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OGH vom 26.02.2019, 2Ob125/18y

OGH vom 26.02.2019, 2Ob125/18y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach H***** C*****, verstorben am ***** 2015, zuletzt wohnhaft in *****, über den Revisionsrekurs des Neffen der Verstorbenen V***** S*****, vertreten durch Dr. Klaus Mitzner-Labrés, Dr. Michael Krautzer, Rechtsanwälte in Villach, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 340/17z-92, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Graz-Ost vom , GZ 246 A 824/15z-85, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden ersatzlos behoben.

Text

Begründung:

Der Revisionsrekurswerber ist der Neffe der am ***** 2015 verstorbenen Erblasserin. Als deren ehemaliger Sachwalter behob er rechtswidrig Beträge von ihrem Konto, wofür er wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB nach dem ersten Strafsatz des § 153 Abs 3 StGB – welcher eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren androht – rechtskräftig verurteilt wurde.

Im Verlassenschaftsverfahren gaben jeweils aufgrund des Gesetzes sowohl der Neffe (zum gesamten Nachlass) als auch seine beiden Kinder (je zur Hälfte) eine bedingte Erbantrittserklärung ab. Die Kinder beriefen sich dabei auf die Erbunwürdigkeit ihres Vaters.

Das Erstgericht wies die Erbantrittserklärung des Neffen zurück. Es könne weder festgestellt werden, dass er im Tatzeitraum nur eingeschränkt verschuldensfähig gewesen wäre, noch dass die Erblasserin ihrem Neffen vergeben habe. Aus § 540 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 ergebe sich die Erbunwürdigkeit des Neffen, die von Amts wegen wahrzunehmen sei. Der vom Neffen angegebene Erbrechtstitel könne unter keinen Umständen zur Einantwortung führen.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts aus denselben rechtlichen Überlegungen. Das Vorbringen im Rekurs, wonach die Erblasserin dem Neffen verziehen habe, verstoße gegen das Neuerungsverbot. Die diesbezügliche Feststellung des Erstgerichts sei überschießend und daher unbeachtlich.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil divergierende Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage bestehe, ob Erbantrittserklärungen zurückgewiesen werden könnten.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Neffen mit dem Antrag, ihm die Verlassenschaft aufgrund des Gesetzes einzuantworten; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Frage der Erbunwürdigkeit wäre im Verfahren über das Erbrecht zu klären gewesen.

Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurszulässigberechtigt

1. Im Gegensatz zu § 122 AußStrG 1854 sieht das AußStrG 2005 die Annahme der (nunmehr) Erbantrittserklärung zu Gericht nicht mehr vor. Nach der Rechtsprechung zur früheren Rechtslage war in bestimmten Ausnahmefällen die Zurückweisung einer Erbserklärung zulässig (RISJustiz RS0007993, RS0007938).

2. Ob diese Judikatur weiter anwendbar ist, muss auch im vorliegenden Fall nicht abschließend geklärt werden (vgl 2 Ob 71/17f sowie zuletzt 2 Ob 37/18g):

2.1. Auch nach jenen Entscheidungen, die sich zur früheren Rechtslage für die Möglichkeit einer Zurückweisung aussprachen, war diese nur dann zulässig, wenn feststand, dass der Erbrechtstitel, auf den die Erbantrittserklärung gegründet wird, „nie“ zu einer Einantwortung des Nachlasses an den Erbantrittserklärten führen kann (RISJustiz RS0007938; 2 Ob 37/18g mwN).

2.2. Eine Zurückweisung kam dagegen auch nach dieser Judikatur nicht in Frage, wenn der Titel zumindest abstrakt geeignet war, zu einer Einantwortung zu führen, wobei eine materielle Prüfung nicht stattzufinden hatte. Die Grenze einer solchen Beurteilung lag und liegt daher jedenfalls dort, wo es erst der Klärung strittiger Tatumstände oder – was hier nicht von Bedeutung ist – der Auslegung des Willens des Erblassers bedarf (vgl 2 Ob 37/18g mwN; 10 Ob 534/94; RISJustiz RS0007676 [T4], RS0007938 [T16]).

3. Erbunwürdig nach § 540 erster Fall ABGB in der aufgrund des Todesdatums der Erblasserin noch anwendbaren Fassung vor dem ErbRÄG 2015 ist, wer gegen den Erblasser eine gerichtlich strafbare Vorsatztat, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, begangen hat, es sei denn der Erblasser hätte ihm vergeben.

Selbst die Verurteilung wegen eines Vorsatzdelikts mit einer Strafdrohung von mehr als einem Jahr führt daher nicht per se zur Erbunwürdigkeit und verhindert nicht schon abstrakt eine Einantwortung. Die Einantwortung kann vielmehr dennoch erfolgen, wenn sich erweist, dass der Erblasser dem Täter verziehen hat. Sie hängt insoweit daher von der Klärung tatsächlicher Umstände ab, was einer sofortigen Zurückweisung der Erbantrittserklärung jedenfalls entgegensteht.

4. Dieses Ergebnis deckt sich mit jener älteren Rechtsprechung, wonach die Geltendmachung der Erbunwürdigkeit vor dem Abhandlungsgericht stets zur Verweisung auf den Rechtsweg führte, wobei dem die Erbunwürdigkeit Behauptenden selbst dann „wenn ein die Erbunwürdigkeit dartuender Strafakt vorhanden ist“, die Klägerrolle im Erbrechtsstreit zugewiesen wurde (8 Ob 349/64 EFSlg 4455 mwN). Es musste daher immer meritorisch über den Einwand entschieden werden (vgl auch 7 Ob 164/64 SZ 37/85; RISJustiz RS0012266). Somit ist es folgerichtig, diese Frage im Geltungsbereich des neuen AußStrG in das Verfahren über das Erbrecht zu verlagern (so nun dezidiert Apathy/Neumayr in KBB5 §§ 539–541 Rz 1 aE; Welser, Erbrechtskommentar, Vor § 539 Rz 4).

5. Der Neffe der Erblasserin wurde wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 StGB, konkret mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht, rechtskräftig verurteilt. Damit ist zwar die gemäß § 540 erster Fall ABGB aF ipso iure eingetretene Erbunwürdigkeit aktenkundig, die Entscheidung über die dennoch abgegebene Erbantrittserklärung bleibt aber dem Verfahren über das Erbrecht nach den § 161 ff AußStrG vorbehalten. In diesem kann auch Vorbringen und Gegenvorbringen zur angeblichen Verzeihung durch die Erblasserin erstattet werden.

6. Die Zurückweisung der Erbantrittserklärung war daher jedenfalls verfehlt, weshalb die Beschlüsse der Vorinstanzen ersatzlos zu beheben sind.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00125.18Y.0226.000

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