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OGH vom 20.04.2010, 4Ob158/09b

OGH vom 20.04.2010, 4Ob158/09b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O***** M***** Gesellschaft mbH Co KG, *****, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory Schellhorn OEG in Salzburg, gegen die beklagte Partei E***** W*****, vertreten durch Höhne, In der Maur Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Abgabe einer Willenserklärung (Streitwert 35.000 EUR sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 29/09w 30, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 20 Cg 179/06k 26, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Der Rechtsvorgänger der Beklagten war gesetzlicher Erbe der verstorbenen Schriftstellerin Christine L*****. Er übertrug mit einem von der Klägerin verfassten Vertrag zur Herstellung einer Gesamtausgabe „sämtliche Urheber und Werknutzungsrechte am Werk Christine L*****“ an die Klägerin, und zwar sowohl in Bezug auf die Werke, die bereits publiziert waren, als auch für sämtliche unveröffentlichten Werke, Manuskripte und Briefe. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses galten die später „aufgetauchten“ Briefe Christine L***** an W***** B***** („Sammlung K*****“) als nicht mehr existent. Der Rechtsvorgänger der Beklagten verkaufte die Sammlung K***** an die Stadt Klagenfurt. Das Begehren der Klägerin, ihr gemäß § 22 UrhG Zugang zu sämtlichen in dieser Sammlung enthaltenen Briefen und Manuskripten zu gewähren und Vervielfältigungen herzustellen, lehnte er ab. Mit Schreiben vom forderte der Beklagtenvertreter namens des Rechtsvorgängers der Beklagten die Klägerin auf, bis zum die Existenz eines verbindlichen Vertrags über die vom M***** Institut wissenschaftlich betreute und herauszugebende Gesamtausgabe der Werke Christine L***** sowie die Existenz eines verbindlichen Zeitplans nachzuweisen. Widrigenfalls werde „schon jetzt“ erklärt, das der Einräumung der Werknutzungsrechte zugrundeliegende Vertragsverhältnis aufzulösen und die der Klägerin eingeräumten Rechte rückzurufen. Mit dem am dem Beklagtenvertreter zugefaxten mit datierten Schreiben hielt die Klägerin fest, dass sie ein besonderes verlegerisches Interesse an einer Gesamtausgabe des Werks von Christine L***** habe, ihr aber ein Teil des literarischen Werks nicht zur Verfügung stehe und der Rechtsvorgänger der Beklagten eine Einsichtnahme in diese Briefe und Manuskripte bisher verhindert habe.

Mit der gegenständlichen Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Abgabe einer Erklärung, womit die Klägerin (zusammengefasst) beauftragt, ermächtigt und bevollmächtigt werde, die Zugangsrechte gemäß § 22 UrhG hinsichtlich der Sammlung K***** auszuüben und diese Briefe zu vervielfältigen.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht entschied mit Klageabweisung, weil die Klägerin im Sinne von § 29 Abs 4 UrhG die Vertragsauflösungserklärung der Beklagten nicht fristgerecht zurückgewiesen habe.

Die Klägerin macht in ihrer außerordentlichen Revision geltend, dass zum Zeitpunkt der Beantwortung des Schreibens des Beklagtenvertreters das keinen Hinweis auf § 29 UrhG enthalten habe durch den Klagevertreter die von der Beklagten gesetzte Nachfrist noch offen gewesen sei. Die Frist des § 29 Abs 4 UrhG könne daher frühestens mit dem Zeitpunkt der tatsächlichen Beendigung des Vertragsverhältnisses zu laufen begonnen haben. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben habe die Klägerin nicht erkennen können, dass die Beklagte mit ihrem Schreiben die Rechtsfolgen des § 29 Abs 4 UrhG habe auslösen wollen. Im Übrigen sei das nachfolgende Verhalten der Beklagten, ihres Rechtsvorgängers und deren Rechtsvertreter im Sinne eines Verzichts auf die Geltendmachung der aus der Erklärung vom entstandenen Rechte auszulegen. Die Beklagte selbst treffe die Verantwortung für die von ihr monierte mangelhafte Erfüllung des Verlagsvertrags, sodass ihre Berufung auf § 29 Abs 4 UrhG sittenwidrig sei.

Rechtliche Beurteilung

Diese Ausführungen der Klägerin zeigen keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs löst schon die nach § 29 UrhG abgegebene Erklärung des Urhebers den Werknutzungsvertrag auf (RIS Justiz RS0077750). Gemäß § 29 Abs 4 UrhG kann die Wirksamkeit der Auflösungserklärung nicht mehr bestritten werden, wenn der Werknutzungsberechtigte diese Erklärung nicht binnen 14 Tagen nach ihrem Empfang zurückweist. Die 14 tägige Frist des § 29 Abs 4 UrhG ist eine Fallfrist, mit deren Versäumung der Verlust des Bestreitungsrechts kraft Gesetzes eintritt. Mit dem Untergang seines Bestreitungsrechts ist es dem Werknutzungsberechtigten auch nicht mehr möglich, die Wirksamkeit der Auflösungserklärung betreffende Fragen aufzurollen. So tritt nach in der Lehre gebilligter ständiger Rechtsprechung die Verschweigung seines Bestreitungsrechts auch dann ein, wenn der Auflösungserklärung keine Nachfristsetzung voranging (4 Ob 318/98p = MR 1999, 98 Sternenklang mwN; ÖBl 1961, 16). Eines ausdrücklichen Hinweises auf die Wirkung unterlassener rechtzeitiger Bestreitung bedarf es nicht (RIS Justiz RS0077758). Der Urheber kann die Auflösungserklärung mit der Nachfristsetzung verbinden und muss den Rückruf nicht nach Fristablauf (nochmals) gesondert erklären ( Walter , Österreichisches Urheberrecht [2008] Rz 1820, unter Hinweis auf Dittrich , Verlagsrecht [1969] 266).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Zurückweisungserklärung der Klägerin trotz des Umstands, dass zum Zeitpunkt der Absendung des entsprechenden Schreibens (per Fax) am die von der Beklagten gesetzte Nachfrist noch offen war verspätet erfolgte und damit ein Verlust des Bestreitungsrechts eintrat, hält sich somit im Rahmen der Rechtsprechung zu § 29 Abs 4 UrhG und stellt damit keine (krasse) Fehlbeurteilung dar, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre.

2. Ob ein bestimmtes Verhalten gegen Treu und Glauben verstößt, ist eine Frage, die sich nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen lässt (RIS Justiz RS0118180). Auch diesbezüglich liegt eine vertretbare Rechtsansicht des Berufungsgerichts vor, weil die „Vordatierung“ des der Beklagten am gefaxten Schreibens der Klägerin mit das zunächst nicht erfolgte Aufgreifen der Thematik des § 29 Abs 4 UrhG durch die Beklagte zu rechtfertigen vermag.

3. Ob Sittenwidrigkeit vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls, die nicht aufzugreifen ist, wenn das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung wie hier die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens nicht überschritten hat (RIS Justiz RS0042881 [T8]).