OGH vom 13.12.2005, 1Ob200/05a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Irene P*****, vertreten durch Dr. Günther J. Horvath, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Christian O*****, vertreten durch Dr. Karl Franz Leutgeb, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt, infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 43 R 139/05t-86, womit das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , GZ 15 C 17/03d-75, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revisionen beider Parteien werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 333,12 (darin enthalten EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Ehe der Streitteile dauerte vom bis zur Rechtskraft der Scheidung am . Der Ehe entstammt eine am geborene Tochter. Die Klägerin ist in Brasilien aufgewachsen und brach ihre dortige Gymnasialausbildung vor der Matura ab. Danach war sie kurzfristig als Büroangestellte tätig und absolvierte eine Friseurausbildung. Sie arbeitete als Friseurin in Brasilien, ab etwa Februar 1989 bis September 1991 auch in Österreich, wobei sie wöchentlich etwa 2.500 ATS verdiente. Seit der Geburt der gemeinsamen Tochter widmete sie sich - im Einvernehmen mit dem Beklagten - ausschließlich der Kindererziehung und dem Haushalt. Im August 1998 zog die Klägerin nach Brasilien, um dort die Matura abzulegen, kehrte aber im März 1999 wegen der mittlerweile vom Beklagten erhobenen Ehescheidungsklage ohne Schulabschluss nach Österreich zurück. Ihre Versuche, in Österreich eine Arbeitsstelle als Büroangestellte oder Friseurin zu finden, blieben trotz Absolvierung mehrerer vom Arbeitsmarktservice angebotener Kurse erfolglos. Wegen ihrer erheblichen gesundheitlichen Arbeitsleistungseinschränkungen (depressives Zustandsbild, deutliche Fettleibigkeit mit Übergewicht von etwa 40 kg, erhöhter Blutdruck, arthrotische Veränderungen im Bereich der Fingergelenke) kann sie für eine regelmäßige Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vermittelt werden. Weder als Friseurin noch in einer anderen Branche bestehen Chancen auf eine Anstellung. Die Klägerin bezieht seit Sozialhilfe in ungefähr gleich bleibender Höhe von monatlich etwa 400 EUR. Ein allenfalls zugesprochener Ehegattenunterhalt wird auf diese Beträge angerechnet, ein rückwirkend zugesprochener Ehegattenunterhalt rückgefordert bzw von den laufenden Unterstützungen einbehalten. Seit November 2003 bezieht die Klägerin Mietzinsbeihilfe in Höhe von 249,36 EUR und Wohnbeihilfe im Betrag von ca 175 EUR, jeweils monatlich. Weiters erhält sie ein „Heizungspauschale" von monatlich 39,22 EUR. Von der Zahlung der Rundfunk-, Fernseh- und Telefongrundgebühren ist sie befreit. Die Mietkosten für die von der Klägerin weiterhin bewohnten ehemaligen Ehewohnung betragen etwa 470 EUR monatlich, die Betriebskosten dieser Wohnung belaufen sich auf etwa 130 EUR, für Fernwärme fallen mehr als 80 EUR monatlich an. Der Beklagte verdient als Angestellter seit 2002 monatlich ca 1.605 EUR netto (inklusive der anteiligen Sonderzahlungen). 1990 schloss er eine Er- und Ablebensversicherung mit einer Laufzeit bis zum Jahr 2015 ab, für die er an monatlicher Prämie 200 EUR bezahlt. Mit der Klägerin gemeinsam nahm er 1997 einen Kredit von damals 500.000 ATS zur Anschaffung einer Eigentumswohnung in Brasilien auf. Die Kreditraten hiefür in Höhe von monatlich 255,88 EUR zahlt er allein. An Unterhaltsbeiträgen für die gemeinsame Tochter leistete er ab monatlich 217,29 EUR und ab 307 EUR. An Ehegattenunterhalt zahlte er von Mai 1999 bis November 2002 monatlich 1.000 ATS. Die Wohnung in Brasilien wurde mittlerweile um etwa 5.200 EUR verkauft; mit diesem Geld beglich die Klägerin Schulden, die sie bei Bekannten in Brasilien hatte. Die Tochter der Streitteile ist ihrem Alter entsprechend entwickelt, sie besucht derzeit das Gymnasium und benötigt keinen überdurchschnittlichen Betreuungsaufwand.
Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten, der Klägerin ab einen Unterhaltsbeitrag von 340 EUR monatlich - unter Anrechnung der für September bis November 2002 geleisteten Unterhaltsbeiträge, Wohnungskosten und des gewährten Naturalunterhalts - zu zahlen und wies das Unterhaltsmehrbegehren von 506 EUR monatlich ab. Die Kompensandoforderungen des Beklagten wies das Erstgericht zurück bzw hielt fest, dass diese keine tauglichen Kompensandoforderungen darstellten. Unterhalt stehe der Klägerin nach § 68a Abs 2 EheG zu. Die mangelnde berufliche Aus- und Fortbildung sei darauf zurückzuführen, dass die Klägerin sich im Einvernehmen mit dem Beklagten während der ehelichen Gemeinschaft der Haushaltsführung und der Pflege und Erziehung des Kindes gewidmet habe. Hinzu komme die starke gesundheitliche Beeinträchtigung der Klägerin, die dazu führe, dass für sie keine geregelte Erwerbsmöglichkeit zu finden sei. Entsprechend den medizinischen und berufskundlichen Gutachten sei auch nicht zu erwarten, dass sie in „mittelbarer Zukunft" ihren Unterhalt durch zumutbare Erwerbstätigkeit sichern könne. Es stehe ihr daher ein unbefristeter Unterhaltsanspruch zu. Dessen Höhe sei unter Einbeziehung der Unterhaltspflichten des Beklagten gegenüber der Tochter mit 21 % des Einkommens des Beklagten angemessen. Eine höhere Unterhaltsleistung sei ihm nicht zumutbar. Besonders schwerwiegende Verfehlungen, die nach Billigkeit den Unterhaltsanspruch der Klägerin mindern würden, seien ihr nicht vorwerfbar.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es der Klägerin nur ab einen Unterhaltsbeitrag von monatlich 170 EUR zusprach und das Mehrbegehren abwies. Hinsichtlich der Anträge des Beklagten, die Klagsforderung mit Gegenforderungen aufzurechnen, wurde das Ersturteil mit der Maßgabe bestätigt, dass die Gegenforderungen abgewiesen wurden. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhalt nach § 68a Abs 1 EheG lägen nicht vor, da das aus der Ehe stammende einzige Kind nicht in einem Ausmaß der Pflege und Betreuung bedürfe, dass es der Klägerin nicht zumutbar wäre, sich selbst zu erhalten. Hingegen lägen die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung des § 68a Abs 2 EheG vor. Die Bedürftigkeit der Klägerin habe ihre Wurzeln darin, dass sie als den Haushalt versorgende Ehegattin während der Dauer der Ehe in das Arbeitsleben nicht ausreichend eingegliedert gewesen und ihr auf Grund des angegriffenen Gesundheitszustands nunmehr eine Wiedereingliederung in das Arbeitsleben unmöglich sei. Im Hinblick auf ihren Bedarf und die finanziellen Mittel des Beklagten sei die Ausmessung des Unterhalts mit 170 EUR monatlich angemessen. Der Lebensbedarf der Klägerin sei mit etwa 865 EUR monatlich anzusetzen, wobei sich dieser gerundete Betrag einerseits aus der gewährten Sozialhilfe (zur Abdeckung des generellen Lebensbedarfs) sowie der Mietzins- und Wohnbeihilfe sowie dem „Heizungspauschale" zusammensetze. Da das Wiener Sozialhilfegesetz Bestimmungen über den (Rück-)Ersatz der Sozialhilfe - zur Verhinderung einer Doppelversorgung - enthalte, habe die Sozialhilfe bei der Unterhaltsfestsetzung außer Betracht zu bleiben. Hingegen stellten die Wohn- und die Mietzinsbeihilfe als öffentlich-rechtliche Sozialleistungen, die der Deckung eines unzumutbaren Wohnungsaufwands dienten, ein der Klägerin zurechenbares Einkommen dar. Gleiches gelte für das „Heizungspauschale". Bei der Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Beklagten seien von dessen Durchschnittsnettoeinkommen von 1.605 EUR monatlich die Kreditraten von monatlich 255,88 EUR in Abzug zu bringen, da die mit dem Kredit angeschaffte Eigentumswohnung von der Klägerin verwertet worden sei; zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung sei zudem das zwischen den Streitteilen anhängige Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG noch nicht rechtskräftig abgeschlossen gewesen. Ausgehend von einem „Eigeneinkommen" der Klägerin von monatlich (aufgerundet) 464 EUR - bestehend aus der Mietzins- und Wohnbeihilfe sowie dem „Heizungspauschale" - und einer Unterhaltsbemessungsgrundlage des Beklagten von 1.349 EUR ergäbe sich nach § 66 EheG ein Unterhaltsanspruch von rund 190 EUR monatlich. Da der angemessene Unterhalt nach § 66 EheG bei Bemessung des Unterhalts nach § 68a EheG tunlichst nicht erreicht werden solle, sei die Gewährung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 170 EUR angemessen. Soweit der Beklagte der Klägerin „stures Festhalten an einer groben Schädigungsabsicht" zur Last lege, weswegen sie ihren Unterhaltsanspruch „vereitelt" habe, sei anzumerken, dass ihr Verhalten nicht als eklatanter Verstoß gegen eheliche Gebote zu werten sei, was nach dem objektiven Gerechtigkeitsempfinden aller vernünftig denkenden Menschen mit dem Zuspruch von Unterhalt unvereinbar wäre.
Rechtliche Beurteilung
Zur Revision der Klägerin:
1) Den Tatbeständen des § 68a Abs 1 und Abs 2 EheG ist gemeinsam, dass einem der geschiedenen Ehegatten die Aufbringung der für seinen Unterhalt erforderlichen Mittel aus eigenem Erwerb aus Gründen, die in der Ehe selbst wurzeln, nicht zumutbar ist (Stabentheiner in Rummel, ABGB3 II/4, § 68a EheG Rz 1). Während in § 68a Abs 1 EheG die Unzumutbarkeit der Selbsterhaltung auf die Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes zurückzuführen ist, ist nach dem Unterhaltstatbestand des § 68a Abs 2 EheG die ehebedingte Absenz vom Berufsleben maßgeblich. Wenngleich eine Kombination der Unterhaltsansprüche nach Abs 1 und Abs 2 grundsätzlich möglich ist (Stabentheiner aaO Rz 9), liegen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen dafür nicht vor: Gemäß § 68a Abs 1 zweiter Satz wird die Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit wegen Kinderbetreuung nur vermutet, solange das Kind das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Klägerin hat im Verfahren nicht bewiesen, dass ihre 1992 geborene Tochter, die derzeit das Gymnasium besucht, aus besonderen Gründen weiterhin ihrer Betreuung in einem Ausmaß bedürfte, dass wegen dieses Betreuungsaufwands eine Erwerbstätigkeit unmöglich wäre. Der Unterhaltsanspruch der Klägerin ist somit allein nach § 68a Abs 2 EheG zu beurteilen.
2) Wie bereits in ihrer Berufung bringt die Klägerin in der Revision vor, ihrem Rechtsstandpunkt nach hätte ihr Unterhaltsanspruch mit 33 % abzüglich 4 % (im Hinblick auf die Unterhaltspflicht für die gemeinsame Tochter), somit im Umfang von 29 % des Nettoeinkommens des Beklagten (statt mit 21 %) bemessen werden müssen. Dazu ist auszuführen:
Der Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG ist nach dem konkreten Bedarf des Unterhaltsberechtigten in einem Zwischenbereich der nach der bisherigen Rechtsprechung geltenden Prozentsätze nach § 68 EheG (Billigkeitsunterhalt) und § 66 EheG (Unterhalt bei zumindest überwiegendem Verschulden des unterhaltspflichtigen Ehegatten an der Zerrüttung der Ehe) von 15 % bis 33 % des Einkommens des Unterhaltspflichtigen auszumitteln. Der angemessene Unterhalt nach § 66 EheG soll aber tunlichst nicht erreicht werden. Es ist somit vorab zu klären, welchen monatlichen Betrag die Klägerin zur Deckung ihres Lebensbedarfs benötigt. Danach ist eine Kontrollrechnung anzustellen, ob dieser Betrag zwischen dem Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG und dem nach § 66 EheG liegt und welche finanziellen Mittel dem Unterhaltsverpflichteten zur angemessenen Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse verbleiben. Bei Vorliegen von schwerwiegenden Gründen im Sinne des § 68a Abs 3 EheG ist der auf diese Art ermittelte Unterhalt noch entsprechend zu mindern (Stabentheiner aaO Rz 11; JBl 2003, 526). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht bei der Bemessung des Unterhalts nach § 68a EheG angewendet. Schwerwiegende Gründe im Sinne des § 68a Abs 3 EheG, die zu einer entsprechenden Minderung des auf diese Art ermittelten Unterhalts führen könnten, haben die Vorinstanzen ohnedies verneint. Wenn die Revisionswerberin den von ihr behaupteten höheren Unterhaltsbedarf damit begründet, dass allein die von ihr zu tragenden Miet- und Betriebskosten (inklusive Heizung) zumindest 600 EUR monatlich ausmachen, so ist dem entgegenzuhalten, dass bei der Unterhaltsbemessung nach § 68a EheG nicht davon ausgegangen werden kann, der bei aufrechter Ehe bestandene - hohe - Lebensstandard müsse unverändert aufrecht erhalten werden. Dieser Unterhalt soll sich - anders als jener nach § 94 ABGB und § 66 EheG - eben nicht an den Lebensverhältnissen der (vormaligen) Ehegatten und an dem danach angemessenen Unterhalt orientieren (siehe JBl 2003, 526). Allein aus der Höhe der Wohnungskosten lässt sich keine Notwendigkeit ableiten, den Unterhalt der Klägerin im Bereich von 29 % des Nettoeinkommens des Beklagten auszumessen.
3) Die Wohn- und Mietzinsbeihilfen sind als in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehende Einkommensbestandteile zu behandeln; konsequenterweise muss sich also auch ein Unterhaltsberechtigter eine von ihm bezogene Wohn- und Mietzinsbeihilfe als den Unterhaltsanspruch minderndes Eigeneinkommen anrechnen lassen (1 Ob 65/05y; SZ 68/157). Gleiches muss für das als öffentlich-rechtliche Sozialleistung bezogene „Heizungspauschale" von monatlich 39,22 EUR gelten. All diese Bezüge dienen der Deckung eines unzumutbaren Wohnungsaufwandes, somit eines typischen Unterhaltsbedarfs (6 Ob 89/01h, RIS-Justiz RS0080404). Die nach dem Wiener Sozialhilfegesetz bezogene Sozialhilfe haben die Vorinstanzen im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung infolge Bestehens von Legalzessionsnormen ohnedies nicht als Eigeneinkommen der Klägerin gewertet, sondern die entsprechenden Beträge bei der Unterhaltsfestsetzung außer Betracht gelassen (RIS-Justiz RS0118565).
4) Während aufrechter Ehe in beiderseitigem Einvernehmen eingegangene Kreditverbindlichkeiten zwecks Investitionen, die (zumindest auch) Interessen der Unterhaltsberechtigten gedient haben bzw dieser zu Gute kamen, stellen Abzugsposten von der Unterhaltsbemessungsgrundlage dar (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3, 62 f mwN). Die vom Beklagten getragenen Kreditraten für jenen Kredit, der während aufrechter Ehe einvernehmlich der Anschaffung einer Eigentumswohnung diente, deren Verkaufserlös der Klägerin zukam, mindern somit die Unterhaltsbemessungsgrundlage (7 Ob 529/93).
5) Das Revisionsvorbringen, ihr Unterhaltsbedarf sei gestiegen, weil sie nach mittlerweilig rechtskräftigem Abschluss des Aufteilungsverfahrens eine Ausgleichszahlung von 42.000 EUR an den Beklagten leisten müsse, verstößt gegen das Neuerungsverbot (§ 504 ZPO).
Zur Revision des Beklagten:
1) Die Klägerin widmete sich auf Grund der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft der Haushaltsführung sowie der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes. Dadurch - in Verbindung mit ihrem Ausbildungsstand, ihrem zwischenzeitig erreichten Alter und verschlechtertem Gesundheitszustand - ist der nunmehrige Mangel einer Erwerbsmöglichkeit bedingt. Davon ausgehend ist die Beurteilung der Vorinstanzen zutreffend, es liege einer jener Härtefälle vor, der den Zuspruch von - als Ausnahmeregelung gedachten - Unterhalt nach § 68a Abs 2 EheG rechtfertigt.
2) Eine Befristung des Unterhaltsanspruchs nach § 68a Abs 2 EheG hat das Gericht nur vorzunehmen, wenn erwartet werden kann, dass der geschiedene Ehegatte danach in der Lage sein wird, seinen Unterhalt aus Eigenem zu decken. Da - entsprechend dem medizinischen und berufskundlichen Gutachten - im vorliegenden Fall nicht zu erwarten ist, dass die Klägerin in „mittelbarer" Zukunft ihren Unterhalt durch zumutbare Erwerbstätigkeit sichern kann (S 10 des Ersturteils), war von einer Befristung abzusehen.
3) Der angeblich von der Klägerin erhobene Vorwurf, der Beklagte würde „Schwarzgeld" beziehen, wurde nicht Inhalt der Feststellungen. Das Revisionsvorbringen, dieser ungerechtfertigte Vorwurf führe zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs, entfernt sich somit vom festgestellten Sachverhalt und ist unbeachtlich. Überdies könnte dieser Vorwurf für sich allein gewiss nicht die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs bewirken.
4) Im Zusammenhang mit Ehegattenunterhalt wurde auch bei dem nur nach Billigkeit zustehenden Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG wiederholt ausgesprochen, dass ein Unterhaltsanspruch auch dann zusteht, wenn Sozialhilfe bezogen wird (RIS-Justiz RS0057530; RS0057544). Es gilt jedoch der Grundsatz der Subsidiarität (RIS-Justiz RS0072870). Um diesem Grundsatz Rechnung zu tragen und eine Doppelversorung zu vermeiden, bedienen sich die einzelnen Landesgesetzgeber verschiedener rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten, etwa Rückersatz- und Legalzessionsnormen. So finden sich in den Sozialhilfegesetzen oftmals Bestimmungen, die den Sozialhilfeempfänger zum Ersatz der Sozialhilfeleistung verpflichten, sobald er über ein ausreichendes Einkommen verfügt; oftmals wird gleichzeitig normiert, dass der Unterhaltsanspruch nach einer entsprechenden Anzeige an den Unterhaltsverpflichteten rückwirkend auf den Sozialhilfeträger im Rahmen einer „aufgeschobenen" Legalzession übergeht. Es besteht Einheitlichkeit in der Meinung darüber, dass bei Vorhandensein derartiger Rückersatz- bzw Legalzessionsregelungen der Sozialhilfebezug für dessen Empfänger einen Unterhaltsanspruch nicht ausschließt (6 Ob 2127/96d uva). Nur wenn das jeweilige Sozialhilfegesetz keine den Sozialhilfeempfänger betreffende Rückzahlungsverpflichtung oder keine (aufgeschobene) Legalzession des Unterhaltsanspruchs vorsieht, also die einmal gewährte Sozialhilfe nicht (mehr) zurückgefordert werden kann, ist sie als anrechenbares Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten anzusehen (6 Ob 2127/96d mwN). Das hier maßgebliche Wiener Sozialhilfegesetz (WSHG), LGBl Nr 11/1973 idF LGBl Nr 46/2004, enthält sowohl eine den Empfänger der Sozialhilfe treffende Rückersatzverpflichtung (§ 26 Abs 1 WSHG) als auch die Geltendmachung gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten im Wege der Legalzession durch Erklärung des Sozialhilfeträgers (§ 27 WSHG). Aus dem Vorhandensein dieser Rückersatzbestimmungen zog das Berufungsgericht die zutreffende Schlussfolgerung, die Sozialhilfe habe bei der Unterhaltsfestsetzung außer Betracht zu bleiben und stelle kein frei verfügbares Einkommen der Klägerin dar. Die vom Berufungsgericht angesprochene Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung zur Anrechnung des Sozialhilfebezugs liegt nicht vor, da diese auf die Unterschiede in den einzelnen landesgesetzlichen Regelungen zurückzuführen ist. Kein Zweifel besteht daran, dass ein Sozialhilfebezug dann nicht als Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten anzusehen ist, wenn - wie hier - zwecks Vermeidung einer „Doppelversorgung" dem Sozialhilfeträger vom Gesetzgeber Ersatzansprüche eingeräumt wurden oder eine Legalzession normiert ist (8 Ob 126/03t; 9 Ob 23/04d). Dass der unterhaltsverpflichtete Beklagte gemäß § 27 WSHG verständigt und dadurch die Zession bereits wirksam geworden und nur noch der Sozialhilfeträger als Zessionar zur Geltendmachung des zedierten Unterhaltsanspruchs berechtigt wäre, wurde nicht vorgebracht.
5) Von der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht abzugsfähig sind die vom Beklagten (im Zusammenhang mit dem Scheidungs- und Aufteilungsverfahren) zu tragenden Anwaltskosten (Schwimann/Kolmasch aaO, 144 mwN). Nicht abzugsfähig sind ferner monatliche Fixkosten (Miet-, Betriebs-, Heizungskosten etc), da sie als Ausgaben des täglichen Lebens den Unterhaltsverpflichteten gleich belasten wie den Unterhaltsberechtigten (Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung, Rz 243 mwN). Ein rechtlicher Feststellungsmangel, der darin liegen soll, dass die Höhe der vom Beklagten monatlich zu tragenden Fixkosten nicht festgestellt wurde, ist daher zu verneinen. Prämien für eine Lebensversicherung verringern die Unterhaltsbemessungsgrundlage ebenfalls nicht (Schwimann/Kolmasch aaO).
Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts liegt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht vor; weder die Revision der Klägerin noch jene des Beklagten zeigt eine derartige Rechtsfrage auf. Dies führt zur Zurückweisung der Revisionen beider Parteien.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 41 und 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten nicht hingewiesen, sodass ihr dafür keine Kosten zuzusprechen sind. In der Revisionsbeantwortung des Beklagten sind hingegen Ausführungen zur Unzulässigkeit der Revision der Klägerin enthalten, weshalb ihm hiefür Kosten auf Basis des Revisionsinteresses der Klägerin gebühren. Dieses Revisionsinteresse errechnet sich aber gemäß § 9 Abs 3 RATG aus der einfachen Jahresleistung des im Revisionsantrag der Klägerin noch streitverfangenen Ehgattenunterhalts.