OGH 16.07.2002, 4Ob159/02i
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Heinz Knoflach, MAS, und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. V***** Gesellschaft mbH, 2. Erich S*****, beide vertreten durch Ramsauer & Perner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufs (Streitwert im Provisorialverfahren 14.534,57 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 3 R 78/02i-17, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass keine Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob der „reine Vorwurf des umweltschädlichen Verhaltens als Ehrenbeleidigung im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB angesehen werden kann". Sie verweist darauf, dass sich die Rechtsprechung zwar schon wiederholt mit Behauptungen befasst habe, die sich auf Umweltfragen bezogen; es sei aber noch nie über einen Fall entschieden worden, in dem jemandem ein ökologisches Desinteresse vorgeworfen worden sei, ohne dass der „Gesundheitsaspekt" im Vordergrund gestanden wäre.
Die Klägerin unterscheidet damit zwischen Fällen, in denen umweltschädigendes Verhalten wegen der damit verbundenen Gesundheitsgefährdung kritisiert wurde, und Fällen, in denen zwar eine Umweltbelastung, aber keine Gesundheitsgefährdung behauptet wurde. Diese Unterscheidung ist für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung. Für die kritische Auseinandersetzung in Umweltfragen gilt ganz allgemein, dass in einer pluralistischen Gesellschaft zum Spannungsverhältnis Ökologie-Ökonomie eine härtere Ausdrucksweise für zulässig erachtet werden muss, ähnlich wie dies auf Auseinandersetzungen im politischen Meinungskampf unter Politikern zutrifft (6 Ob 2230/96a = MR 1997, 256 - Schwarzbau; 6 Ob 266/01p; 6 Ob 244/01b = bbl 2002/39). In diesem Sinn wurde in der Entscheidung 6 Ob 2230/96a die gegen die Errichtung eines mit Öl betriebenen Heizkraftwerks gerichtete Äußerung, "die Salzburger Stadtwerke opferten die Gesundheit der Anrainer zugunsten eines billigen, schmutzigen Brennstoffs, dh zugunsten eines Gewinns für die Stadtwerke" nicht als Verstoß gegen § 1330 ABGB gewertet; mit der gleichen Begründung wurde aber auch ein Verbot der Äußerung abgelehnt, "das Almo-Gütesiegel versucht ganz bewusst zu verschleiern, dass sich der Biolandbau ganz wesentlich vom konventionellen unterscheidet" (6 Ob 266/01p), sowie der Vorwürfe des "Pistenschwarzbaues", des Ignorierens behördlicher Auflagen und der "Entgegennahme" von "Geschenken" (6 Ob 244/01b). Insbesondere im Zusammenhang mit den zuletzt wiedergegebenen Vorwürfen war eine Gesundheitsgefährdung kein Thema.
Als weitere erhebliche Rechtsfrage macht die Klägerin geltend, dass die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung widerspreche, wonach der Beklagte die ungünstigste Auslegung seiner Äußerung gegen sich gelten lassen muss, eine Ehrenbeleidigung jedes der Ehre eines anderen nahetretenden Verhaltens ist und es für die Bescheinigung ausreicht, wenn der Richter von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit überzeugt ist. Die Klägerin macht in diesem Zusammenhang geltend, das Rekursgericht hätte die Behauptung, die Klägerin könne im Tennengau nicht so recht Fuß fassen, auf das ganze Bundesland Salzburg beziehen müssen, die Unrichtigkeit einer in diesem Sinn verstandenen Behauptung sei bescheinigt und im Übrigen sei die Behauptung ehrenrührig, so dass der Zweitbeklagte deren Richtigkeit hätte beweisen müssen. Überspannt habe das Rekursgericht die Anforderungen an die Bescheinigung, indem es die Unrichtigkeit der Behauptung, die Klägerin überzeuge nicht mit Qualität, als nicht bescheinigt erachtet habe; im Übrigen sei auch diese Behauptung ehrenrührig, so dass die Beweislast auch insoweit den Zweitbeklagten getroffen hätte.
Eine Ehrenbeleidigung nach bürgerlichem Recht ist jedes der Ehre eines anderen nahetretende Verhalten (stRsp ua 4 Ob 31/92 = MR 1992, 203 - Kokser; 6 Ob 1007/95 = MR 1994, 137 - Justizausschussvorsitzender); der Vorwurf schlechter Qualität von Waren oder Dienstleistungen oder eines geschäftlichen Misserfolgs ist demnach regelmäßig nicht ehrenrührig (4 Ob 52/93 = ÖBl 1993, 163 - Kelomat [im Werbespot enthaltene Aussage über die Gefahrenträchtigkeit (auch) von Schnellkochtöpfen]; s auch 4 Ob 154/99x = MR 1999, 280 - 200-Millionen-Pleite [durch die Verbindung von Bild und Schlagzeile aufgestellte Behauptung, der Kläger sei in einen wirtschaftlichen Misserfolg größten Ausmaßes verwickelt]).
Die angefochtene Entscheidung steht demnach im Einklang mit der Rechtsprechung, wenn sie weder die Behauptung, die Klägerin könne im Tennengau nicht so recht Fuß fassen, noch den Vorwurf, sie überzeuge nicht mit Qualität, als ehrenrührig im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB gewertet hat. Kein Widerspruch zur Rechtsprechung besteht auch insoweit, als das Rekursgericht die zuerst genannte Behauptung nicht auf das ganze Bundesland Salzburg, sondern auf den Tennengau bezogen hat. Für die Anwendung der Unklarheitenregel - undeutliche Äußerungen sind zulasten desjenigen auszulegen, der sich ihrer bedient (6 Ob 149/01g = MR 2001, 370 - Menschenhatz; 4 Ob 79/01y = MR 2001, 314 - Bunte Pleite, jeweils mwN) - ist bei eindeutigen Aussagen kein Raum. Was die Rüge betrifft, das Rekursgericht habe die Anforderungen an die Bescheinigung verkannt, so ist dies ein unzulässiger Versuch, die Beweiswürdigung zu bekämpfen. Der Oberste Gerichtshof ist auch im Revisionsrekursverfahren nur Rechts- und nicht auch Tatsacheninstanz.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2002:0040OB00159.02I.0716.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAD-46032