OGH vom 23.02.2010, 4Ob16/10x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. H***** G*****, vertreten durch Pflaum, Karlberger, Wiener, Opetnik Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. T***** W***** als Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen von Dkfm. E***** S 2. E***** R*****, vertreten durch Mag. Alfred Schneider, Rechtsanwalt in Lilienfeld, wegen je 193.794,33 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 13 R 192/09i 49, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 9 Cg 51/07x 45, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 2.052,54 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 342,09 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Mit Urteil vom erkannte das Berufungsgericht die Beklagten schuldig, dem Kläger je 193.794,33 EUR sA sowie je die Hälfte von 6.953,34 EUR und 14.754,56 EUR an Verfahrenskosten zu zahlen. Dieses Urteil bestätigte der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom , GZ 4 Ob 160/08w, und verpflichtete die Beklagten zum Kostenersatz. Diese Entscheidung wurde allen Parteien am zugestellt.
Am bestätigte das Erstgericht die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit beider Urteile.
Am selben Tag brachte der Kläger gegen die Beklagten einen Exekutionsantrag zur (teilweisen) Hereinbringung seiner sich aus den beiden Urteilen ergebenden Forderungen ein, welcher am bewilligt wurde.
Der Erstbeklagte beantragte am , die irrtümlich erteilten Bestätigungen der Vollstreckbarkeit der Urteile des Oberlandesgerichts Wien vom und des Obersten Gerichtshofs vom aufzuheben. Die Vollstreckbarkeitsbestätigungen hätten erst nach Verstreichen der Leistungsfrist am erteilt werden dürfen.
Das Erstgericht wies den Aufhebungsantrag ab. Die Rechtsprechung, die Vollstreckbarkeitsbestätigung dürfe erst nach Verstreichen der Leistungsfrist erteilt werden, könne auf diesen Fall nicht angewendet werden. Die ZPO regle den Zeitpunkt für den Eintritt der Vollstreckbarkeit im Gegensatz zu § 43 Abs 3 AußStrG für das Außerstreitverfahren nicht. Es bestehe daher kein Hindernis, nach dem mit der Zustellung bewirkten Wirksamwerden der letztinstanzlichen Entscheidung gleichzeitig mit der formellen Rechtskraft auch die Vollstreckbarkeit zu bestätigen. Das Exekutionsgericht habe zu prüfen, ob die Leistungsfrist bereits abgelaufen sei. Eine solche Prüfung wäre überflüssig, wenn bereits das Titelgericht bei Erteilung der Vollstreckbarkeitsbestätigung für das Exekutionsgericht bindend den Ablauf der Leistungsfrist festzustellen hätte.
Das Rekursgericht hob die Bestätigungen der Vollstreckbarkeit der Urteile des Oberlandesgerichts Wien vom und des Obersten Gerichtshofs vom auf. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil die höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage widersprüchlich sei, ob mit Erteilung der Vollstreckbarkeitsbestätigung auch der Ablauf der Leistungsfrist bestätigt werde. Nach Ansicht des Rekursgerichts sei der Rechtsansicht der Vorzug zu geben, dass die Vollstreckbarkeitsbestätigung vom Titelgericht erst nach Ablauf der Leistungsfrist erteilt werden dürfe. Ob die Leistungsfrist bereits abgelaufen sei oder nicht, könne nach der Aktenlage ohne weitere Erhebungen geprüft werden. Auch Jakusch (in Angst 2 § 7 Rz 95 ff) schlage vor, der Vollstreckbarkeitsbestätigung zur Vermeidung von Unsicherheiten die Funktion auch des Nachweises des Ablaufs der Leistungsfrist mit der Konsequenz zuzuweisen, dass auch eine allenfalls unrichtig bestätigte Fälligkeit der Leistung den Verpflichteten zum Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung nach § 7 Abs 3 EO berechtige.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof sprach wiederholt aus, dass die Bestätigung der Vollstreckbarkeit nicht nur bedeutet, dass der Titel keinem die Exekution hemmenden Rechtszug unterliegt, sondern auch, dass die Leistungsfrist, deren Beginn sich aus dem Titel allein nicht ergibt, verstrichen ist (RIS Justiz RS0000188).
Die gegenteilige Ansicht von Jakusch (in Angst , EO § 7 Rz 95), wonach sich aus § 7 Abs 2 EO, wo für den Fall einer nicht kalendermäßig festgesetzten Leistungsfrist deren Ablauf ausdrücklich als durch qualifizierte Urkunden beweisbedürftig erklärt wird, ergäbe, dass die Erteilung der Vollstreckbarkeitsbestätigung nur den rein verfahrensrechtlichen Umstand des Eintritts der formellen Vollstreckbarkeit voraussetze, nicht aber den Ablauf der Leistungsfrist oder den Eintritt einer im Exekutionstitel genannten Bedingung, lehnte der Oberste Gerichtshof ausdrücklich ab (3 Ob 289/04b). Die im Exekutionstitel vorgesehene Leistungsfrist sei eine dem Titelschuldner vom Gericht eingeräumte Exekutionsstundung ( Fucik in Fasching/Konecny 2 § 409 ZPO Rz 3 mwN); vor deren Ablauf könne noch nicht erfolgreich Befriedigungsexekution zur Hereinbringung der titulierten Leistung geführt werden. Deshalb sei die Vollstreckbarkeitsbestätigung erst nach dem Verstreichen der erörterten Leistungsfrist zu erteilen. Es sei sinnvoll, sowohl die Prüfung der formellen Vollstreckbarkeit als auch des Ablaufs der Leistungsfrist in einem Arbeitsgang durch einen Organwalter erledigen zu lassen (3 Ob 289/04b).
Höllwerth (in Burgstaller/Deixler Hübner , § 7 EO, Rz 151) vertritt die Auffassung, dass sich die durch § 7 Abs 1 und 2 EO systematisch angelegte (strikte) Trennung der Voraussetzungen für die vom Titelgericht zu prüfende formelle Vollstreckbarkeit einerseits von denjenigen - vom Exekutionsgericht zu prüfenden - für die materielle Vollstreckbarkeit andererseits und der Grundsatz, dass allein die Frage der formellen Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels Gegenstand der Vollstreckbarkeitsbestätigung ist, auf der Grundlage bestehender Judikatur und gegebener Gesetzeslage nicht (mehr) uneingeschränkt aufrecht erhalten lassen. Er verweist hiezu nicht nur auf die Rechtsprechung, sondern auch auf die geänderte Rechtslage im Außerstreitverfahren (§ 43 Abs 3 AußStrG), die (formelle) Vollstreckbarkeit erst nach dem Ablauf der Leistungsfrist oder dem Verstreichen des Fälligkeitszeitpunkts vorsieht, sondern auch auf das vereinfachte Bewilligungsverfahren, dessen Anwendbarkeit (unter anderem) davon abhängt, dass keine zusätzlichen Urkunden (etwa über den Ablauf der Leistungsfrist nach § 7 Abs 2 EO) vorgelegt werden müssen (§ 54b Abs 1 Z 3 EO).
Heller/Berger/Stix (Kommentar zur EO 4 I 207), denen die eingangs zitierte Rechtsprechung gefolgt ist, vertraten zur Vereinfachung der Rechtsdurchsetzung für den betreibenden Gläubiger und wegen des Umstands, dass das Gesetz nur eine einzige Bestätigung der Vollstreckbarkeit kennt, dass diese erst nach Ablauf der Leistungsfrist erteilt werden könne, soweit sich der Fälligkeitstag nicht ohnedies aus dem Titel selbst ergäbe.
Zwar sprach der Oberste Gerichtshof zu 3 Ob 8/07h aus, dass die Vollstreckbarkeitsbestätigung nur die formelle Vollstreckbarkeit betreffe; die hier entscheidende Frage der Leistungsfrist stellte sich dort jedoch nicht, weil ein Unterlassungstitel zu beurteilen war.
Die Entscheidung 2 Ob 232/08v referiert einerseits die Rechtsprechung, dass die Vollstreckbarkeitsbestätigung erst nach Verstreichen der Leistungsfrist erteilt werden dürfe, verweist andererseits aber darauf, dass die Vollstreckbarkeitsbestätigung nur den Eintritt der formellen Vollstreckbarkeit beurkunde. Die Frage der Leistungsfrist musste aber nicht beurteilt werden, weil es (bloß) um die Anwendbarkeit des § 7 Abs 3 EO auf die irrtümlich erteilte Bestätigung der Rechtskraft einer Aufkündigung ging.
Zu 8 Ob 90/04z wurde ausgesprochen, dass Gegenstand der Vollstreckbarkeitsbestätigung der rein verfahrensrechtliche Umstand der formellen Vollstreckbarkeit sei; wegen Wegfalls der Beschwer war jedoch keine Sachentscheidung zu treffen. Die Parteien hatten sich nach Erlassung eines Teilurteils über alle wechselseitigen Ansprüche vergleichsweise geeinigt, sodass die Exekutionsführung aufgrund des Teilurteils unzulässig war.
Der erkennende Senat hält im Hinblick auf die bereits zu 3 Ob 289/04b erörterten praktischen Erwägungen daran fest, dass die Vollstreckbarkeit einer Leistung erst nach Ablauf der dafür im Exekutionstitel vorgesehenen Frist zu bestätigen ist. Damit ist auch der prinzipiell wünschenswerte Gleichlauf mit der Rechtslage im Außerstreitverfahren hergestellt.
Dem insgesamt unberechtigten Revisionsrekurs des Klägers musste daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO (Zwischenstreit; zweiseitiges Rechtsmittelverfahren RIS Justiz RS0121467).