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OGH vom 23.10.2018, 4Ob156/18x

OGH vom 23.10.2018, 4Ob156/18x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in den verbundenen Familienrechtssachen des Antragstellers M***** B*****, vertreten durch den Verfahrenshelfer Mag. Helmut Gruber, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, gegen den Antragsgegner N***** M*****, vertreten durch die Verfahrenshelferin Dr. Bärbel Humitsch, Rechtsanwältin in Spittal an der Drau, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 3 R 71/18b-104, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom (richtig) , GZ 2 Fam 90/16t, 2 Fam 52/17f, 2 Fam 44/17d, 2 Fam 88/16y, 2 Fam 5/18w, 2 Fam 6/18t-92, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Sämtliche verbundenen Verfahren betreffen Ansprüche des volljährigen Antragstellers auf Unterhalt samt Sonderbedarf gegen seinen Vater, den Antragsgegner.

Das Erstgericht hat sämtliche Ansprüche abgewiesen und den Antragsgegner von seiner Unterhaltspflicht ab enthoben. Der Antragsteller sei – ungeachtet seiner Arbeitsunfähigkeit – als selbsterhaltungsfähig anzusehen, weil er nach einer Fehlbehandlung Ansprüche gegen das Krankenhaus (es wurde rechtskräftig zur Haftung für alle Folgen des ärztlichen Kunstfehlers verurteilt) auf Zahlung von Schmerzengeld habe und keine Aufklärung über die Verwendung der empfangenen Beträge gegeben habe.

Das Rekursgericht hat den Beschluss des Erstgerichts aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen; es hat den Revisionsrekurs zu den Fragen zugelassen, ob ein volljähriges Kind gegen seinen Vater Unterhaltsansprüche (auch in Form von gesundheitlich bedingtem Sonderbedarf) geltend machen kann, obwohl die Haftung eines Schädigers für alle Folgen aus einem ärztlichen Kunstfehler rechtskräftig feststeht, und ob eine bezahlte Verunstaltungsentschädigung als Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten zu werten oder (wie das Schmerzengeld) nicht zu berücksichtigen ist. Das Rekursgericht erachtete sowohl Schmerzengeld als auch Verunstaltungsentschädigung als Abgeltung eines Sonderbedarfs, die nicht als Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten anzusehen sei. Die Unterhaltsansprüche des Antragstellers seien daher ohne Rücksicht auf das Feststellungsurteil gegen die Krankenanstalt zu prüfen. Es trug dem Erstgericht daher Erörterungen und Feststellungen zum Einkommen und zu den Sorgepflichten des Antragsgegners sowie zu den Grundlagen des geltend gemachten Sonderbedarfs auf.

Der Antragsgegner macht mit seinem – vom Antragsteller mit dem Antrag auf Zurück- bzw Abweisung des Rechtsmittels beantworteten – Revisionsrekurs geltend, der Antragsteller habe gegenüber dem Krankenhaus einen Anspruch auf Leistung einer lebenslangen Rente wegen Verdienstentfalls und Sonderbedarfs. Da er von diesem Titel keinen Gebrauch mache, habe er jeglichen Unterhaltsanspruch verwirkt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1. Eigeneinkommen des Kindes vermindert grundsätzlich seinen gesamten (in Geld und Betreuung im weitesten Sinn bestehenden) Unterhaltsanspruch (RIS-Justiz RS0047440 [T2]). Der Unterhaltsberechtigte hat die Finanzierung eines Sonderbedarfs aus seinen eigenen Einkünften, zu denen auch die Erträgnisse eines Vermögens gehören, zu bestreiten (RIS-Justiz RS0047440 [T11]). Als „eigene Einkünfte“ im Sinne des § 140 Abs 3 ABGB (nunmehr § 231 Abs 3 ABGB) ist grundsätzlich alles anzusehen, was dem Kind an Leistungen, welcher Art immer aufgrund eines Anspruchs zukommt, soweit bestimmte Einkünfte nicht aufgrund gesetzlicher Bestimmungen auf den Unterhalt nicht anrechenbar sind (RIS-Justiz RS0047555 [T4]). Entscheidend für die Anrechenbarkeit oder Nichtanrechenbarkeit „eigener Einkünfte“ des Kindes ist, sofern keine ausdrückliche gesetzliche Anordnung vorliegt, der Zweck der jeweiligen Leistung (RIS-Justiz RS0047555 [T6]). Soweit Zuwendungen Dritter der Deckung der allgemeinen Unterhaltsbedürfnisse dienen, ist der diesbezügliche Unterhalt gedeckt, sodass kein Platz für eine entsprechende Forderung gegen den Unterhaltspflichtigen bleibt.

2.1. Nur dort, wo mit der Drittleistung ein bestimmter Sonderbedarf gedeckt werden soll, bleiben dieser Bedarf und diese Beihilfe bei der Unterhaltsbemessung außer Betracht (vgl 7 Ob 642/88 mwN). Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, trifft dies auf einen Schmerzengeldanspruch des Unterhaltspflichtigen zu, der ähnlich wie ein Ersatz für Sonderbedarf zu sehen und daher in die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht einzubeziehen ist (6 Ob 615/94; RIS-Justiz RS0047435; 8 Ob 140/05d).

2.2. Dasselbe muss auch für einen Schmerzengeldanspruch des Unterhaltsberechtigten gelten, zumal dieser hier wie dort einen bestimmten Sonderbedarf abdecken soll. Das Schmerzengeld ist daher nicht als Eigeneinkommen des Kindes anzurechnen.

3. Gegenteiliges gilt für eine Verdienstentgangsentschädigung (vgl 7 Ob 166/10b zur Einbeziehung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage). Sie dient nicht der Deckung eines bestimmten Sonderbedarfs, sondern jener der allgemeinen Unterhaltsbedürfnisse und ist daher als Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten zu qualifizieren und bei der Frage nach einer (teilweisen) Selbsterhaltungsfähigkeit zu berücksichtigen (vgl RIS-Justiz RS0080395 zu allgemeinen Sozialleistungen, denen Einkommenersatzfunktion zukommt, wie etwa der Mindestsicherung [T27, T 32]).

4. Die Verunstaltungsentschädigung nach § 1326 ABGB dient dem Ausgleich für eine verminderte Erwerbschance. Die Verhinderung des besseren Fortkommens ist ein besonderer Vermögensschaden, der im Entfall einer Verbesserung der Lebenslage besteht; dazu gehören vor allem verschlechterte Berufsaussichten, aber auch der Entgang von Heiratschancen (vgl RIS-Justiz RS0031203). Somit ist auch die Verunstaltungsentschädigung nach § 1326 ABGB der Deckung eines bestimmten Sonderbedarfs gewidmet, sei es als Ersatz für die Behinderung des beruflichen Fortkommens, sei es als Ersatz für die Verminderung der Aussicht, durch eine Eheschließung sein Fortkommen zu verbessern (vgl Hinteregger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04§ 1326 Rz 2).

5. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daher, dass die dem Antragsteller zustehenden Ansprüche gegenüber einem Dritten (Krankenhaus) auf Schmerzengeld und Verunstaltungsentschädigung, die aufgrund ihrer Zweckwidmung nicht der Deckung des Allgemeinbedarfs dienen und auch nicht als „eigene Einkünfte“ unterhaltsmindernd zu berücksichtigen sind. Gegenteiliges gilt hingegen für Ansprüche auf Verdienstentgang, die der Deckung der allgemeinen Unterhaltsbedürfnisse dienen.

6. Den Feststellungen des Erstgerichts ist zu Art und Umfang der Ansprüche des Antragstellers gegen das Krankenhaus nichts Konkretes zu entnehmen. Der Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts ist daher zu bestätigen. Neben der vom Rekursgericht aufgetragenen Erörterung und Ergänzung des Beweisverfahrens zum Einkommen und zur Sorgepflicht des Antragsgegners sowie zu den Grundlagen des geltend gemachten Sonderbedarfs wird das Erstgericht auch die Frage zu erörtern (und allenfalls darüber Beweise zu erheben) haben, inwieweit dem Antragsteller Ansprüche gegen einen Dritten (Krankenhaus) auf Verdienstentgang zustehen und inwieweit ihm die Geltendmachung derartiger Ansprüche zumutbar ist, weil es sich dabei um für ihn leicht erzielbare und ohne weiteres verfügbare Leistungen (vgl RIS-Justiz RS0047835 [T3]) handelt.

7. Über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens ist mangels Sacherledigung nicht zu entscheiden (§ 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00156.18X.1023.000

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