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OGH vom 25.10.2017, 6Ob116/17b

OGH vom 25.10.2017, 6Ob116/17b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Dr. E***** G*****, vertreten durch Dr. Maria Windhager, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei F***** Limited, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen 2.500 EUR sA, Unterlassung, Veröffentlichung und Herausgabe (Streitwert im Provisorialverfahren 35.000 EUR), über die Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 5 R 5/17t-23, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 11 Cg 65/16w-17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Artikel 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Steht Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) allgemein einer der nachstehend angeführten Verpflichtungen eines Host-Providers, der rechtswidrige Informationen nicht unverzüglich entfernt hat, entgegen, und zwar nicht nur diese rechtswidrige Information im Sinn des Artikel 14 Absatz 1 litera a) der Richtlinie zu entfernen, sondern auch andere wortgleiche Informationen:

a.a. weltweit?

a.b. im jeweiligen Mitgliedstaat?

a.c. des jeweiligen Nutzers weltweit?

a.d. des jeweiligen Nutzers im jeweiligen Mitgliedstaat?

2. Soweit Frage 1 verneint wurde: Gilt dies jeweils auch für sinngleiche Informationen?

3. Gilt dies auch für sinngleiche Informationen, sobald dem Betreiber dieser Umstand zur Kenntnis gelangt ist?

II. Das Revisionsrekursverfahren wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß § 90a Absatz 1 Gerichtsorganisationsgesetz ausgesetzt.

Text

Begründung:

I. Sachverhalt

Die Klägerin war Abgeordnete zum Nationalrat, Klubobfrau der ***** im Parlament und Bundessprecherin der *****. Die Beklagte ist eine in Irland registrierte Gesellschaft mit Sitz in Dublin und ein Tochterunternehmen der US-amerikanischen F***** Inc. Sie betreibt unter www.f*****.com ein soziales Netzwerk, das es Benutzern ermöglicht, private Profil-Seiten zu erstellen und Kommentare zu veröffentlichen.

Ein unter der Bezeichnung „Michaela Jaskova“ registrierter privater Nutzer veröffentlichte am auf seiner F*****-Profil-Seite einen von der Seite „*****.at“ stammenden Artikel – bestehend aus einem Lichtbild der Klägerin und dem Begleittext „Grüne: Mindestsicherung für Flüchtlinge soll bleiben“ sowie „Gegen blauschwarze Pläne: 'Wir werden alles daran setzen, das auch rechtlich zu bekämpfen'“ – und postete dazu folgenden Kommentar: „miese Volksverräterin. Dieser korrupte Trampel hat in ihrem ganzen Leben noch keinen einzigen Cent mit ehrlicher Arbeit verdient, aber unser Steuergeld diesen eingeschleusten Invasoren in den Allerwertesten blasen. Verbietet doch endlich diese grüne Faschistenpartei.“ Dieser Beitrag konnte von jedem F*****-Nutzer abgerufen werden.

Mit Schreiben vom forderte die Klägerin die Beklagte auf, das Posting zu löschen und den wahren Namen sowie die Daten des Nutzers „Michaela Jaskova“ bekannt zu geben. Beiden Aufforderungen hat die Beklagte zunächst nicht entsprochen. Erst nach Zustellung der einstweiligen Verfügung des Erstgerichts vom entfernte die Beklagte das Posting innerhalb der geografischen Grenzen Österreichs.

II. Anträge und Vorbringen der Parteien

Die Klägerin beantragte zur Sicherung ihres inhaltsgleichen – auf § 78 Urheberrechtsgesetz gestützten – Unterlassungsbegehrens die Erlassung der einstweiligen Verfügung, die Beklagte sei schuldig, die Veröffentlichung und/oder die Verbreitung von die Klägerin zeigenden Lichtbildern zu unterlassen, wenn im Begleittext die wörtlichen und/oder sinngleichen Behauptungen, die Klägerin sei eine „miese Volksverräterin“ und/oder ein „korrupter Trampel“ und/oder Mitglied einer „Faschistenpartei“ verbreitet werden. Die Veröffentlichung verletze die Klägerin in ihrem Bildnisschutz gemäß § 78 Urheberrechtsgesetz; die Beschimpfungen und Herabsetzungen ihrer Person in dem Posting beeinträchtigten ihre berechtigten Interessen, weil sie grob kreditschädigend und ehrenbeleidigend im Sinne des § 1330 Absätze 1 und 2 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs seien. Der Vorwurf, korrupt zu sein, unterstelle ihr ein strafrechtlich relevantes Verhalten; da er frei erfunden sei, könne er als unwahre Tatsachenbehauptung durch das Recht auf freie Meinungsäußerung keinesfalls gerechtfertigt sein. Die Veröffentlichung ziele ausschließlich darauf ab, die Klägerin in der Öffentlichkeit herabzusetzen, zu verunglimpfen und sogar zu kriminalisieren. Dadurch könne sowohl ihre gegenwärtige als auch ihre zukünftige berufliche, politische und/oder wirtschaftliche Lage negativ betroffen sein. Dies hätte die Beklagte nach einer groben Prüfung problemlos erkennen können; sie wäre deshalb verpflichtet gewesen, den inkriminierten Beitrag zu löschen. Da sie die Löschung nicht veranlasst habe, könne sie sich auch nicht auf das Haftungsprivileg für Host-Provider nach § 16 E-Commerce-Gesetz berufen.

Die Beklagte entgegnete, dass sie nur als Host-Provider im Sinn des E-Commerce-Gesetzes tätig geworden sei. Als solcher sei sie nicht verpflichtet, die von den Nutzern gespeicherten, übermittelten oder zugänglich gemachten Informationen zu überwachen oder von sich aus nach Umständen zu forschen, die auf rechtswidrige Tätigkeiten hinweisen. Nach § 16 E-Commerce-Gesetz müsse sie erst dann reagieren, wenn sie Kenntnis von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information erlange und die Rechtswidrigkeit für einen juristischen Laien erkennbar sei. Dies treffe auf die drei vermeintlich rechtswidrigen Aussagen im inkriminierten Posting („miese Volksverräterin“, „korrupter Trampel“ und „Faschistenpartei“) nicht zu. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des ausschließlich aus Werturteilen bestehenden Postings sei vorrangig zu berücksichtigen, dass es im Rahmen einer politischen Debatte im Zusammenhang mit dem in Österreich und anderen europäischen Staaten seit Monaten kontrovers diskutierten Thema der Flüchtlingskrise veröffentlicht worden sei. Vor dem Hintergrund des Rechts auf freie Meinungsäußerung hätten die Äußerungen die Grenzen zulässiger Kritik an einer Politikerin im Zusammenhang mit einer politischen Debatte nicht offensichtlich überschritten. Gerade im politischen Meinungsaustausch sei auch eine polemisch übersteigerte, verletzende und sogar schockierende Kritik hinzunehmen. In der tagespolitischen Auseinandersetzung seien verbale Provokationen üblich. Das Begehren der Klägerin, der Beklagten auch die Veröffentlichung und/oder Verbreitung sinngleicher Behauptungen zu untersagen, sei im Übrigen überschießend, würde dies doch auf eine allgemeine Ex-ante-Prüfpflicht hinauslaufen, die für Host-Provider gerade nicht bestehe.

III. Bisheriges Verfahren

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung, das Rekursgericht trug der Beklagten auf, es ab sofort bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens über die Unterlassungsklage zu unterlassen, die Klägerin zeigende Lichtbilder zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, wenn im Begleittext die wörtlichen und/oder der Beklagten von der Klägerin oder von dritter Seite zur Kenntnis gebrachte oder sonst zur Kenntnis gelangte sinngleiche Behauptungen, die Klägerin sei eine „miese Volksverräterin“ und/oder ein „korrupter Trampel“ und/oder Mitglied einer „Faschistenpartei“, verbreitet werden; das Mehrbegehren der Klägerin, der Beklagten auch die Veröffentlichung und/oder Verbreitung von die Klägerin zeigenden Lichtbildern ganz allgemein zu untersagen, wenn im Begleittext sinngleiche Behauptungen, die Klägerin sei eine „miese Volksverräterin“ und/oder ein „korrupter Trampel“ und/oder Mitglied einer „Faschistenpartei“, verbreitet werden, wies das Rekursgericht ab.

Beide Vorinstanzen verwiesen auf § 78 Urheberrechtsgesetz und § 1330 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs und vertraten die Auffassung, das Hass-Posting enthalte Äußerungen, die exzessiv ehrkränkend seien und im Übrigen der Klägerin strafrechtlich relevantes Verhalten unterstellten, ohne dass hiefür auch nur der Beweis angetreten worden wäre. Eine Berufung auf das Recht auf freie Meinungsäußerung sei auch bei Äußerungen gegenüber einem Politiker unzulässig, wenn kein Konnex zu einer politischen beziehungsweise im allgemeinen Interesse liegenden Debatte bestehe; bewusst ehrverletzende Äußerungen, bei denen nicht die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, würden nicht geschützt. Da die Beklagte über Aufforderung das Posting nicht unverzüglich gelöscht habe, die Rechtsverletzungen aber auch für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig gewesen wären, hafte die Beklagte als Gehilfin des Nutzers „Michaela Jaskova“.

Zum Umfang der Unterlassungsverpflichtung der Beklagten verwies das Rekursgericht auf § 18 Abs 1 E-Commerce-Gesetz und die dazu ergangene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach den beklagten Host-Provider eine weitergehende Kontrollpflicht treffe, wenn dieser bereits einmal seine Kontrollpflicht verletzt habe, indem er nach Bekanntwerden eines Rechtsverstoßes einen Eintrag nicht unverzüglich löschte. Auch der Beklagten sei es unter Einsatz technischer Hilfsmittel wie etwa eines automationsunterstützten Filtersystems möglich, Veröffentlichungen von Bildnissen der Klägerin mit wortidentem Begleittext herauszufiltern und zu löschen. Hinsichtlich sinngleicher Äußerungen würde der Beklagten jedoch beinahe Unmögliches abverlangt, nutzten doch regelmäßig rund 1,1 Millionen Nutzer die F*****-Seiten, wobei eine automationsunterstützte Kontrolle von Einträgen insoweit nicht zu bewerkstelligen sei. Hier sei es vielmehr der Klägerin, die auf derartige sinngleiche Postings regelmäßig von dritter Seite aufmerksam gemacht werde, zumutbar, deren Entfernung von der Beklagten zu verlangen.

IV. Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof

Der Oberste Gerichtshof hat über Revisionsrekurse beider Parteien zu entscheiden, die das Rekursgericht mit der Begründung zugelassen hat, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob das Unterlassungsgebot bei einem Host-Provider, der ein soziales Netzwerk mit einer großen Zahl von täglichen Nutzern betreibt, auch auf ihm nicht zur Kenntnis gelangte wörtliche und/oder sinngleiche Äußerungen (Begleittexte) ausgedehnt werden kann.

Die Klägerin strebt im Revisionsrekursverfahren die Wiederherstellung der vom Erstgericht erlassenen einstweiligen Verfügung an; der Unterlassungsanspruch gegen den Host-Provider könne hinsichtlich einer konkreten Äußerung auch auf ihm nicht separat zur Kenntnis gebrachte wörtliche und/oder sinngleiche Äußerungen ausgedehnt werden. Die Beklagte anerkennt nunmehr zwar ihre Verpflichtung, das gegenständliche Posting bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens über die Unterlassungsklage nicht (mehr) zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, vertritt jedoch die Auffassung, dass die Verpflichtung zur Unterlassung der Veröffentlichung wortgleicher und/oder Unterlassung sinngleicher Behauptungen eine unzulässige proaktive Überwachungsverpflichtung darstelle.

In ihren Revisionsrekursbeantwortungen beantragen die Parteien, jeweils dem Revisionsrekurs der Gegenseite keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Rechtlicher Rahmen und Vorlagefragen

1. Nach § 1330 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs ist derjenige, dem durch Ehrenbeleidigung ein wirklicher Schade oder Entgang des Gewinnes verursacht worden ist, berechtigt, den Ersatz zu fordern (Absatz 1). Dies gilt auch, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte oder kennen musste. In diesem Falle kann auch der Widerruf und die Veröffentlichung desselben verlangt werden. Für eine nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilung, deren Unwahrheit der Mitteilende nicht kennt, haftet er nicht, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte (Absatz 2).

Nach § 78 Absatz 1 Urheberrechtsgesetz dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten oder, falls er gestorben ist, ohne die Veröffentlichung gestattet oder angeordnet zu haben, eines nahen Angehörigen verletzt würden.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) soll durch § 78 Absatz 1 Urheberrechtsgesetz jedermann gegen einen Missbrauch seiner Abbildung insbesondere dagegen geschützt werden, dass sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Missdeutungen Anlass geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt (RIS-Justiz RS0078161). Bei der Beurteilung, ob berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt wurden, ist darauf abzustellen, ob die geltend gemachten Interessen des Abgebildeten bei objektiver Prüfung des einzelnen Falles als schutzwürdig anzusehen sind. Es handelt sich dabei um die Lösung einer Rechtsfrage, die aufgrund des gegebenen Sachverhalts, nämlich der Veröffentlichung des Bildes im Zusammenhang mit dem beigefügten Text, zu beantworten ist (RIS-Justiz RS0078088, RS0043508). Begleittext in diesem Sinn ist nicht nur der dem Bild unmittelbar beigegebene Text; es ist auch nicht notwendig, dass im Text auf das Bild hingewiesen wird. Entscheidend ist vielmehr, dass der Leser den Text auf die abgebildete Person bezieht, sodass deren Ansehen durch die darin enthaltenen Aussagen beeinträchtigt wird (RIS-Justiz RS0078088 [T12]).

Bei der Beurteilung, ob die „berechtigten Interessen“ des Abgebildeten durch einen Bildbegleittext beeinträchtigt werden, sind die Wertungen des § 1330 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs maßgebend (OGH 4 Ob 120/03f). Die Auslegung des Bedeutungsinhalts einer Äußerung hat nach dem Verständnis eines durchschnittlich qualifizierten Erklärungsempfängers zu erfolgen (RIS-Justiz RS0115084). Ob ein Ausdruck den Tatbestand des § 1330 Absatz 1 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs erfüllt, kann nur aus dem Zusammenhang, in dem er gebraucht wurde, beurteilt werden (RIS-Justiz RS0031857). Tatsachen im Sinne des § 1330 Absatz 2 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs sind Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm anhand bestimmter oder doch zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit überprüfbaren Inhalt (RIS-Justiz RS0032212). Von ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen kann demnach immer nur dann die Rede sein, wenn der Äußerung ein überprüfbarer Sachverhalt zu Grunde liegt, wozu der Täter dem Verletzten einen konkreten Verhaltensvorwurf machen muss (RIS-Justiz RS0085175 [T1]). Ein ehrverletzendes Werturteil, dem die Basis eines konkreten und wahren Sachverhalts fehlt, unterliegt als Beschimpfung dem Tatbild des § 1330 Absatz 1 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs (RIS-Justiz RS0085175 [T3]).

Nach diesen Kriterien sind die inkriminierten Äußerungen, die klar erkennbar auf die im kommentierten *****.at-Bildbericht abgebildete Klägerin Bezug nehmen, in Ermangelung eines konkreten Verhaltensvorwurfs mit überprüfbarem Tatsachenkern beleidigende Werturteile im Sinn des § 1330 Absatz 1 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs. Die inkriminierten Äußerungen zielen alle darauf ab, die Klägerin in ihrer Ehre zu beleidigen, sie zu beschimpfen und zu diffamieren. Da die Leser aber bei keinem der verwendeten Schimpfwörter erkennen werden, welcher der jeweils möglichen Bedeutungsinhalte konkret gemeint ist, und ihnen das Posting daher keine genaue Vorstellung eines bestimmten gegen die Klägerin gerichteten Verhaltensvorwurfs vermitteln wird, schließt das eine Beurteilung als konkludente Tatsachenbehauptung aus.

Die Klägerin begehrt deshalb zu Recht die Unterlassung der Veröffentlichung und/oder Verbreitung von die Klägerin zeigenden Lichtbildern im Zusammenhang mit den inkriminierten Äußerungen.

3.1. Zu Unterlassungsverpflichtungen gilt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ganz grundsätzlich, dass dann, wenn bereits eine Rechtsverletzung stattgefunden hat, das Unterlassungsgebot weiter gefasst werden kann, sodass nicht nur völlig gleichartige Handlungen, sondern auch alle anderen Fälle erfasst werden, die diesen Kern unberührt lassen (RISJustiz RS0037733 [T1]). Hat der Beklagte schon eine Verletzungshandlung begangen, ist für die allgemeinere Fassung des Verbots nicht das Vorliegen der strengen Voraussetzungen einer vorbeugenden Unterlassungsklage erforderlich (RISJustiz RS0037733 [T9]). Bei der Frage, auf welcher Stufe der Verallgemeinerung die konkrete Verletzungshandlung zu umschreiben ist, ist eine gewisse Großzügigkeit notwendig, könnte doch sonst der Beklagte durch ein ähnliches, aber dem Titelwortlaut nicht völlig gleiches Zuwiderhandeln die Vollstreckung des Urteils und das Unterlassungsgebot umgehen (RISJustiz RS0037733 [T10]). Der durch eine herabsetzende Äußerung Betroffene hat demnach Anspruch auf Untersagung der konkreten Äußerung und ähnlicher Äußerungen (RISJustiz RS0037733 [T14], RS0037607 [T36]); nicht möglich wäre es allerdings etwa, dem Beklagten ganz allgemein zu untersagen, „ehrenrührige und/oder kreditschädigende Behauptungen aufzustellen“ (RISJustiz RS0037607 [T37]).

Die Ausdehnung des Unterlassungsgebots auch auf „sinngleiche Äußerungen“ entspricht der ständigen Rechtsprechung zu § 1330 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs und § 78 Urheberrechtsgesetz (siehe bloß OGH 6 Ob 52/16i; 6 Ob 45/14g; RISJustiz RS0037607 [T27]). Auch in diesem Zusammenhang kann es dem Verletzten nicht zugemutet werden, nach jedem Verstoß erneut ein Verfahren anstrengen zu müssen, bloß weil sich die (neue) Äußerung minimal von jener im Vorverfahren unterscheidet: Bei Unterlassungsansprüchen ist eine gewisse allgemeine Fassung des Begehrens in Verbindung mit Einzelverboten meist schon deshalb erforderlich, um nicht die Umgehung des erwähnten Verbotes allzu leicht zu machen (RISJustiz RS0037607); der Beklagte könnte sich doch sonst schon durch geringfügige Änderungen seines Verhaltens der Wirkung des Verbotes entziehen (RISJustiz RS0037607 [T19]).

3.2. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Host-Provider im Sinn des § 16 E-Commerce-Gesetz, was im Revisionsrekursverfahren auch nicht mehr strittig ist. Als solcher ist die Beklagte aufgrund des in § 16 Abs 1 ECommerce-Gesetz normierten Haftungsprivilegs für fremde Inhalte nicht verantwortlich, sofern sie von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information keine tatsächliche Kenntnis hat und sich in Bezug auf Schadenersatzansprüche auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, und sie, sobald sie diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erhalten hat, unverzüglich tätig wird, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht demgemäß eine Haftung dann, wenn der Verletzte unter Darlegung des entsprechenden Sachverhalts ein Einschreiten verlangt und die Rechtsverletzung auch für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig ist. In einem solchen Fall ist es dem Host-Provider auch zumutbar, Maßnahmen zur Verhinderung einer Fortsetzung der Rechtsverletzung vorzunehmen (RISJustiz RS0114374). Aus § 16 Abs 1 Z 2 E-Commerce-Gesetz ergibt sich demnach die Verpflichtung des Host-Providers, bei Bekanntwerden offensichtlich rechtswidriger Inhalte die entsprechenden Beiträge zu entfernen, andernfalls er auch auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann; es kommt daher lediglich darauf an, ob der Betreiber seiner Verpflichtung zur Entfernung im Sinn des § 16 Abs 1 Z 2 E-Commerce-Gesetz fristgerecht nachgekommen ist (OGH 6 Ob 188/16i). Offensichtlich vor diesem Hintergrund akzeptiert die Beklagte nunmehr ihre Verpflichtung zur Unterlassung der Veröffentlichung und/oder Verbreitung des inkriminierten Postings.

3.3. Im vorliegenden Verfahren stellt sich jedoch die Frage einer besonderen Prüfungspflicht der Beklagten. Der Oberste Gerichtshof hat dazu bereits in der Entscheidung 6 Ob 178/04b zu einem Online-Tagebuch klargestellt, eine derartige Pflicht sei – wäge man die widerstreitenden Rechte der Meinungsäußerungsfreiheit einerseits und auf Ehre und wirtschaftlichen Ruf andererseits ab – angemessen, wenn dem Betreiber schon mindestens eine Rechtsverletzung durch einen Beitrag bekannt gegeben wurde und sich damit die Gefahr weiterer Rechtsverletzungen durch einzelne Nutzer konkretisiere; § 18 Absatz 1 E-Commerce-Gesetz stehe dem nicht entgegen (nach § 18 Absatz 1 E-Commerce-Gesetz sind Diensteanbieter wie die Beklagte nicht verpflichtet, die von ihnen gespeicherten, übermittelten oder zugänglich gemachten Informationen allgemein zu überwachen oder von sich aus nach Umständen zu forschen, die auf rechtswidrige Tätigkeiten hinweisen).

3.4. §§ 16 und 18 E-Commerce-Gesetz dienen der Umsetzung der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“). Im Sinne des Gebots der richtlinienkonformen Interpretation innerstaatlicher Normen stellt sich für den Obersten Gerichtshof somit die grundsätzliche Frage, ob die unter 3.3. dargestellte Anordnung einer spezifischen Überwachungspflicht in Bezug auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen einer bestimmten Person mit Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie vereinbar ist (dazu ausführlich Hoffmann in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien³ [2015] § 7 TMG Rz 36 ff). Nach Artikel 15 Absatz 1 dieser Richtlinie erlegen nämlich die Mitgliedstaaten (unter anderem) Anbietern von Diensten im Sinne des Artikel 14 keine allgemeine Verpflichtung auf, die von ihnen übermittelten oder gespeicherte Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Allerdings ist in Erwägungsgrund 48 der Richtlinie festgehalten, dass die Richtlinie die Möglichkeit unberührt lässt, dass die Mitgliedstaaten von Diensteanbietern, die von Nutzern ihres Dienstes bereitgestellte Informationen speichern, verlangen, die nach vernünftigem Ermessen von ihnen zu erwartende und in innerstaatlichen Rechtsvorschriften niedergelegte Sorgfaltspflicht anzuwenden, um bestimmte Arten rechtswidriger Tätigkeiten aufzudecken und zu verhindern.

3.4.1. In der Literatur wird dazu die Auffassung vertreten, der Host-Provider müsse zunächst jedenfalls in Bezug auf die konkrete rechtswidrige Information verhindern, dass diese erneut verwendet werde (Paal in Gersdorf/Paal, Beck'scher Online-Kommentar Informations- und Medienrecht § 7 TMG Rz 61); dies beträfe hier die „wortgleichen“ Äußerungen. Hingegen sei die Einbeziehung „kerngleicher“ Verstöße in das Unterlassungsgebot mit den Wertungen der Richtlinie letztlich unvereinbar, weil sie den Host-Provider zur Einrichtung einer „allgemeinen Vorabkontrolle auf Auffinden gleichartiger rechtswidriger Tätigkeiten“ zwinge (Paal aaO Rz 65; ebenso Sieber/Höfinger in Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht Teil 18.1 Rz 56 ff).

3.4.2. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in der Sache C-484/14 (McFadden) ausgesprochen, eine Maßnahme, mit der der Betreiber eines WLAN-Netzwerks verpflichtet wird, den gesamten Datenverkehr zu überwachen, ob ein Benützer des Netzwerks ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk unzulässigerweise der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt, verstoße gegen Artikel 15 der Richtlinie. Diese Entscheidung betraf allerdings einen Access-Provider und ist daher nicht einschlägig.

In der Sache C-360/10 (SABAM/Netlog) führte der EuGH aus, die Einrichtung eines Filtersystems, das ganz allgemein jegliche „urheberrechtlich geschützten Werke“ einer Verwertungsgesellschaft erfassen solle, sei unzulässig (ebenso C-70/10 [Scarlet/SABAM]). In beiden Entscheidungen wurde aber berücksichtigt, dass ein solches Filtersystem schon deshalb unzulässig sei, weil es sich nach Wunsch der Rechteinhaber dort auch auf jede künftige Beeinträchtigung beziehen und nicht nur bestehende Werke schützen sollte; es sollten also auch Werke erfasst werden, die zum Zeitpunkt der Einrichtung dieses Systems noch gar nicht geschaffen waren. Im vorliegenden Fall geht es aber nur um einen ganz bestimmten Inhalt und um diesem wort- oder sinngleiche Inhalte und nicht etwa um Bilder beliebiger Personen und Begleittexte, die deren Persönlichkeitsrechte auf irgendeine Art und Weise verletzen könnten.

In der Sache C-324/09 (L'Oréal/ebay,insbesondere Rz 139) wurde zu Artikel 11 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums für nicht aktive Betreiber unter Berücksichtigung der Richtlinie 2000/31/EG („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) ausgeführt, dass die für den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums zuständigen nationalen Gerichte dem Betreiber eines Online-Marktplatzes auch aufgeben können, Maßnahmen zu ergreifen, die nicht nur zur Beendigung der von Benutzern dieses Marktplatzes hervorgerufenen Verletzungen, sondern auch zur Vorbeugung gegen erneute derartige Verletzungen beitragen.

Die Frage, inwieweit die Beklagte im Hinblick auf die erst im Rechtsmittelverfahren relevierten umfangreichen Auswertungen der Daten überhaupt als „nicht aktive“ Betreiberin im Sinne des Artikel 15 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr zu qualifizieren ist, kann dahingestellt bleiben, weil die Klägerin selbst die Anwendbarkeit dieser Bestimmung zugrunde legt (vgl zur Beweislast des Betreibers allgemein auch die Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs vom I ZR 227/05).

3.4.3. Die allgemeine Frage, ob der Betreiber eines sozialen Netzwerks zum Schutz der Persönlichkeitsrechte (Ehre) einer Person (vgl zu Artikel 8 EMRK EGMR Nr 64569/09 [Delfi AS/Estland] Rn 137, aber auch Artikel 1 EuGRC) nach einem festgestellten Rechtsverstoß zu einer Filterung dergestalt verpflichtet werden kann, dass auch wort- und/oder sinngleiche Inhalte erkannt werden müssen, lässt sich aus den aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH ableitbaren Rechtssätzen zur Auslegung des Unionsrechts nicht eindeutig beantworten. Die Grenze zwischen der den Gerichten der Mitgliedstaaten vorbehaltenen bloßen Rechtsanwendung (vgl auch Punkt 11 der Empfehlungen des EuGH 2016/C-439/01) und der dafür erforderlichen europarechtlichen Auslegung der Richtlinie ist unter besonderer Berücksichtigung der Eigenheiten des Unionsrechts und der Bedeutung der Gefahr abweichender Gerichtsentscheidungen zu beurteilen ( [Ferreira da Silva e Brito ua] C-160/14, EU:C:2015:565 Rn 39). Hier liegt einerseits die Zielrichtung der Richtlinie und der für ihre Erlassung herangezogenen Kompetenzen auch in der Förderung des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft (Artikel 1 Absatz 1 der RL 2001/31/EG) und hätte das Bestehen unterschiedlicher Schutzstandards in den Mitgliedstaaten durch unterschiedliche Gerichtsentscheidungen darauf deutliche Auswirkungen. Andererseits bedarf es unter Berücksichtigung der weiten Abrufbarkeit und Verbreitung der Informationen auch unter dem Aspekt der Effizienz des Persönlichkeitsschutzes (Artikel 8, 10 Absatz 2 EMRK sowie Artikel 1 EuGRC) der Festlegung eines einheitlichen Schutzstandards durch einen allgemeinen Rechtssatz aus einer Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH (vgl ähnlich auch [Google Spain] und EGMR [Delfi AS/Estland] Nr 64569/09 Rn 156 ff).

Erforderlich ist also eine allgemeine Klärung der Frage, ob nach einem rechtswidrigen, gegen Persönlichkeitsrechte verstoßenden Verhalten der Betreiber auch dazu verpflichtet werden kann, auf die Vermeidung der Verbreitung weiterer Verstöße gegen diese Persönlichkeitsrechte zu achten, weil dies keine „allgemeine Verpflichtung“ zur Überwachung von „übermittelten oder gespeicherten Informationen“ im Sinne des Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie 2000/31/EG darstellt, sondern eine Verpflichtung aus einem konkreten rechtswidrigen Verhalten.

4. Bis zur Erledigung der Sache ist das Verfahren über die Revisionsrekurse nach § 90a Absatz 1 Gerichtsorganisationsgesetz auszusetzen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00116.17B.1025.000
Schlagworte:
miese Volksverräterin II,

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