OGH vom 22.10.2008, 7Ob198/08f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl S*****, vertreten durch Dr. Gernot Kerschhackel, Rechtsanwalt in Baden, gegen die beklagte Partei Dr. Richard B*****, vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 29.208,67 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 18/08k-21, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Ist der in einem Verfahren als Hauptfrage entschiedene Anspruch eine Vorfrage für ein weiteres Verfahren zwischen denselben Parteien, entfaltet die Vorentscheidung Bindungswirkung (7 Ob 334/97m mwN; Rechberger in Rechberger, § 411 ZPO Rz 3). Bildet eine bestimmte Tatsache im Vorprozess nicht den Hauptgegenstand des Verfahrens, sondern lediglich eine Vorfrage, kommt der Entscheidung dieser Vorfrage im Vorprozess im folgenden Prozess keine bindenden Wirkung zu (RIS-Justiz RS0042554).
Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass Gegenstand des Vorprozesses gegenüber dem Beklagten seine Haftung aus der behaupteten Beratungspflichtverletzung gegenüber den Käufern war, im Kaufvertrag nicht die UID-Nummer des Klägers angeführt zu haben. Nicht Gegenstand des Verfahrens war eine Haftung des Beklagten im Hinblick auf die Formulierung des Vertragstextes. Es liegt also ihm gegenüber keine bindende Vorfrageentscheidung vor. Abgesehen davon wurde im Verfahren zwischen dem Käufer und dem Kläger nur geklärt, wie der objektive Erklärungswert des Vertragstextes zu verstehen ist, damit wird also nicht als Vorfrage entschieden, ob und inwieweit dem Beklagten Aufklärungsfehler, insbesondere gegenüber dem (hier) Kläger, bei der Verfassung des in dem Vorverfahren auszulegenden Vertragstextes vorzuwerfen sind. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Feststellungen zum Willen der Parteien bei Vertragsabschluss für den vorliegenden Fall nicht bindend sind, ist nicht zu beanstanden.
Zur Frage der Haftung eines Vertragserrichters gibt es umfangreiche Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0038682, RS0026707, RS0026419). Die Entscheidung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Zentraler Punkt der Beurteilung des vorliegenden Rechtsfalls ist, dass die Wurzel der Rechtsstreitigkeiten ausschließlich im Verhalten des Beklagten liegt. Er brachte das Thema „Umsatzsteuer" erst ins Gespräch. Soweit stimmt dieses Ergebnis mit dem Vorverfahren überein. Ausgehend vom vorliegend festgestellten Sachverhalt wurde dem Beklagten weder von den Käufern noch vom Kläger zunächst mitgeteilt, dass im vereinbarten Kaufpreis eine Umsatzsteuer enthalten sein sollte. Der Beklagte vertrat aber den Standpunkt, dass die Umsatzsteuer ausgewiesen werden müsse, er verkannte also, dass der Liegenschaftskauf nicht jedenfalls umsatzsteuerpflichtig ist, sondern im Gegenteil grundsätzlich umsatzsteuerfrei (§ 6 Abs 1 Z 9a UStG). § 6 Abs 2 UStG räumt dem Unternehmer nur die Möglichkeit ein, den Umsatz als steuerpflichtig zu behandeln. Nur weil der Beklagte die Ansicht vertrat, dass die Umsatzsteuer jedenfalls ausgewiesen werden müsse, stellte sich überhaupt erst das Problem der Beurteilung der Höhe des bereits vereinbarten Kaufpreises. Durch die unrichtige Auskunft des Beklagten und sein Beharren darauf, dass die Umsatzsteuer ausgewiesen werden müsse, entstand die den Rechtsstreitigkeiten zu Grunde liegende Verwirrung. Der Beklagte übersah es nämlich mit dem Kläger konkret zu besprechen, wie hoch nun der Bruttokaufpreis sein sollte. Die Ursache des Schadens liegt nämlich letztlich nicht in der Beratung des Klägers über die Optionsmöglichkeit nach § 6 Abs 2 UStG, was eine steuerrechtliche Frage ist, sondern in der unrichtigen Beratung, dass eine Umsatzsteuer ausgewiesen werden müsse und dass nicht darauf aufmerksam gemacht wurde, dass in diesem Fall eine Anpassung des schon vereinbarten Kaufpreises auf einen Bruttokaufpreis notwendig wird. Ohne gegenteilige Informationen musste der Beklagte den ihm genannten Kaufpreis als Nettokaufpreis erkennen, wenn die Parteien, als sie den Preis vereinbarten, keine Umsatzsteuerpflicht annahmen. Die Höhe des Kaufpreises liegt in der Ingerenz der Parteien. Im Zweifel hätte der Beklagte, der die Frage eines Brutto- oder Nettokaufpreises erst zum Gegenstand der Gespräche gemacht hat, jedenfalls aufklären müssen. Der Beklagte hat den Kläger durch seine unrichtige Beratung dazu verleitet, nicht zu beachten, dass er bei Vereinbarung eines Bruttokaufpreises im Kaufvertrag die Umsatzsteuer auf den vereinbarten (Netto-)Kaufpreis aufschlagen hätte müssen. Die Fehlberatung ermöglichte es den Käufern, das Versehen für sich zu nützen und sich auf den objektiven Erklärungswert des Vertragstextes als von den Parteien gewollt zurückzuziehen, obwohl sie von vornherein bereit gewesen wären, den Kaufpreis als Nettokaufpreis zu akzeptieren.
Diesen vom Beklagten verursachten Fehler in der Bezeichnung des Kaufpreises konnte weder der Steuerberater noch der Rechtsanwalt des Klägers erkennen, waren sie doch in die Diskussionen nicht eingebunden. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass daher der Beklagte für den allein von ihm verursachten Fehler im Vertragstext einzustehen hat, ist im Einzelfall nicht zu beanstanden. Auf ein allfälliges Mitverschulden des Verletzten ist nicht von Amts wegen einzugehen. Der Beklagte muss zwar das Mitverschulden nicht ausdrücklich geltend machen, es muss aber dem Vorbringen des Beklagten zu entnehmen sein, dass er ein Verschulden des Verletzten behauptet (RIS-Justiz RS0027103). Abgesehen davon, dass der Beklagte den Mitverschuldenseinwand im erstinstanzlichen Verfahren nicht ausdrücklich erhob und in der Revision das Mitverschulden daraus ableitet, dass der Kläger sich bei seinen anderen Vertretern hätte beraten lassen müssen (worauf schon eingegangen wurde), ist es vertretbar, dem Kläger kein Mitverschulden im vorliegenden Fall anzulasten, geht doch die Wurzel des Rechtsstreits ausschließlich auf das Verhalten des Beklagten zurück und war für die „Verwirrung" ausschließlich sein Verhalten kausal. Unter den gegebenen Umständen ist es vertretbar, davon auszugehen, dass es dem Kläger im Hinblick auf das Einschreiten des Notars nicht als Mitverschulden anzulasten ist, dass er die Falschbezeichnung im Vertrag nicht selbst erkannte. Zutreffend macht der Kläger einen Schadenersatzanspruch geltend. Die Verjährung beginnt nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich ab Kenntnis des Schadens und des Schädigers (RIS-Justiz RS0034374). Wann diese Kenntnis gegeben ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Auch wenn nicht ausdrücklich feststeht, wann dem Kläger die von den Käufern vertretene Ansicht bekannt wurde, dass im Kaufvertrag ein Bruttokaufpreis vereinbart worden sei und nicht allenfalls eine falsa demonstratio vorliegt, so ist es vertretbar, im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Verjährungsfrist nicht vor Zustellung der Klage im Vorprozess begonnen hat, das ist der . Die Schadenersatzforderung ist noch nicht verjährt, was das Berufungsgericht im Ergebnis richtig erkannte.
Das Berufungsgericht hat sich mit der Beweisrüge auseinandergesetzt. Der Beklagte versucht in unzulässiger Weise, die Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu bekämpfen.
Es werden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht. Die Zurückweisung der außerordentlichen Revision bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).