OGH vom 19.11.2014, 3Ob180/14p

OGH vom 19.11.2014, 3Ob180/14p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden, den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei R***** Ltd, *****, vertreten durch Mag. Stefan Benesch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichteten Parteien 1. I*****, 2. P***** GmbH, *****, beide vertreten durch Heger Partner Rechtsanwälte in Wien, wegen 831.572 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 46 R 142/14v 55, womit über Rekurs der verpflichteten Parteien der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 64 E 661/14g 2, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird in seinem Punkt II. dahin abgeändert, dass die erstgerichtliche Exekutionsbewilligung in dem von der betreibenden Partei eingeschränkten Umfang (Kapitalforderung von 831.572 EUR samt 8,38 % Zinsen vom bis und 7,88 % Zinsen seit ) einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die verpflichteten Parteien haben die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses der betreibenden Partei werden mit 10.870,80 EUR (darin enthalten 7.048,80 EUR Barauslagen, 637 EUR USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung:

Die betreibende Partei beantragte, soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Relevanz, ihr aufgrund eines vollstreckbaren Urteils des Handelsgerichts Wien vom die Forderungsexekution durch Pfändung der den verpflichteten Parteien gegen 12 namentlich bezeichnete Bankinstitute zustehenden Forderungen aus „Bankguthaben“ zur Hereinbringung der vollstreckbaren Kapitalforderung von 831.572 EUR sA sowie die Überweisung der gepfändeten Forderungen zur Einziehung zu bewilligen.

Das Erstgericht bewilligte die Forderungsexekution antragsgemäß.

Im Zuge des Exekutionsverfahrens schränkte die betreibende Partei (vgl ON 22 und ON 40) die Exekution wegen einer Teilzahlung von 72.998,01 EUR, angerechnet iSd § 1416 ABGB auf Kosten und Zinsen und erkennbar im Hinblick auf die von den verpflichteten Parteien im Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung beanstandeten (überhöhten) zugesprochenen Zinsen (vgl ON 22 und ON 40) dahin ein, dass Zinsen aus dem Kapital in Höhe von 8,38 % von bis und von 7,88 % jährlich seit begehrt werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der verpflichteten Parteien gegen die Bewilligung der Forderungsexekution in Ansehung der als Drittschuldner in Anspruch genommenen Bankinstitute Folge und wies den Antrag auf Bewilligung der Forderungsexekution in diesem Umfang ab. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Es vertrat die Auffassung, dass die betreibende Partei dem Rekursvorbringen, wonach (offenbar irrtümlich) überhöhte Zinsen begehrt worden seien, durch die Einschränkung Rechnung getragen habe. Insoweit seien die verpflichteten Parteien durch die ursprünglich erteilte Exekutionsbewilligung nicht beschwert.

Im Übrigen müsse ein Antrag auf Pfändung von Bankguthaben die zur Abgrenzung dieser Forderungen notwendigen Angaben enthalten, wenn nach dem Antrag auch Sparguthaben in Exekution gezogen werden sollten, die nicht nach § 294 EO, sondern nach § 296 EO zu pfänden wären. Die betreibende Partei habe pauschal das Bestehen von Bankguthaben bei 12 verschiedenen Banken ohne nähere Spezifizierung der Art der Guthaben (Konto, Sparbuch, Wertpapiere) behauptet. Es ergebe sich daher der massive Verdacht, dass lediglich „auf gut Glück“ gepfändet worden sei. Die betreibende Partei habe offenbar keine Kenntnis darüber, zu welchen Drittschuldnern die Verpflichteten tatsächlich eine Geschäftsbeziehung unterhielten.

Gegen die Abweisung des Exekutionsantrags wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der betreibenden Partei.

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Im Revisionsrekurs macht die betreibende Partei geltend, dass keine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu vorliege, ob die Bezeichnung der zu pfändenden Forderungen mit „Bankguthaben“ ausreichend sei. Die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 3 Ob 309/04v sei nicht einschlägig. „Bankguthaben“ seien im Unterschied zu Sparguthaben, die als Forderungen iSd § 296 EO zu qualifizieren seien, gemäß § 294 EO zu pfänden. Daher sei die Spezifizierung der Forderung mit „Bankguthaben“ ausreichend.

Rechtliche Beurteilung

Dazu wurde erwogen:

1. Bei der Bewilligung der Exekution ist der Exekutionstitel und die beantragte Exekutionsart zu prüfen. In die Prüfung der Frage, ob die begehrte Exekution auch zu einem Erfolg führen wird, insbesondere, ob die behauptete Forderung, deren Pfändung begehrt wird, überhaupt, oder doch in einer die Exekutionsbeschränkung übersteigenden Höhe besteht, hat sich das zur Exekutionsbewilligung berufene Gericht nicht einzulassen (RIS Justiz RS0000122; RS0000085). Nur dann, wenn sich schon aus dem Exekutionsantrag oder aus den Akten des Gerichts das Nichtbestehen der Forderung ergibt, ist der Exekutionsantrag abzuweisen (RIS Justiz RS0084555).

2. Davon zu unterscheiden ist, ob die zu pfändende Forderung im Exekutionsantrag ausreichend präzisiert ist.

2.1 Dem Erfordernis nach § 54 Abs 1 Z 3 EO, wonach der Exekutionsantrag bei der Exekution auf das Vermögen ua die Bezeichnung der Vermögensteile zu enthalten hat, ist bei der Exekution auf Geldforderungen entsprochen, wenn sowohl der Drittschuldner als auch der Verpflichtete erkennen können, auf welche Forderung Exekution geführt wird (RIS Justiz RS0002076; 3 Ob 264/09h; Jakusch in Angst , EO² § 54 Rz 28 mwN).

2.2 Kommt ausgehend von dem für die Bewilligung der Exekution allein maßgeblichen Vorbringen im Exekutionsantrag (RIS Justiz RS0000015; 3 Ob 2021/96v) in Betracht, dass dem Verpflichteten gegen den Drittschuldner mehrere verschiedene Forderungen zustehen, bedarf es grundsätzlich einer näheren Spezifizierung der zu pfändenden Forderung (RIS Justiz RS0002035; RS0002041; 3 Ob 264/09h).

2.3 Nach der von der Literatur gebilligten Rechtsprechung ( Oberhammer in Angst , EO² § 294 Rz 35 mwN; Kodek , Die Pfändung von Bankkonten, ÖBA 2010, 19 [22]; 3 Ob 10/88; RIS Justiz RS0002045) macht jedoch der Umstand, dass dem Verpflichteten gegen den Drittschuldner Ansprüche aus mehreren gleichartigen Verträgen zustehen könnten, einen Exekutionsantrag nicht unbestimmt. In einem solchen Fall sind alle Forderungen, auf die der im Exekutionsantrag angeführte Rechtsgrund zutrifft, gepfändet.

2.4 Lediglich dann, wenn für die einzelnen Forderungen eine unterschiedliche Verwertungsart vorgesehen ist, können nähere Angaben über die zu pfändenden Forderungen notwendig sein (3 Ob 309/04v).

2.5 Kommt nach dem maßgeblichen Vorbringen im Exekutionsantrag somit entweder nur eine einzige Forderung des Verpflichteten gegen den Drittschuldner in Betracht oder beruhen mehrere denkbare Forderungen des Verpflichteten gegen den Drittschuldner auf einem einheitlichen Rechtsgrund, besteht kein Grund zur Anlegung eines strengen Maßstabs an das Erfordernis der Spezifizierung (3 Ob 309/04v; 3 Ob 264/09h).

2.6 Von diesen Grundsätzen ausgehend ist die Auffassung des Rekursgerichts, die Bezeichnung der zu pfändenden Forderungen mit „Bankguthaben“ sei nicht ausreichend, nicht zu teilen:

2.6.1 Zutreffend verweist der Revisionsrekurs zunächst darauf, dass unter „Bankguthaben“ Forderungen des Kunden gegen die Bank, insbesondere aus einem Kontokorrent oder Girokonto, also primär nicht die gewöhnlich als „Spareinlagen“ bezeichneten Forderungen aus einem Spareinlagebuch iSd § 296 EO zu verstehen sind (RIS Justiz RS0004074; Kodek, ÖBA 2010, 19 [23]).

2.6.2 Anders als im Anlassfall der Entscheidung 3 Ob 309/04v, die ua eine Forderungsexekution gegen 15 näher bezeichnete österreichische Bankinstitute betraf, wobei die zu pfändenden Forderungen mit „aufgrund bestehenden Kontoeröffnungsvertrags, Kreditvertrags, Wertpapierdepot-vertrags und gleichartiger Vertragsverhältnisse, welcher Bezeichnung auch immer, als Kontoinhaber, Kreditnehmer, Depotinhaber udgl angeblich zustehenden Ansprüche und Forderungen auf Auszahlung von Geldbeträgen aus Kontoguthaben, nicht ausgenützten Kreditrahmen, Wertpapiererträgnissen und dergleichen“ bezeichnet wurden, bezieht sich im hier zu beurteilenden Fall der Exekutionsantrag ausschließlich auf „Bankguthaben“.

2.6.3 Die Anführung der Kontonummer ist für die Spezifizierung der Forderung nicht erforderlich ( Jakusch in Angst , EO² § 54 Rz 30; Oberhammer in Angst , EO² § 294 Rz 36; Kodek , ÖBA 2010, 19 [21]). Auch die Angabe der Höhe der in Exekution gezogenen Forderung ist kein Erfordernis für die Konkretisierung, weil eine ohne Einschränkung bewilligte Exekution eben die gesamte Forderung erfasst ( Kodek , ÖBA 2010, 19 [21]; Nunner-Krautgasser , Angabe der Forderungshöhe und Pfändungspfand, ecolex 2002, 344; vgl auch RIS Justiz RS0002045).

2.6.4 Aber auch die Inanspruchnahme von 12 Bankinstituten als Drittschuldner steht der Exekutionsbewilligung nicht entgegen:

a) Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 3 Ob 309/04v die sogenannte „Verdachtspfändung“ als unzulässig bezeichnet hat. Die Abweisung des Exekutionsantrags wurde in dieser Entscheidung tragend aber damit begründet, dass die beantragte Pfändung der dem Verpflichteten gegen die Drittschuldner zustehenden „angeblichen Forderungen und Ansprüche aller Art in unbekannter Höhe“ mangels Spezifizierung nicht ausreichend sei. Die Vielzahl der im Exekutionsantrag angeführten Drittschuldner (21 Versicherer und 15 Banken) erhärte die Auffassung des Rekursgerichts, es liege eine Pfändung „auf gut Glück“, „auf Verdacht“ vor.

b) Die Auffassung von der Unzulässigkeit der „Verdachtspfändung“ ist in der Literatur ( Oberhammer in Angst , EO² § 294 Rz 36; ihm folgend Kodek , ÖBA 2010, 19 [23]) mit dem Hinweis auf Kritik gestoßen, dass das Verhalten des Gläubigers schutzwürdig sei, wenn und weil die „Verdachtspfändung“ ein effizienter Weg sei, um Informationen über das Schuldnervermögen zu erlangen; die Drittschuldner erhielten ohnedies Kostenersatz für die Erklärung. Der Verpflichtete solle besser seine Schulden zahlen, statt sich darüber zu beschweren, dass der betreibende Gläubiger sich auf die Suche nach pfändbarem Vermögen begebe.

c) Eine nähere Auseinandersetzung mit diesen inhaltlich beachtlichen Argumenten (vgl auch Hess , Effektuierung der Forderungspfändung: Der BGH erleichtert „Verdachtspfändungen“, NJW 2004, 2350 zur neueren Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit paralleler Kontopfändungen) ist jedoch hier entbehrlich, weil sich der Exekutionsantrag weder auf „angeblich zustehende Forderungen und Ansprüche aller Art in unbekannter Höhe“ bezieht noch sonst einen Hinweis etwa auf bloß „eventuelle“ Ansprüche (vgl RIS Justiz RS0103126) enthält, aus dem Zweifel der betreibenden Partei am Bestand der gegenüber den Drittschuldnern gepfändeten Forderungen aus Bankguthaben abgeleitet werden müssten.

d) Die Anzahl der als Drittschuldner bezeichneten Personen steht der Exekutionsbewilligung schon in Anbetracht dessen nicht entgegen, dass das Bestehen mehrerer Bankverbindungen bei einer GmbH (wobei der Erstverplichtete Geschäftsführer der zweitverpflichteten GmbH ist) nicht derart ungewöhnlich ist, dass sich allein daraus ein Indiz für eine unzulässige „Verdachtspfändung“ ergäbe.

2.7 Diesem Ergebnis stehen auch Rechtsschutzüberlegungen nicht entgegen, weil aus den bereits dargelegten Gründen im Exekutionsverfahren nicht über das Bestehen oder Nichtbestehen der Forderung abzusprechen ist. Stellt sich das Nichtbestehen der Forderung heraus, geht dieser Umstand ohnedies zu Lasten des betreibenden Gläubigers; die Exekution geht in diesem Fall ins Leere.

3. Dem Umstand, dass der Exekutionsantrag zunächst in Ansehung des Zinsenbegehrens nicht dem Titel entsprach, wurde bereits durch die im Verfahren erfolgte Einschränkung der Exekution Rechnung getragen. Die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Exekutions-bewilligungsbeschlusses auch in Ansehung der gegenüber den 12 Bankinstituten als Drittschuldner gepfändeten Forderungen war daher in dem von der betreibenden Partei eingeschränkten Umfang vorzunehmen.

4. Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 50, 40 und § 41 ZPO. Der Einheitssatz beträgt lediglich 50 %. Die verzeichnete Pauschalgebühr war der Höhe nach zu korrigieren (TP 4 GGG iVm TP 12a lit b).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00180.14P.1119.000