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OGH vom 19.11.2019, 1Ob195/19m

OGH vom 19.11.2019, 1Ob195/19m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Mag. Korn und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache betreffend P*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Rafaseder, Rechtsanwalt in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betroffenen Person gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 44 R 244/19m-25, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom , GZ 20 P 33/19d-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichts auf Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters für die betroffene Person.

Der dagegen von der betroffenen Person erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

1. Es ist richtig, dass bei Einleitung eines solchen Verfahrens begründete und konkrete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters zur Wahrung der Belange des Betroffenen vorliegen müssen. Dies traf schon nach § 117 Abs 1 AußStrG aF zu (vgl RIS-Justiz RS0013479 [T2, T 3], RS0008526) und gilt (umso mehr) auch nach neuem Recht (RS0013479 [T4]), dessen erklärte Absicht es ist, dafür Sorge zu tragen, dass auch Personen mit eingeschränkter Entscheidungsfähigkeit möglichst selbständig ihre Angelegenheiten selbst besorgen können (vgl § 239 Abs 1 ABGB idF 2. ErwSchG). Vor Verfahrenseinleitung ist daher in jedem Einzelfall zu prüfen, ob begründete und sich sowohl auf die psychische Krankheit oder eine vergleichbare Beeinträchtigung als auch auf die Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters zum Schutz der betreffenden Person beziehende Anhaltspunkte vorliegen. Ansonsten darf das Verfahren nicht eingeleitet werden; eine bloß potenzielle künftige Gefährdung reicht ebenso wenig, wie das Interesse Dritter an einer Bestellung. Dabei ist aber auch beachtlich, von wem der Hinweis (die „Mitteilung“ nach § 117 Abs 1 AußStrG) kommt (4 Ob 215/18y mwN).

2. Im vorliegenden Verfahren ging die Anregung – anders als in dem zu 4 Ob 215/18y zu beurteilenden Fall – nicht von der gegnerischen Verfahrenspartei aus, sondern von der Gerichtsvorsteherin jenes Bezirksgerichts, bei dem aktuell ein gegen die betroffene Person (auf unleidliches Verhalten gestütztes) Kündigungsverfahren geführt wird. Der von der betroffenen Person erhobene Vorwurf, es liege eine „grobe Fehlbeurteilung“ vor, weil konkrete Feststellungen dazu fehlten, in welchem Zusammenhang sie sich in der Vergangenheit in einer ihren eigenen Interessen objektiv zuwiderlaufenden Weise verhalten habe und/oder aufgrund welcher konkreten Umstände die Befürchtung nahe liege, sie werde sich (auch) in Hinkunft selbst Schaden zufügen, ist nicht berechtigt:

Das Rekursgericht hat auf der Sachverhaltsebene zugrunde gelegt, wie sich die betroffene Person in einem (bei einem anderen Bezirksgericht anhängig gewesenen) Aufkündigungsverfahren (konkret) verhalten hatte. Der Umstand, dass sie in der Vergangenheit (ua) selbst Klopfgeräusche erzeugt hatte, die anderen Mieter aber der Erzeugung von Lärm bezichtigte, den sonst keiner wahrgenommen hatte, in Verbindung damit, dass nun (im Kündigungsprozess) im Kern gleichlautende Vorwürfe wiederholt werden, legt jedenfalls den Verdacht des Vorliegens einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung nahe, der durch den (ebenso im Beschluss des Rekursgerichts) geschilderten Eindruck der Gerichtsvorsteherin zu Verwechslungen, Verwirrtheit und Widersprüchen untermauert wird. In dem gegen die betroffene Person aktuell geführten Bestandverfahren geht es (wiederum) um das gewichtige Lebensinteresse der Wohnmöglichkeit der zu schützenden Person, der erneut deren Verlust droht. Dass das Rekursgericht angesichts dieser – auch festgehaltenen Hinweislage – die Einleitung des Verfahrens aus Fürsorge für und zum Schutz der betroffenen Person als notwendig beurteilte, bedarf keiner Korrektur.

3. Auf einen nach Beschlussfassung durch das Rekursgericht erstellten psychiatrischen Befund ist schon wegen des Neuerungsverbots nicht einzugehen (RS0119918). Überdies ist die Beurteilung, ob Anhaltspunkte für die Verfahrenseinleitung vorlagen (oder nicht), allein auf Basis der im Zeitpunkt der Beschlussfassung gegebenen Beweislage vorzunehmen.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00195.19M.1119.000

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