OGH vom 15.03.2012, 6Ob246/11m

OGH vom 15.03.2012, 6Ob246/11m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin H***** S*****, vertreten durch den Sachwalter Dr. Clemens Ender, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die Antragsgegnerinnen 1. E***** AG (vormals: E***** B***** AG), *****, 2. S***** AG, *****, beide vertreten durch Kucera Rechtsanwälte GmbH in Hard, wegen Auskunftserteilung, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerinnen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 28 R 125/11z 35, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 72 Fr 13896/08g 27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Dem Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin wird nicht Folge gegeben.

Die Erstantragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit 2.640,50 EUR (darin 440,16 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit 939,89 EUR (darin 156,65 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 1.127,71 EUR (darin 187,95 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. Dem Revisionsrekurs der Zweitantragsgegnerin wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden hinsichtlich der Zweitantragsgegnerin dahin abgeändert , dass der Antrag der Antragstellerin vom auf Auskunftserteilung nach § 16 SpaltG insoweit abgewiesen wird.

Die Antragstellerin ist schuldig, der Zweitantragsgegnerin die mit 2.068,51 EUR (darin 344,75 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin wurde mit Versäumungsurteil des Bezirksgerichts Bregenz vom zur Zahlung von 101.709,09 ATS samt Zinsen und Kosten an die G***** Aktiengesellschaft ***** (in der Folge: G*****) verpflichtet.

Im Jahr 1997 wurde die G***** als übertragende Gesellschaft mit der Erstantragsgegnerin verschmolzen.

Im Jahr 2006 wurde für die Antragstellerin Dr. Clemens Ender zum Sachwalter bestellt.

Mit Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom wurde das Versäumungsurteil aus dem Jahr 1993 aufgehoben und das diesem vorangegangene Verfahren für nichtig erklärt; beklagte Partei war in diesem Verfahren die Erstantragsgegnerin. Da die Antragstellerin (nach eigenen Behauptungen) zwischenzeitig Zahlungen geleistet hatte, beabsichtigt sie, diesbezüglich Rückzahlungsansprüche in Höhe von rund 24.000 EUR geltend zu machen.

Bereits ab dem Jahr 2003 kam es auf Seiten der Antragsgegnerinnen zu mehreren gesellschaftsrechtlichen Umgründungsvorgängen. So erfolgte zunächst mit Spaltungsvertrag vom eine Spaltung der Erstantragsgegnerin (damals: E***** B***** AG) in die E***** AG (in der Folge: E*****) zur Aufnahme des bankgeschäftlichen Teilbetriebs „Geschäftsfeld V*****“. Der weitere Spaltungsvertrag vom war Grundlage für die Spaltung der E***** zur Übertragung des Teilbetriebs „Filiale B*****“ in die Zweitantragsgegnerin, wobei in weiterer Folge mit Hauptversammlungsbeschluss vom die E***** mit der Erstantragsgegnerin verschmolzen und gelöscht wurde. Am kam es zur Spaltung der Erstantragsgegnerin zur Aufnahme des Teilbetriebs „Österreich“ in die (mit der Erstantragsgegnerin namensgleiche) E***** B***** AG, wohingegen die Firma der Erstantragsgegnerin am in E***** AG geändert wurde.

Die Vorinstanzen verpflichteten die Antragsgegnerinnen übereinstimmend und antragsgemäß zur Auskunftserteilung an die Antragstellerin über die Zuordnung von Rechten und Pflichten betreffend ein ursprünglich bei der G***** geführtes, der Antragstellerin zugeordnetes Konto sowie über die Zuordnung des Rückabwicklungsanspruchs der Antragstellerin aus dem Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom , wobei die Auskunft jeweils vom Vorstand der Antragsgegnerinnen persönlich in Form einer eidesstättigen Erklärung auch über Richtigkeit und Vollständigkeit abzugeben sei. Das Rekursgericht erklärte darüber hinaus den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach § 16 SpaltG.

In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht die Auffassung, Zweck der Auskunftsverpflichtung des § 16 SpaltG sei der Schutz von Gläubigern und Vertragspartnern, weil die im Rahmen der Spaltung vorgenommene Vermögenszuteilung trotz offen zu legenden Spaltungsplans für den außenstehenden Dritten nicht ohne Weiteres nachvollziehbar sei. Dass der behauptete Rückabwicklungsanspruch der Antragstellerin im Zeitpunkt der Spaltungsvorgänge auf Seiten der Antragsgegnerinnen noch nicht bestanden hatte, enthebe diese nicht von ihrer Verpflichtung zur Auskunftserteilung, wurzle dieser Anspruch doch im ursprünglichen Rechtsverhältnis zwischen Antragstellerin und G*****. Die Antragsgegnerinnen seien ihrer Verpflichtung zur Auskunftserteilung bislang auch noch nicht ausreichend nachgekommen, sei doch maßgeblich, ob das ursprüngliche Rechtsverhältnis den Teilbetrieben „Geschäftsfeld V*****“ beziehungsweise „Filiale B*****“ zuzuordnen gewesen sei. Die Antragsgegnerinnen hätten dazu jedoch lediglich erklärt, dass das verfahrensgegenständliche Konto nicht in die Spaltungsverträge aufgenommen und nur aktive Kontoverbindungen übertragen worden seien. Schließlich sei der Antragstellerin auch nicht das Rechtsschutzinteresse an einem Verlangen nach Auskunftserteilung abzusprechen, hafte ihr doch nur die Hauptschuldnerin (deren Kenntnis sie anstrenge) unbeschränkt, andere an den Spaltungsvorgängen beteiligte Gesellschaften jedoch nach § 15 SpaltG nur beschränkt.

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 16 Abs 1 SpaltG kann derjenige, der durch die Spaltung in seinen rechtlichen Interessen betroffen wird, von jeder an der Spaltung beteiligten Gesellschaft die Erteilung von Auskünften über die Zuordnung von Vermögensteilen verlangen. Nach Abs 2 entscheidet das Gericht über diesen Anspruch auf Auskunftserteilung im Verfahren außer Streitsachen.

Ein derartiges (inhaltsgleiches) Auskunftsrecht sah bereits § 11 SpaltG 1993 idF vor dem EU GesRÄG 1996 vor; diese Bestimmung hatte ihrerseits § 16 HVG zum Vorbild (JAB 1016 BlgNR 18. GP 8; Kalss , Kommentar zur Verschmelzung Spaltung Umwandlung² [2010] § 16 SpaltG Rz 1 f). Der Zweck dieser Bestimmung liegt im Schutz der Gläubiger, der Vertragspartner und der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft ( Kalss aaO Rz 3). Auch wenn die Vermögenszuteilung auf die einzelnen an der Spaltung beteiligten Gesellschaften im Spaltungsplan festzulegen ist und dieser jedem Gläubiger auf dessen Verlangen ausgehändigt und beim Firmenbuch offengelegt werden muss, ist die im Spaltungsplan vorgenommene Vermögenszuteilung nicht für jeden außenstehenden Dritten ohne Weiteres nachvollziehbar (JAB 1016 BlgNR 18. GP 8; Doralt , Zur Gestaltung handelsrechtlicher Vorschriften über die Spaltung, in FS Kastner [1992] 123; Kalss aaO Rz 3).

2. Die G***** als Rechtsvorgängerin der Erstantragsgegnerin erwirkte im Jahr 1993 (offenbar aus einem Kreditverhältnis) ein Leistungsurteil gegen die Antragstellerin, welches von dieser jedenfalls zum Teil auch erfüllt wurde; dies bestreiten auch die Antragsgegnerinnen nicht (vgl nur AS 261, vorletzter Absatz). Nachdem Jahre später für die Antragstellerin ein Sachwalter bestellt worden war, wurde das Leistungsurteil im Jahr 2007 als nichtig aufgehoben, woraus die Antragstellerin nunmehr bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche hinsichtlich der von ihr geleisteten Zahlungen ableiten will.

Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung hat die Antragstellerin damit insoweit ausreichend ihr rechtliches Interesse an einer Auskunftserteilung iSd § 16 SpaltG bescheinigt. Dass ihm tatsächlich (und in welcher Höhe) Ansprüche zustehen, braucht der nach § 16 SpaltG Auskunft Begehrende hingegen nicht nachweisen, würde doch sonst der Hauptprozess in das Auskunftsverfahren verlagert.

3.1. Die Antragstellerin hat bereits vor Einleitung des Verfahrens auf Auskunftserteilung am die beiden Antragsgegnerinnen mit ihrem Auskunftsbegehren konfrontiert, woraufhin die Erstantragsgegnerin dem Sachwalter der Antragstellerin mit Schreiben vom (AS 57) mitteilte, dass „der gegenständliche Geschäftsfall betreffend [ die Antragstellerin ] zu keinem Zeitpunkt auf die [ Zweitantragsgegnerin ] migriert [ worden sei ]. […] Zum Zeitpunkt der Übertragung der Geschäftsfälle von der E***** auf die [ Zweitantragsgegnerin sei ] der gegenständliche Geschäftsfall betreffend [ die Antragstellerin ] bereits längst abgeschlossen [ gewesen ], sodass dieser jedenfalls nicht übertragen werden konnte.“ Das Rechtsverhältnis sei weder auf die Zweitantragsgegnerin übertragen noch von dieser übernommen worden.

Dass auch die Zweitantragsgegnerin der Antragstellerin bereits mit Schreiben vom mitgeteilt hatte, „die genannten Personen beziehungsweise deren Konten [ seien von der Erstantragsgegnerin ] nicht an [ sie ] migriert“ worden, es bestehe keine Rechtsnachfolge, hat die Antragstellerin bereits in ihrem verfahrenseinleitenden Antrag ausgeführt (AS 5).

3.2. Die Antragstellerin, die im Übrigen ihre Nichtigkeitsklage (gegen das Leistungsurteil) zu einem Zeitpunkt gegen die Erstantragsgegnerin gerichtet hatte, als die beiden die Teilbereiche „Geschäftsfeld V*****“ und „Filiale B*****“ betreffenden Spaltungsvorgänge bereits abgeschlossen waren, behauptete im Verfahren erster Instanz zunächst nicht, dass neben den beiden Antragsgegnerinnen noch weitere an den Spaltungsvorgängen beteiligte juristische Personen als Anspruchsgegner in Betracht kommen könnten; sie brachte vielmehr (zunächst) sogar ausdrücklich vor, dass „eine der beiden Antragsgegnerinnen … Rechtsnachfolgerin der [ G***** ] im Zusammenhang mit [ ihrem ] Vertragsverhältnis [ war ], das der Klagsführung im Jahr 1993 zugrunde lag“. Auch das Rekursgericht begründete die Berechtigung des Auskunftsbegehrens mit den beiden Spaltungsvorgängen des Jahres 2003.

Damit sind die Antragsgegnerinnen insoweit aber dem Auskunftsbegehren der Antragstellerin bereits vor Antragstellung hinreichend nachgekommen.

3.3. Nach Ansicht von Kalss (aaO Rz 4) ist zwar die Auskunft nach § 16 SpaltG nicht darauf beschränkt, dass ein Gläubiger oder sonst Interessierter erfährt, welcher an der Spaltung beteiligten Gesellschaft „seine“ Forderung im Spaltungsplan oder Spaltungs und Übernahmevertrag oder „sein“ Vertrag zugeordnet wurden; vielmehr sei jeder Auskunftsberechtigte berechtigt, nach der Zuordnung jedes einzelnen Vermögensteils der übertragenden Gesellschaft anlässlich der Spaltung Auskunft zu verlangen, weil durch diese Information einerseits der Hauptschuldner iSd § 15 Abs 1 SpaltG ermittelt werden, zugleich andererseits mittelbar auch festgestellt werden könne, welche Gesellschaft als sonstige Gesellschaft zur Haftung herangezogen werden kann.

Allerdings ist bei der vorliegenden Konstellation zu berücksichtigen, dass der Antragstellerin aufgrund der Auskünfte der Antragsgegnerinnen bereits vor Einleitung des Auskunftsverfahrens all diese Informationen zugekommen sind. Alleinige Schuldnerin eines allfälligen Rückforderungsanspruchs wäre demnach die Erstantragsgegnerin. Gegen diese müsste die Antragstellerin ihre Bereicherungsklage richten. Mangels Übertragung des Rechtsverhältnisses zwischen der Antragstellerin und der Rechtsvorgängerin der Erstantragsgegnerin auf die Zweitantragstellerin kommt diese auch nicht als Nebenschuldnerin nach § 15 SpaltG in Betracht. Nach dessen Abs 1 besteht eine Nebenhaftung nur „für die bis zur Eintragung der Spaltung begründeten Verbindlichkeiten“. Der Rückabwicklungsanspruch der Antragstellerin entstand aber erst im Jahr 2007 mit Nichtigerklärung des ursprünglichen Leistungsurteils, als die Spaltungsverträge des Jahres 2003 bereits eingetragen waren.

4. Die Erstantragsgegnerin hat dem Sachwalter der Antragstellerin mit Schreiben vom (AS 61) mitgeteilt, „dass vorab auf keinerlei Einwendungen in einem allfälligen Rechtsstreit verzichtet [ werde ], sohin weder auf den Einwand der mangelnden Passivlegitimation noch auf die Einrede der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts“.

Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Erstantragsgegnerin hinsichtlich der Spaltungsvorgänge des Jahres 2003 bereits vor Antragstellung hinreichend Auskunft erteilt hat. Potenzielle Streitgegner können nicht bereits im Auskunftsverfahren dazu verhalten werden, formell oder materiell rechtliche Erklärungen betreffend das erst (allenfalls) einzuleitende Streitverfahren abzugeben.

5. Damit bestand aber für die Antragstellerin gegenüber der Zweitantragsgegnerin keinerlei Veranlassung, ein Auskunftsbegehren nach § 16 SpaltG zu stellen, weshalb deren Revisionsrekurs Folge zu geben und insoweit der Antrag abzuweisen waren.

6. Der Hintergrund für die Verweigerung eines Verzichts auf den Einwand der mangelnden Passivlegitimation durch die Erstantragsgegnerin ( 4. ) lag entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Auffassung nicht in den Spaltungsvorgängen des Jahres 2003 (betreffend das Verhältnis zwischen Erst und Zweitantragsgegnerinnen), sondern in den weiteren Spaltungsvorgängen der Jahre 2008 und 2010 im Bereich der Erstantragsgegnerin. Darauf hat die Antragstellerin bereits im Verfahren erster Instanz hingewiesen (AS 97 f, 121 f). Da die Antragstellerin iSd § 16 Abs 1 SpaltG durch diese gesellschaftsrechtlichen Vorgänge in ihren rechtlichen Interessen betroffen ist und ihr die Erstantragsgegnerin diesbezüglich jedenfalls nach der Aktenlage bislang keine Auskünfte erteilt hat, haben die Vorinstanzen insoweit dem Auskunftsbegehren zutreffend stattgegeben.

Dem Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin war somit ein Erfolg zu versagen.

7. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf § 78 Abs 2 AußStrG. Die Antragstellerin erhält von der Erstantragsgegnerin die Hälfte ihrer Kosten ersetzt, weil sie mit ihrem gegen zwei Gegnerinnen gerichteten Antrag nur zur Hälfte erfolgreich war; gegenüber der Zweitantragsgegnerin hat die Antragstellerin die Hälfte der von den Antragsgegnerinnen insgesamt verzeichneten Kosten zu ersetzen, weil diese durch denselben Rechtsanwalt vertreten waren (vgl Obermaier , Kostenhandbuch² [2010] Rz 326 mwN).