OGH vom 30.09.1992, 2Ob528/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Gerhard H*****, vertreten durch den Vater Hubert H*****, dieser vertreten durch Dr.Bernd Berger ua, Rechtsanwälte in Salzburg, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin Maria H*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom , GZ 22 a R 157/91-84, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Werfen vom , GZ P 59/88-80, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der Vater des Minderjährigen beantragte die Übertragung der Obsorge an ihn. Der Jugendliche könne eine Lehre in Baden-Baden antreten, der Vater verzichte auf jeden Unterhaltsbeitrag der Mutter. Das Erstgericht übertrug die Obsorge für den Minderjährigen von der Mutter auf den Vater und sprach aus, daß die Erklärung des Vaters, auf Unterhaltsbeiträge der Mutter zu verzichten, zur Kenntnis diene. Ungefähr 3 Monate später beantragte der Vater, der Mutter einen Unterhalt von monatlich S 2.000,-- aufzuerlegen.
Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung ab, der Vater habe ausdrücklich erklärt, auf jeden Unterhaltsbeitrag zu verzichten, wenn der mj.Gerhard in seine Obsorge komme. Dieser Verzicht sei auch pflegschaftsbehördlich zur Kenntnis genommen worden.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Nach Auffassung des Rekursgerichtes seien zwar Unterhaltsvereinbarungen der Eltern grundsätzlich beachtlich, doch dürfe durch diese das Wohl des Kindes nicht beeinträchtigt und der insgesamt gebührende Unterhalt nicht geschmälert werden. Nur wenn der Unterhaltsverzicht des Vaters pflegschaftsbehördlich genehmigt worden wäre, wäre er wirksam. Eine solche Genehmigung liege aber nicht vor.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrag auf Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes, weil dieses als Pflegschaftsgericht den von der Mutter angenommenen Verzicht des Vaters auf Unterhaltsbeiträge von ihrer Seite genehmigt habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Gemäß § 52 Z 4 IPRG gilt das Bundesgesetz vom über die Anwendung des österreichischen Rechtes im Sinne des Art. 2 des Übereinkommens vom über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anwendbare Recht auch für den vorliegenden Fall, weil - wie das Rekursgericht zutreffend ausführt - die Voraussetzungen des § 1 des Gesetzes vom vorliegen.
Richtig ist auch, daß der Vater zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches, zu dem die Mutter nach den Ausführungen in ihrem Rechtsmittel steht, (noch) nicht gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen war, sodaß die Vereinbarung, auf Unterhalt gegenüber der Mutter zu verzichten, nur als eine solche zwischen den beiden Elternteilen zu beurteilen ist. Ihre Wirksamkeit für das Kind - nur darauf kommt es im vorliegenden Fall an - ist davon abhängig, ob sie pflegschaftsbehördlich genehmigt wurde (EFSlg. 40.107; SZ 54/141; JBl. 1970, 94 uza). Die Bindung ist nur solange gegeben, solange der Gesamtunterhalt des Kindes nicht geschmälert wird (EFSlg. 35.783; 1 Ob 633/82; 1 Ob 541/88 ua). Das Verfahren zur Erwirkung der Genehmigung stellt ein internes Pflegschaftsverfahren dar, an dem die Eltern als Vergleichspartner nicht beteiligt sind (JBl 1970, 94).
Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes kann nicht davon ausgegangen werden, daß das zuständige Pflegschaftsgericht die Übertragung der Obsorge über den Minderjährigen an den Vater ohne Bedachtnahme auf den Unterhaltsverzicht des Vaters gegenüber der Mutter vorgenommen hat. Es ist zwar richtig, daß das Pflegschaftsgericht den Verzicht "nur zur Kenntnis genommen" hat; den vorangegangenen Verfahrensschritten ist aber eindeutig zu entnehmen, daß das Pflegschaftsgericht die Gesamtsituation des Minderjährigen beim Vater im Auge hatte, die sich ihm durch die Inaussichtnahme einer geeigneten Lehrstelle für den Minderjährigen und der behaupteten wirtschaftlichen Prosperität des Vaters als günstiger darstellte, als bei der Mutter. Es bedurfte daher im vorliegenden Fall keiner ausdrücklichen Ausführung der Wörter "Genehmigung des Unterhaltsverzichtes", weil dieser - wie sich auch aus der kurzen aber eindeutigen Begründung des Erstgerichtes einwandfrei erschließen läßt - als wirksam und damit auch für den Minderjährigen bindend der sowohl die Übertragung der Obsorge über den Minderjährigen an den Vater als auch die Genemigung des Unterhaltsverzichtes des Vaters gegenüber der Mutter abschließend regelnden Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes unterstellt wurde.
Trotzdem hat es bei der vom Rekursgericht angeordneten Aufhebung zu verbleiben:
Wie oben ausgeführt wurde, bindet selbst ein gerichtlich genehmigter Unterhaltsvergleich das Kind nur insoweit, als sein Gesamtunterhalt nicht geschmälert wird. Dies kann auf Grund der bisherigen Verfahrensergebnisse noch nicht gesagt werden. Der Vater hat zwar für das Kind auf die Alimentierung durch die Mutter verzichtet und ist somit primär allein dafür verantwortlich, daß der Gesamtunterhalt des Minderjährigen nicht geschmälert wird; seine finanzielle Leistungsfähigkeit hiezu hat er als eines der Argumente für die Erreichung der Obsorge über das Kind auch behauptet. Ob diese auch tatsächlich gegeben und damit das Kindeswohl gesichert ist, kann ohne Untersuchung dieser Frage noch nicht ohne weiteres unterstellt werden, weshalb die vom Rekursgericht angeordnete Verfahrensergänzung - allerdings in dem vom Obersten Gerichtshof abgesteckten Ausmaß - aufrecht zu erhalten und dem Revisionsrekurs der Mutter im Ergebnis der Erfolg zu versagen war.