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OGH vom 30.01.2017, 6Ob246/16v

OGH vom 30.01.2017, 6Ob246/16v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Knoflach, Kroker, Tonini & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei L***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Gunther Nagele und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 304.950 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 145/16d-20, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger und sein Bruder waren im Jahr 1999 die beiden Kommanditisten der Beklagten. Der Kläger war auch (25 %) Gesellschafter und bis Geschäftsführer deren Komplementärgesellschaft mbH. Die Kommanditbeteiligungen wurden im Jahr 2001 im Firmenbuch gelöscht.

Im Jahr 1999 lag die Eigenkapitalausstattung der Beklagten bei 0 %, die Schuldentilgungsdauer war unendlich und es lag ein Reorganisationsbedarf vor. Mit Urkunde vom verpfändete der Kläger seine Anteile an zwei Liegenschaften an eine Bank zur Sicherstellung aller Forderungen bis zum Höchstbetrag von 13 Mio Schilling, die dem Kreditgeber gegen den Kreditnehmer [Beklagte] aus bereits gewährten und künftig zu gewährenden Darlehen, Geld-, Haftungs- und Garantiekrediten erwachsen und in Hinkunft erwachsen werden. Der Beklagten wurde am selben Tag der in 15 jährlichen Kapitalraten ab rückzahlbare Abstattungskredit von der Bank gewährt. Im Juli 2001 nahm die Beklagte bei der Bank einen weiteren Abstattungskredit über 4 Mio Schilling auf, der in 180 monatlichen Pauschalraten ab zurück zu zahlen war. Die vom Kläger bestellte Hypothek besicherte auch diesen Kredit.

In den Jahren 1999, 2000, 2002 und seit dem Jahr 2004 waren die Eigenkapitalquoten der Beklagten so gering und die Schuldentilgungsdauer so lange, dass Reorganisationsbedarf zu vermuten war. Im Jahr 2001 erzielte die Beklagte einen Gewinn von 70.000 EUR. Die Eigenmittelquote lag bei 1,9 %. Im Jahr 2003 betrugen der Verlust 5.000 EUR und die Eigenkapitalquote 1,3 %. Wie hoch in den Jahren 2001 und 2003 die Schuldentilgungsdauer und ob in diesen Jahren Reorganisationsbedarf bestand, konnte nicht festgestellt werden. Der Verlust im Jahr 2013 betrug 750.000 EUR, jener im Jahr 2014 900.000 EUR. Bis zum Bilanzjahr 2008/2009 konnten die Bankverbindlichkeiten auf ca 4,5 Mio EUR gesenkt werden. Die weitere Entwicklung der Bankverbindlichkeiten ist nicht feststellbar.

Im Jahr 2014 stellte die Bank den der Beklagten gewährten Kredit fällig. Die haftenden Liegenschaften wurden im November 2014 um 700.000 EUR verkauft. Aus dem Verkaufserlös wurde die Immobilienertragssteuer von 12.250 EUR gezahlt, den restlichen Kaufpreis erhielt die Bank.

Gestützt auf § 1358 ABGB begehrt der Kläger von der Beklagten Zahlung von 304.950 EUR sA.

Die Beklagte wandte unter anderem ein, sie befinde sich auch heute noch in der Krise. Im Fall einer Leistung des Regresses könne die Beklagte nicht positiv bilanzieren. Sofern die Beklagte mit einem massiv drängenden Gläubiger (einer Leasingesellschaft) die angestrebte Lösung (neue Sicherheiten von dritter Seite und Prämienvergleich mit Ratenzahlungen bis ) überhaupt finde, sei auf jeden Fall mit einer Nachrangigkeit der Forderung des Klägers bis zum zu rechnen. Dieser Gläubiger habe eine Forderung von rund 4,3 Mio EUR, die, sollte sie fällig gestellt werden, nicht erfüllt werden könnte.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Berufungsgericht das Klagebegehren ab. Im Fall Eigenkapital ersetzender Sicherheiten des Gesellschafters komme es beim Regress des Gesellschafters darauf an, ob im Zeitpunkt, in dem der Regress begehrt werde, die Voraussetzungen für eine „Entsperrung“ vorliegen, und nicht darauf an, ob zwischenzeitlich einmal diese Voraussetzungen (Wiedererlangung der Kreditwürdigkeit) vorgelegen seien. Es sei unstrittig, dass der Beklagten zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Erfüllung des Regressanspruchs des Klägers ohne Insolvenzgefahr nicht möglich sei.

Rechtliche Beurteilung

1. Die außerordentliche Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

2. Entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers weicht die Ansicht des Berufungsgerichts nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und der Lehre ab.

2.1. Dass auch Gesellschaftersicherheiten (Pfandrechte, Bürgschaften, Schuldbeitritte, Garantien) eigenkapitalersetzenden Charakter haben können, hat der Oberste Gerichtshof bereits vor dem Inkrafttreten des EKEG () ausgesprochen (6 Ob 235/99y; 8 Ob 153/03p). Es wird in der Revision nicht bestritten, dass nach dem festgestellten Sachverhalt die Pfandbestellung im Jahr 1999 eigenkapitalersetzenden Charakter hatte. Wenn der Gesellschafter als Bürge oder Pfandschuldner einem Gläubiger der Gesellschaft zahlt, konnte er nach der Rechtsprechung erst dann Regress nehmen (§ 1358 ABGB), wenn die Gesellschaft wieder kreditwürdig wurde (6 Ob 235/99y, wo auch ausgeführt wird, dass die Rückzahlungssperre bis zur „nachhaltigen Sanierung“ der Gesellschaft besteht).

2.2.1. Nunmehr bestimmt § 15 Abs 1 Satz 2 EKEG, dass der Gesellschafter, wenn er aus der Sicherheit in Anspruch genommen wird und die Schuld der Gesellschaft bezahlt, gegen die Gesellschaft nicht Regress nehmen kann, solange diese nicht saniert ist. Dem Gesellschafter steht also kein Regressanspruch gegen die Gesellschaft zu, bis die Gesellschaft saniert ist. Der Regressanspruch wird wie ein Eigenkapital ersetzender Kredit behandelt, dh derselben Rückzahlsperre unterworfen (Karollus in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht 1. ZB § 15 EKEG Rz 12).

2.2.2. „Nicht saniert“ ist die Gesellschaft nach der Legaldefinition des § 14 Abs 1 Satz 1 EKEG, solange sie zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder Reorganisationsbedarf besteht oder einer dieser Umstände durch Rückzahlung des Eigenkapital ersetzenden Kredits eintreten würde. Zutreffend bekämpft die Revision nicht die Ausführung des Berufungsgerichts, dass diese Definition von „nicht saniert“ aus einer systematischen Interpretation und mangels eines vernünftigen Grundes für eine Differenzierung auch im Fall des § 15 Abs 1 EKEG anzuwenden ist. Es kommt also darauf an, dass die Gesellschaft weder zahlungsunfähig noch überschuldet ist noch Reorganisationsbedarf besteht, und auch nicht einer dieser Umstände durch die Leistung des Regresses entstehen würden. Hinsichtlich des Reorganisationsbedarfs kommt es nicht allein auf die Kennzahlen an, vielmehr besteht eine Sperre auch bei einem bloßen Reorganisationsbedarf ohne gleichzeitiges Vorliegen der Kennzahlen; bei Vorliegen der Kennzahlen wird der Reorganisationsbedarf vermutet. Dieser (Karollus in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht 1. ZB § 15 EKEG Rz 12; vgl auch Vogt in Schopper/Vogt, EKEG § 15 Rz 10 f) Beurteilung tritt der Revisionswerber gar nicht entgegen.

3. Da ein Regressanspruch des Gesellschafters, der eine Eigenkapital ersetzende Sicherheit bestellt hat, erst entsteht, wenn er die Schuld der Gesellschaft, für die er haftet, zahlt (§ 1358 ABGB), kann es nicht darauf ankommen, ob die Gesellschaft zu einem davor liegenden Zeitpunkt kreditwürdig oder saniert war. Der gegenteilige Standpunkt des Revisionswerbers widerspricht sowohl der zur Rechtslage vor dem EKEG ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 235/99y) als auch dem § 15 Abs 1 EKEG.

4. Steht fest, dass der Gesellschafter eine Eigenkapital ersetzende Sicherheit bestellte, dann muss der Gesellschafter, der gegen die Gesellschaft Regress nimmt, beweisen, dass die Gesellschaft wieder kreditwürdig bzw saniert ist (vgl 7 Ob 366/98v). Es fällt dem Kläger somit zur Last, dass das Erstgericht entsprechende Feststellungen nicht treffen konnte. Zudem tritt er der Annahme des Berufungsgerichts nicht entgegen, dass der Beklagten zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Erfüllung des Regressanspruchs des Klägers ohne Insolvenzgefahr nicht möglich ist.

5. Das angefochtene Urteil steht entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 8 Ob 137/09v. In diesem Fall war hinsichtlich der von der Revision herangezogenen Darlehensgewährung nicht behauptet worden, dass die Gesellschaft bereits vor dem kreditunwürdig war. Weiters spricht die Entscheidung aus, dass das „Stehenlassen“ von Darlehen im Gegensatz zu der von der Judikatur geprägten „alten Rechtslage“ vom EKEG nicht erfasst ist (§ 3 Abs 1 Z 3 EKEG). Das Darlehen unterlag daher nach der Lage des Falls weder dem „Eigenkapitalersatzrecht ALT“ noch dem EKEG.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00246.16V.0130.000
Schlagworte:
1 Generalabonnement,16 Handels- und gesellschaftliche Entscheidungen

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