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OGH 30.08.2016, 4Ob161/16d

OGH 30.08.2016, 4Ob161/16d

Rechtssatz


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Norm
RS0130935
Falls eine Zusammenrechnung nicht zu erfolgen hat, ist ein Ausspruch iSd § 500 Abs 2 Z 1 ZPO über jeden Anspruch gesondert zu tätigen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin Ö*****kammer, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagten 1. C-***** Kft, *****, 2. Dr. G***** G*****, 3. Dr. P***** P*****, alle vertreten durch Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 31.000 EUR), infolge „außerordentlichen Revisionsrekurses“ der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 5 R 74/16s-30, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 10 Cg 28/16b-19, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Rekursgericht mit dem Auftrag übermittelt,

(a) den Bewertungsausspruch dahin zu ergänzen, dass die vom Revisionsrekurs betroffenen Teilbegehren gesondert bewertet werden, und

(b) gegebenenfalls eine Entscheidung nach § 508 Abs 3 ZPO (iVm § 528 Abs 2a ZPO, §§ 78, 402 Abs 4 EO) zu treffen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand – und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Rechtsmittelgerichts –, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; sonst sind sie getrennt zu behandeln (RIS-Justiz RS0053096, RS0037838, RS0042349). Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über den anderen Anspruch ohne ergänzendes weiteres Sachvorbringen entscheiden zu können (RIS-Justiz RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt etwa dann vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder derselben Rechtsnorm abgeleitet werden, nicht aber wenn die Ansprüche ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können (17 Ob 22/10z; 4 Ob 79/10m; vgl auch RIS-Justiz RS0037899). Ob die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung gegeben sind, ist nach den Klagebehauptungen (Antragsbehauptungen) zu beurteilen (RIS-Justiz RS0042741; zu allem 4 Ob 67/11y).

2. Im vorliegenden Fall stützt sich die Klägerin auf drei Wettbewerbsverstöße der Beklagten (Nennung von Preisen, Häufigkeit von Inseraten, Werbung mit weiteren Leistungen), von denen noch zwei (Nennung von Preisen, Werbung mit weiteren Leistungen) Gegenstand des Revisionsrekurses sind. Daraus leitet sie mehrere voneinander getrennte Unterlassungsansprüche ab. Diese sind auf unterschiedliche Sachverhalte gestützt, ein hinreichender rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang liegt nicht vor. Die Ansprüche sind daher nach § 55 Abs 1 JN nicht zusammenzurechnen. Damit hat das Rekursgericht über von einander getrennte Gegenstände entschieden, die gesondert zu bewerten sind (vgl 4 Ob 67/11y mwN). Falls eine Zusammenrechnung nicht zu erfolgen hat, ist ein Ausspruch iSd § 500 Abs 2 Z 1 ZPO über jeden einzelnen Anspruch gesondert zu tätigen (Pimmer in Fasching/Konecny2 § 500 ZPO Rz 11). Soweit einzelne Ansprüche als Streitgegenstände einer Klage, über die das Berufungsgericht erkannte, nicht zusammenzurechnen sind, ist die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs für jeden Anspruch gesondert zu prüfen (Zechner aaO § 502 ZPO Rz 151).

Der Akt ist daher – worauf auch die Beklagten in ihrer (verfrühten) Revisionsrekursbeantwortung hinweisen – dem Rekursgericht mit dem Auftrag zu übermitteln, den Bewertungsausspruch dahin zu ergänzen, dass die Teilbegehren gesondert bewertet werden, und gegebenenfalls eine Entscheidung nach § 508 Abs 3 ZPO (hier iVm § 528 Abs 2a ZPO, §§ 78, 402 Abs 4 EO) zu treffen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin *kammer, *, vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagten 1. C* Kft, *, 2. Dr. G* G*, 3. Dr. P* P*, alle vertreten durch Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 31.000 EUR), über den Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 5 R 74/16s-30, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 10 Cg 28/16b-19, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss – unter Einbeziehung des in Rechtskraft erwachsenen Teils – insgesamt wie folgt zu lauten hat:

„Einstweilige Verfügung:

Zur Sicherung des Anspruchs der Klägerin gegen die Beklagten auf Unterlassung von Wettbewerbsverstößen wird den Beklagten ab sofort bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils im Gebiet der Republik Österreich verboten,

a) Preise für zahnärztliche Leistungen in der Öffentlichkeit zu nennen, insbesondere durch Angaben auf einer Website im Internet;

b) mehr als eine Anzeige pro Kalendervierteljahr in Printmedien, welche in Österreich vertrieben werden, zu veröffentlichen.

Hingegen wird das Mehrbegehren abgewiesen, den Beklagten auch zu verbieten,

c) Ankündigungen über ihre zahnmedizinischen Leistungen mit Hinweisen auf ein kostenloses Abholservice, auf einen wöchentlichen Taxibus, auf Unterkunftsmöglichkeiten oder mit sinngemäß gleichen Ankündigungen zu versehen und/oder versehen zu lassen.“

Die Klägerin hat die Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen zu rund 84 % vorläufig und zu rund 16 % endgültig selbst zu tragen.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten binnen 14 Tagen den mit 1.488,77 EUR (darin 242,53 EUR USt und 33,60 EUR Barauslagen) bestimmten Anteil ihrer Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Beklagten betreiben gemeinsam eine Zahnarztpraxis in Ungarn. Sie schalteten in der Ausgabe vom 13./ einer österreichischen Lokalzeitschrift sowohl auf der Titelseite als auch im Blattinneren jeweils ein Inserat, in dem neben der Zahnarztpraxis auch ein kostenloses Abholservice für die Erstberatung und ein wöchentlicher Taxibus beworben und auf ihre Website verwiesen wurde. Diese ist in deutscher Sprache abrufbar und enthält unter anderem eine Anfahrtsbeschreibung sowie eine Preisliste für diverse zahnärztliche Leistungen und Hinweise auf Unterkunftsmöglichkeiten „zum extra günstigen Preis“ bzw (abhängig von den zahnärztlichen Leistungen) gratis.

Die klagende Zahnärztekammer beantragte, den Beklagten zur Sicherung ihres gleichlautenden Unterlassungsbegehrens mittels einstweiliger Verfügung aufzutragen, es im Gebiet der Republik Österreich zu unterlassen, a) Preise für zahnärztliche Leistungen in der Öffentlichkeit zu nennen, insbesondere durch Angaben auf einer Website im Internet; b) mehr als eine Anzeige pro Kalendervierteljahr in Printmedien, welche in Österreich vertrieben werden, zu veröffentlichen; c) Ankündigungen über ihre zahnmedizinischen Leistungen mit Hinweisen auf ein kostenloses Abholservice, auf einen wöchentlichen Taxibus, auf Unterkunftsmöglichkeiten oder mit sinngemäß gleichen Ankündigungen zu versehen und/oder versehen zu lassen. Die beanstandeten Ankündigungen verstießen gegen das Verbot unsachlicher Werbung gemäß § 35 Abs 2 Zahnärztegesetz (ZÄG) und gegen die Werberichtlinien (WR-ÖZÄK) gemäß § 35 Abs 5 ZÄG, somit auch gegen § 1 UWG.

Die Beklagten bestritten jeglichen lauterkeitsrechtlichen Verstoß.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung zu Punkt b) des Sicherungsantrags und wies die Anträge zu den Punkten a) und c) ab. Nach Art 5 der WR-ÖZÄK dürfen Angehörige des zahnärztlichen Berufs lediglich einmal pro Kalendervierteljahr eine Anzeige veröffentlichen. Da ein Inserat der Beklagten in einer Ausgabe der Zeitschrift sowohl auf der Titelseite als auch im Blattinneren geschaltet worden sei, liege ein Verstoß gegen die genannte Bestimmung der WR-ÖZÄK vor. Der Hinweis auf ein Abholservice und einen Taxibus sei nicht unsachlich, zumal dies für Patienten ein wesentliches Kriterium dafür sei, ob sie sich für die Behandlung in einer im Ausland oder im Inland gelegenen Praxis entscheiden. Die Preisangaben auf der Website seien gemäß der E-Commerce-Verhaltensrichtlinie für Zahnärzte in der EU (im Folgenden: VerhaltensRL) nach der Berufsordnung jenes Landes zu beurteilen, in dem sich der Zahnarzt niedergelassen habe. Da die Klägerin nicht behauptet habe, dass die Website der Beklagten der ungarischen Berufsordnung widerspreche, sei ihr diesbezüglicher Antrag abzuweisen.

Das von beiden Seiten angerufene Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und ließ nachträglich – unter gleichzeitiger Ergänzung seines Bewertungsausspruchs – den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Die einstweilige Verfügung hinsichtlich des Verbots der Überschreitung des zulässigen Anzeigevolumens erwuchs in Rechtskraft.

Die Klägerin wendet sich in ihrem Revisionsrekurs gegen die Abweisung des Sicherungsantrags im Zusammenhang mit den Preisangaben auf der Website und mit den Hinweisen auf Zusatzleistungen (Punkte a und c des Sicherungsantrags). Nach dem klaren Wortlaut von Art 4 lit d WR-ÖZÄK seien sowohl deren Bestimmungen, als auch jene der VerhaltensRL einzuhalten. Die Beklagten hätten eindeutig gegen die WR-ÖZÄK verstoßen. Die Anpreisung von Zusatzleistungen sei nach Art 2 WR-ÖZÄK unzulässig, wenn die Vorteile in keinem Zusammenhang mit der angebotenen Leistung stünden oder damit keine Erkenntnisse über die beworbenen zahnmedizinischen Leistungen vermittelt würden. Da mit den Hinweisen auf Abholservice, Taxibus und Übernachtungsmöglichkeiten keine Erkenntnisse über die beworbenen zahnmedizinischen Leistungen vermittelt würden, stehe die auch insoweit abweisende Entscheidung des Rekursgerichts zur gesetzlichen Regelung im Widerspruch. Überdies liege eine aggressive Geschäftspraktik vor. Das kostenlose Abholservice für die Erstberatung könne nämlich einen psychischen Kaufzwang auslösen.

Die Beklagen beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und zum Teil berechtigt:

1. Preiswerbung

1.1. Die Klägerin stützt ihr diesbezügliches Begehren auf einen Verstoß gegen Art 3 lit e der nach § 35 ZÄG erlassenen WR-ÖZÄK. Dieser lautet:

Ein das Ansehen des Berufsstandes beeinträchtigendes Anpreisen oder Bewerben zahnärztlicher Leistungen liegt vor […] e) bei Nennung des Preises für die eigenen privatzahnärztlichen Leistungen in der Öffentlichkeit, mit Ausnahme jener Fälle, in denen dies gesetzlich vorgeschrieben ist.

1.2. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass auch die Beklagten diese Bestimmung zu beachten haben. Sobald Angehörige eines freien Berufs mit Sitz im Ausland auch im Inland tätig werden, haben sie nämlich die hier geltenden Berufs- und Standesregeln einzuhalten. Ein Zahnarzt wird bereits dann im Inland tätig, wenn er hier durch Werbemaßnahmen Patienten für eine Behandlung an seinem ausländischen Ordinationsstandort zu gewinnen versucht (RIS-Justiz RS0051613 [T2, T3]; 4 Ob 130/12i, Ungarische Zahnärztin). Dass dies hier der Fall ist, ist ebenso unstrittig, wie der Verstoß der Beklagten gegen Art 3 lit e WR-ÖZÄK.

1.3. Die Vorinstanzen verneinten in diesem Punkt einen den Beklagten anzulastenden Lauterkeitsverstoß, weil sich diese auf vertretbare Rechtsansicht berufen könnten. Art 2 der VerhaltensRL schreibe nämlich bloß vor, dass die Informationen auf der Website ua im Einklang mit den Rechtsvorschriften und dem Berufskodex des Mitgliedstaats stehen, in dem der Zahnarzt niedergelassen ist. Die Klägerin habe nicht dargetan, dass die beanstandeten Preisangaben auf der Website der Beklagten der ungarischen Berufsordnung widersprechen. Da die Beklagten ihr Verhalten nicht von vornherein an der strengsten Auslegung der maßgebenden Regelungen orientieren müssten, liege eine vertretbare Rechtsansicht vor, wenn sie auf die Bestimmungen der VerhaltensRL als für sie maßgebliche Norm abstellten.

1.4. Maßgebend für die Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung sind der eindeutige Wortlaut und Zweck der angeblich übertretenen Norm sowie gegebenenfalls die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und eine beständige Praxis von Verwaltungsbehörden (4 Ob 58/14d, Automatik-Startfunktion; RIS-Justiz RS0077771 [T48]; RS0123239 [T8]).

1.5. Art 4 lit d WR-ÖZÄK lautet:

Im Zusammenhang mit der Ausübung des zahnärztlichen Berufs sind dem Angehörigen des zahnärztlichen Berufs – unter Beachtung der Bestimmungen dieser Richtlinie – insbesondere gestattet: ...

d) die Einrichtung einer eigenen Webseite im Internet und eigener Profilseiten in sozialen Netzwerken wie Facebook, Google+, Xing, LinkedIn o. dgl., wobei bei den Inhalten solcher Web- oder Profilseiten die Bestimmungen dieser Werberichtlinien sowie sinngemäß die Bestimmungen der E-Commerce-Verhaltensrichtlinien für Zahnärzte in der EU (siehe Anhang 1) einzuhalten sind.

1.6. Die Revisionsrekurswerberin weist zutreffend darauf hin, dass im gegebenen Zusammenhang nach gewöhnlichem Sprachgebrauch „sowie“ den selben Bedeutungsinhalt wie „und“ hat. Die Inhalte auf den genannten Webseiten müssen daher, um rechtskonform zu sein, sowohl der WR-ÖZÄK als auch der VerhaltensRL entsprechen. Dies ist hier aufgrund des zuvor aufgezeigten Verstoßes gegen die WR-ÖZÄK nicht der Fall. Die Rechtsauffassung der Beklagten, die beanstandete Preiswerbung sei zulässig, ist daher aufgrund des insoweit klaren und eindeutigen Wortlauts der WR-ÖZÄK unvertretbar.

2. Zusatzleistungen

2.1. Art 2 WR-ÖZÄK lautet:

Unsachlich ist eine Anpreisung oder das Bewerben zahnärztlicher Leistungen, wenn a) zugleich Vorteile versprochen oder Leistungen angekündigt werden, welche in keinem Zusammenhang mit der angebotenen zahnmedizinischen Leistung stehen; b) damit keine Erkenntnisse über die beworbenen zahnmedizinischen Leistungen vermittelt werden.

2.2. Art 2 WR-ÖZÄK enthält zwei unterschiedliche Tatbestände, die gesondert zu prüfen sind: nämlich a) das Versprechen von Vorteilen oder Leistungen ohne Zusammenhang mit der Berufsausübung, und b) die Bewerbung zahnmedizinischer Leistungen ohne Vermittlung von Erkenntnissen über diese Leistungen.

Im Anlassfall ist allein Punkt a) gegenständlich und zu prüfen: Kostenloses Abholservice zur Erstberatung, wöchentlicher Taxibus und ein Hinweis auf eine Unterkunftsmöglichkeit am Ort der Ordination („Während der zahnärztlichen Behandlung können Sie in unserem eigenen, exklusiv eingerichteten Appartement-Haus günstig oder sogar kostenlos übernachten“) sind nämlich schon ihrer Natur nach keine „zahnmedizinischen Leistungen“ und unter keinen Umständen geeignet, Erkenntnisse über zahnmedizinische Leistungen zu vermitteln. Dies schließt aber nicht aus, dass sie unter dem Gesichtspunkt des Zusammenhangs mit der Berufsausübung (lit a) zulässig sein können.

2.3. Die genannten (Zusatz-)Leistungen ermöglichen in vielen Fällen erst zahnärztliche Leistungen der Beklagten an solche Patienten, die (um von den Beklagten behandelt werden zu können) einen größeren Anfahrtsweg zurücklegen müssen, aber über keinen Pkw verfügen und auch keine zumutbaren öffentlichen Verkehrsmittel vorfinden. Um leichter Patienten zu gewinnen, die nicht am Ort der Ordination wohnhaft sind, bedarf es daher (auch im Interesse der Patienten) etwa des Aufzeigens von Anfahrtswegen zur Ordination oder des Anbots eigener Transportgelegenheiten. Gleichermaßen liegt es nahe, einen Fahrplan öffentlicher Verkehrsmittel oder einen Link zu einem elektronischen Fahrplan in die Website aufzunehmen. Im Lichte dieser Überlegungen kann daher in vertretbarer Weise ein Zusammenhang zwischen dem beworbenen kostenlosen Abholservice zur Erstberatung bzw dem wöchentlichen Taxibus einerseits und den zahnärztlichen Leistungen der Beklagten andererseits angenommen werden.

Gleiches gilt sinngemäß für die beworbenen Unterkunftsmöglichkeiten, zumal es insbesondere nach schwereren zahnärztlich-operativen Eingriffen unter örtlicher Betäubung naheliegend ist, nicht sofort eine längere Heimreise anzutreten, sondern bis zur Wiederherstellung der Reisefähigkeit zunächst noch am Ordinationsort zu verweilen.

2.4. Die Marktteilnehmer müssen auch im Zusammenhang mit standesrechtlichen Werberegelungen ihr Verhalten nicht von vornherein an der strengsten Auslegung der maßgebenden Regelungen orientieren (4 Ob 254/15d). Die Beklagten durften – wie oben aufgezeigt – von einem Zusammenhang der beworbenen Zusatzleistungen mit ihren zahnmedizinischen Leistungen ausgehen und daher auch in vertretbarer Weise annehmen, dass ihre Werbung keine unsachliche Anpreisung im Sinn von Art 2 WR-ÖZÄK ist.

3. In der Entscheidung 4 Ob 103/08p, welche die Beurteilung der Vorinstanz billigte, wonach das Anbot eines Gratistaxis zur Zahnbehandlung „psychischen Kaufzwang“ auslöse, lag das Schwergewicht der Begründung – gestützt auf das Verbot aggressiver Geschäftspraktiken gemäß § 1a UWG – darin, dass das Gefühl einer Verpflichtung, auch die Hauptleistung (Behandlung) in Anspruch nehmen zu müssen, (schon) aufgrund des unvermeidlichen persönlichen Kontakts bei Terminvereinbarung und namentlicher Inanspruchnahme des Gratistransports entstehen könne; dies sei als aggressive Geschäftspraktik zu beurteilen.

Dieser Aspekt kann hier unberücksichtigt bleiben, weil sich die Klägerin in erster Instanz nur auf Rechtsbruch nach § 1 UWG gestützt hat. Soweit sie im Revisionsrekurs auch eine aggressive Geschäftspraktik nach § 1a UWG geltend macht, liegt darin ein anderer Tatbestand und damit eine unzulässige Neuerung.

4. Zusammenfassend hat die Klägerin ihren Sicherungsanspruch auch im Punkt a) (Preiswerbung) bescheinigt, nicht jedoch im Punkt c) (Zusatzleistungen). Ihrem Revisionsrekurs ist daher teilweise (hinsichtlich des Punktes A) Folge zu geben, im Übrigen sind die Entscheidungen der Vorinstanzen zu bestätigen.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, für den Zuspruch an die Beklagten iVm §§ 43 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Ausgehend von der Bewertung der einzelnen Begehren durch die Klägerin ist sie bei einem Gesamtstreitwert von 31.000 EUR mit 84 % ihrer Ansprüche durchgedrungen, die Beklagten waren mit 16 % bzw im Rechtsmittelverfahren (Streitwert 18.000 EUR) mit 27,7 % erfolgreich. Die Beklagten haben daher in diesem Umfang Anspruch auf Ersatz ihrer jeweiligen Kosten.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00161.16D.0830.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAD-46712