich genehmigt worden sei, spreche wegen des Interessenwiderstreits für die Bestellung eines Sachwalters.

In dem dagegen im Namen und im Interesse der betroffenen Person (RIS-Justiz RS0125240) erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs, der nach einem vom Senat veranlassten Verbesserungsverfahren nunmehr anwaltlich unterfertigt wurde, wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Nach § 268 Abs 2 ABGB ist die Bestellung eines Sachwalters bei Vorhandensein eines gewillkürten Vertreters, etwa eines solchen, der durch eine Vorsorgevollmacht zur Vertretung berufen ist, nicht „absolut unzulässig“, sondern (nur) insoweit unzulässig, als durch eine Vollmacht für die Besorgung der Angelegenheiten der behinderten Person „im erforderlichen Ausmaß“ vorgesorgt ist. Das ist etwa dann nicht der Fall, wenn der Vertreter zum Nachteil der behinderten Person handelt oder mit der Vertretung überfordert ist oder der durch eine Vorsorgevollmacht Bevollmächtigte nicht oder nicht im Sinn des Bevollmächtigungsvertrags tätig wird oder durch seine Tätigkeit sonst das Wohl der behinderten Person gefährdet (RIS-Justiz RS0123430). Bei einem festgestellten Überwachungsbedarf kommt daher auch eine gerichtliche Kontrolle des Vorsorgebevollmächtigten durch Bestellung eines Sachwalters in Frage. Der Überwachungsbedarf hängt von den Fähigkeiten und der Verlässlichkeit des Bevollmächtigten ab (RIS-Justiz RS0124290).

1.2 Die Beurteilung der Frage, ob genügend und welche Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines (einstweiligen) Sachwalters vorliegen, ist immer eine solche des Einzelfalls; die Frage ist aus den dem Tatsachenbereich zuzuordnenden Grundlagen zu lösen und nach den konkreten Tatumständen jeweils individuell zu beurteilen (RIS-Justiz RS0106166, RS0087091 [T3, T4]).

1.3 Wenn das Rekursgericht bei der gegebenen Sachlage aufgrund der von ihm aufgezeigten Umstände die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters für geboten erachtet, bedeutet das keinesfalls eine grobe Fehlbeurteilung. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG liegt damit nicht vor.

2.1 Auch der Umstand, dass der Vorsorgebevollmächtigte im erstinstanzlichen Verfahren nicht angehört wurde, begründet die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht.

2.2 Der Anfechtungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§§ 66 Abs 1 Z 1 iVm 59 AußStrG) ist dadurch gekennzeichnet, dass er nicht absolut wirkt. Er kann nur dann zur Aufhebung führen, wenn er zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausschlagen könnte (RIS-Justiz RS0120213). Nach ständiger Rechtsprechung wird der Mangel des rechtlichen Gehörs in erster Instanz behoben, wenn Gelegenheit bestand, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten (RIS-Justiz RS0006057).

2.3 Der Vorsorgebevollmächtigte hatte vor der Erhebung des Rekurses Kenntnis vom Inhalt des Bestellungsbeschlusses. Aufgrund der ausreichend festgestellten Entscheidungsgrundlagen durch das Erstgericht war es ihm auch möglich, die Interessen der Betroffenen im Rekursverfahren umfassend wahrzunehmen, wodurch ein allfälliger Mangel des rechtlichen Gehörs behoben wurde (zuletzt 2 Ob 121/17h). Entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs standen der Sanierung des erstgerichtlichen Gehörverstoßes in der zweiten Instanz auch die Bestimmungen über das Neuerungsverbot nicht entgegen. Das Rekursgericht hat einen Verstoß gegen das Neuerungsverbot ausdrücklich verneint und das Rekursvorbringen unter Berücksichtigung des übrigen Akteninhalts inhaltlich überprüft.

3. Der Vorwurf der Aktenwidrigkeit wurde geprüft, er liegt nicht vor. Wenn das Rekursgericht wegen des von ihm konstatierten Zahlungsrückstands bzw der Räumungsklage von einer Gefährdung der Betroffenen ausgeht, liegt darin eine rechtliche Schlussfolgerung, die den Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit nicht erfüllt (RIS-Justiz RS0043324).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00161.17F.0926.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAD-46721