OGH vom 21.12.1983, 3Ob173/83
Norm
Kopf
SZ 56/198
Spruch
Reichen die Zinsen aus dem Deckungskapital infolge Geldwertänderung nicht mehr aus, dem Ersteher die Leistungen auf das in Anrechnung auf das Meistbot übernommene Ausgedinge zu vergüten, kann auch auf das Kapital gegriffen werden
(LG Klagenfurt 1 R 335/83; BG Klagenfurt 8 E 13/78)
Text
Der Ersteherin Ingeborg O wurde mit Beschluß vom im Zwangsversteigerungsverfahren der Zuschlag erteilt. Sie hatte nach den Versteigerungsbedingungen in Anrechnung auf das Meistbot die für Kunigunde W einverleibte Reallast des Ausgedinges zu übernehmen. Der Reallastberechtigten ist bei der Meistbotsverteilung das Deckungskapital für die Reallast von jährlich 29 964 S durch zinstragende Anlegung des Betrages von 599 280 S zugewiesen worden. Der Kapitalbetrag fand im Meistbot volle Deckung. Die vom Deckungskapital abreifenden Zinsen gebührten der Ersteherin.
Das Erstgericht wies den Antrag der Ersteherin vom ab, zur Deckung der Aufwendungen für die Befriedigung der Reallastberechtigten neben den Zinsen auch das angelegte Kapital heranzuziehen, den sie damit begrundet hatte, die Zinsen böten keine Deckung für die infolge Wertsicherung erhöhten Aufwendungen. Das Erstgericht vertrat die Ansicht, die dem Ersteher überlassenen Zinsen vom Deckungskapital müßten nicht dem Wert der von ihm zu erbringenden Ausgedingsleistungen entsprechen. Bei deren Änderung könnte nur auf das Kapital gegriffen werden, was unzulässig sei, weil dieses den Berechtigten gebühre, deren Ansprüche aus der Verteilungsmasse nicht mehr voll zum Zuge kamen. Der Ersteher habe sich mit den ihm zukommenden Zinsen zu begnügen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Ersteherin Folge, hob den erstrichterlichen Beschluß auf und verwies die Sache zur Verfahrensergänzung und neuer Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Wert des von der Aufhebung betroffenen Streitgegenstandes 15 000 S übersteige und setzte einen Rechtskraftvorbehalt bei. Die Entwertung gehe nicht zu Lasten des Erstehers. Er könne verlangen, daß auch das Deckungskapital selbst herangezogen werde, um die von ihm an die Ausgedingsberechtigte zu erbringenden aufgewerteten Leistungen zu decken. Es sei daher unter Beiziehung aller Berechtigten das Verfahren über den Antrag der Ersteherin zu ergänzen und festzustellen, welchen Wert die von der Ersteherin tatsächlich an die Reallastberechtigte zu erbringenden Leistungen haben und, wenn dieser den Zinsenertrag übersteige, in Verringerung des Deckungskapitals Ausgleich zu schaffen, auch wenn dadurch der Zinsenertrag stetig vermindert und das Deckungskapital aufgezehrt würde. Die Entscheidung hänge von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der erhebliche Bedeutung iS des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO idF BGBl. 1983/135 zukomme, weil eine Rechtsprechung des OGH dazu fehle.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des betreibenden Masseverwalters nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Auch der OGH übernimmt die in Heller - Berger - Stix 1555 in Abkehr von der noch in (Neumann - Lichtblau[3], 738; s. auch Lehmann, Zwangsversteigerung, 387) vertretenen Meinung, der Ersteher habe den daraus entstehenden Nachteil zu tragen, dargelegte Ansicht, es könne dann auch das Deckungskapital zum Ausgleich der Mehrbelastung des Erstehers herangezogen werden. Dies folgt aus der dem Gesetz zu entnehmenden Zielsetzung, den Ersteher bei Übernahme der Reallast des Ausgedinges in Anrechnung auf das Meistbot nicht über seine Pflicht zur Entrichtung des Meistbots hinaus zu belasten, aber doch dem Ausgedingsberechtigten, der volle Deckung gefunden hat, die Erfüllung seiner Ansprüche zu sichern. Würde der Ersteher auf die Überlassung der abreifenden Zinsen beschränkt, die sich aus der bei der Meistbotsverteilung nach dem damals bestehenden Geldwert der Ausgedingsleistungen und dem Zinssatz errechneten Deckungskapital ergeben, müßte er entweder zu seinem Nachteil den Überhang aus eigenem an den Ausgedingsberechtigten leisten und damit mehr als das Meistbot, zu dem ihm die Liegenschaft zugeschlagen wurde, oder es müßte der Ausgedingsberechtigte eine Kürzung seiner dinglich gesicherten Ansprüche hinnehmen. Beides ist abzulehnen. Anders als im Fall des § 225 Abs. 1 EO, der dem Ersteher, der eine Reallast von unbeschränkter Dauer in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen hat, die Ausfolgung des Betrages zubilligt, aus dessen Zinsen die wiederkehrenden Leistungen oder deren Geldwert berichtigt werden kann, wird das Deckungskapital bei Reallasten von beschränkter Dauer (§ 225 Abs. 2 EO) nie Eigentum des Erstehers. Mit dem frei werdenden Deckungskapital ist vielmehr nach § 219 Abs. 2 EO zu verfahren. Es wird den Berechtigten, deren Ansprüche aus der Verteilungsmasse nicht mehr voll zum Zuge gelangten, nach ihrem Rang und ein Rest dem Verpflichteten zugewiesen. Dem Liegenschaftseigentümer sollen als Gegenwert für die von ihm dem Ausgedingsberechtigten zu erbringenden wiederkehrenden Leistungen die Zinsen aus dem Deckungskapital als gleichwertiger Ausgleich zufallen. Bilden die Zinsen infolge der Geldwertverdünnung oder anderer bei der Bemessung des Deckungskapitals nicht berücksichtigter späterer Änderungen nicht mehr ein Äquivalent für den Aufwand des Erstehers oder der ihm im Eigentum an der Liegenschaft folgenden Personen, den sie an Ausgedingsleistungen an den Berechtigten erbringen müssen, kann nur Abhilfe geschaffen werden, wenn auf das Deckungskapital gegriffen wird. Die Vorschriften des § 225 Abs. 2 EO gelten auch für einverleibte Ausgedinge, die wie Reallasten von beschränkter Dauer zu behandeln sind (§ 226 Abs. 1 EO). Der Ersteher hat dem Berechtigten die ihm kraft des übernommenen Ausgedinges gebührenden Natural- und Geldleistungen zu gewähren. Ist die aus der Verteilungsmasse auf das Ausgedinge entfallende Deckung zu gering, um aus ihren Zinsen diese Leistungen oder ihren Geldwert voll zu berichtigen, darf der Ersteher die zur unverkürzten Aufrechterhaltung der Ausgedingsleistungen erforderlichen Ergänzungsbeträge aus dem Deckungskapital entnehmen. Auch hier sind nachfolgende, nicht mehr zum Zug gelangte Buchberechtigte auf den Überrest des Deckungskapitals verwiesen, falls nicht bis zum Erlöschen des Ausgedingsrechtes das Deckungskapital bereits zur Gänze aufgezehrt ist (Heller - Berger - Stix 1560) und somit der Anspruch des Ausgedingsberechtigten gegen den Ersteher und seine Rechtsnachfolger im Eigentum an der Liegenschaft untergegangen ist. Nicht anders ist vorzugehen, wenn zwar ursprünglich das Deckungskapital richtig bemessen wurde, sich später aber durch Änderung der Umstände ergibt, daß die Deckung unzureichend ist, weil die Zinsen infolge Geldwertänderung nicht mehr ausreichen, dem aus dem Eigentum an der Liegenschaft haftenden Ersteher und seinen Nachfolgern die Leistungen oder ihren Geldwert durch die Überlassung der Zinsen voll zu vergüten. Daß der Ersteher die Bemessung des Deckungskapitals nicht angefochten hat, kann nichts daran ändern, daß die damals noch nicht feststellbaren späteren Erhöhungen der Ansprüche des Ausgedingsberechtigten in bezug auf den Geldwert, sei es durch die infolge der Wertsicherung eintretenden Anpassungen der Geldleistungen, den Ersteher berechtigen, aus dem Deckungskapital entsprechende Ergänzungsbeträge zu beanspruchen. Daß dies letztlich zu der schon vom Rekursgericht aufgezeigten Entwicklung führt, daß der Zinsenertrag ständig sinken und durch immer höhere Ergänzungsbeträge das Deckungskapital fortschreitend verringert wird, ändert nichts daran, daß - weil das Gesetz dies auch im § 226 Abs. 2 Satz 2 EO so vorsieht - der Ersteher nicht verhalten ist, aus seinem Vermögen zur Ergänzung der in Anrechnung auf das Meistbot übernommenen Verpflichtung zur Leistung an den Ausgedingsberechtigten beizutragen, sondern aus dem Deckungskapital dafür volle Entschädigung verlangen kann.
Das Rekursgericht hat daher ohne Rechtsirrtum dem Erstgericht die Feststellung aufgetragen, ob und inwieweit durch nach Bemessung des Deckungskapitals eingetretene Änderungen die Leistungen an den Ausgedingsberechtigten in den Zinsen des angelegten Kapitals nicht mehr Deckung finden. An dem weiteren Verfahren werden alle Personen zu beteiligen sein, deren Rechte durch die Entscheidung berührt werden könnten, also neben der Ersteherin der Verpflichtete und die Berechtigten, deren Ansprüche aus der Verteilungsmasse nicht mehr voll zum Zuge gelangten (§ 218 Abs. 2 EO).
Bei dem Verfahren über den Antrag der Ersteherin handelt es sich um eine Fortwirkung der Meistbotsverteilung. Es findet daher ein Zuspruch der Kosten des Rechtsmittelwerbers schon deshalb nicht statt (JB 201), ohne daß es des Hinweises auf § 78 EO und die §§ 40 und 50 ZPO bedarf, wonach für ein erfolglos gebliebenes Rechtsmittel Kostenersatz nicht zusteht.