OGH vom 08.11.2005, 4Ob160/05s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb, *****, vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. T***** GmbH Orientteppiche und Möbel, Niederlassung Österreich, *****, und 2. Hermann T*****, Deutschland, vertreten durch Eiselsberg Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Veröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 40.000 EUR), über den Revisionsrekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom , GZ 4 R 98/05t-9, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom , GZ 50 Cg 35/05f-5, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Der Kläger hat seine Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Beklagten haben ihre Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Erstbeklagte gehört zur Unternehmensgruppe T***** und ist eine in Österreich registrierte Zweigniederlassung der in Deutschland registrierten T***** GmbH Orientteppiche und Möbel. Der Zweitbeklagte ist alleiniger, selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Erstbeklagten.
Die Erstbeklagte betreibt an mehreren Standorten in Österreich, darunter in Wien und Graz, den Einzelhandel mit Orientteppichen und Wohnartikeln. An diesen Standorten betrieb jeweils zuvor die österreichische Niederlassung der deutschen O*****GmbH (kurz: O*****) mit gleicher Geschäftsanschrift wie die Erstbeklagte den Einzelhandel mit Orientteppichen und Wohnartikeln unter der Etablissementbezeichnung „T***** - Europas großer Orientteppichmarkt" bzw „T***** - der Orientteppichriese". Die O***** gehört ebenfalls der Unternehmensgruppe T***** an.
Mit einstweiliger Verfügung vom verbot das Landesgericht Linz zu GZ 30 Cg 262/04i der O***** (unter anderem), Orientteppiche irreführend zu besonders günstigen Preisen mit Rabattankündigungen in beträchtlicher Höhe, insbesondere mit Preissenkungen von 75 % bis 80 % und/oder unter Bezugnahme auf höhere durchgestrichene oder sonst wie entwertete Statt-Preise zu bewerben,
ohne eindeutig darauf hinzuweisen, von welcher Art die „Bezug genommenen" höheren Preise sind, insbesondere wenn solche „Preissenkungswerbungen" über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden, ohne dass die „Bezug genommenen" höheren Preise ernsthaft eine angemessene Zeit lang verlangt werden, und/oder
ohne die angegebenen höheren Statt-Preise bzw die als Bezugsbasis für die Rabattankündigung genommenen Preise eine angemessene Zeit lang ernsthaft zu verlangen bzw verlangt zu haben, und/oder
wenn die Preise, insbesondere der Endverkaufspreis und/oder der „Bezug genommene" höhere Statt-Preis, für gleiche Waren willkürlich hinauf und/oder hinabgesetzt werden, und/oder
wenn die beworbenen Orientteppiche in den T***** Orientteppichmärkten zu den angepriesenen besonders günstigen reduzierten Preisen gar nicht erhältlich sind.
Am bewarb die Erstbeklagte in Prospektbeilagen mehrerer Tageszeitungen im Raum Wien und im Raum Graz die Neueröffnung der Standorte Wien *****, und Graz, *****, wie folgt:
„Neueröffnung - Orientteppiche jetzt billig kaufen! - T***** GmbH, Europas großer Orientteppichmarkt; T***** GmbH Orientteppich-Märkte gibt es 20x in Deutschland und jetzt eröffnen wir auch in Österreich. Als Familienunternehmen sind wir seit 35 Jahren bekannt für riesige Auswahl und sehr niedrige Preise. - Für die Zeit der Neueröffnung diese sensationellen Eröffnungsangebote! Zusätzlich geben wir auf alle Normalpreise während der Eröffnungszeit Rabatte!"
Die beworbenen Produkte waren allerdings weder am Standort Wien noch am Standort Graz erhältlich.
Die Teppiche „Keschan", „Nain" und „Mesched" bewarb die Erstbeklagte mit Neueröffnungspreisen, die höher als jene Preise für identische Teppiche waren, die von der O***** am selben Standort schon früher beworben worden waren.
Das Erscheinungsbild der Prospektbeilagen der O***** gleicht jener der Prospektbeilagen der Erstbeklagten; dies allerdings mit der Abweichung, dass die Erstbeklagte in ihren Prospekten keine „Statt-Preise" angibt und der Firmenwortlaut geändert wurde.
Der Kläger begehrt zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, den Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr Orientteppiche irreführend zu besonders günstigen Preisen, insbesondere zu „sensationellen Eröffnungsangeboten" und sinnähnlich bezeichneten Eröffnungspreisen zu bewerben, wenn 1. in Wahrheit die beworbenen Orientteppiche zu den angepriesenen besonders günstigen Preisen gar nicht erhältlich sind, und/oder 2. der irreführende Eindruck eines Preisvorteils wegen Neueröffnung erweckt wird, obwohl der Standort eines anderen zur Unternehmensgruppe T***** gehörigen Unternehmens mit gleichem Angebot und/oder gleichem Geschäftsauftritt fortgeführt wird, und/oder 3. die als besonders günstig beworbenen „Neueröffnungs-Preise" oder sinnähnlich bezeichneten Preise über den Preisen liegen, welche für gleichartige Teppiche am selben Standort von einem anderen zur Unternehmensgruppe T***** gehörigen Unternehmen bereits zuvor längere Zeit als besonders günstige, beträchtlich reduzierte Preise beworben wurden. Die Erstbeklagte werbe irreführend mit Neueröffnungspreisen, obwohl der Zweitbeklagte an denselben Standorten durch verbundene Unternehmen der T*****-Gruppe unverändert auftrete; es liege damit lediglich ein „fliegender", also formaler Betreiberwechsel vor. Angebot und Geschäftsauftritt seien unverändert. Durch das Vortäuschen einer Neueröffnung werde das Publikum in falscher Erwartung über den Anlass der Verkaufsaktion angelockt. Die Eröffnungsangebote enthielten jedoch sogar höhere Preise als die zuvor beworbenen Lockangebote der O*****; drei der im Eröffnungsprospekt beworbenen Teppiche seien überhaupt nicht verfügbar gewesen.
Die Beklagten beantragten in ihrer Äußerung - diese ist allerdings von der Erstbeklagten nicht innerhalb der Äußerungsfrist erhoben worden - die Abweisung des Sicherungsantrags. Die Erstbeklagte sei eine in Österreich neu am Markt auftretende Gesellschaft. Die Werbung mit Neueröffnungsangeboten sei daher zulässig, sie unterscheide sich auch deutlich von der Werbung der O*****. Im Übrigen sei die Bezugnahme auf die „Unternehmensgruppe T*****" im Unterlassungsbegehren zu unbestimmt.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Die Erstbeklagte habe mit ihrer Werbung gegen § 2 UWG verstoßen, weil bereits am Tag der Werbeschaltung gegen 9 Uhr in den Werbeaussendungen angebotene Teppiche nicht mehr erhältlich gewesen seien. Das Publikum erwarte bei einer Werbung mit Neueröffnungspreisen Eröffnungsvorteile, nicht aber höhere Preise, als sie bislang von einem am selben Standort tätigen verbundenen Unternehmen verlangt worden seien. Den Beklagten sei es nicht gelungen zu bescheinigen, dass die Erstbeklagte nicht von der Unternehmensgruppe T***** abhängig sei; sämtliche Werbeankündigungen seien somit in einem Zusammenhang zu sehen.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung zu Punkt 1. - die Entscheidung ist insoweit mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen - und wies den Sicherungsantrag im Übrigen ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands „pro Begehren" 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei; sowohl zur Lockvogelwerbung als auch zur rechtlichen Selbstständigkeit von Konzernunternehmen habe das Rekursgericht auf gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zurückgreifen können. Auch in einem Konzern blieben die Unternehmen rechtlich selbstständig, sie seien lediglich zu wirtschaftlichen Zwecken unter einheitlicher Leitung zusammengefasst. Die Konzernspitze hafte für Verbindlichkeiten der einzelnen Konzernunternehmen nicht; dies gelte auch für wettbewerbswidrige Handlungen irgendeines dem Konzern angehörenden, rechtlich selbstständigen Unternehmens. Damit sei die Werbung mit einer Neueröffnung nicht irreführend. Die Erstbeklagte habe in der Werbeankündigung auch nicht behauptet, dass die Neueröffnungspreise niedriger wären als die vom früheren Betreiber an denselben Standorten angekündigten Preise. Die Bezugnahme auf die T*****-Gruppe sei unbestimmt im Sinne des § 7 Abs 1 EO.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Behandlung von Konzernunternehmen in Wettbewerbsverfahren nach § 2 UWG abgewichen ist; er ist auch berechtigt.
Der Kläger wirft den Beklagten - soweit dies noch verfahrensgegenständlich ist - vor, sie hätten mit Neueröffnungspreisen geworben, obwohl die Standorte in Wien und Graz lediglich von einem anderen zur Unternehmensgruppe T***** gehörigen Unternehmen mit gleichem Angebot und/oder gleichem Geschäftsauftritt fortgeführt würden, und die als besonders günstig beworbenen „Neueröffnungs-Preise" über den Preisen lägen, welche für gleichartige Teppiche an denselben Standorten von einem anderen zur Unternehmensgruppe T***** gehörigen Unternehmen bereits zuvor längere Zeit als besonders günstige, beträchtlich reduzierte Preise beworben worden seien.
1. § 2 Abs 1 UWG verbietet zur Irreführung geeignete Angaben (unter anderem) über den Anlass oder den Zweck des Verkaufs. Der erkennende Senat hat dazu bereits ausgesprochen (4 Ob 393/85 = ÖBl 1986, 66 - TAPETENSTUDIO), dass der Verbraucher bei Eröffnung eines neuen Geschäfts mit Eröffnungspreisen rechnet, die jedenfalls niedriger als der künftige Preis sind. Aus Anlass einer Neueröffnung und auch in der Anlaufphase danach sind nämlich - mitunter sogar durchaus extreme - Preisherabsetzungen ein übliches und dem Publikum daher bekanntes Werbemittel (4 Ob 1040/92 - ALLES BILLIGER). Daher muss auch eine Werbung mit einer Geschäfts(neu)eröffnung wahr sein (4 Ob 76/92 = wbl 1993, 96 - NEUERÖFFNUNG; 4 Ob 2124/96y - TOPAKTUELL).
Diese Grundsätze haben umso mehr zu gelten, wenn der Unternehmer nicht nur mit der „Neueröffnung" an sich wirbt, sondern sogar für die Zeit der Neueröffnung „sensationelle Eröffnungsangebote" und Rabatte „auf alle Normalpreise während der Eröffnungszeit" ankündigt.
2. Die Beklagten berufen sich darauf, dass die Erstbeklagte eine „am österreichischen Markt neu auftretende Gesellschaft" sei; sie sei rechtlich und wirtschaftlich selbstständig.
Ein Konzern ist als wirtschaftliche Einheit aufzufassen. Wird zwischen Gesellschaften eines Konzerns ein Preiswettbewerb vorgetäuscht, der in Wahrheit auf Grund fehlender wirtschaftlicher Selbstständigkeit dieser Gesellschaften gar nicht besteht, ist die Werbung irreführend im Sinne des § 2 UWG. Steht die Konzernverflechtung der Gesellschaften fest, trägt derjenige, der seine Abhängigkeit bestreiten will, dafür die Beweislast (vgl 4 Ob 197/00z = ÖBl 2001, 121 - MARKENSCHUHE ZUM BESTPREIS mwN).
Sowohl die Erstbeklagte als auch die O***** gehören der T*****-Gruppe an; die beiden Geschäftslokale der Erstbeklagten befinden sich an denselben Standorten wie jene der O*****. Die Werbemaßnahmen (Prospektbeilagen) der Erstbeklagten und der O***** gleichen einander; Abweichungen bestehen nur insofern, als die Erstbeklagte keine „Statt-Preise" angibt und unterschiedliche Firmenwortlaute aufscheinen. Eine selbstständige Geschäftspolitik der Erstbeklagten innerhalb der T*****-Gruppe wurde von den Beklagten weder behauptet noch bescheinigt. Damit sind aber die Erstbeklagte und die O***** auch im Bereich des Lauterkeitsrechts, insbesondere des § 2 UWG, als Einheit anzusehen.
Die vom Rekursgericht zur Begründung der teilweisen Antragsabweisung herangezogene Rechtsprechung („RIS-Justiz RS0049307"), also die Entscheidungen 4 Ob 1/91 (= ÖBl 1991, 101 - EINSTANDSGESCHENK) und 4 Ob 111/92 (= MR 1993, 28 - GIFTIGE ZEITUNG), steht dem nicht entgegen. Dort wurde lediglich ausgesprochen, aus dem bloßen Bestehen eines Konzerns könne noch nicht die Haftung von Geschäftsführern der beherrschenden Unternehmen für wettbewerbswidrige Handlungen irgendeines dem Konzern angehörenden, rechtlich selbstständigen Unternehmens abgeleitet werden. Darum geht es im vorliegenden Verfahren aber ebenso wenig wie um die Frage der wirtschaftlichen und rechtlichen Selbstständigkeit der Unternehmen.
Maßgebend ist allein, dass entgegen dem in den Werbeaussendungen erweckten Eindruck in Wahrheit keine „Neueröffnung" vorliegt. Die Erstbeklagte gehört derselben Unternehmensgruppe an wie ihre Vorgängerin; sie vertreibt gleichartige Teppiche und wirbt mit ähnlich gestalteten Aussendungen. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob der verständige Verbraucher, wie die Beklagten in ihrer Revisionsrekursbeantwortung geltend machen, wahrnehmen kann, dass die Werbeaussendungen von der Erstbeklagten und nicht von deren Vorgängerin stammen. Die Irreführung liegt ja gerade darin, dass durch die Werbung mit „sensationellen Eröffnungsangeboten" ein Wechsel des Betreibers vorgetäuscht wird, obwohl beide Betreiber demselben Konzern angehören und gleichartige Teppiche anbieten. Es kommt daher auch nicht mehr darauf an, ob die „Neueröffnung" nur dazu dient, den gegen das Vorgängerunternehmen ergangenen Unterlassungstitel zu umgehen.
3. Die Beklagten machen geltend, dass das begehrte Unterlassungsgebot unbestimmt sei. Es sei offen, was und welche Gesellschaften mit den „anderen zur Unternehmensgruppe T***** gehörigen Unternehmen" gemeint sein sollen. Zur „T*****-Gruppe" zählten zahlreiche Unternehmen.
Die Beklagten gestehen damit zu, dass die T*****-Gruppe bestimmte Unternehmen umfasst. Auf alle diese Unternehmen bezieht sich das Unterlassungsgebot; wirbt die Erstbeklagte für Orientteppiche mit „sensationellen Eröffnungsangeboten", so verstößt sie gegen das Unterlassungsgebot, wenn sie damit das Geschäft eines anderen Unternehmens der T*****-Gruppe fortführt oder wenn sie höhere Preise verlangt als ein am selben Standort tätig gewesenes Unternehmen der T*****-Gruppe.
Die Entscheidung des Erstgerichts war damit wieder herzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Klägers beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm §§ 40 und 50 ZPO.
Fundstelle(n):
EAAAD-46470