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OGH vom 22.10.2014, 3Ob174/14f

OGH vom 22.10.2014, 3Ob174/14f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Susanne Schuh, Rechtsanwältin in Perchtoldsdorf, gegen die beklagte Partei E*****, vertreten durch Dr. Werner Goeritz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 40 R 163/14p 22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Meidling vom , GZ 9 C 451/13y 18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Gestützt auf den Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 2 Z 6 MRG kündigte die klagende Partei (Vermieterin) dem Beklagten die von diesem gemietete Wohnung auf. Er wohne seit längerer Zeit nicht mehr in der Wohnung, sondern bei seiner Lebensgefährtin. In der gemieteten Wohnung halte er sich an weniger als einen Tag pro Woche auf.

Das Erstgericht sprach aus, dass die (dem Beklagten am durch Hinterlegung zugestellte) Kündigung vom rechtswirksam sei, weil sowohl eine regelmäßige Verwendung der Wohnung zu Wohnzwecken als auch ein dringendes Wohnbedürfnis fehlten. Es stellte kurz zusammengefasst fest, dass die klagende Partei von Frühjahr 2011 bis Herbst 2011 im Haus, in dem sich die Mietwohnung befindet, im Zusammenhang mit einem Dachbodenausbau samt Lifterrichtung Bauarbeiten durchführte; bis zum Frühjahr 2012 wurden Komplettierungsarbeiten ausgeführt. Seitdem gibt es keine Beeinträchtigungen der Nutzung der Wohnungen im Haus durch Bauarbeiten der beklagten Partei oder durch Schmutz. Während der Hauptbauphase war der Beklagte nur mehr einmal pro Woche in der Wohnung, „weil ihm der Staub zu viel wurde“. „Allenfalls“ war er am Wochenende mit seiner Lebensgefährtin in der Wohnung, wenn beide keine Kinder zu betreuen hatten. Auch nach Beendigung der Bauarbeiten war der Beklagte „vielleicht ein bis zwei Nächte in der Woche“ in der Wohnung; überwiegend wohnt er bei seiner Lebensgefährtin. Soweit es seine Berufstätigkeit zulässt, tauscht der Kläger seit 2009 in Etappen die Fenster der Mietwohnung auf eigene Kosten aus.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und ließ die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Der Beklagte habe im Verfahren zugestanden, die Wohnung wegen der Bauarbeiten verlassen zu haben, und angekündigt, nach deren Beendigung wieder dorthin zurückzukehren; dies sei aber nicht geschehen. Die Tatsachenrüge in Bezug auf die Wochenendnutzung (nach Ansicht des Beklagten sei das Wort „allenfalls“ auf „oft“ zu ändern) hielt es für rechtlich irrelevant.

In seiner außerordentlichen Revision stellt der Beklagte in den Vordergrund, dass aus den Feststellungen (und unter Bedachtnahme auf eine häufige Wochenendnutzung entsprechend der Tatsachenrüge in der Berufung) eine regelmäßige Nutzung der Wohnung abzuleiten sei.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt der Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein Kündigungsgrund vorliegt, ist prinzipiell derjenige des Zugangs der Aufkündigung an den Mieter (RIS Justiz RS0070282).

2. Die klagende Partei macht den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG geltend („ wenn … die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen (§ 14 Abs. 3) regelmäßig verwendet wird, es sei denn, dass der Mieter zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus beruflichen Gründen abwesend ist; “).

Nach der Rechtsprechung (RIS Justiz RS0070217) setzt der Kündigungsgrund

a) das (vom Vermieter nachzuweisende) Fehlen einer regelmäßigen Verwendung des Mietgegenstands zu Wohnzwecken (RIS Justiz RS0079253) sowie

b) das Nichtvorliegen eines dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder eintrittsberechtigter Personen voraus; für das Vorhandensein des dringenden Wohnbedürfnisses trifft den Gekündigten die Beweislast (RIS Justiz RS0079350 [T6]).

Im Fall einer regelmäßigen Verwendung der Wohnung zu Wohnzwecken (Punkt a) kommt es nach der Rechtsprechung auf den dringenden Wohnbedarf des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen (Punkt b) nicht mehr an (RIS Justiz RS0070217 [T6]).

3. Selbst unter Einbeziehung der vom Beklagten gewünschten Feststellung zu seinem Aufenthalt in der Wohnung zu den Wochenenden hält sich die bekämpfte Entscheidung im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 30 Abs 2 Z 6 MRG.

3.1. Voraussetzung für die einzelfallbezogen (vgl RIS Justiz RS0068874 [T8] ua) zu beurteilende „regelmäßige Verwendung“ ist nach ständiger Rechtsprechung, dass der Mieter die Wohnung wenigstens während eines beachtlichen Zeitraums im Jahr als wirtschaftlichen und familiären Mittelpunkt benützt (RIS Justiz RS0079240). Es reicht aus, dass die aufgekündigte Wohnung zumindest in mancher Beziehung noch Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit und des Familienlebens des Mieters ist (RIS Justiz RS0068874 [T1]). Einzelfallbezogen differenziert die Rechtsprechung etwa nach dem Familienstand: So darf an die Anforderungen des „Lebensschwerpunkt“ bei einem Junggesellen kein allzu strenger Maßstab angelegt werden (RIS Justiz RS0068874 [T11]). In Abgrenzung von der Nutzung bloß zur Freizeitgestaltung kommt der Verwendung der Wohnung zu Wohnzwecken maßgebliche Bedeutung zu (RIS Jusitz RS0068679 [T4]).

3.2. Die Rechtsprechung verneinte eine regelmäßige Verwendung einer Wohnung etwa dann, wenn sich der Mieter nur ein- bis zweimal monatlich zu Nächtigungszwecken in der Wohnung aufhält (9 Ob 96/03p = RIS Justiz RS0079240 [T3]) oder wenn er durchschnittlich nur alle 14 Tage für ein bis zwei Tage in die aufgekündigte Wohnung kommt (5 Ob 233/07m).

3.3. Nach der Beendigung der Bauarbeiten der klagenden Partei im Frühjahr 2012 verwendete der Beklagte die Wohnung nur mehr sporadisch: Er schlief ein bis zweimal pro Woche in der Wohnung und verbrachte dann, wenn er und seine Lebensgefährtin keine Kinder zu betreuen hatten, Wochenenden in der Wohnung, offensichtlich zum Zweck der Sanierung. Seinen Lebensmittelpunkt behielt er eindeutig in der Wohnung seiner Lebensgefährtin bei. Die von ihm gemietete Wohnung bildete für den Beklagten also keinen „familiären Mittelpunkt“.

Es liegt im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, dass die hier festgestellte Art und Dauer der Nutzung der Wohnung für die Annahme einer regelmäßigen Verwendung nicht ausreicht (in diesem Sinn auch 9 Ob 2072/96p [Nächtigung zweimal pro Woche] und 3 Ob 165/00m [„einmal bis zweimal pro Woche und an den freien Wochenenden“]).

4. Die Rechtsprechung bejaht ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses an einer nicht regelmäßig verwendeten Wohnung dann, wenn feststeht, dass der Mieter die Wohnung mit Sicherheit in naher Zukunft wieder benötigen wird. Dabei ist auf ungewisse, in der Zukunft liegende Möglichkeiten nicht Bedacht zu nehmen (RIS Justiz RS0079210).

Angesichts des Umstands, dass der Beklagte die Wohnung nach Beendigung der Bauarbeiten der beklagten Partei und dem Wegfall der damit verbundenen Beeinträchtigungen nicht mehr regelmäßig benutzte, konnte durchaus vertretbar auf das Fehlen der Rückkehrabsicht geschlossen werden.

4. Mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) ist die außerordentliche Revision der beklagten Partei zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00174.14F.1022.000

Fundstelle(n):
PAAAD-45639