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OGH vom 29.11.2001, 6Ob248/01s

OGH vom 29.11.2001, 6Ob248/01s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Ried im Innkreis zu FN ***** eingetragenen M***** Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in A*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer Friedhelm B*****, *****, und Uwe B*****, alle vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 131/01d-8, womit dem Rekurs der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer gegen den Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom , GZ 16 Fr 2473/00i-4, nicht Folge gegeben wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen. Die Anträge der Revisionsrekurswerber auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof und auf Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften über ein Vorabentscheidungsverfahren des Landesgerichtes Wels, des Verfassungsgerichtshofes "und allfälliger weiterer Firmenbuchgerichte", werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach die österreichischen handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen als verfassungskonform und dem Gemeinschaftsrecht entsprechend beurteilt und in der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (1. Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom - Publizitätsrichtlinie; 4. Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom - Bilanzrichtlinie) nach mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (vor allem der Entscheidung vom , Slg 1997 I-6843 - Daihatsu) keinen Eingriff in Grundrechte der MRK oder Grundwerte der Europäischen Gemeinschaft erblickt (RS0113282). Die Rekurswerber bekämpfen diese Auffassung überwiegend mit Argumenten, die der Oberste Gerichtshof schon behandelt und abgelehnt hat. Die gesetzlichen Offenlegungspflichten nach dem Bezügebegrenzungsgesetz BGBl 1997/64 und die zu diesem Gesetz vom Verfassungsgerichtshof und vom Obersten Gerichtshof gestellten Fragen in den anhängig gemachten Vorabentscheidungsverfahren zur Klärung der Vereinbarkeit der Offenlegung von Gehältern mit dem Datenschutz sind nicht vergleichbar. Entscheidend sind die Verschiedenheit der Materien und der Umstand, dass im Falle der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien eine die Umsetzung der Richtlinien einfordernde Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bereits vorliegt (6 Ob 54/01m; zuletzt 6 Ob 101/01y; 6 Ob 172/01i). Gleiches gilt für den von den Rekurswerbern für ihren Standpunkt ins Treffen geführten Schlussantrag des Generalanwalts in einem beim EuGH anhängigen Verfahren, in dem die Einschränkung von Wirtschaftsgrundrechten durch eine Werberichtlinie (Tabakwerberichtlinie) insbesondere im Hinblick auf das Recht auf freie Meinungsäußerung zu prüfen ist (6 Ob 215/00m). Dem vom Landesgericht Wels an den EuGH im Sinne der Rekurswerber gestellten Vorabentscheidungsersuchen kommt für andere Verfahren keine Bindungswirkung zu (6 Ob 305/00t und 6 Ob 306/00v = RdW 2001/372 ua; RIS-Justiz RS0114648).

Der Hinweis der Revisionsrekurswerber auf die EU-Grundrechtscharta zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die noch rechtlich unverbindliche Charta der Grundrechte (Schubarth, Die EU-Grundrechtscharta - Ein Paradigmawechsel? JBl 2001, 205), die noch keine europäische Verfassung (Hirsch, Grundrechtscharta für Europa - Anspruch - Wirklichkeit, European Law Reporter 2001, 2), sondern eine Deklaration der Staaten der Gemeinschaft darstellt (vgl die Präambel und den Text der Charta abgedruckt in Hummer/Obwexer, Der Vertrag von Nizza 305 ff) bringt im hier interessierenden Zusammenhang keine neuen Gesichtspunkte. Es ist nicht zweifelhaft, dass sowohl der nationale Gesetzgeber als auch der Gemeinschaftsrechtsgesetzgeber Eingriffe in Grundrechte nach den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klargestellten Kriterien der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des gesetzlichen Eingriffs zu rechtfertigen haben und dass dem EuGH die Prüfungskompetenz zukommt. Im Gegensatz zur Auffassung der Rekurswerber ist von einer schon erfolgten Prüfung des EuGH auszugehen.

Der Revisionsrekurs vermag keine Umstände darzutun, die eine Änderung der oberstgerichtlichen Rechtsprechung rechtfertigen könnten. Die neben dem Rekursantrag wiederholt gestellten Anregungen werden nicht aufgegriffen, die formellen Anträge sind zurückzuweisen (6 Ob 54/01m).

Fundstelle(n):
FAAAD-46688