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OGH vom 24.09.2008, 7Ob197/08h

OGH vom 24.09.2008, 7Ob197/08h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfons T*****, vertreten durch Walch & Zehetbauer Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei D***** AG *****, vertreten durch Breitmeyer Decker Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen

20.752 EUR (sA), über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 56/08i-17, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 27 Cg 83/07x-13, infolge Berufung des Klägers bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 1.257,48 EUR (darin enthalten 209,58 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger betreibt ein Transportunternehmen. Am fuhr ein Dienstnehmer des Klägers mit einem Sattelzug (LKW samt Anhänger), dessen Zulassungsbesitzer der Kläger ist, auf der Südautobahn von Villach kommend in Richtung Italien. Kurz vor der Staatsgrenze stieß der LKW gegen eine Betonwand (Aufpralldämpfer) und geriet in Brand. Das Ladegut - 24 Tonnen Plastikgranulat - wurde durch Mineralöle verunreinigt und musste als Sondermüll entsorgt werden. Dem Kläger entstanden dadurch Kosten von 20.752 EUR.

LKW und Anhänger waren bei der Beklagten haftpflichtversichert. Dem Versicherungsvertrag wurden die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (AKHB 2004) zugrundegelegt, deren Art 8 auszugsweise lautet:

„Was ist nicht versichert? (Risikoausschlüsse)

Der Versicherungsschutz umfasst nicht


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1.
[...]
2.
Ersatzansprüche wegen Beschädigung, Zerstörung oder Abhandenkommens des versicherten Fahrzeugs und von mit dem versicherten Fahrzeug beförderten Sachen, mit Ausnahme jener, die mit Willen des Halters beförderte Personen üblicherweise an sich tragen oder, soferne die Fahrt überwiegend der Personenbeförderung dient, als Gegenstände des persönlichen Bedarfs mit sich führen; dies gilt nicht für das nicht gewerbsmäßige Abschleppen betriebsunfähiger Fahrzeuge im Rahmen üblicher Hilfeleistung;
[...].
Der Kläger begehrt von der Beklagten aus der Haftpflichtversicherung die Zahlung des der Höhe nach unstrittigen, für die Entsorgung des Ladeguts von ihm aufgewendeten Betrags. Der Ausschlussgrund des Art 8 Punkt 2. AHVB 2004 betreffe nur unmittelbare Schäden an beförderten Sachen, nicht aber bloß mittelbare Schäden wie die Kosten der Entsorgung von mit dem versicherten Fahrzeug beförderten und zerstörten Sachen.
Die Beklagte, die Klagsabweisung beantragte, ist gegenteiliger Ansicht: Bereits die wörtliche Auslegung der Bestimmung ergebe einen Risikoausschluss für alle Ansprüche, deren Ursache in der Beschädigung, Zerstörung oder dem Abhandenkommen von mit dem versicherten Fahrzeug beförderten Sachen liege. Die Beschädigung des Transportguts sei ursächlich für die Entsorgungskosten gewesen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ausgehend von den vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auslegungsgrundsätzen sei Art 8 Punkt 2. AKHB 2004 dahin auszulegen, dass (arg. „wegen") sämtliche sich aus der Beschädigung oder Zerstörung des Transportguts ergebenden Ersatzansprüche vom Risikoausschluss umfasst seien. Die Bestimmung bringe klar zum Ausdruck, dass der Versicherer nicht für jene Ansprüche einstehen solle, die mit einem für ihn kaum kalkulierbaren Risiko verbunden seien, wie im Einzelfall nicht kalkulierbare Entsorgungskosten. Es sei nicht zu erwarten, dass ein mit juristischen Grundsätzen nicht vertrauter Versicherungsnehmer annehme, dass der Versicherer für unmittelbare Schäden nicht hafte, aber für mittelbare Schäden, wie allenfalls extrem kostenintensive Maßnahmen zur Entsorgung des Transportguts, aufzukommen habe.
Das Berufungsgericht schloss sich der Rechtsmeinung des Erstgerichts an und bestätigte dessen Entscheidung. Wende man die in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze betreffend die Auslegung von Versicherungsbedingungen und insbesondere von Risikoausschlussklauseln an, führe bereits die Wortinterpretation der Klausel zum Ergebnis, dass die Entsorgungskosten nicht vom Versicherungsschutz umfasst seien. Dass Ersatzansprüche „wegen Beschädigung oder Zerstörung von mit dem versicherten Fahrzeug beförderten Sachen" ausgeschlossen worden seien, zeige, dass sich der Risikoausschluss nicht auf unmittelbare Schäden an den beförderten Sachen selbst beschränke, sondern sich auch auf einen mittelbar aus der Beschädigung und Zerstörung solcher Sachen resultierenden Aufwand erstrecke. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Haftpflichtversicherungsvertrags sei für den Versicherer keineswegs überschaubar und kalkulierbar, welche Sachen mit dem versicherten Fahrzeug transportiert würden und welche Ersatzansprüche sich aus der Beschädigung oder der Zerstörung transportierter Sachen ergeben könnten. Die Klausel diene daher nach ihrem auch für den juristisch nicht vorgebildeten Versicherungsnehmer erkennbaren Sinn und Zweck gerade dazu, dieses für den Versicherer nicht überschaubare und nicht kalkulierbare Teilrisiko vom Versicherungsschutz auszunehmen. Darüber hinaus entspreche es dem Grundgedanken der Haftpflichtversicherung, das Unternehmerrisiko im Allgemeinen nicht auf den Versicherer zu übertragen. Dem vom deutschen Bundesgerichtshof (BGH) zur vergleichbaren Risikoausschlussklausel des § 11 Abs 3 AKB vertretenen Standpunkt, der Anspruch auf Ersatz solcher Entsorgungskosten falle nicht unter diese Klausel, weil deren Wortlaut vom verständigen Versicherungsnehmer nur dahin verstanden werden könne, dass es bei den ausgeschlossenen Ansprüchen lediglich um die Haftung für Schäden gehe, die unmittelbar an den beförderten Sachen selbst eingetreten seien, könne sich das Berufungsgericht nicht anschließen. Der verständige, wenn auch juristisch nicht gebildete, Versicherungsnehmer müsse den Risikoausschluss vielmehr im Licht seines erkennbaren Zwecks dahin verstehen, dass Aufwendungen, wie etwa Entsorgungskosten, die ihm im Zusammenhang mit der Beschädigung oder Zerstörung von mit dem versicherten Fahrzeug beförderten Sachen entstehen, von ihm selbst zu tragen und nicht von der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung umfasst seien. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zur Frage, ob der in Art 8 Punkt 2. AKHB 2004 vorgesehene Risikoausschluss auf unmittelbare Schäden an den mit dem versicherten Fahrzeug beförderten Sachen eingeschränkt sei oder darüber hinausgehend auch mittelbare, aus einer Beschädigung oder Zerstörung solcher Sachen resultierende Schäden umfasse, liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers, der unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel ihres Prozessgegners entweder als unzulässig zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Strittig ist allein, ob Art 8 Punkt 2. der AKHB 2004 nur Schäden der mit dem versicherten Kraftfahrzeug beförderten Sachen selbst oder auch die Folgekosten solcher Schäden, insbesondere Entsorgungskosten, vom Versicherungsschutz ausnimmt.

Die Vorinstanzen haben die nach ständiger Rechtsprechung wesentlichen Kriterien für die Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) richtig wiedergegeben. Danach hat die Auslegung von AVB Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914 f ABGB) zu folgen und sich daher am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (RIS-Justiz RS0050063). Die einzelnen Klauseln sind, wenn sie - wie auch hier mangels gegenteiliger Behauptungen anzunehmen ist - nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS0008901). Stets ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der AVB zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0112256). Nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Klauseln müssen daher so ausgelegt werden, wie sie ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen musste, wobei Unklarheiten im Sinn des § 915 ABGB zu Lasten der Partei gehen, von der die Formulierungen stammen, im Regelfall daher zu Lasten des Versicherers (RIS-Justiz RS0050063 [T3]; 7 Ob 47/07y mwN ua).

Auch die von der Judikatur entwickelten Rechtssätze zur Auslegung von Risikoausschlussklauseln, die den zugesagten Versicherungsschutz einschränken und das versicherte Risiko objektiv begrenzen, wurden vom Berufungsgericht bereits zutreffend dargestellt. Wie der Oberste Gerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, dürfen Risikoausschlüsse als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommene Gefahr einschränken oder ausschließen, nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert (RIS-Justiz RS0107031). Risikoeinschränkende Klauseln besitzen in dem Maß keine Vertragskraft, als deren Verständnis von einem Versicherungsnehmer ohne juristische Vorbildung nicht erwartet werden kann (RIS-Justiz RS0112256). Maßgebend ist also stets, wie der juristisch nicht gebildete Versicherungsnehmer den Ausschluss im Lichte seines erkennbaren Zwecks verstehen musste (7 Ob 94/97t). Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, ist der Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Risikoausschluss des Art 8 Punkt 2. der AHVB 2004 beschränke sich nicht nur auf unmittelbare Schäden am Ladegut des versicherten Fahrzeugs selbst, sondern umfasse auch Folgekosten solcher Schäden, wie insbesondere die gegenständlichen Entsorgungskosten, beizupflichten. Dafür spricht vor allem die Wortinterpretation (grammatikalische Auslegung) der Klausel. Deren Formulierung, vom Versicherungsschutz nicht umfasst seien Ersatzansprüche „wegen Beschädigung, Zerstörung oder Abhandenkommens ... von mit dem versicherten Fahrzeug beförderten Sachen", schließt sowohl Schäden, die unmittelbar durch Beschädigung, Zerstörung oder Abhandenkommen der beförderten Sachen entstanden sind, als auch Folgeschäden, die auf die Beschädigung (usw) transportierter Sachen zurückzuführen sind, ein. Warum ein durchschnittlich versierter Versicherungsnehmer, der mit der Klausel konfrontiert ist, dies anders sehen und die Klausel einschränkend dahin interpretieren sollte, dass der Risikoausschluss nur unmittelbare Schäden betreffe, ist nicht zu erkennen.

Die vom BGH in der in VersR 1995, 162, veröffentlichten Entscheidung zur ganz vergleichbaren Klausel des § 11 Abs 3 der (deutschen) Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) vertretene gegenteilige Ansicht kann nicht geteilt werden. Der BGH vertrat die Auffassung, ein verständiger Versicherungsnehmer werde schon im Hinblick auf den Klauselwortlaut (die „in der Klausel beschriebenen anspruchsauslösenden Umstände") die Ausschlussregel nur so verstehen, dass es um Schäden gehe, die unmittelbar an den beförderten Sachen selbst eingetreten seien. Eine solche einschränkende grammatikalische Interpretation rechtfertigt der Wortlaut, dass Ersatzansprüche „wegen" Beschädigung usw des Transportguts ausgeschlossen werden, aber gerade nicht. Zuzustimmen ist dem BGH darin, dass die Ausschlussklausel - auch aus der Sicht des durchschnittlich versierten Versicherungsnehmers - insbesondere der Abgrenzung der Haftpflichtversicherung zum Bereich der Kaskoversicherung dienen soll. Dass der durchschnittlich verständige, juristisch nicht gebildete Versicherungsnehmer daraus aber, wie der BGH meint, folgern müsse, dass vom Ausschluss nur Ansprüche erfasst würden, die auf Ersatz des Schadens an der beförderten Sache selbst gerichtet seien, ist zu bezweifeln. Der Maßfigur des durchschnittlich versierten, juristisch nicht gebildeten Versicherungsnehmers ist vielmehr hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Haftpflicht- und Kaskoversicherung ein Verständnis zuzusinnen, das im Wesentlichen nicht darüber hinausgeht, dass die KFZ-Haftpflichtversicherung Fremdschäden, die KFZ-Kaskoversicherung hingegen in der Sphäre des Versicherungsnehmers selbst auftretende Schäden deckt. Nicht überzeugen kann schließlich auch das vom BGH noch gebrauchte Argument, der in Rede stehenden Regelung liege auch der Gedanke zugrunde, dass die KFZ-Haftpflichtversicherung nicht dazu bestimmt sei, dem Versicherungsnehmer das normale Unternehmerrisiko abzunehmen. Dem werde mit der Klausel insoweit Rechnung getragen, als nach ihrem Wortlaut der Ausschluss gerade Ansprüche wegen Beschädigung der „beförderten" Sachen erfassen solle. Dass die KFZ-Haftpflichtversicherung nicht dazu dienen soll, den versicherten Unternehmer von vertraglichen Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüchen zu befreien, kann nicht die Annahme begründen, dass der Risikoausschluss keine aus der Beschädigung des Transportguts resultierenden mittelbaren Schäden umfasse. Jedenfalls ist eine derartige Erwägung von einem durchschnittlich versierten Versicherungsnehmer bei realitätsnaher Betrachtung nicht zu erwarten. Hingegen kann vom durchschnittlichen Versicherungsnehmer die ihm von den Vorinstanzen zugesonnene Einsicht erwartet werden, dass die Risikoausschlussklausel dazu dienen soll, das versicherte Risiko besser kalkulierbar zu machen und dem Versicherer dadurch die Prämiengestaltung zu erleichtern.

Bei am Wortlaut der Klausel sowie an deren dem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer erkennbaren Zielsetzungen orientierter Interpretation besteht kein Anlass, den in Art 8 Punkt 2. der AKHB 2004 normierten Risikoausschluss im Sinn der Ansicht des Revisionswerbers einschränkend auszulegen. Weil diesbezüglich nichts unklar ist, muss auch der Einwand des Revisionswerbers, die Klausel müsse nach der Unklarheitenregelung des § 915 ABGB zum Nachteil der Beklagten interpretiert werden, ins Leere gehen.

Da demnach auch Folgekosten von dieser Risikoausschlussklausel umfasst sind, haben die Vorinstanzen die Versicherungsdeckung der Kosten der Entsorgung des verunreinigten Ladeguts ohne Rechtsirrtum verneint.

Die Revision muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.