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OGH vom 07.12.1995, 2Ob521/94

OGH vom 07.12.1995, 2Ob521/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadtgemeinde N*****, vertreten durch Dr.Ernst Fasan ua Rechtsanwälte in Neunkirchen, wider die beklagten Parteien 1. Dipl.Ing.Rudolf G*****, 2.Christine G*****, beide vertreten durch Dr.Erich Hermann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung und Leistung (Streitwert S 60.000), infolge von Rekursen beider Streitteile gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom , GZ R 456/93-20, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom , GZ 2 C 2158/92i-15, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG P***** mit den Grundstücken ***** Garten und ***** Baufläche im Gesamtausmaß von 1701 m2. Die Liegenschaft grenzt im Süden an den "Kehrbach" (das Grundstück *****). Die Liegenschaft (der Beklagten) gehört zum Stadtgebiet der Stadtgemeinde N*****. Sie ist seit mehr als 30 Jahren nicht zur Gänze eingezäunt, vielmehr verläuft der Zaun dieser Liegenschaft - so wie der der angrenzenden Nachbarliegenschaften - etwa 4 m nördlich des Kehrbaches und der (südlichen) Grundstücksgrenze. Am stellte der Erstbeklagte eine Tafel mit der Aufschrift "Privatgrund. Betreten auf eigene Gefahr bis auf Widerruf gestattet. Die Eigentümer" auf.

Die klagende Gemeinde begehrte die Feststellung einer näher umschriebenen (ersessenen) Wegedienstbarkeit sowie die Verurteilung der Beklagten zur Entfernung der erwähnten Tafel und zur Abgabe einer entsprechenden Aufsandungserklärung zur grundbücherlichen Eintragung der Wegedienstbarkeit. Sie brachte vor, daß sich zwischen dem Zaun der Liegenschaft der Beklagten (und den anderen Zäunen der Nachbarn) und dem Kehrbach seit vielen Jahrzehnten, jedenfalls aber seit mehr als 30 Jahren ein im Gemeingebrauch stehender Weg befinde, den zahlreiche Gemeindebürger, insbesondere aus den Ortsteilen P***** und N***** ständig - ohne signifikante Unterbrechung - für das Gehen, Fahren und Schieben von Fahrrädern, sowie Fahren mit Handwagen benützt hätten. Sie habe dadurch "für ihre Gemeindebürger" die geltend gemachte Dienstbarkeit mit Besitzwillen (auch ihrer Vorgängerin, der Gemeinde P*****) ersessen.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wandten ein: Nur ein sehr kleiner Personenkreis aus der nächsten Umgebung gehe gelegentlich am fraglichen Weg entlang des Kehrbaches spazieren, die weiteren von der klagenden Gemeinde behaupteten Benützungsarten träfen nicht zu. Vor rund 25 Jahren mögen Schulkinder aus L***** entlang des Kehrbaches zur Schule nach P***** gegangen sein. Ihre bis 1978 - zuletzt allein - im Haus wohnende Rechtsvorgängerin habe die Pflege des Gartens und des umstrittenen Grundstücksteiles (Weges) vernachlässigt; zwischen 1978 und 1983 habe der außerhalb des Zaunes liegende Teil des Grundstückes (Weg zum Kehrbach hin) eine "Wildnis" dargestellt. Erst ab dem Frühjahr 1983 habe der Erstbeklagte mit der Rodung derselben begonnen, vorher sei an ein Durchgehen nicht zu denken gewesen. Dies stehe einer Ersitzung entgegen. Aus der gelegentlichen - teils erst nach Einholung der Zustimmung der Beklagten erfolgten - Benützung dieses Weges durch Spaziergänger aus der nächsten Umgebung könne auf einen Besitzwillen der klagenden Gemeinde nicht geschlossen werden. Reparaturarbeiten an der Uferböschung seien vor rund zehn Jahren durchgeführt worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren aufgrund folgender wesentlicher Feststellungen und rechtlicher Beurteilung statt:

"Die Zäune der an den Kehrbach angrenzenden einzelnen Liegenschaften sind bereits 50 oder 60 Jahre alt. Der zwischen den Zäunen und dem Kehrbach liegende, den jeweiligen Anrainern (so auch den Beklagten) gehörige Grundstückstreifen werde seit einem nicht exakt feststellbaren Zeitpunkt, jedenfalls aber zumindest seit 1945 wie folgt benützt: Aus einer Schulchronik des Jahres 1815 ergebe sich, daß bei Schuleröffnung in P***** Kinder von L***** diesen Weg als Schulweg benützten. Sowohl Dorfbewohner aus P*****, als auch solche von L***** benützten den Weg, und zwar ein unbestimmter Personenkreis der Einwohner von P***** und nicht nur Anrainer aus der Umgebung. Auch Spaziergänger, vor allem auch in letzter Zeit, benützten das Grundstück; früher war eine verstärkte Frequenz von Radfahrern zu verzeichnen, in letzter Zeit allerdings nicht mehr. Vor der Errichtung einer neuen Brücke über die Schwarzach bei L***** (vermutlich Ende der 50-er oder Anfang der 60-er Jahre) wurde das Grundstück stärker frequentiert als heute. In früherer (nicht exakt feststellbarer) Zeit wurde es auch jeden Sonntag von Kirchgängern benutzt, ferner fanden darauf seit Ende des Zweiten Weltkrieges bis 1966 Dankprozessionen statt. Bis zum heutigen Zeitpunkt wird das Grundstück - ohne daß eine markante Nutzungsunterbrechung stattfand - vor allem nunmehr von Spaziergängern und Leuten, die ihre Wiesengrundstücke jenseits des Kehrbaches bewirtschaften, benützt. Fallweise fahren auch noch Radfahrer auf dem Weg, (an anderer Stelle der Feststellungen: "in letzter Zeit allerdings nicht mehr"). Im Winter wird der Weg seltener benützt als im Sommer, dennoch zeigt sich im Winter ein ausgetretener Weg, im Sommer zeigt sich eine markante Gehspur. Der Weg wird im Winter nicht von Schnee geräumt, im Sommer wird er von den Eigentümern gemäht. Durch das Wasser des Kehrbaches verursachte Auswaschungen des Weges machten seine Benützung nicht unmöglich und wurden von der klagenden Gemeinde saniert. Bereits anfangs der 80-er Jahre ließ die klagende Gemeinde im Bereich des Weges zwei Bänke aufstellen. In der Folge entstand dort ein Pensionistentreffpunkt, von dem für die jeweiligen Eigentümer (auch die Beklagten) Belästigungen durch Lärm, Abfälle und Beschädigung von Pflanzen entstanden. Dies bewog den Erstbeklagten zur Aufstellung der eingangs genannten Tafel am . Daraufhin traten Bewohner von Peisching an einen Gemeinderat der klagenden Partei mit dem Ziel heran, diese solle die Ersitzung einer Wegeservitut beanspruchen."

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, die klagende Gemeinde habe durch ihre Gemeindeangehörigen, welche diesen Weg durch mehr als 30 Jahre ununterbrochen im Rahmen des Gemeingebrauches durch Gehen und Fahren bzw Schieben von Fahrrädern und Fahren mit Handwagen benützten, eine Wegedienstbarkeit ersessen, zumal dieser Weg für die Gemeindeangehörigen im Sinne der Nutzung von Vorteilen durch Wegabkürzungen und geringere Belastung durch Fahrzeugverkehr "notwendig" sei. Der erst später erfolgten Erklärung des Besitzwillens der klagenden Partei komme nur deklaratorischer Charakter zu.

Das Gericht zweiter Instanz hob infolge Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil auf, verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Es hielt die erstrichterlichen Feststellungen in manchen Punkten für unvollständig und äußerte im wesentlichen folgende Rechtsauffassung:

Bis zur Entscheidung SZ 54/154 habe der Oberste Gerichtshof für die Ersitzung eines als unregelmäßige Servitut zu qualifizierenden Wegerechtes zugunsten einer Gemeinde das Erfordernis der Notwendigkeit einer derartigen Wegeverbindung als Ersitzungsvoraussetzung aufgestellt. In dieser Entscheidung selbst habe er indessen offengelassen, ob dieses Erfordernis aufrecht zu erhalten sei (zumal es dort aus dem Sachverhalt heraus jedenfalls als gegeben angesehen wurde); in der Entscheidung SZ 59/50 habe der Oberste Gerichtshof allerdings erneut eine "gewisse Notwendigkeit" der Wegeverbindung für die Bewohner ganzer Ortsteile als Ersitzungsvoraussetzung angesehen, worunter nicht geradezu die kaum jemals gegebene Unentbehrlichkeit verstanden werden könne, sondern bloß ein für die ganze betroffene Bevölkerung bestehendes Erfordernis.

An diesem Erfordernis sei festzuhalten, weil unregelmäßige Servituten normalerweise an eine physische Person gebunden und damit zeitlich begrenzt seien, während die Ersitzung zugunsten einer Gemeinde in der Regel zu einer Dauerbelastung führe (RZ 1957, 104) und durch die Ersitzung eines unregelmäßigen Wegerechtes zugunsten einer Gemeinde eine besondere Belastung durch die große Anzahl der Benützer verbunden sei, die sonst bei einer unregelmäßigen Dienstbarkeit fehle. Schließlich lasse die Entscheidung SZ 54/154 die Frage nach dem besonderen Erfordernis einer Notwendigkeit des Weges bloß offen, nehme aber andererseits eine Notwendigkeit in der Form als gegeben an, daß in einer Gemeinde mit bedeutendem Fremdenverkehr den Touristen Wanderwege in ausreichender Zahl zur Verfügung zu stehen hätten, wobei ihr Verlangen nach Benützung verkehrsfreier Gemeindestraßen und verschiedener Wege für Hin- und Rückwege nicht außer Betracht bleiben könne. Von dem gesonderten Erfordernis der Notwendigkeit sei daher weiter auszugehen, jedoch sei ein besonders hoher Grad der Notwendigkeit nicht zu fordern. Im vorliegenden Fall habe nun die klagende Gemeinde kein Vorbringen zu einer allenfalls gegebenen Notwendigkeit der Benützung des streitgegenständlichen Weges für die Allgemeinheit erstattet. Da eine Notwendigkeit der Servitut jedoch gefordert werde, sei ihr in erster Instanz Gelegenheit zu geben, entsprechende Behauptungen aufzustellen. Trotz des Fehlens eines derartigen Vorbringens fänden sich überschießende Feststellungen des Erstgerichtes zur Notwendigkeit des Weges. Selbst bei Berücksichtigung dieser lasse sich die Frage der Notwendigkeit des strittigen Weges aber nicht abschließend beurteilen. Den Ersitzungsbesitzer treffe nämlich grundsätzlich die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Ersitzungsvoraussetzungen, wobei es hinsichtlich der Vollendung der Ersitzungszeit genüge, daß der Bestand des Besitzes zu Beginn und am Ende der Ersitzungszeit feststehe. Die Notwendigkeit des Weges sei daher zumindest zu Beginn und am Ende der Ersitzungszeit festzustellen.

Die Gemeinde erwerbe die Servitut durch deren Ausübung seitens der Gemeindeangehörigen und des Touristenpublikums, wobei eine besondere Absicht, das Wegerecht für die Gemeinde zu ersitzen, bei diesen nicht erforderlich sei. Besitz sei die bloße Erscheinung der Zugehörigkeit einer Sache oder eines Rechtes zu einer bestimmten Person, so daß die vom Gegner unwidersprochene Vornahme der zu duldenden Handlung mit dem ersichtlichen Willen, dadurch ein Recht auszuüben, genüge. Mindestens im Tatsächlichen könne der Besitz auch unbestrittenermaßen durch Vertreter ausgeübt werden. Für das Zustandekommen und die Äußerung des Besitzwillens sei aber auch eine bestimmte Form nicht vorgesehen. Es bestehe kein Zweifel, daß der Besitzwille einer Gemeinde gemäß § 863 Abs 2 ABGB auch schlüssig erklärt werden könne. Darüber hinaus werde er ganz allgemein vermutet, wenn Handlungen gesetzt werden, die einer Rechtsausübung entsprächen. Sei nun das Verhalten nicht nur einzelner Gemeindebewohner, sondern aller nach der räumlichen Nähe in Betracht kommenden Personen offenkundig auf die Benützung eines Weges zum allgemeinen Vorteil gerichtet, so sei einerseits die Signalwirkung dieser allgemeinen Benützung des Weges für den Belasteten unübersehbar und andererseits im Zweifel, also bis zum Beweis des Gegenteils, ebenso leicht erkennbar, daß die Gemeinde als Träger des Interesses für das Wohl der Gemeindeangehörigen einen durch diese vermittelten Besitz auch ausüben und erhalten wolle. Ein Gemeinderatsbeschluß sei nicht erforderlich. Einem dennoch gefaßten solchen Beschluß komme nur die Bedeutung zu, den bereits vorher erworbenen Besitz deklarativ zum Ausdruck zu bringen (SZ 59/50 = JBl 1986, 644). Im erneuerten Verfahren werde das Erstgericht möglichst präzise Feststellungen zum Kreis (Anzahl, aber auch Herkunft) der Wegbenützer zu treffen haben. Vorher könne auch der Besitzwille der Gemeinde noch nicht abschließend beurteilt werden.

Für das Ausmaß der Ersitzung sei das Ausmaß des Rechtsbesitzes zu Beginn der Esitzungszeit entscheidend, so daß die Dienstbarkeit nur in jenen räumlichen Grenzen erworben werde, in denen sie schon vor 30 Jahren ausgeübt worden sei. Der Besitz müsse also in dem Umfang, in dem die Dienstbarkeit in Anspruch genommen werde, während der gesamten Ersitzungszeit ausgeübt worden sein. Dies betreffe sowohl die räumlichen Grenzen als auch die Art und Intensität der Ausübung des Rechtsbesitzes. Der Ersitzungsbesitzer habe nachzuweisen, auf welchen Teilen der betroffenen Grundstücke während der Ersitzungszeit Besitzergreifungsakte gesetzt worden seien. Durch Ausübung eines Wegerechtes nur zu bestimmten Zeiten (Jahreszeiten, Wochenende/Kirchgang) könne höchstens ein Recht in diesem Umfang entstehen. Die Feststellungen des Erstgerichtes reichten sohin nicht aus, um aus ihnen das Ausmaß der behaupteten Ersitzung sowohl in räumlicher Hinsicht, als auch nach Art und Intensität der Ausübung zu beurteilen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die zweitinstanzliche Entscheidung eingebrachten Rekurse der Parteien sind zwar im Sinne des zutreffenden Ausspruchs der Vorinstanz zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Selbst die Beklagten bestreiten im Sinne der herrschenden Rechtsansicht nicht, daß die klagende Gemeinde grundsätzlich das strittige Wegerecht als unregelmäßige Dienstbarkeit gemäß § 479 ABGB erwerben (ersitzen) könnte und daß die hiefür ua erforderliche Redlichkeit und Echtheit des Besitzes nach den §§ 328 und 345 ABGB im Zweifel vermutet werden (SZ 59/50 mwN), so daß diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO). Danach trifft aber auch zu, daß von der Rechtsprechung als weitere Ersitzungsvoraussetzung auch die Notwendigkeit einer solchen Dienstbarkeit (für die Gemeinde, -bürger, -besucher.....) gefordert wird (siehe die ausführliche Darstellung der Rechtsprechung und Lehre in SZ 54/154 = JBl 1983, 199). Gerade in dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof zwar, Bedenken aus dem Schrifttum folgend, das Ersitzungserfordernis der Notwendigkeit des Rechtes in Frage gestellt, aber im konkreten Fall nicht verneint, weil nach dem vorliegenden Sachverhalt ohnedies eine solche Notwendigkeit vorlag. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz wurde in SZ 59/50 die Frage der Notwendigkeit der (dort verfahrensbetroffenen) Wegedienstbarkeit nicht weiterbehandelt, sondern auch dort argumentiert, daß im konkreten Falle eine gewisse Notwendigkeit der Wegeverbindung für die Bewohner ganzer Ortsteile vorliege. Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlaßt, im vorliegenden Fall von der ständigen Rechtsprechung abzugehen, daß im Falle der Ersitzung einer unregelmäßigen (Wege-, Schiabfahrts-....)Dienstbarkeit durch eine Gemeinde die Notwendigkeit dieses Rechtes erforderlich sei (RZ 1957, 104 mwN; EvBl 1961/296; JBl 1962, 148 (Gschnitzer); RZ 1966, 165; uam; Ehrenzweig Sachenrecht 10 f). Gerade die in diesen Entscheidungen genannten Erwägungen, daß die einmal begründete (ersessene) Dienstbarkeit sodann ewig währe und die Häufigkeit der Ausübung gemeindeeigener Dienstbarkeiten jene bei Einzelservituten regelmäßig überrage, erfordern eine strengere Rechtserwerbsvoraussetzung als die bloße Nützlichkeit oder Bequemlichkeit des Rechtes im Sinne des § 473 ABGB. Unter dieser Notwendigkeit ist nicht geradezu die Unentbehrlichkeit des Rechtes zu verlangen, sondern auch wirtschaftliche oder kulturelle (Kindergarten-, Schul-, Kirchweg; Freizeitgestaltung für Ortsbewohner oder Touristen; Erholungswirkung für diese Personen...) Notwendigkeit (vgl den Fall der Entscheidung SZ 54/154), jedenfalls aber ein über bloße - nur wenige Personen betreffende - Bequemlichkeiten oder Wegeabkürzungen hinausreichender allgemeiner erheblicher Vorteil des betroffenen Rechtes. Unter diesen Gesichtspunkten kann aber das vorliegende Wegerecht im Zeitpunkt des Beginnes, der Dauer und der Beendigung der Ersitzungszeit durchaus notwendig im dargestellten Sinn gewesen sein. In diesem Zusammenhang ist dem Rekurs der klagenden Gemeinde auch insoweit zu folgen, daß sie selbst den Beginn der Ersitzungszeit nicht etwa mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges (1945) punktuell behauptete, sondern "vor vielen Jahrzehnten" ansetzte, so daß die Ersitzungsvoraussetzungen für den - so genau wie möglich - festzustellenden Beginn der Ersitzungszeit, für diese selbst und für deren Ende (den Zeitpunkt des Rechtserwerbes) festzustellen und für die Beurteilung des Inhalts und Umfangs des Rechtes unter Einbeziehung des Kriteriums der Notwendigkeit maßgebend sein werden.

Auch gegen die von beiden Parteien mit unterschiedlichem Ziel bekämpften Ausführungen der Vorinstanz zum Wesen und zur Äußerung des Besitz-(Ersitzungs-)Willens der Gemeinde bestehen keine rechtlichen Bedenken, so daß auf sie verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Besitzwille muß nicht durch eine nach außen sichtbare Willensäußerung des Gemeindeorganes (Bekanntmachung eines Gemeinderatsbeschlusses) kundgetan werden, es genügt seine schlüssige Äußerung im Sinne der Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung (SZ 59/50 mwN; Schubert in Rummel2 Rz 6 zu § 1460; Pimmer in Schwimann ABGB Rz 12 zu § 480). Für die Beklagten - wie auch schon ihre Rechtsvorgänger - muß daher die allgemeine Benützung des betreffendes Weges unübersehbar und daher im Zweifel auch von ihnen leicht erkennbar gewesen sein, daß die Gemeinde als Träger des Interesses für das Wohl der Gemeindeangehörigen einen durch diese vermittelten Besitz auch ausüben und erhalten wolle (SZ 59/50; Pimmer aaO). Solches ist im vorliegenden Fall nach den bisherigen Behauptungen der klagenden Gemeinde (die einen nachträglichen Gemeinderatsbeschluß in diesem Sinne faßte) und dem bisherigen Sachstand durchaus anzunehmen. Weitere ergänzende Feststellungen in dieser Richtung werden nach der Verfahrensergänzung allenfalls möglich sein.

Da das Gericht zweiter Instanz das erstinstanzliche Verfahren aufgrund seiner, vom Obersten Gerichtshof gebilligten Rechtsansichten (zur Notwendigkeit der verfahrensbetroffenen Wegedienstbarkeit und zur Äußerung und zum Inhalt des Besitzwillens der Gemeinde) für ergänzungsbedürftig hält, bleiben die Rekurse der Parteien ohne Erfolg.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.