OGH vom 31.08.2016, 2Ob121/16g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Vorarlberger Gebietskrankenkasse, *****, vertreten durch Thurnher-Wittwer-Pfefferkorn Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, gegen die beklagte Partei V*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Brandauer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen 3.594,66 EUR sA und Feststellung (Streitwert 3.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 50/16k-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom , GZ 6 C 350/15v 20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 624 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 104 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Eine bei der klagenden Gebietskrankenkasse versicherte Person wurde in einer Krankenanstalt der beklagten Krankenhaus-Betriebsgesellschaft behandelt. Aufgrund eines dabei unterlaufenen Behandlungsfehlers waren weitere Behandlungen in Anstalten der Beklagten erforderlich, wofür der – unter anderem von der Klägerin finanzierte – Landesgesundheitsfonds der Beklagten 5.530,73 EUR zahlte. Die Klägerin selbst trug durch den Behandlungsfehler verursachte Kosten für Physiotherapie, ärztliche Behandlung und Heilbehelfe von 415,18 EUR. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch in Zukunft Behandlungen erforderlich sein werden. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten ersetzte der Klägerin bisher 2.351,25 EUR, sodass 3.594,66 EUR offen sind.
Die Klägerin begehrt diesen Betrag samt Zinsen sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle (gemeint: zukünftig) im Weg der Legalzession auf sie übergehenden Ansprüche aufgrund der Fehlbehandlung in der Anstalt der Beklagten. Sie stützt sich auf § 332 Abs 1 ASVG, wobei der Anspruchsübergang nach Satz 2 dieser Bestimmung auch die Zahlungen des Landesgesundheitsfonds erfasse.
Die Beklagte wendet die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein und bestreitet den Anspruch in der Sache. Zwischen den Parteien bestehe ein Vertragsverhältnis, weswegen die Streitigkeit nach § 53 Vlbg Landesgesundheitsfondsgesetz durch die danach eingerichtete Schiedskommission zu entscheiden sei; das schließe den Rechtsweg aus. § 332 Abs 1 S 2 ASVG sei im Zusammenhang mit der Schaffung einer leistungsorientierten Krankenhausfinanzierung durch die Vereinbarung nach Art 15a B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000 , BGBl I 1997/111, in das ASVG eingefügt worden. Er habe den Zweck, Ansprüche des Geschädigten gegen Dritte auch dann den Bestimmungen über die Legalzession zu unterwerfen, wenn der Aufwand nicht den Sozialversicherungsträger, sondern den Landesgesundheits-fonds treffe. Hingegen sollte das Verhältnis zwischen Sozialversicherungsträgern, Landesgesundheitsfonds und Krankenanstalten mit der Art 15a-Vereinbarung abschließend geregelt werden, was dem Regressanspruch entgegenstehe. Dies könne insbesondere durch eine Einvernahme der seinerzeitigen Verhandler erwiesen werden. Abgesehen davon sei die Schädigung beim Erbringen einer sozialversicherungsrechtlichen Sachleistung erfolgt; die Beklagte sei insofern Erfüllungsgehilfin der Klägerin gewesen. Diese sei daher im Außenverhältnis selbst als Schädigerin anzusehen, was die Anwendung von § 332 ASVG ebenfalls ausschließe. Zudem bestehe zwischen den Streitteilen seit Jahren eine Vereinbarung, wonach bei Kunstfehlern keine Regressansprüche geltend gemacht würden.
Die Klägerin hält dem entgegen, dass es keine solche Vereinbarung gebe und § 332 Abs 1 ASVG auch Ansprüche erfasse, die sich aus Fehlbehandlungen in fondsfinanzierten Krankenanstalten ergäben.
Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs, weil die Klägerin den Anspruch auf § 332 ASVG stütze, wofür die nach § 53 Vlbg Landesgesundheitsfondsgesetz eingerichtete Schieds-kommission nicht zuständig sei. In der Sache gab es der Klage statt. Es konnte weder eine ausdrückliche Vereinbarung noch eine langjährige Übung der Streitteile feststellen, wonach die Klägerin bei Behandlungsfehlern keine Rückgriffsansprüche geltend machen dürfe. Damit sei ausschließlich § 332 Abs 1 ASVG anwendbar. Dieser unterscheide nicht danach, ob der Schädiger eine Krankenanstalt oder ein Dritter sei. Auch den Materialien sei eine solche Differenzierung nicht zu entnehmen. Zwei von der Beklagten geführte Zeugen zur Auslegung der Bund-Länder-Vereinbarung 1997 vernahm das Erstgericht nicht.
Gegen diese Entscheidung richtete sich eine Berufung der Beklagten , mit der sie Nichtigkeit wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Tatsachenfeststellung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machte.
Das Berufungsgericht verwarf die Berufung wegen Nichtigkeit und gab ihr im Übrigen nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und ließ die Revision zunächst nicht zu.
Da die Klägerin ihren Anspruch auf § 332 ASVG und nicht auf eine vertragliche Beziehung zur Beklagten stütze, sei § 53 Vlbg Landesgesundheitsfondsgesetz nicht anwendbar; vielmehr sei nach § 356 ASVG der streitige Rechtsweg zulässig. § 332 ASVG erfasse mangels Differenzierung auch die hier strittigen Ansprüche. Dass es keine der Auffassung der Beklagten widersprechende „Literaturmeinung“ gebe, liege wohl daran, dass diese Auffassung bisher noch nie vertreten worden sei. Die Einvernahme weiterer Zeugen sei nicht erforderlich gewesen, weil der Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen eindeutig sei.
In ihrer mit einem Zulassungsantrag (§ 508 ZPO) verbundenen Revision verweist die Beklagte auf das Fehlen einschlägiger Rechtsprechung und Lehre. Der Rechtsweg sei unzulässig, weil „notorisch gerichtsbekannt“ sei, dass die Klägerin „vertragliche Beziehungen“ mit der Beklagten unterhalte, insbesondere in Bezug auf die Abrechnung von Leistungen. Daher sei nach § 53 Vlbg Landesgesundheitsfondsgesetz die danach eingerichtete Schiedskommission zuständig. Die nicht vernommenen Zeugen hätten Angaben zum „bloß eingeschränkten Anwendungsbereich“ von § 332 ASVG machen können. Die leistungsorientierte Krankenhausfinanzierung beruhe auf für die Sozialversicherungsträger günstigen Pauschalsätzen, die alle wechselseitigen Ansprüche zwischen den Parteien abschließend erledigten. Dies sei „Inhalt und Geist“ der 1997 geschlossenen Vereinbarung zur Reform des Gesundheitswesens gewesen, die ihrerseits „Grundlage und Auslegungshilfe“ für die nachfolgende Neufassung des § 332 ASVG gewesen sei.
Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich wegen des Fehlens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur möglichen Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 332 Abs 1 ASVG zu.
Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung , die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Inhaltlich verweist sie auf die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig , sie ist aber nicht berechtigt .
1. Die Verwerfung der Nichtigkeitsberufung ist nicht anfechtbar (RIS-Justiz RS0043405). Abgesehen davon trifft die Entscheidung der Vorinstanzen auch inhaltlich zu.
1.1. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs sind der Wortlaut des Klagebegehrens und die Klagebehauptungen maßgebend (RIS-Justiz RS0045584; RS0045644). Unerheblich ist dagegen, was der Beklagte einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist; es kommt nur darauf an, ob nach dem Inhalt der
Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (RIS-Justiz RS0045584 [T4, T 57]; zuletzt etwa 3 Ob 26/15t).
1.2. Im vorliegenden Fall macht die Klägerin einen Schadenersatzanspruch geltend, der nach § 332 ASVG auf sie übergegangen sei. Dafür begründet § 356 ASVG die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Sollte das Vorbringen der Beklagten zur Auslegung von § 332 Abs 1 ASVG oder zum Bestehen einer die Legalzession ausschließenden Vereinbarung zutreffen, wäre die Klage in der Sache abzuweisen; auf die Zulässigkeit des Rechtswegs hätte das keinen Einfluss.
2. Für die von der Beklagten vertretene teleologische Reduktion von § 332 Abs 1 ASVG besteht kein Anlass.
2.1. § 332 Abs 1 ASVG lautet wie folgt:
Können Personen, denen nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Leistungen zustehen oder für die als Angehörige gemäß § 123 Leistungen zu gewähren sind, den Ersatz des Schadens, der ihnen durch den Versicherungsfall erwachsen ist, auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften beanspruchen, geht der Anspruch auf den Versicherungsträger insoweit über, als dieser Leistungen zu erbringen hat. Der Anspruch umfasst auch die Aufwendungen des Landesgesundheitsfonds, die nach § 148 Z 2 von der Krankenanstalt in Rechnung gestellt werden. Der Versicherungsträger hat dem Landesgesundheitsfonds jenen Teil der Regreßeinnahmen, der nicht durch Mittel der Sozialversicherung gemäß § 447f Abs. 1 gedeckt ist, abzüglich eines anteilsmäßigen Verwaltungskostenersatzes für die Geltendmachung, zu überweisen. Ansprüche auf Schmerzengeld gehen auf den Versicherungsträger nicht über.
Die mit dieser Bestimmung angeordnete Legalzession hat einen zweifachen Zweck: Der Schädiger soll nicht durch eine Leistung des Sozialversicherungsträgers entlastet, der Geschädigte aber auch nicht durch eine zweifache Leistung begünstigt werden (8 Ob 79/77, SZ 50/76; RIS Justiz RS0085212; Atria in Sonntag , ASVG 7 [2016] § 332 Rz 1; Neumayr in Schwimann 3 § 332 Rz 6).
2.2. § 332 Abs 1 Satz 2 ASVG hat an dieser Zielsetzung nichts geändert.
§ 332 Abs 1 Satz 2 und 3 ASVG wurden im Wesentlichen mit dem 2. SRÄG 1996, BGBl I 1996/764, eingeführt. Grundlage dafür war die zum erfolgte Umgestaltung der leistungsorientierten Krankenhaus-finanzierung (zur früheren Rechtslage 3 Ob 251/15f mwN; zum Folgenden 2 Ob 95/11a SV Slg 60.597; Resch in Resch/Wallner, Handbuch Medizinrecht 2 [2015] Kap XVII Rz 25 ff): Seither leisten die Sozialversicherungsträger nach § 447f Abs 1 ASVG Pauschalbeiträge an die Landesgesundheitsfonds, die (zusammen mit hier nicht weiter relevanten Zahlungen aus einem Ausgleichsfonds und mit Beiträgen der Versicherten) alle Leistungen abgelten, die in § 148 ASVG genannte („fondsfinanzierte“) Krankenanstalten für Versicherte und deren anspruchsberechtigte Angehörige erbringen. Die Landesgesundheitsfonds werden – abgesehen von den Beiträgen der Sozialversicherungsträger – durch Bund und Länder finanziert; sie gelten den von ihnen finanzierten Krankenanstalten die von diesen erbrachten Leistungen ab.
§ 332 Abs 1 Satz 2 ASVG stellt in diesem Zusammenhang klar, dass der Regress des Sozialversicherungsträgers nicht auf seine (anteiligen) Beiträge an den jeweiligen Landesgesundheitsfonds beschränkt ist. Vielmehr sind die Leistungen des Fonds an die Krankenanstalt als Kosten der Anstaltspflege anzusehen, was im Anwendungsbereich des § 332 Abs 1 ASVG zur Annahme sachlicher Kongruenz mit dem Schadenersatzanspruch des Geschädigten und damit zum Übergang von dessen Schadenersatzanspruch auf den Sozialversicherungsträger führt (2 Ob 95/11a). § 332 Abs 1 Satz 3 ASVG ergänzt dies dahin, dass im Regressweg hereingebrachte Beträge abzüglich eines Verwaltungskostenersatzes an den jeweiligen Landesgesundheitsfonds weiterzuleiten sind. Der Schädiger soll daher auch dann nicht entlastet werden, wenn eine von ihm zu vertretende Heilbehandlung nicht (unmittelbar) vom Sozialversicherungsträger, sondern vom zuständigen Landesgesundheitsfonds finanziert wird (dies übersieht möglicherweise Rebhahn , FS Iro [2013] 187 [199], der meint, das „'geniale' System der österreichischen Spitalsfinanzierung“ verhindere einen Regress).
2.3. Der Wortlaut von § 332 Abs 1 ASVG enthält keine Ausnahme für den hier vorliegenden Fall, dass jene Krankenanstalt, die vom Landesgesundheitsfonds Leistungen für bestimmte Behandlungen erhält, zugleich für die diesen Behandlungen zugrunde liegenden Gesundheitsschäden verantwortlich ist. Der oben dargestellte Zweck dieser Bestimmung – keine Entlastung des Schädigers durch Sozialversicherungsleistungen – steht einer solchen Ausnahme entgegen. Denn sie führte dazu, dass das Risiko der Fehlbehandlung nicht die dafür verantwortliche Krankenanstalt, sondern die den Landesgesundheitsfonds finanzierende Allgemeinheit (Sozialversicherungsträger und Gebietskörperschaften) tragen müsste. Dass dies gewollt gewesen wäre, kann den Materialien (394 BlgNR 20. GP) nicht entnommen werden.
2.4. Die dagegen gerichteten Einwände der Beklagten können nicht überzeugen.
(a) Die Beklagte vertritt im Kern die Auffassung, dass die Pauschalierung der von den Sozialversicherungsträgern an die Landesgesundheitsfonds zu leistenden Beiträge auch das Risiko einer Fehlbehandlung durch eine fondsfinanzierte Krankenanstalt erfasse. Träfe das zu, müsste die Legalzession konsequenterweise auch dann verneint werden, wenn der Sozialversicherungsträger aufgrund der Fehlbehandlung Leistungen an Dritte erbrachte, hier also die Leistungen für Physiotherapie, ärztliche Behandlung und Heilbehelfe. Weder dafür noch für einen auf Behandlungen in der Krankenanstalt beschränkten Regressausschluss bietet das System der leistungsorientierten Krankenhausfinanzierung aber eine Grundlage: Nach Art 25 Abs 1 der nunmehr geltenden Vereinbarung nach Art 15a B VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens , BGBl I 2008/105 idF BGBl I 2013/199, sind
„mit den Zahlungen der Träger der Sozialversicherung gemäß dieser Vereinbarung an die Landesgesundheitsfonds [...] alle Leistungen der Krankenanstalten gemäß Art 18 Abs 3 und 4, insbesondere im stationären, halbstationären, tagesklinischen und spitalsambulanten Bereich einschließlich der durch den medizinischen Fortschritt resultierenden Leistungen für Versicherte und anspruchsberechtigte Angehörige der Träger der Sozialversicherung zur Gänze abgegolten.“
Entsprechende Regelungen gab es bereits in Art 11 der Vereinbarung nach Art 15a B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000, BGB I 1997/111, und in den Folgevereinbarungen. Sie betreffen schon nach ihrem Wortlaut nur die Abgeltung für Leistungen der Krankenanstalten, nicht jedoch die Folgen von bei diesen Leistungen unterlaufenen Behandlungsfehlern. Es wäre zwar nicht ausgeschlossen, die Pauschalierung auch darauf zu erstrecken. Der mit der Vereinbarung angestrebten Leistungsorientierung (vgl 382 BlgNR 20. GP, 22) liefe ein solches Modell aber zuwider, da es Krankenanstalten begünstigte, die aufgrund geringerer Qualitätsstandards eine höhere Zahl von Behandlungsfehlern aufwiesen als andere. Mangels jeden Hinweises im Wortlaut der Vereinbarung kann dies den vertragschließenden Teilen nicht unterstellt werden. Damit fehlt aber auch jeder Grund für eine darauf gestützte teleologische Reduktion von § 332 Abs 1 ASVG.
(b) Die subjektiv-historische Interpretation hat sich grundsätzlich an den Gesetzesmaterialien zu orientieren; die Einvernahme von Personen, die am Gesetzgebungsprozess beteiligt waren, ist unzulässig (
4 Ob 37/50 JBl 1950, 507; RIS-Justiz RS0008879; Posch in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 6 Rz 16, 19; G. Kodek in Rummel/Lukas 4 § 6 Rz 92; aA Kerschner / Kehrer in Klang 3 §§ 6, 7 Rz 33, die eine [hier allerdings nicht beantragte] Einvernahme von Abgeordneten für möglich halten). Die Vorinstanzen haben daher zutreffend keine Schlüsse aus der Aussage eines dazu vernommenen Zeugen – der als Ländervertreter an Verhandlungen beteiligt war – gezogen und auch keine weiteren dazu beantragten Zeugen vernommen. Abgesehen davon stünde eine solche Absicht der an den Verhandlungen beteiligten Personen, die sich weder im Wortlaut der Bestimmungen noch in den Materialien widerspiegelt, im Widerspruch zum dort ausdrücklich genannten Ziel einer leistungsorientierten Krankenhausfinanzierung. Sie könnte daher auch im Fall der Erweisbarkeit nicht zu einer anderen Auslegung führen.
(c) Das Argument der Beklagten, ihr Verhalten sei der Klägerin aufgrund des sozialversicherungsrechtlichen Sachleistungsprinzips nach § 1313a ABGB der Klägerin zuzurechnen, was Regressansprüche ausschließe, ist nicht nachvollziehbar. Auch bei einer Einweisung nach § 145 ASVG kommt ein Behandlungsvertrag zwischen der Krankenanstalt und dem Patienten zustande (RIS-Justiz RS0049777; allgemein zum Behandlungsvertrag mit Krankenanstalten Jesser-Huß in Resch/Wallner Handbuch Medizinrecht 2 Kap III Rz 10 f mwN). Die Beklagte haftet daher einem Patienten, der durch einen ihr nach § 1313a ABGB zurechenbaren Behandlungsfehler geschädigt wurde, aus Vertrag. Weshalb das sozialversicherungsrechtliche Sachleistungsprinzip die Legalzession dadurch begründeter Schadenersatzansprüche ausschließen sollte, ist nicht erkennbar.
(d) Ebensowenig kann die Unzulässigkeit der Legalzession allein daraus abgeleitet werden, dass die Beziehungen zwischen den Streitteilen nach § 148 Z 10 ASVG auf vertraglicher Grundlage beruhen. Wenn überhaupt, könnte sich diese Rechtsfolge nur aus dem Inhalt dieser Verträge ergeben. Die Vorinstanzen konnten aber weder einen ausdrücklichen Verzicht auf die Legalzession noch eine langjährige diesbezügliche Übung feststellen. Daher kann offen bleiben, ob ein solcher Verzicht überhaupt zulässig wäre oder ob er nicht zumindest der Schriftform bedürfte (§ 148 Z 10 letzter Satz ASVG).
3. Aus diesen Gründen muss die Revision der Beklagten scheitern. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:
Die Finanzierung der Behandlung von Versicherten in fondsfinanzierten Krankenanstalten (§ 148 ASVG) ua durch Pauschalbeiträge der Sozialversicherungsträger (§ 447f ASVG) schließt bei Behandlungsfehlern in solchen Krankenanstalten die Anwendung von § 332 Abs 1 ASVG nicht aus.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00121.16G.0831.000