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OGH vom 30.11.2011, 7Ob197/11p

OGH vom 30.11.2011, 7Ob197/11p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** S*****, vertreten durch Mag. Helmut Gruber, Rechtsanwalt in St. Jakob in Haus, gegen die beklagte Partei O***** AG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen 17.500 EUR sA (Revisionsinteresse 15.000 EUR sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 33/11b 76, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom , GZ 1 Cg 108/08k 68, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 978,84 EUR (darin enthalten 163,14 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

In Abänderung seines Ausspruchs erklärte das Berufungsgericht die ordentliche Revision für zulässig, weil der Revisionswerber grundsätzlich zutreffend aufzeige, dass die Beklagte keine Prozessbehauptung aufgestellt habe, der Kläger habe sich vorsätzlich selbst verletzt; es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob Zweifel am Unfallgeschehen oder Zweifel am konkreten Ablauf eines bestimmten Vorfalls bereits ausreichten, um die von der Rechtsprechung im Sinn des § 181 VersVG geforderten Zweifel an der Unfreiwilligkeit des Unfalls zu begründen. Das Berufungsgericht habe an das Erfordernis, dass der Versicherte das Unfallgeschehen zu beweisen habe, „möglicherweise einen zu strengen Maßstab angelegt“, sodass die Zulassung der Revision geboten erscheine.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Deckungspflicht des beklagten Versicherers setzt das Vorliegen eines Unfalls voraus. Unfall ist nach den dem Versicherungsvertrag der Streitteile unstrittig zu Grunde liegenden Versicherungsbedingungen ein vom Willen des Versicherten unabhängiges Ereignis, das plötzlich von außen mechanisch oder chemisch auf seinen Körper einwirkt und eine körperliche Schädigung oder den Tod nach sich zieht. Die zur Frage der Beweispflicht für das Vorliegen eines bedingungsgemäßen, deckungspflichtigen Unfalls vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen folgen der ständigen oberstgerichtlichen Judikatur, dass der Versicherungsnehmer für das Vorliegen eines unfreiwilligen Unfalls beweispflichtig ist (RIS Justiz RS0080927). Nach ständiger Rechtsprechung reicht es allerdings in der Regel zum Nachweis des Versicherungsfalls schon aus, wenn der Versicherungsnehmer Umstände dartut, die die Möglichkeit eines Unfalls naheliegend erscheinen lassen. Sache des Versicherers ist es, Umstände zu behaupten und zu beweisen, die dafür sprechen, dass kein deckungspflichtiger Unfall vorliegt, etwa weil das die körperliche Schädigung herbeiführende Ereignis nicht unabhängig vom Willen des Versicherten gewesen ist. Ist dem Versicherer dies gelungen, so muss der Versicherungsnehmer beweisen, dass er dessen ungeachtet unfreiwillig einen Unfall erlitten hat (RIS Justiz RS0080921). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, in Anbetracht der von der Beklagten aufgezeigten Widersprüche in den Unfallschilderungen des Klägers und der übrigen festgestellten Umstände sei vom Kläger der strenge Beweis des Eintritts des Versicherungsfalls zu verlangen gewesen, steht mit diesen Grundsätzen im Einklang. Es konnte nämlich nicht festgestellt werden, wann, wo und wie der Kläger sich die Daumenverletzung zugezogen hat, insbesondere nicht, ob sie wie in der Klage vorgebracht wurde beim Schließen des Gehtores entstanden ist.

Ob das Vorliegen eines unfreiwilligen Unfalls zu bezweifeln ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Diese Frage ist daher nur dann revisibel, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterläuft, die aus Gründen der Rechtssicherheit ein Einschreiten des Obersten Gerichtshofs erfordert. Davon kann hier aber keine Rede sein:

Der Oberste Gerichtshof hat sich vor kurzem zu 7 Ob 187/11t mit einem Parallelfall, in dem derselbe Kläger wegen derselben Verletzung eine Versicherungsleistung von einem anderen Versicherer begehrte, auseinandergesetzt. Die außerordentliche Revision des Klägers gegen die auch dort klagsabweisende Entscheidung der Vorinstanzen wurde mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen. Wie dort haben sich auch hier die Vorinstanzen wegen der unterschiedlichen Vorfallschilderungen des Klägers im Zusammenhalt mit den gutachterlichen Ausführungen eines beigezogenen Sachverständigen für Unfallchirurgie sowie wegen der im Hinblick auf mehrere zuvor vom Kläger erlittenen Unfälle und der Abschluss von gleich sechs Unfallversicherungen vorhandenen Verdachtsmomente nicht in der Lage gesehen, eine positive Feststellung dazu zu treffen, wie es zur Verletzung des Klägers gekommen ist. Die vom Erstgericht getroffene und vom Berufungsgericht gebilligte Negativfeststellung ist vom Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht zu überprüfen. Ausgehend davon, dass Zeit, Ort und Ursache der Verletzung nicht festgestellt werden konnten, hat der Kläger einen der Definition eines deckungspflichtigen Unfalls entsprechenden Vorfall nicht beweisen können; der ihm als Versicherungsnehmer obliegende Beweis der anspruchsbegründenden Voraussetzung des Eintritts des Versicherungsfalls (RIS Justiz RS0043438, RS0080003, RS0043563) ist ihm, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt hatten, demnach nicht gelungen. Daran vermag sein Einwand, die Beklagte habe keine ausdrückliche Behauptung aufgestellt, dass er sich selbst verstümmelt habe, nichts zu ändern (7 Ob 187/11t, nun auch 7 Ob 195/11v). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt also nicht zur Entscheidung vor.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte wies auf die Unzulässigkeit der Revision hin. Das Revisionsinteresse beträgt nur 15.000 EUR. Der Kostenansatz ist daher entsprechend zu korrigieren.