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OGH vom 22.10.2014, 1Ob195/14d

OGH vom 22.10.2014, 1Ob195/14d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. P***** W*****, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 6.750 EUR sA und Feststellung (Streitwert 25.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 24/14y 11, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 31 Cg 31/13a 6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der am geborene Kläger bewarb sich Anfang 2013 um eine mit bzw zu besetzende Planstelle eines Richters des Bundesverwaltungsgerichts. Zum Zeitpunkt der angestrebten Ernennung hätte er sich somit bereits in seinem 67. Lebensjahr befunden. Seine Bewerbung wurde unter Hinweis auf sein Lebensalter und die Bestimmung des § 99 RStDG nicht berücksichtigt. Seine auf die Rechtstitel der Amts und der Staatshaftung gestützte Schadenersatz und Feststellungsklage wurde von beiden Vorinstanzen abgewiesen, da die behauptete Altersdiskriminierung weder nach österreichischem Verfassungsrecht noch nach dem Recht der Europäischen Union vorliege.

Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers ist eine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen, liegt doch ausreichende höchstgerichtliche Judikatur (EuGH, OGH, VfGH, VwGH) vor, die den in der Revision vertretenen Argumenten entgegensteht. Auch ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH ist damit nicht erforderlich.

2. Insbesondere beruht die Verneinung einer Unionsrechtswidrigkeit des § 99 RStDG durch das Berufungsgericht auf der insoweit vom EuGH bereits vorgenommenen Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG, auf deren Verletzung sich der Kläger somit zu Unrecht beruft.

Nach Art 6 Abs 1 der genannten Richtlinie stellen Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung dar, sofern sie objektiv und angemessen, im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (vgl nur EuGH Rs C 286/12, ECLI: EU: C: 2012: 687, Rn 55 ff). Nach ihrem Erwägungsgrund 14 berührt die Richtlinie auch nicht die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand. Schließlich sieht Art 6 Abs 1 lit c der Richtlinie als gerechtfertigte Ungleichbehandlung etwa die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand vor. Art 88 Abs 1 B VG ordnet an, dass durch Bundesgesetz eine Altersgrenze zu bestimmen ist, mit deren Erreichung die Richter in den dauernden Ruhestand treten. In diesem Sinn bestimmt § 99 RStDG, dass der Richter mit Ablauf des Jahres, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet hat, in den Ruhestand tritt. Damit ergibt sich auch die vom Kläger als gleichheitswidrig monierte Konsequenz, dass die Neubegründung eines öffentlichen Dienstverhältnisses mit Personen, die das 65. Lebensjahr bereits vollendet haben, nicht mehr in Betracht kommt.

Mit vergleichbaren Regelungen im Zusammenhang mit öffentlich rechtlichen Dienstverhältnissen hatte sich der EuGH schon wiederholt zu beschäftigen. In den (verbundenen) Rechtssachen C 159/10 und C 160/10 ( Fuchs und Köhler , Slg 2011 I 06919), in denen es um zwei Oberstaatsanwälte ging, die das gesetzliche Pensionsalter erreicht hatten, verwies der EuGH etwa darauf, dass das Ziel, eine ausgewogene Altersstruktur von jüngeren und älteren Beamten zu schaffen, ein legitimes Ziel der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik darstellen könne (Rn 50), was im Allgemeininteresse liege, um einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst, hier die „Justizverwaltung“, zu gewährleisten (Rn 53). Der Gerichtshof habe bereits entschieden, dass der Übertritt in den Ruhestand in einem gesetzlich bestimmten Alter bei Berufsgruppen, bei denen die Zahl der Stellen begrenzt ist, den Zugang jüngerer Berufsangehöriger zur Beschäftigung begünstigen könne (Rn 58). Unter diesen Umständen erscheine es nicht unvernünftig, wenn die zuständigen Stellen eines Mitgliedstaats davon ausgehen, dass mit einer solchen Maßnahme das Ziel erreicht werden könne, eine ausgewogene Altersstruktur zu schaffen, um die Planbarkeit des Ausscheidens zu erreichen, die Beförderung insbesondere von jüngeren Beamten zu gewährleisten und Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen, die im Zusammenhang mit der Versetzung in den Ruhestand entstehen können, wobei den Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels ein weiter Ermessensspielraum zur Verfügung stehe (Rn 60 f mit Hinweis auf Vorjudikatur). Der grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen starren Altersgrenze stehe es auch nicht entgegen, wenn ausnahmsweise eine Weiterbeschäftigung einzelner Staatsanwälte bis zum vollendeten 68. Lebensjahr in Betracht komme, wenn der Betreffende einen entsprechenden Antrag stellt und die Verlängerung im dienstlichen Interesse liegt, zB die Zweckmäßigkeit der Weiterbearbeitung eines vom betreffenden Staatsanwalt begonnenen aber noch nicht abgeschlossenen Strafverfahrens; eine solche gesetzliche Ausnahme sei nicht geeignet, das angestrebte Ziel zu beeinträchtigen, nämlich eine ausgewogene Altersstruktur zu gewährleisten, um insbesondere die Leistungsfähigkeit des Dienstes zu garantieren, und erscheine damit nicht inkohärent (Rn 86 bis 90). Ähnliches führte der EuGH in der Rechtssache C 286/12 ( Ungarn ) aus. Zum Ziel der Herstellung einer ausgewogenen Altersstruktur, die den Zugang der jungen Juristen zu den Berufen des Richters, Staatsanwalt oder Notars erleichtern soll, genüge die Feststellung, dass der Gerichtshof bereits zum Ausdruck gebracht habe, dass das Ziel, eine ausgewogene Altersstruktur von jüngeren und älteren Beamten zu schaffen, ... ein legitimes Ziel der Beschäftigungs und Arbeitsmarktpolitik darstellen könne (Rn 62).

Auf derselben Linie liegt die Auffassung der bisherigen österreichischen Rechtsprechung. So sprach der VwGH etwa gegenüber je einem Richter eines Oberlandesgerichts (Zl 2007/12/0005) und des Obersten Gerichtshofs (Zl 2006/12/0227) deren Beschwerden der VfGH mangels verfassungsrechtlicher Bedenken zur Entscheidung abgetreten hatte (B 3451/05, B 3366/05) aus, dass Art 88 Abs 1 B VG und § 99 RDG die Sicherung der Unabhängigkeit des Richters verfolgten. Zur Absicherung dieser Unabhängigkeit sei es unter anderem notwendig, ihn vor einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt seiner Entscheidungen durch eine Ungewissheit über den Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand durch den Dienstgeber zu schützen, sodass es zwingend notwendig sei, die Versetzung in den Ruhestand, die weder auf seinem Willen beruht noch aufgrund eines förmlichen richterlichen Erkenntnisses erfolgt, an Bedingungen zu knüpfen, auf deren Verwirklichung der Dienstgeber keinen Einfluss hat; dies sei im gegebenen Zusammenhang mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Richter das 65. Lebensjahr vollendet, verwirklicht.

In vergleichbarem Zusammenhang wenn auch im Bereich des allgemeinen Arbeitsrechts sowie des VBG erklärte der Oberste Gerichtshof, dass sich aus der (ausführlich zitierten) Judikatur des EuGH zur Altersdiskriminierung ableiten lasse, dass der Gerichtshof eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder eine Beendigungsmöglichkeit des Arbeitgebers jedenfalls bei Erreichen des Regelpensionsalters für zulässig erachte, wobei als zulässiges Regelungsziel insbesondere die Förderung von Einstellungen bzw die Eindämmung der Arbeitslosigkeit sowie die Förderung des Zugangs jüngerer Menschen zur Beschäftigung anerkannt werde (8 ObA 68/13b [zum VBG]). Schon früher wurde darauf hingewiesen, dass die Festlegung eines Pensionsalters, das auf einer politischen Bewertung beruhe, nicht nur dazu diene, das Arbeitseinkommen in erforderlichem Ausmaß zu ersetzen, sondern zweifelsohne auch den Zweck verfolge, jungen Menschen, deren Existenz anderweitig noch nicht gesichert ist, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verschaffen. Dabei handle es sich und ganz speziell dann, wenn der Staat selbst als Dienstgeber auftritt um ein auch mit der Rechtfertigungsbestimmung der Richtlinie in Deckung zu bringendes sozialpolitisches Ziel (9 ObA 131/05p = SZ 2006/158 [ebenso zum VBG]).

3. Wie bereits dargestellt wurde, steht auch nach der Judikatur des EuGH den Mitgliedstaaten ein weiter Ermessensspielraum bei der Festlegung einer Altersgrenze für das Ausscheiden aus dem (öffentlichen) Dienst zu. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der österreichische Gesetzgeber habe diesen Ermessensspielraum hier nicht überschritten, stellt keineswegs eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar.

Wenn der Revisionswerber auf die gestiegene Lebenserwartung hinweist und daraus ableitet, die Altersgrenze müsste „auf mindestens 70 Jahre angehoben werden“, greift er lediglich einen Aspekt der Problematik heraus, legt aber nicht dar, auf welche Weise dann gleichzeitig das Ziel, eine ausgewogene Altersstruktur zu schaffen und den Eintritt jüngerer Personen in den Arbeitsmarkt bzw die Beförderung von jüngeren Beamten zu ermöglichen, gesichert bleiben sollte, was insbesondere angesichts der weiterhin steigenden Arbeitslosigkeit besonders zu begründen wäre. Wie schon dargelegt wird es als legitime Abwägung angesehen, ab einer bestimmten Altersgrenze Personen mit ausreichender Versorgung (durch ihre Pensionsbezüge) aus dem Arbeitsleben ausscheiden zu lassen, (auch) um Jüngeren den Eintritt ins Berufsleben zu ermöglichen.

Der Einwand, bei der Berufsgruppe der Richter und Staatsanwälte handle es sich nicht nur um einen Berufs- und Personenkreis besonderen Charakters, sondern auch um einen quantitativ sehr eingeschränkten Bereich, dessen Größenordnung für den Gesamtarbeitsmarkt vernachlässigt werden könne, ist entgegenzuhalten, dass die Altersgrenze von 65 Jahren nicht nur für diese Berufsgruppe, sondern grundsätzlich für den gesamten öffentlichen Bundesdienst gilt (§ 13 BDG).

4. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers steht es der generellen Festlegung einer bestimmten Altersgrenze auch nicht entgegen, wenn etwa in § 13 Abs 2 BDG ausnahmsweise im Einzelfall eine Verlängerung der Berufstätigkeit in Betracht kommt. Dies entspricht auch der bereits zitierten Rechtsprechung des EuGH. Voraussetzung ist jedenfalls ein besonders wichtiges dienstliches Interesse an der Weiterbeschäftigung des betreffenden Beamten, das bei einem Aufnahmewerber typischerweise nicht vorliegen kann und auf das sich auch der Kläger gar nicht beruft. Auch der Umstand, dass für Verfassungsrichter eine Altersgrenze von 70 Jahren gilt (Art 147 Abs 6 B VG), kann nicht als Argument dafür herangezogen werden, dass die Altersgrenze von 65 Jahren für Beamte, Richter und Staatsanwälte eine Altersdiskriminierung darstellen könnte. Abgesehen davon, dass die Stellung als Verfassungsrichter von den genannten Berufsgruppen grundsätzlich unterscheidet (vgl auch Art 147 Abs 2 B VG), kann die Sonderbehandlung eines derart kleinen Personenkreises ähnlich wie die durch § 13 Abs 2 BDG ermöglichte abweichende Behandlung einzelner Beamter keineswegs zur Verfassungswidrigkeit oder gar zur Unionsrechtswidrigkeit der generellen Altersregel für die sonstigen Beschäftigten im öffentlichen Dienst führen.

Ob durch § 261c ASVG für die auf privatrechtlicher Basis unselbständig Beschäftigten ein besonderer Anreiz für die Fortsetzung des aktiven Berufslebens über das 65. Lebensjahr hinaus geschaffen wurde, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung, geht es doch hier um die Beurteilung von Altersgrenzen im öffentlichen Dienst. Dem Kläger, der die Aufnahme einer neuen, bisher nicht ausgeübten Erwerbstätigkeit angestrebt hat, steht es frei, sich um die Begründung eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bemühen.

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00195.14D.1022.000