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OGH vom 23.10.2000, 6Ob119/00v

OGH vom 23.10.2000, 6Ob119/00v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Firmenbuchsache der J***** GmbH in Liquidation mit dem Sitz in W***** über den Revisionsrekurs der Liquidatoren Karin N*****, und Mag. Christina K*****, beide vertreten durch Dr. Jörg Jakobljevich und Dr. Christian Grave, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 35/00z-5, mit dem der Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Handelsgericht vom , GZ 5 Fr 253/00d-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Eintragung der Löschung der Gesellschaft bewilligt wird.

Die Durchführung der Eintragung obliegt dem Erstgericht.

Text

Begründung:

Die im Firmenbuch des Landesgerichtes Klagenfurt zu FN ***** eingetragene J***** GmbH mit dem Sitz in W***** wurde durch den Beschluss ihrer Gesellschafter in der außerordentlichen Generalversammlung vom aufgelöst. Zu Liquidatoren wurden Karin N***** und Mag. Christina K***** bestellt. Am wurden die Auflösung der Gesellschaft, der Firmenzusatz "in Liquidation" und die Liquidatoren im Firmenbuch eingetragen.

Mit dem am beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz beantragten die Liquidatoren die Löschung der Gesellschaft infolge beendeter Liquidation. Dem Antrag waren eine beglaubigte Kopie des notariellen Protokolls über die außerordentliche Generalversammlung vom , in der den Liquidatoren die Entlastung erteilt und Mag. Christina K***** gemäß § 93 Abs 3 GmbH zum Verwahrer der Bücher und Schriften der Gesellschaft bestellt wurde, weiters die Unbedenklichkeitsbescheinigung gemäß § 160 Abs 3 BAO des Finanzamtes W***** sowie die Kopie eines Auszuges aus dem Amtsblatt zur Wiener Zeitung über die Veröffentlichung des Gläubigeraufrufes (§ 91 Abs 1 GmbHG) angeschlossen. Die Liquidatoren reichten am das Original des Amtsblattes zur Wiener Zeitung, das die Veröffentlichung des Gläubigeraufrufes enthielt, nach, aus dem hervorgeht, dass die Veröffentlichung am erfolgte. Sie weigerten sich jedoch, der Aufforderung des Erstgerichtes nachzukommen, einen Nachweis über die Veröffentlichung des Gläubigeraufrufes auch im Zustellblatt für die Eintragungen in das Firmenbuch in der Republik Österreich vorzulegen.

Das Erstgericht wies deshalb den Löschungsantrag ab. Mit der Novellierung des § 10 HGB durch das Rechnungslegungsgesetz (RLG) 1990 sei eine einheitliche Regelung in Ansehung der Bekanntmachungsblätter erfolgt. Demnach seien Eintragungen in das Firmenbuch sowohl im Amtsblatt zur Wiener Zeitung als auch im Zentralblatt für die Eintragungen in das Firmenbuch in der Republik Österreich bekanntzumachen. Normadressaten dieser Bestimmung seien auch die Liquidatoren. Eine analoge Anwendung des § 18 AktG komme daher nicht in Betracht.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Es kam nach Darstellung der unterschiedlichen Lehrmeinungen und der Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz zu dem bereits vom Erstgericht vertretenen Ergebnis, dass § 18 AktG, der grundsätzlich die Bekanntmachung in der Wiener Zeitung genügen lässt, auf Veröffentlichungspflichten der GmbH nicht analog anzuwenden sei, weil eine - vom Gesetzgeber nicht gewollte - Gesetzeslücke nun nicht mehr vorliege. § 10 Abs 2 HGB beschränke sich seit der Neuregelung durch das RLG 1990 nicht mehr bloß auf vom Gericht zu veranlassende Veröffentlichungen von Eintragungen im Firmenbuch, sondern sehe auch für sonstige Veröffentlichungen ohne irgendwelche Einschränkungen in sachlicher oder personeller Hinsicht die zusätzliche Einschaltung im Zentralblatt für die Eintragungen in das Firmenbuch in der Republik Österreich vor. Enthielten handelsrechtliche Sondergesetze - wie hier das GmbH-Gesetz - keinen Hinweis auf die Art der Bekanntmachungsblätter, habe die Veröffentlichung im Sinn des § 10 HGB zu erfolgen. Das Erstgericht habe daher mangels Befolgung des entsprechenden Verbesserungsauftrages den Löschungsantrag der Gesellschaft zu Recht abgewiesen.

Die Abweisung sei aber auch deshalb berechtigt, weil die Nennung der Namen der Liquidatoren im Edikt unterblieben sei. Es könne nicht Aufgabe der Gläubiger der Gesellschaft sein, die ihre Forderung bei den Liquidatoren anzumelden hätten, im Firmenbuch erst deren Namen zu erheben, um ihre Forderungsanmeldungen formgerecht abgeben zu können.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Veröffentlichung des Gläubigeraufrufes § 91 Abs 1 dritter Satz GmbHG fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Liquidatoren ist zulässig und berechtigt.

Die hier relevanten Absätze des § 10 HGB, der im "Zweiten Abschnitt" des HGB ("Firmenbuch") enthalten ist, lauten nun:

Abs 1: Die nach dem Dritten Buch dieses Gesetzes vorzunehmenden Veröffentlichungen sind im Amtsblatt zur Wiener Zeitung bekanntzumachen.

Abs 2: Die sonstigen Veröffentlichungen, insbesondere die Eintragungen in das Firmenbuch, sind auch im Zentralblatt für die Eintragungen in das Firmenbuch in der Republik Österreich bekanntzumachen. Soweit nicht das Gesetz etwas anderes vorschreibt, werden die Eintragungen ihrem ganzen Inhalt nach veröffentlicht.

Vor seiner Novellierung durch das RLG 1990 lautete § 10 HGB:

"(1) Das Gericht hat die Eintragungen in das Handelsregister durch [den Deutschen Reichsanzeiger] (jetzt: durch das Amtsblatt zur Wiener Zeitung) und durch mindestens ein anderes Blatt bekanntzumachen. Soweit nicht das Gesetz anderes vorschreibt, werden die Eintragungen ihrem ganzen Inhalte nach veröffentlicht ..."

Gemäß § 91 Abs 1 dritter Satz GmbHG haben die Liquidatoren die Auflösung der Gesellschaft in den Bekanntmachungsblättern zu veröffentlichen und dabei die Gläubiger der Gesellschaft aufzufordern, sich bei ihnen zu melden. Vor der GmbH-Gesetznovelle 1980 enthielt das GmbHG in § 22 Abs 5 und § 55 Abs 2 konkrete Veröffentlichungsvorschriften. Demnach waren die Bilanzen, falls der Gegenstand des Unternehmens im Betrieb von Bankgeschäften bestand, sowie die beabsichtigte Herabsetzung des Stammkapitals von den Geschäftsführern "in den für die Bekanntmachung der Eintragungen ins Handelsregister bestimmten Blättern und, falls im Gesellschaftsvertrag für die Bekanntmachungen der Gesellschaft öffentlicher Blätter bezeichnet sind, auch in diesen zu veröffentlichen". Diese Bestimmungen wurden durch die GmbH-Gesetznovelle 1980 beseitigt. Seither - demnach schon einige Zeit vor der neuerlichen Novelle des HGB durch das RLG 1990 - enthält das GmbHG selbst keinen Hinweis mehr darauf, was unter den "Bekanntmachungsblättern" zu verstehen ist. Allerdings erklärte § 23 Abs 1 Z 3 GmbHG vor der Änderung des § 23 GmbHG durch das RLG 1990 für aufsichtsratspflichtige Gesellschaften unter anderem § 18 AktG für sinngemäß anwendbar. § 18 AktG, der unverändert blieb, bestimmt, dass durch Gesetz oder Satzung angeordnete Veröffentlichungen der Gesellschaft in der Wiener Zeitung zu erfolgen haben; daneben kann die Satzung auch andere Blätter als Bekanntmachungsblätter bezeichnen.

Kostner/Umfahrer (GmbHG5 Rz 12) führen aus, dass mit dem RLG 1990

auch "eine einheitliche Regelung der Bekanntmachungsblätter in § 10

HGB aufgenommen" worden sei. Bekanntmachungsblätter im Sinn des § 91

Abs 1 dritter Satz GmbHG seien daher das Amtsblatt zur Wiener Zeitung

und das Zentralblatt für die Eintragungen in das Firmenbuch (Rz 779,

FN 1511). Dieser Meinung schloss sich das Oberlandesgericht Linz in

seinem Beschluss 6 R 83/97m (= RpflSlg 1998 H 1, 22) an.

Das Oberlandesgericht Wien (in seinem Beschluss 28 R 83/99b = NZ

2000, 312) und die überwiegende Lehre erblicken hingegen in § 10 Abs 2 HGB eine nur an das Gericht, in § 91 Abs 1 dritter Satz GmbHG aber eine an die Liquidatoren (und in § 55 Abs 2 GmbHG eine an die Geschäftsführer) adressierte Norm und treten insoweit für eine analoge Anwendung des § 18 AktG ein (Burgstaller in Jabornegg, Kommentar zum HGB, Rz 9 zu § 10 HGB; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht1, 537 und 716 FN 51; ihm folgend Koppensteiner, GmbHG2, Rn 7 zu 91 GmbHG, Rn 2 zu § 55 GmbHG; Hügel,

Das neue Spaltungsgesetz und die Reform des Umgründungsrechts in ecolex 1996, 533 und FN 34 je zur Bestimmung des § 7 Abs 1 SpaltG; Bachner, Anmerkungen zur Übernahme der vereinfachten Kapitalherabsetzung in das GmbH-Recht in GesRZ 1998, 7 ff [8 und FN 33]).

Wenn auch in der durch das RLG 1990 geänderten Fassung des § 10 HGB im Gegensatz zur Vorgängerbestimmung ("das Gericht hat die Eintragung ... bekanntzumachen ...") nun nicht mehr ausdrücklich das Gericht als Adressat der Veröffentlichungsanordnung genannt ist, sind doch die (zwar aus der Zeit vor Inkrafttreten des RLG 1990 stammenden) Ausführungen Reich-Rohrwigs nach wie vor überzeugend, dass durch die ersatzlose Beseitigung des § 22 Abs 5 und die Novellierung des § 55 GmbHG durch die GmbH-Gesetznovelle 1980 eine Gesetzeslücke hinterlassen wurde, die durch analoge Anwendung des § 18 AktG zu schließen ist. Wie aus den Materialien zum RLG 1990 (BlgNR 17. GP, 1270) hervorgeht, sollte es insoweit grundsätzlich bei der bisherigen Rechtslage bleiben und die "in handelsrechtlichen Sondergesetzen (etwa AktG, GmbHG, UmwG)" enthaltenen Hinweise auf Veröffentlichungsblätter nicht berührt werden. Auch wenn hiebei offenbar übersehen wurde, dass das GmbH-Gesetz keine eigene Regelung über die Bekanntmachungsblätter mehr enthält, sprechen diese Ausführungen doch dafür, dass mit der Neufassung des § 10 HGB eine generelle, für das Gericht und die Gesellschaften gleichermaßen geltende Veröffentlichungsanordnung nicht beabsichtigt war. Eine solche Absicht lässt sich im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanzen auch nicht aus der Wortfolge "insbesondere die Eintragungen in das Firmenbuch" in § 10 Abs 2 HGB erschließen, hat doch das Firmenbuchgericht neben den im Dritten Buch des HGB vorgesehenen Veröffentlichungen nicht ausschließlich Firmenbucheintragungen, sondern etwa auch den Beschluss über die verhängte Zwangsstrafe nach § 24 Abs 2 FBG zu veröffentlichen. Der hervorgehobene Halbsatz macht daher auch dann einen Sinn, wenn - wie überwiegend mit überzeugenden Argumenten vertreten wird - in § 10 Abs 2 HGB als eine ausschließlich an das Gericht adressierte Anordnung zu erblicken ist.

Der Gläubigerschutz, den (auch) die Bestimmung des § 91 GmbHG bezweckt (vgl 2 Ob 184/97s = RdW 1998, 192 mwN), ist zwar eine auch im Gesellschaftsrecht der Kapitalgesellschaft fest verankerte Leitidee, die jede Auslegung von Gesetzesnovellen beeinflusst (6 Ob 4/99b = JBl 2000, 188 = ecolex 2000, 121 = GesRZ 2000, 25). Doch hat es der Gesetzgeber schon bisher bei der Liquidation einer Aktiengesellschaft für ausreichend angesehen, dass (sofern keine sonstigen Veröffentlichungsbestimmungen in der Satzung enthalten sind) der Gläubigeraufruf nur in der Wiener Zeitung veröffentlicht wird (§ 208 iVm § 18 AktG). Die analoge Anwendung des § 18 AktG auf die die GmbH treffenden Veröffentlichungspflichten erscheint daher durchaus systemkonform.

Der Veröffentlichungspflicht im Sinn des § 91 Abs 1 dritter Satz GmbHG wurde daher im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanzen durch die Einschaltung des Gläubigeraufrufes (nur) in der Wiener Zeitung Genüge getan, weil, soweit aktenkundig, keine anderen Veröffentlichungsblätter im Gesellschaftsvertrag vorgesehen sind.

Der weitere vom Rekursgericht herangezogene Abweisungsgrund liegt ebenfalls nicht vor. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn des § 91 GmbHG lässt sich entnehmen, dass in der Gläubigeraufforderung auch der Name der bestellten Liquidatoren genannt sein müsste. Entscheidend ist allein, dass eine Adresse angeführt ist, an der die Liquidatoren tatsächlich für anmeldende Gläubiger erreichbar sind und ihnen entsprechende Schriftstücke zugestellt werden können. Dies kann neben ihrer Privatadresse auch die Geschäftsadresse der Gesellschaft sein (Kostner/Umfahrer aaO Rz 779; Reich/Rohrwig aaO 716). Die Liquidatoren handeln bei Entgegennahme der Anmeldungen als Vertreter der in Liquidation befindlichen Gesellschaft. Sind sie am Sitz der Gesellschaft erreichbar, wovon hier mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auszugehen ist, besteht auch kein Grund zur Annahme, dass ihnen an die Adresse der Gesellschaft gerichtete Schriftstücke ohne ihre persönliche Namensnennung nicht zukommen. Der Hinweis des Rekursgerichtes auf § 5 ZustG, wonach auf Postsendungen unter anderem "der Empfänger" anzugeben ist, ist in diesem Zusammenhang schon deshalb verfehlt, weil das Zustellgesetz die Zustellung behördlicher Schriftstücke regelt (§ 1 ZustG).

Da auch sonst kein Hindernis für die begehrte Eintragung der Löschung hervorgekommen ist, sind die Beschlüsse der Vorinstanzen im Sinne einer Antragsstattgebung abzuändern.