OGH vom 11.09.2014, 2Ob127/14m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers P***** J*****, vertreten durch die Schmidt Gentner Resch Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die Beklagte *****N***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Raimund Hudik, Rechtsanwalt in Wien, wegen 6.000 EUR sA, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom , GZ 19 R 13/14v 18, womit das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom , GZ 8 C 185/13h 12, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Kläger stürzte und verletzte sich am um 5:50 Uhr morgens infolge Glatteis im Eingangsbereich der Stiege der im Eigentum der Beklagten stehenden Wohnhausanlage, in der seine Ehefrau Wohnungsmieterin ist.
Die Vorinstanzen haben die Klage auf Schmerzengeld abgewiesen, weil die Streu- und Räumpflichten des Vermieters nicht überspannt werden dürften.
Das Berufungsgericht hat die Revision zur Frage eines allfälligen zeitlichen Gleichlaufs von deliktischen Schneeräumungspflichten mit vertraglichen Verkehrssicherungspflichten zugelassen.
Die Revision des Klägers ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:
Rechtliche Beurteilung
1. Der Senat hat zu einer geltend gemachten Vertragshaftung erst kürzlich ausgesprochen (2 Ob 43/14h), dass der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht nur von Fall zu Fall bestimmt werden kann, ebenso die Zumutbarkeit der geeigneten Vorkehrungen. Die Beurteilung des Umfangs der Streupflicht hat aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls (konkretes Verkehrsbedürfnis und konkrete Zumutbarkeit) zu erfolgen. Der Hauseigentümer muss alle Vorkehrungen treffen, die vernünftigerweise nach den Umständen von ihm erwartet werden können. Dies gilt sowohl für die Häufigkeit des Streuens als auch die Anwendung verschiedener Streumittel. Die Anforderungen an die vertragliche Verkehrssicherungspflicht dürfen nicht überspannt werden. Sie sollen keine in Wahrheit vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben. Eine Schneeräumung bzw Maßnahmen gegen Glatteis „rund um die Uhr“ sind regelmäßig unzumutbar. Dafür spricht auch die Vorschrift des § 93 Abs 1 StVO, die auch für die meist stärker frequentierten dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege eine Räumpflicht lediglich für die Zeit von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr statuiert.
2. Die Vorinstanzen haben diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet: Es herrscht an der hier zu beurteilenden Örtlichkeit vor 6:00 Uhr morgens regelmäßig eine nur geringe Fußgängerfrequenz und die am Vorabend herrschende Wetterlage bot keine Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr. Die Vorinstanzen haben unter diesen konkreten Umständen eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten vertretbar verneint.
3. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass ihr Schriftsatz nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente und ihr somit kein Kostenersatz gebührt.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0020OB00127.14M.0911.000
Fundstelle(n):
VAAAD-46421