OGH vom 13.07.2000, 6Ob114/00h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1. Josef B*****, 2. Alexander K***** und 3. Johann R*****, alle vertreten durch Dr. Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Parteien Dr. Georg Z*****, vertreten durch Dr. Gottfried Korn und Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und Urteilsveröffentlichung über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom , GZ 4 R 230/99v-8, mit dem der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 19 Cg 131/99g-4, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der beklagte Rechtsanwalt wurde von Familienangehörigen des am anlässlich seiner Abschiebung nach N***** während des Fluges verstorbenen Marcus O***** (im Folgenden nur Schubhäftling) mit der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gegen die drei mit der Abschiebung befassten klagenden Polizeibeamten beauftragt. Der Beklagte bezeichnete die Kläger in einer Pressekonferenz am als "Verbrecherpolizisten".
Die Kläger begehrten, den Beklagten schuldig zu erkennen, die Verbreitung der Behauptung, sie seien "Verbrecher-Polizisten" oder sinngleicher Behauptungen zu unterlassen und stellten ein entsprechendes Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren. Zugleich begehrten sie zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruches die Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit einem dem Klagebegehren identen Unterlassungsgebot.
Der Beklagte habe mit dieser Äußerung grob ehrenrührige Tatsachen verbreitet. Die Behauptung sei unrichtig. Es sei zwar eine Voruntersuchung wegen des Verdachtes nach § 312 Abs 3 StGB gegen die Kläger anhängig, doch sei weder Anklage erhoben worden noch der Sachverhalt einigermaßen aufgeklärt. Obgleich die Kläger nicht namentlich genannt worden seien, sei ihre Betroffenheit zu bejahen, weil ihre Identität für einen größeren Personenkreis erkennbar sei.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrages. Seine Äußerung sei "leider wahr". Die Kläger hätten den Tod des Schubhäftlings durch ihre Knebelungsmaßnahmen kausal verursacht und den äußeren Tatbestand des Mordes nach § 75 StGB verwirklicht. Es liege auch die subjektive Tatseite zumindest im Sinn des Eventualvorsatzes vor. Der Beklagte sei als Rechtsanwalt keineswegs zur Wahrung der Unschuldsvermutung nach Art 6 Abs 2 EMRK verpflichtet. Er habe nicht rechtswidrig gehandelt, weil er gemäß § 9 Abs 1 RAO befugt sei, Alles der Vertretung seiner Partei Dienliche unumwunden vorzutragen. Seine Mandanten seien der Ansicht, der Schubhäftling sei von den Klägern vorsätzlich getötet worden; dies entspreche auch der Auffassung des Beklagten, weshalb seine Äußerung gerechtfertigt sei. Bei antragsgemäßer Erlassung der einstweiligen Verfügung wäre der Beklagte ungeachtet seiner Position als Vertreter der Privatbeteiligten sogar im Strafverfahren nicht berechtigt auszuführen, dass es sich bei den drei Klägern aus der Sicht der Privatbeteiligten um Verbrecher handle, die zu verurteilen seien, wozu er aber gemäß § 9 RAO berechtigt und verpflichtet sei.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:
Die Kläger sind Angehörige der Bundespolizeidirektion Wien und waren im Rahmen der Fremdenpolizei mit der Überstellung des Schubhäftlings im Zuge einer behördlichen Abschiebung nach S***** betraut, während der der Schubhäftling ums Leben kam. Wegen dieses Vorfalles ist gegen die Kläger eine Voruntersuchung wegen des Verdachtes nach dem § 312 Abs 3 StGB anhängig, sie sind vom Dienst suspendiert. Der Beklagte ist Rechtsvertreter des Bruders sowie des Schwagers des Verstorbenen. Am fand eine Pressekonferenz statt, die auch auf Tonband mitgeschnitten wurde und bei welcher die Angehörigen des verstorbenen Schubhäftlings einige Worte an die Journalisten richteten und ihre Ansicht vertraten, er sei von den Polizeibeamten umgebracht worden. Danach sprach ein Vertreter der Organisation "SOS Mitmensch" über die grundsätzliche Bedeutung des Vorfalles aus der Sicht dieser Organisation. Anschließend hielt der Beklagte ein 15 Minuten dauerndes Referat, in dem er zunächst die Ergebnisse aus dem Strafakt, soweit sie ihm zur Verfügung standen, wiedergab, insbesondere die Aussage zweier niederländischer Zeugen, die berichtet hatten, dass beim Schubhäftling am Schluss noch ein Gummi- oder Lederriemen um den Körper angebracht worden sei, wobei sich ein Polizist mit seinem Fuß gegen den Vordersitz gestemmt habe, um den Riemen möglichst fest anzuziehen. Sodann deponierte der Beklagte, dass es in erster Linie darum gehe, dass Gerechtigkeit geschehe und dass die "Verbrecherpolizisten", die im öffentlichen Dienst nichts verloren hätten, verurteilt würden. Diese Aussage wurde sowohl im Hörfunk als auch in diversen Tageszeitungen verbreitet. Nach dem derzeitigen Stand des Strafverfahrens ist der Schubhäftling durch Ersticken verstorben, d.h., dass sein Tod durch eine mechanische Asphyxie, durch Zudrücken der äußeren Atmungsöffnungen, möglicherweise im Zusammenhang mit Niederdrücken des Halses und Immobilmachung des Brustkorbes mittels Verbinden, herbeigeführt wurde. Nach einvernehmlichen Angaben war er bereits beim Besteigen des Flugzeugs (er musste getragen werden) an Händen und Füßen gebunden und sein Mund mit einem Klebestreifen verklebt. Diesbezüglich haben die Kläger angegeben, dass er im Transportfahrzeug getobt und versucht habe zu beißen, was als Rechtfertigung für das Zukleben des Mundes angesehen werde. Zu diesem Zwecke wird Leukoplast mitgeführt. Der Mund des Häftlings wurde zunächst mit Leukoplast und in der Folge mit einem zusätzlichen Klebeband zugeklebt. Nach den vorliegenden Aussagen tobte der Schubhäftling im Transportfahrzeug, versuchte, mit dem Kopf gegen die Scheibe zu schlagen und biss das Leukoplast-Pflaster durch, weswegen er auf die beschriebene Weise gefesselt wurde, um weiteren Widerstand unmöglich zu machen. Die Oberarme des Schubhäftlings wurden fixiert, indem Klebeband in Brust- und Ellbogenhöhe um seinen Körper gewickelt wurde, ebenso wurden die Beine mit Klebeband fixiert. Das Klebeband um den Mund war rund um den Kopf gewickelt. Flugpassagiere bestätigten, dass der Schubhäftling, als er ins Flugzeug gebracht und auf seinen Platz gesetzt wurde, noch getobt habe, indem er mit Händen und Beinen um sich schlug und gegen die Vordersitze schlug und weiters zu schreien versuchte. Deswegen wurde er im Flugzeug noch an den Sitz angebunden. Ein Zeuge gibt an, der Schubhäftling sei noch vor dem Start mit einer Art Gummiseil, das über seinen Körper angebracht und von dem hinter ihm sitzenden Polizisten gehalten worden sei, gefesselt worden, weiters sei zusätzliches Klebeband um sein Kinn und den oberen Teil des Kopfes angebracht worden, sodass er das Kiefer nicht mehr bewegen habe können. Ein anderer Zeuge gab an, es sei der größere Teil des Halses mit Klebeband verklebt und der freie Bereich stark angeschwollen gewesen. Eine Flugpassagierin berichtet, ihrer Meinung nach habe der Schubhäftling versucht, sich von den Fesseln zu befreien und deswegen mit den Füßen gegen den Vordersitz getreten. Er sei auf Grund dessen von den Klägern mit Klebeband, das um seinen Brustkorb und den Sitz herumgezogen wurde, am Sitz befestigt worden. Um das Band anzuziehen, habe sich der Beamte mit dem Fuß gegen den Vordersitz gestemmt. Dabei sei gelacht worden, wobei sie aber nicht sagen könne, ob dieses Lachen im Zusammenhang mit dem Festziehen des Bandes gestanden oder durch Nervosität ausgelöst gewesen sei. Diese Aussage wird noch von einer zweiten Zeugin bestätigt. Ein anderer Zeuge deponierte, dass sein Kollege "die Österreicher" von Zeit zu Zeit während des Fluges gefragt habe, wie sich der abzuschiebende Mann befinde, weil er (der Kollege) besorgt gewesen sei, dass Erstickungsgefahr bestehe. Daraufhin habe der neben dem Schubhäftling sitzende Beamte von Zeit zu Zeit seinen Puls gefühlt und bestätigt, dass alles in Ordnung sei. Von den Klägern wird zugegeben, dass der Schubhäftling mit Klebeband an der Rücklehne des Sitzes befestigt wurde; dass die Kläger, um zu verhindern, dass er mit dem Kopf hin und her schlage, mit einem weiteren Klebeband über seinen Mund seinen Kopf an der Nackenstütze fixierten; dass sie durch ein zweites Klebeband über die Unterseite des Kinns das Bewegen des Kiefers unmöglich machten; dass der Zweitkläger das Ende des Klebebandes, mit dem die Füße des Schubhäftlings zusammengeklebt waren, in den Händen festhielt, um zu verhindern, dass er gegen den Vordersitz treten konnte. All dies alles ereignete sich vor bzw bis kurz nach dem Start. Während des Fluges verhielt sich der Schubhäftling im Wesentlichen ruhig. Sein Tod wurde erst nach der Landung, etwa 2 bis 2 1/2 Stunden nach dem ersten Verkleben des Mundes, festgestellt.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass der Vorwurf, die Kläger seien "Verbrecherpolizisten", den Tatbestand des § 1330 Abs 1 sowie Abs 2 ABGB verwirkliche. Die Äußerung gehe über das Unterstellen fahrlässiger Handlungen hinaus und schließe in sich, dass der Vorsatz der Kläger auf den Tod oder zumindest auf eine Körperverletzung des Schubhäftlings gerichtet gewesen sei. Die Widersprüche zwischen den Angaben der Zeugen und der Kläger reichten aber für die Bescheinigung der Wahrheit dieser Behauptung nicht aus. Die Kläger hätten auch ohne Namensnennung wegen der Bekanntheit des Falles von einer größeren Zahl über die Zusammenhänge informierter Personen identifiziert werden können, sodass ihre Betroffenheit zu bejahen sei. An die Äußerungsfreiheit nach § 9 Abs 1 RAO seien dann, wenn die Äußerungen nicht im Gerichtssaal erfolgten, strenge Anforderungen zu stellen. Im damals vorliegenden Verfahrensstadium seien die Äußerungen des Beklagten keineswegs im Interesse seiner Auftraggeber unabweislich gewesen. Der Beklagte hätte den Standpunkt seiner Mandanten auch in sachlicher Weise zielführend darlegen können.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es nahm zusätzlich zu dem vom Erstgericht als bescheinigt angesehenen Sachverhalt als bescheinigt an, dass die Kläger von mehreren Personen, und zwar einerseits aus dem Kollegen-, andererseits aus ihrem Bekanntenkreis fernmündlich und persönlich darauf hingewiesen wurden, dass in Hörfunksendungen des ORF und in einer Zeitung von einer Pressekonferenz der Angehörigen des Schubhäftlings berichtet worden sei, wobei deren Rechtsanwalt sie als "Verbrecherpolizisten" bezeichnet habe, "die verurteilt werden müssten". Dies genüge, um die persönliche Betroffenheit der Kläger zu bejahen.
Der Beklagte habe zum Ausdruck bringen wollen, die Kläger hätten dem Schubhäftling zumindest vorsätzlich Qualen zugefügt, die seinen Tod zur Folge gehabt hätten. Es könne daher keine Rede davon sein, dass der Beklagte eine Wertung vorgenommen habe, sondern er habe Verdachtsmomente - wie schwerwiegend sie im vorliegenden Fall auch sein mögen - als bereits erwiesene Tatsachen dargestellt. Die Öffentlichkeit und insbesondere auch die Berufskreise der Kläger hätten davon ausgehen müssen, ein erfahrener Rechtsanwalt wisse, dass ein Verbrechen eine vorsätzliche Tat mit einem hohen Strafrahmen voraussetze und ein "Verbrecher" daher eine solche konkrete Tat begangen haben müsse und nicht nur - wie etwa ein juristischer Laie und insbesondere emotionsgeladene Angehörige meinen könnten - ein in der Gesellschaft allgemein verabscheutes Verhalten gesetzt habe. Nach dem vorliegenden Verfahrensstand könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Kläger dem Schubhäftling vorsätzliche Qualen zufügen hätten wollen, die zu einer schweren Körperverletzung oder zu seinem Tod führen könnten oder sie sogar mit Eventualvorsatz auf Tötung gehandelt hätten. Die Äußerung sei auch nicht mit § 9 Abs 1 RAO zu rechtfertigen, wie das Erstgericht zutreffend dargelegt habe. Das Unterlassungsgebot sei nicht zu weit gefasst, weil dem Beklagten dadurch ein gemäß § 9 Abs 1 RAO gedecktes pflichtgemäßes Vorbringen in einem Gerichtsverfahren nicht verwehrt sei.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehlt, ob im Sinn des § 1330 ABGB tatbestandsmäßige, aber allenfalls prozessrelevante Äußerungen eines Rechtsanwalts außerhalb des Verfahrens gemäß § 9 Abs 1 RAO gerechtfertigt sein können und, verneinendenfalls, ob das Verbot der Verbreitung auf Äußerungen außerhalb von Gerichtsverfahren zu beschränken wäre. Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
a) Zur Frage, ob eine unrichtige Tatsachenbehauptung oder ein bloßes Werturteil vorliegt:
Der Beklagte hält nach wie vor seine Ansicht aufrecht, die Bezeichnung der Kläger als "Verbrecherpolizisten" sei im Zusammenhang gesehen als reines Werturteil zu qualifizieren, weil er den Sachverhalt detailliert geschildert und diesen bloß juristisch bewertet habe.
Dem kann nicht beigetreten werden: Zwar soll das Ziehen unrichtiger Schlüsse aus einer (wahren) Tatsachenbehauptung nach SZ 18/93 nicht als unrichtige Äußerung des Mitteilenden zu werten sein. In 4 Ob 138/99v (= MR 1999, 290 (Korn) = JBl 2000, 37 = EvBl 1999/211) wurde auch bereits ausgesprochen, dass die Äußerung einer Rechtsauffassung unter Umständen als Wertung zu qualifizieren sei, wenn sie aus einem Vorgang persönlicher Erkenntnisgewinnung beruhe. Der Beklagte verkennt aber hier, dass der Begriff des Verbrechens (§ 17 StGB) ein wesentliches Element enthält, das zusätzlich zu dem damals bereits bekannten Sachverhalt vorliegen muss, um eine solche juristische Subsumtion zu rechtfertigen, nämlich die erforderliche subjektive Tatseite des Vorsatzes zumindest in Form des dolus eventualis, gerichtet auf das Zufügen von Qualen (oder gar des Todes, wie der Beklagte meint); dies ist jedoch hier nicht bescheinigt. Es geht hier nicht bloß um eine auf Wertungen beruhende subjektive Rechtsmeinung des Beklagten, der als Rechtsanwalt sehr wohl um die Tragweite der Bezeichnung der Kläger als "Verbrecher" wissen musste, sondern um einen gezielten und konkreten Vorwurf eines Verhaltensunrechts der Kläger, für die die damals vorliegenden Umstände zumindest keine hinreichenden Anhaltspunkte boten. Hat der Sachverhalt dieses Tatbestandselement des Vorsatzes nicht indiziert, kann die Bezeichnung der Kläger als "Verbrecher" nicht als bloße juristische Wertung abgetan werden, sondern ist bei der gebotenen ungünstigsten Auslegung (6 Ob 90/99z mwN ua) als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren. Hat der Beklagte aber seine Schilderung der Vorfälle schon in die Richtung eines bestehenden Vorsatzes gefärbt, könnte ihm die dann allenfalls richtige Subsumtion der behaupteten Handlungen der Kläger unter dem Begriff des Verbrechens nicht vom Vorwurf der Unrichtigkeit befreien, die er zumindest kennen hätte müssen.
Im Übrigen vermag der Revisionsrekurs den Ausführungen der Vorinstanzen hiezu nichts Überzeugendes entgegenzuhalten (§ 510 Abs 3 ZPO). Diese haben zutreffend das Vorliegen einer rufschädigenden Tatsachenbehauptung, deren Richtigkeit der Beklagte bescheinigen hätte müssen, die er aber nicht bescheinigen konnte, angenommen.
b) Zur Betroffenheit der Kläger:
Die Ausführungen der Vorinstanzen zur Frage der Betroffenheit der Kläger stehen ebenfalls mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Einklang.
Es ist zwar richtig, dass sich der Vorwurf des Klägers gegen einzelne bestimmte Personen richtete, die für das angesprochene breite Publikum nicht näher identifizierbar waren. Die Identifizierungsmöglichkeit war aber immerhin im engeren Kreis der mit den Klägern im Berufsalltag zusammenarbeitenden Berufskollegen und ihrer Bekannten gegeben. Dass die Kläger von verschiedenen Personen tatsächlich als die vom Beklagten angesprochenen "Verbrecherpolizisten" identifiziert wurden, macht der Umstand deutlich, dass diese nach den Berichten der Medien über die Pressekonferenz persönlich darauf angesprochen wurden. Dies reicht aber, wie der erkennende Senat bereits mehrfach ausgeführt hat, für die persönliche Betroffenheit des Einzelnen hin, auch wenn dieser nicht namentlich genannt wurde (6 Ob 218/98x; 6 Ob 21/99b = MR 1999, 76 = ecolex 1999, 688). Bei einer Kritik ohne Namensnennung, bei der nur eine Identifizierbarkeit für bestimmte, mit den Klägern in Kontakt stehende Personen - hier jene, die wissen, dass die Kläger mit der Abschiebung des Schubhäftlings betraut waren - besteht, ist der Unterschied zur Namensnennung lediglich für das Ausmaß der Rufschädigung und die Zahl der Personen, die die Identifizierung vornehmen können, bedeutsam, nicht aber für die vorgelagerte Frage, ob eine Identifizierung überhaupt möglich ist. Bei Bejahung dieser Frage ist aber die persönliche Betroffenheit und die im § 1330 ABGB geforderte Öffentlichkeit (Verbreitung) gegeben (6 Ob 21/99b). Der Umstand, dass die die Kläger als von der Äußerung des Beklagten betroffen identifizierenden Kollegen und Bekannten "vorinformiert" waren, vermag daran nichts zu ändern. Auf Grund des großen Aufsehens, das der Tod des Schubhäftlings in der Öffentlichkeit hervorgerufen hat, ist zwar davon auszugehen, dass sich zum Zeitpunkt der Pressekonferenz im näheren Kollegen- und Bekanntenkreis der Kläger bereits herumgesprochen hatte, dass diese in den Vorfall involviert sind. Es deutet aber nichts darauf hin, die Kollegen und Bekannten der Kläger wären auch insofern "vorinformiert" gewesen, dass der Tod des Schubhäftlings durch verbrecherische Handlungen der Kläger hervorgerufen worden wäre oder dass der Kollegen- und Bekanntenkreis gar schon selbst die Kläger solcherart "vorverurteilt" gehabt hätte.
c) Zur Frage der Rechtfertigung nach § 9 RAO:
Jeder Unterlassungsanspruch setzt die Rechtswidrigkeit der begangenen oder drohenden Eingriffshandlung voraus. Dies gilt umso mehr für den - nicht Gegenstand des Sicherungsverfahrens bildenden verschuldensabhängigen - Anspruch auf Widerruf und Veröffentlichung (ÖBl 1991, 23 ua). Die Rechtswidrigkeit ist regelmäßig schon dann gegeben, wenn ein Verhalten ein gesetzliches Tatbild erfüllt. Sie kann aber im Einzelfall ausgeschlossen sein, wenn für das Handeln oder Unterlassen ein besonderer Rechtfertigungsgrund vorlag. Ein solcher Rechtfertigungsgrund muss sich im Wege einer Interessenabwägung aus weiteren Geboten oder Verboten der gesamten Rechtsordnung gewinnen lassen. Ein Rechtfertigungsgrund für eine herabsetzende Tatsachenbehauptung kann dann vorliegen, wenn sie in Ausübung eines Rechtes aufgestellt wurde. Dies gilt insbesondere für Straf- und Disziplinaranzeigen sowie grundsätzlich für jede Prozessführung (4 Ob 168/93 = SZ 67/10 mwN) wie für Partei- und Zeugenaussagen (SZ 56/74) oder für Äußerungen eines Sachverständigen in einem Prozess (MR 1995, 138). Das Prozessvorbringen durch einen Rechtsanwalt ist überdies nach § 9 Abs 1 RAO gerechtfertigt (SZ 67/10). Die Rechtsprechung nimmt bei der Bejahung des Rechtfertigungsgrundes darauf Rücksicht, dass das Recht jedes Rechtssuchenden, bei Meinungsverschiedenheiten die Hilfe der Behörden in Anspruch zu nehmen, nicht mit einer abschreckenden Verantwortlichkeit nach § 1330 ABGB für die Rechtsverteidigung belastet werden dürfe (4 Ob 61/95 MR 1996, 70 [Walter]; 6 Ob 2042/96d). Wesentliche Voraussetzung der Rechtfertigung ist hiebei, dass die Ausübung des Rechts im Rahmen der Prozessführung nicht missbräuchlich erfolgt. Die Herabsetzung des Gegners darf nicht wider besseres Wissen geschehen (6 Ob 50/98s = ZfRV 1998, 247).
Der Kläger beruft sich darauf, dass er auf Grund der ihm bekannten Fakten und der ihm von den Angehörigen des verstorbenen Schubhäftlings erteilten Informationen, auf die er grundsätzlich vertrauen habe dürfen, davon überzeugt gewesen sei, die Kläger hätten den Schubhäftling zumindest mit dolus eventualis ermordet (§ 75 StGB). Dass er das Vorliegen ausreichender Indizien für das Vorliegen eines Verbrechens nicht bescheinigen konnte, wurde bereits von den Vorinstanzen zutreffend dargelegt. Mit dem Hinweis auf die Informationen seiner Klienten kann sich der Beklagte aber nicht liberieren, weil ihm bekannt sein musste, dass diese nicht Tatzeugen und umso weniger in der Lage waren, Anhaltspunkte für die für das Verbrechen erforderliche subjektive Tatseite zu liefern. Es lag daher auf der Hand, dass die Angehörigen, wenn sie meinten, die Kläger hätten den Schubhäftling ermordet, nur ihre subjektive Meinung zum Ausdruck brachten, worauf die Revisionsrekursbeantwortung zutreffend hinweist.
Auch wenn die vorliegenden Umstände nicht hinreichen mögen, dem Beklagten zu unterstellen, dass seine Äußerung wider besseres Wissen geschah, ist aus den dargestellten Grundsätzen für den Beklagten nichts zu gewinnen. Das bloße "Wissenmüssen" reicht zwar noch nicht dafür aus, dass sich der Beklagte auf den Rechtfertigungsgrund nicht berufen dürfte (6 Ob 50/98s). Der Vorwurf erfolgte jedoch weder im Rahmen eines Prozessvorbringens noch steht er im Zusammenhang mit dem von der Rechtsprechung stets betonten Interesse an einer ordnungsgemäßen Rechtspflege, das Eingriffe in die Ehre eines anderen rechtfertigen kann (SZ 56/74; 6 Ob 50/98s).
Zur auf Grund ähnlicher Interessenlage vergleichbaren Frage, ob Äußerungen eines den Immunitätsschutz des Art 57 Abs 1 B-VG genießenden Abgeordneten zum Nationalrat sanktionslos zu bleiben haben oder nicht, vertreten die herrschende Lehre und Rechtsprechung den Standpunkt, dass die Reichweite der Immunität eng auszulegen sei. "In Ausübung seines Berufes" werden nur jene Äußerungen eines Abgeordneten abgegeben erachtet, die im Plenum oder in den Ausschüssen des Nationalrates vorgetragen wurden. Äußerungen auf Pressekonferenzen fallen nicht darunter (7 Ob 607/90 = MR 1991, 18), obwohl sie ohne Zweifel im Rahmen der allgemeinen politischen Tätigkeit des Abgeordeten abgegeben wurden (6 Ob 79/00m mwN). Auch die in Art 33 B-VG verankerte sachliche Immunität hat der erkennende Senat für einen Abgeordneten, der seine eigenen im Plenum im Schutz der beruflichen Immunität getätigten Äußerungen außerhalb des Plenums wiederholt, bereits verneint (6 Ob 79/00m).
Ein Rechtsanwalt, der im Rahmen einer Pressekonferenz einen verbalen Angriff gegen einen Prozessgegner oder potentiellen Prozessgegner seines Klienten startet, agiert nicht im Rahmen der ihm als Rechtsvertreter zukommenden Aufgaben der Rechtspflege und trägt zur Rechtsdurchsetzung oder Rechtsverteidigung nichts sachlich Zielführendes bei. Umso eher muss bei Wertungsgleichheit mit außerparlamentarischen Äußerungen Abgeordneter der Rechtfertigungsgrund des § 9 RAO für Rechtsanwälte auf unmittelbar mit diesen Aufgaben des Rechtsanwaltes verbundenen Behauptungen und auf Äußerungen, die anlässlich jener Schritte getätigt wurden, die die Rechtsprechung schon bisher als Aufnahme von § 1330 ABGB ansah, begrenzt werden.
Die Erwägung, der Schutz der Berufsausübung des Abgeordneten solle nicht dazu führen, dass Politiker missliebige Personen ohne jede Verantwortlichkeit gegenüber dem Betroffenen nachhaltig schädigen könnten, ist auch auf den Rechtsanwalt übertragbar. Pressekonferenzen wie überhaupt mediale Ereignisse sind regelmäßig kein geeignetes Forum, Rechtsstandpunkte gegenüber einem Verfahrensgegner durchzusetzen. Öffentliche ehrenbeleidigende Behauptungen über den Gegner können nur zu einer unsachlichen Emotionalisierung führen, die der ordnungsgemäßen Rechtspflege nicht nur nicht dienlich, sondern abträglich sind. Während dem Gegner vor Gericht rechtliches Gehör zu gewähren ist (Art 6 MRK), hat der Betroffene, dessen Ehre anlässlich medialer Ereignisse angegriffen wird, in den meisten Fällen keine Möglichkeit, den Angriffen auf die selbe Art und Weise entgegenzutreten. Er wäre bei der vom Beklagten gewünschten Auslegung des § 9 RAO einer öffentlichen Herabwürdigung schutzlos ausgeliefert.
Es entspricht auch der deutschen Rechtsprechung, dass zwar ehrenkränkende Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem Gerichtsverfahren dienen, in aller Regel nicht mit Ehrenschutzklage abgewehrt werden können, dass der Ausschluss von Ehrenschutzklagen aber nicht zu rechtfertigen ist, wenn die beanstandeten Äußerungen in Rundschreiben und ähnlichen Aktionen zur Durchsetzung von Interessen außerhalb der prozessualen Rechtsverfolgung aufgestellt werden (BGH in NJW 1992, 1314 mwN).
Es liegt hier auch kein Sachverhalt vor, der jenem vergleichbar wäre, der dem Urteil des OLG Wien zu 27 Bs 446/88 = MR 1988, 191 zu Grunde lag, weil die Äußerungen des Beklagten nicht etwa als Antwort auf unmittelbar vorangehende Beschuldigungen seiner Mandanten oder des verstorbenen Schubhäftlings fielen. Eine weitere Auseinandersetzung damit, ob die Zubilligung des Rechtfertigungsgrundes des § 9 RAO (bzw § 114 StGB) in einem solchen Fall zu bejahen wäre, erübrigt sich daher.
Dem Beklagten kommt der von ihm herangezogene Rechtfertigungsgrund des § 9 RAO nicht zugute.
d) Zur Frage, ob das Unterlassungsbegehren zu weit gefasst ist:
Es besteht kein zwingender Anlass, Rechtfertigungsgründe und daraus
resultierende Ausnahmen vom gerichtlichen Verbot in den Spruch
aufzunehmen, gelten diese doch auf Grund des Gesetzes unabhängig
davon, ob sie im Spruch des Unterlassungsgebotes ausdrücklich erwähnt
werden oder nicht. Liegt der eine (weitere) gemäß § 1330 ABGB
tatbestandsmäßige Äußerung rechtfertigende Tatbestand des § 9 RAO
vor, kann auf Grund des hier ergangenen gerichtlichen
Unterlassungsgebotes nicht erfolgreich Exekution geführt werden (ÖBl
1980, 141; 4 Ob 91/89 = MR 1989, 145; 4 Ob 19/90 = ÖBl 1990, 168; 4
Ob 87/92 = MR 1993, 69 je zu den gesetzlichen Ausnahmen vom
Zugabenverbot).
Dass eine derartige Einschränkung im Spruch der dem Unterlassungsbegehren stattgebenden gerichtlichen Entscheidung zum Ausdruck kommen müsste, lässt sich im Übrigen auch den Ausführungen Wenzels in Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung4, 387, Rz
10.25 und der dort zitierten Entscheidung des BGH, NJW "1993" (richtig: 1992), 1314/1316 nicht entnehmen, beinhalten diese Belegstellen doch lediglich die bereits dargestellten Ausführungen zur materiellen (deutschen) Rechtslage.
Dem Revisionsrekurs ist daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht in Ansehung der Kläger auf § 393 EO, in Ansehung des Beklagten auf den §§ 41 und 50 ZPO iVm §§ 78, 402 EO.