OGH vom 28.11.2006, 1Ob199/06f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Martin Dreschers, Rechtsanwalt in Aachen, als Masseverwalter/ Insolvenzverwalter im Konkurs/Insolvenzverfahren über das Vermögen der S***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Alexander Matt, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen EUR 7.199,96 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 81/04b-19, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 18 Cg 209/03k-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird als nichtig aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die dagegen erhobene Berufung der klagenden Partei wurde am zur Post gegeben. Die Berufungsbeantwortung der beklagten Partei langte am beim Erstgericht ein. Noch am selben Tag erfolgte die Vorlage des Aktes an das Berufungsgericht. Am eröffnete das Amtsgericht Aachen zu AZ 19 IN 562/04 über das Vermögen der klagenden Partei das Insolvenzverfahren und bestellte Dr. Martin Dreschers, Rechtsanwalt in Aachen, zum Insolvenzverwalter. In Unkenntnis dieser Eröffnung gab das Berufungsgericht der Berufung mit Urteil vom - eine mündliche Berufungsverhandlung war von keiner der Parteien beantragt worden - in nichtöffentlicher Sitzung nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Zustellung dieses Urteils an die Parteienvertreter erfolgte jeweils am . Mit Eingabe vom (ON 20) teilte der Klagevertreter die Tatsache der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der klagenden Partei mit. Mit Beschluss des Erstgerichts vom (ON 22) wurde festgestellt, dass das Verfahren infolge Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der klagenden Partei unterbrochen ist und nur über Parteiantrag fortgesetzt wird. Gemäß Art 15 der am in Kraft getretenen und für danach eingeleitete Insolvenzverfahren geltenden Verordnung (EG) Nr 1346/2000 des Rates vom über Insolvenzverfahren bestimmten sich die Wirkungen eines Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit ausschließlich nach dem Recht des Mitgliedstaates, in welchem der Rechtsstreit anhängig sei. Das Verfahren sei daher auf Grund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der klagenden Partei gemäß § 7 der Österreichischen Konkursordnung mit Wirkung vom unterbrochen. Mit Eingabe vom beantragte der Masse-(Insolvenz-)verwalter, vertreten durch den bisherigen Klagevertreter, die Aufnahme des gemäß § 7 KO unterbrochenen Verfahrens; unter einem beantragte er die neuerliche Zustellung der Berufungsentscheidung. Mit Beschluss vom (ON 26) nahm das Erstgericht das unterbrochene Verfahren gemäß § 7 Abs 2 KO wieder auf und verfügte die neuerliche Zustellung der Berufungsentscheidung. Dieser Beschluss sowie die Berufungsentscheidung wurden dem Klagevertreter am zugestellt.
Mit der am zur Post gegebenen Revision begehrt die klagende Partei unter Geltendmachung der Revisionsgründe der Nichtigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Aufhebung des Berufungsurteils als nichtig sowie die Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung. In eventu wird die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Klagsstattgebung beantragt. Die Revision ist zulässig und mit Nichtigkeitsrüge auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der klagenden Partei in der Bundesrepublik Deutschland wurde das Verfahren am unterbrochen, weswegen das Berufungsurteil nicht gefällt hätte werden dürfen. Trotz eingetretener Unterbrechungswirkung unzulässigerweise ergangene Entscheidungen sind nicht wirkungslos, sondern bloß anfechtbar, wobei regelmäßig im Fall des partiellen Verlustes der Prozessfähigkeit durch eine Konkurseröffnung Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 und 5 ZPO anzunehmen ist (10 Ob 80/05w; Rechberger in Festschrift W. Kralik, 279). Eine solche Nichtigkeit kann nachträglich dadurch saniert werden, dass der Masseverwalter in das Verfahren eintritt und die bisherige Prozessführung genehmigt (10 Ob 80/05w; 6 Ob 318/01k). Im vorliegenden Fall macht der Masseverwalter aber gerade die Nichtigkeit der in Unkenntnis der Konkurseröffnung ergangenen Berufungsentscheidung geltend. Die dem Berufungsurteil anhaftende Nichtigkeit ist somit nicht geheilt, sondern vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmen.
Dem Gericht zweiter Instanz ist in Stattgebung der Revision die neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufzutragen. Eine Entscheidung in der Sache selbst ist dem Obersten Gerichtshof im derzeitigen Verfahrensstadium verwehrt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO. Da nur das Urteil des Berufungsgerichts, nicht aber das diesem vorangegangene Verfahren aufgehoben wurde, ist § 51 ZPO nicht anwendbar (1 Ob 91/05x mwN; Fucik in Rechberger, ZPO² § 51 Rz 1).
Fundstelle(n):
NAAAD-46107