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OGH vom 28.06.1984, 6Ob12/84

OGH vom 28.06.1984, 6Ob12/84

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Verlassenschaftssache nach der am gestorbenen Johanna R*****, zuletzt wohnhaft in *****, wegen Absonderung des Nachlasses auf Antrag des pflichtteilsberechtigten Sohnes Richard R*****, vertreten durch Dr. Bernhard Heitzmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, infolge Revisionsrekurses der erbserklärten Erbin mj Claudia Z*****, in der Abhandlung vertreten durch ihren Vater Herbert Z*****, vertreten durch Dr. Klaus Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 2 R 311/83-68, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom , GZ A 319/80-61, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben und der angefochtene Beschluss derart abgeändert , dass die erstinstanzliche Entscheidung auf Abweisung des Absonderungsantrags wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Johanna R***** ist am gestorben. Sie war die Witwe nach dem am vorverstorbenen Bäckermeister Peter R*****. Die Ehegatten Peter und Johanna R***** waren Eigentümer je eines Hälfteanteils am geschlossenen Hof „J*****“ (EZ *****). Die Ehegatten hatten einander wechselseitig zu (Vor-)Erben, ihre ehelichen Kinder dem Überlebenden auf dessen Ableben oder Wiederverehelichung als Nacherben eingesetzt. Im Sinne dieses gemeinschaftlichen Testaments vom wurde der Nachlass nach Peter R***** seiner Witwe zur Gänze eingeantwortet, ihr Eigentum an dem ererbten Hälfteanteil des geschlossenen Hofs aber durch die fideikommissarische Substitution zugunsten der vier ehelichen Kinder beschränkt. Eines dieser vier Kinder ist am gestorben. Der Nachlass nach dieser Nacherbin wurde zur Hälfte der Vorerbin (der Mutter) und zu je einem Sechstel den übrigen drei Nacherben (ihren Geschwistern) eingeantwortet. In Vollziehung dieses Abhandlungsergebnisses (zu A 278/78 des Erstgerichts) wurde in Ansehung der fideikommissarischen Substitution (in Ansehung eines 1/8-Anteils der Gesamtliegenschaft) zugunsten der verstorbenen Nacherbin der Übergang des Rechts aus der Substitution zu je 1/6 (das heißt zu je 1/48-Anteil an der Gesamtliegenschaft) auf die drei überlebenden Nacherben einverleibt. Nach dem Ergebnis dieser Abhandlung nach der im Jahre 1978 verstorbenen Vorerbin waren deren Rechte aus der Nacherbschaft an der Verlassenschaft ihres Vaters Peter R***** sen zur Hälfte (das heißt zu 1/16-Anteil der Gesamtliegenschaft) erloschen, die Vorerbin nicht nur unbeschränkte Eigentümerin ihres ursprünglichen Hälfteanteils sondern eines weiteren 1/16-Anteils, daher insgesamt unbelastete Eigentümerin in Ansehung von 27/48-Anteilen der Gesamtliegenschaft, während das Nacherbrecht der drei überlebenden Kinder in Ansehung des vormals ihrem Vater eigentümlichen Hälfteanteils insgesamt je 7/48-Anteile der Gesamtliegenschaft erfasste. Die von der Nacherbschaft betroffenen Liegenschaftsanteile, die der am verstorbenen Witwe lediglich als Vorerbin zustanden, sind nicht Gegenstand dieser Abhandlung ihres frei vererblichen Vermögens (§ 26 AußStrG).

Die Witwe hat in der Folge mit zwei ihrer überlebenden Kinder als den Nacherben nach deren Vater einerseits und den Pflichtteilsberechtigten nach ihr selbst andererseits in Notariatsaktform Ablöse- und Verzichtsverträge geschlossen, am mit ihrer überlebenden Tochter Johanna und am mit ihrem jüngeren Sohn Peter. Nach dem Inhalt dieser Verträge verzichteten die beiden Kinder auf ihre Ansprüche als Nacherben ihres Vaters sowie auf Erb- und Pflichtteilsansprüche nach ihrer Mutter. Mit dem älteren Sohn Richard war ein gleichartiger Verzichtsvertrag nicht zustandegekommen.

Mit außergerichtlichem schriftlichen, fremdhändig verfassten Testament vom hatte die Erblasserin ihre am geborene Enkelin Claudia, eine Tochter ihrer überlebenden Tochter Johanna, als Erbin eingesetzt. Aufgrund dieses am kundgemachten Testaments gab die testamentarisch berufene Enkelin der Erblasserin die bedingte Erbserklärung ab. Diese Erbserklärung wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluss vom , ON 17, zu Gericht angenommen. In der Folge wurde der erbserklärten Enkelin der Erblasserin auch die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen (ON 28).

Am nahmen der jüngere Sohn der Erblasserin und deren überlebende Tochter die feststellenden Erklärungen des Gerichtskommissärs, dass ihnen nach den Verzichtsverträgen vom 14. 3. und keine Erb- und Pflichtteilsansprüche zustünden, kommentarlos zur Kenntnis. Der ältere Sohn erklärte jedoch, Pflichtteilsansprüche geltend zu machen und sich eine endgültige Stellungnahme zur Gültigkeit des Testamtens vorzubehalten.

Im Zuge der Abhandlungspflege wurde eine Schätzung und Inventarisierung des Nachlasses vorgenommen.

In der Zwischenzeit hatte die erbserklärte Alleinerbin (mit pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung im eigenen Namen, nicht formell namens der Verlassenschaft und auch nicht mit abhandlungsgerichtlicher Genehmigung) die Erbverzichtsverträge - nicht aber auch die jeweils im selben Notariatsakt vereinbarte Ablöse der Nacherbenansprüche - wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (dass nämlich alle drei pflichtteils-berechtigten Kinder gleichartige Erbsverzichtserklärungen abgäben, also auch der ältere Sohn) angefochten. Über die entsprechenden Klagebegehren ergingen Versäumungsurteile (zu 12 Cg 468/83 und 13 Cg 459/83 des Landesgerichts Innsbruck), die formell in Rechtskraft erwuchsen.

Nach dem Standpunkt der Alleinerbin bestehen die Verzichtserklärungen ihrer Mutter und ihres jüngeren Onkels auf deren Ansprüche aus der Nacherbschaft aufrecht, sodass außer dem ursprünglichen Hälfteanteil der Erblasserin weitere 17/48-Anteile der Gesamtliegenschaft zum freivererblichen Vermögen der Erblasserin zu zählen seien. Dieser Auffassung widersetzte sich der jüngere Sohn der Erblasserin und verfolgte klageweise die Feststellung der Unwirksamkeit auch der Vereinbarungen der Erblasserin über seine Rechte aus der Nacherbschaft. Überdies machte er klageweise gegen die Alleinerbin seine Pflichtteilsforderung geltend.

Bei dieser Verfahrenslage beantragte der ältere Sohn der Erblasserin in der am vor dem Gerichtskommissär abgehaltenen Tagsatzung gemäß § 812 ABGB als Pflichtteilsberechtigter die Absonderung der Verlassenschaft und die „Vormerkung des ... (ihm) ... zustehenden Pflichtteilsanspruchs auf den zur Erbschaft gehörigen 41/48-Anteilen“ der Höfeliegenschaft, wobei er seinen Pflichtteilsanspruch ausdrücklich mit 50 % des Nachlasswerts annahm. Seinen Absonderungsantrag begründete er wörtlich mit der „Besorgung, dass durch die Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben seine Forderung Gefahr laufen könnte“. Zur Begründung einer unmittelbar darauf beantragten Erstreckung der Tagsatzung brachte er vor, er habe erst in der Tagsatzung erfahren, dass „hinter seinem Rücken zur Frage der Gültigkeit der Erbverzichtsverträge eine gerichtliche Entscheidung angestrebt wird oder bewirkt wurde“.

Das Abhandlungsgericht hat den Antrag auf Nachlassabsonderung abgewiesen, weil der Antragsteller keine konkreten Umstände für seine subjektive Besorgnis behauptet habe.

In seinem dagegen erhobenen Rekurs erklärte der Antragsteller, er hole nunmehr die Präzisierung seiner Besorgnis mit dem Vorbringen nach, er könne von seinem Schweizer Wohnort aus grundsätzlich nicht kontrollieren, ob der Nachlass nicht geschmälert und dadurch seine Forderung in Gefahr gebracht werde. Durch das Verhalten der Miterben (in den mit Versäumungsurteil beendeten Gerichtsverfahren) sei offenbar, dass seine (Pflichtteils-)Forderung dezimiert werden solle. Die Alleinerbin sei eine vermögenslose Minderjährige, die nach einem auch durch teilweisen Verkauf des Verlassenschaftsvermögens keine ausreichenden Mittel zur Befriedigung seiner Forderungen besäße.

Das Rekursgericht ordnete in teilweiser Stattgebung des vom pflichtteilsberechtigten Sohn erhobenen Rekurses die Verlassenschaftsabsonderung an und überließ dem Erstgericht die Auswahl des Separationskurators; den Antrag auf grundbücherliche Vormerkung der Pflichtteilsforderung wies es ab. Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, dass die im Rekurs zulässigerweise ausgeführten Umstände die im § 812 ABGB vorausgesetzte Besorgnis rechtfertigten. Die Anfechtung von Erbverzichtsverträgen könne auf die Pflichtteilsforderung des Antragstellers nachteiligen Einfluss haben. Darin allein lägen begründete Bedenken iSd § 812 ABGB.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der erbserklärten Erbin ist gerechtfertigt.

Besorgt ein Gläubiger, dem der Rechtsträger des Verlassenschaftsvermögens schon vor dessen Besitzeinräumung an den Erben haftet, aus der Überweisung dieser Vermögensmasse in die freie Verfügungsmacht des Erben eine Gefahr für die Einbringlichkeit seiner Forderung, kann er das im § 812 ABGB geregelte Sicherungsmittel der Verlassenschaftsabsonderung in Anspruch nehmen. Dieses Rechtsinstitut soll dem nach § 812 ABGB qualifizierten Gläubiger Schutz davor gewähren, dass er in Ansehung des Verlassenschaftsvermögens als Haftungsfonds zur Befriedigung seiner Ansprüche in eine solche zusätzliche Konkurrenz mit bereits vorhandenen oder künftigen Gläubigern des Erben geraten könnte, die seine Aussichten auf Anspruchsbefriedigung zu schmälern geeignet ist. Nach der hierin mit der Lehre (Ehrenzweig/Kralik System IV³, 359; Koziol-Welser Grundriß des bürgerlichen Rechts6 , II, 333; Welser in Rummel Rdz 14 und 15 zu § 812; Weiß im Klang-Komm², III, 1018) übereinstimmenden ständigen Rechtsprechung (JBl 1983, 483 uva) reicht zwar schon jedes hinreichend motivierte subjektive Bedenken des Gläubigers zur Erfüllung der Voraussetzungen für den Absonderungsansruch hin, dem Gläubiger obliegt aber doch die Behauptung - nicht auch die formelle Bescheinigung - konkreter Umstände, die die geltend gemachte Besorgnis wenigstens subjektiv begründet erscheinen ließen.

Die vom Antragsteller im Rekurs nachgetragene Begründung seiner subjektiven Besorgnis ist entgegen der rekursgerichtlichen Ansicht nicht geeignet, diese Anspruchsvoraussetzung der Verlassenschaftsabsonderung zu erfüllen: Dass der Gläubiger seinen Wohnsitz im Ausland hat und die Vermögensgebarung der im Inland wohnhaften Erbin nicht kontrollieren könne, ist solange unmaßgeblich, als nicht gegen die Vermögensgebarung durch die Erbin subjektive Bedenken vorgebracht werden. Die aktenkundigen Bestrebungen der Testamentserbin, eine ihrer Ansicht nach von der Erblasserin nicht gewünschte Reflexwirkung der Erbverzichte zweier Kinder auf das Ausmaß der Pflichtteilsquote des dritten überlebenden Kindes wieder aufzuheben, berühren zwar die Höhe des dem Grunde nach unbestrittenen Pflichtteilsanspruchs, aber in keiner Weise die zur Befriedigung der betraglich höheren oder niedrigeren Forderung des Antragstellers zur Verfügung stehende Vermögensmasse. Weder die Minderjährigkeit noch die Vermögenslosigkeit der Erbin kann eine auch nur subjektiv motivierte Annahme des Antragstellers stützen, im Falle fortdauernder Verwaltung und Besorgung der Verlassenschaft durch die erbserklärte Alleinerbin und später durch die Überlassung der Verlassenschaft in deren freie Verfügungsmacht werde die Erbin Verbindlichkeiten eingehen, für die die ehemaligen Verlassenschaftsstücke als Haftungsgrundlage zur Verfügung stehen würden, oder wesentliche Teile der ererbten Vermögensmasse veräußern. Der Absonderungsantrag ist daher auch unter Berücksichtigung des Rekursvorbringens nicht schlüssig. Aus diesem Grunde war in Stattgebung des Revisionsrekurses der erbserklärten Alleinerbin die Antragsabweisung der Entscheidung des Gerichts erster Instanz wiederherzustellen.

Fundstelle(n):
YAAAD-46673