Suchen Hilfe
OGH 17.02.2015, 4Ob261/14g

OGH 17.02.2015, 4Ob261/14g

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj A***** S*****, vertreten durch die Eltern H***** S*****, und J***** S*****, diese vertreten durch Dr. Heinz-Dietmar Schimanko, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Gheneff - Rami - Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 36.000 EUR) und 2.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 172/14t-12, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Beklagte berichtete 2014 in ihrem Printmedium und auf ihrer Website über das angebliche Fehlverhalten einer Nationalratsabgeordneten als Vorstandsmitglied eines Krebshilfevereins. Sie illustrierte den Artikel unter anderem mit einem Lichtbild des minderjährigen Klägers, das ihn im Alter von fünf Jahren erkennbar als Krebspatienten zeigte. Das Foto war 2009 mit Zustimmung seiner Eltern aufgenommen und in der Werbung für den Krebshilfeverein, unter anderem auf Plakaten bis Ostern 2010, verwendet worden. Die Vorinstanzen untersagten der Beklagten die Veröffentlichung des Lichtbilds und sprachen dem Kläger 2.000 EUR Schadenersatz zu.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete außerordentliche Revison der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Die Veröffentlichung des Lichtbilds einer erkennbar schwer kranken Person berührt deren höchstpersönlichen Lebensbereich, zu dem jedenfalls die Gesundheit, das Sexualleben und das Leben in und mit der Familie gehören (4 Ob 150/08z mwN; RIS-Justiz RS0122148). Dieser auch als Intimsphäre bezeichnete Bereich ist sogar bei Politikern und anderen allgemein bekannten Personen zu respektieren (RIS-Justiz RS0077903), er ist grundsätzlich jeder Erörterung in der Öffentlichkeit entzogen (6 Ob 266/06w; 4 Ob 233/08f). Umso mehr muss das bei Personen gelten, die nicht in der Öffentlichkeit stehen. Die Veröffentlichung eines Lichtbilds, das eine erkennbar schwer kranke Person zeigt, ist daher in aller Regel nur mit deren Zustimmung zulässig.

Im vorliegenden Fall haben die Eltern zwar der ursprünglichen - zeitlich beschränkten - Veröffentlichung aus nachvollziehbaren Motiven zugestimmt. Ob ihre Zustimmung wirksam war, ist hier nicht zu beurteilen (vgl dazu Dokalik, „Mein Baby ist ein Star!“ Zum Recht des Kindes am eigenen Bild, FamZ 2006, 4 [6 f]). Jedenfalls deckt sie aber nicht die neuerliche Veröffentlichung des Lichtbilds in einem ganz anderen Zusammenhang. Mit der unter Umständen zulässigen Erörterung des „Outings“ einer bekannten Person (vgl 4 Ob 150/08z mwN) ist die hier zu beurteilende Situation nicht zu vergleichen, da die ursprüngliche Veröffentlichung ausschließlich der Werbung für den Krebshilfeverein dienen sollte. Zudem waren seither fünf Jahre vergangen, sodass die Erinnerung daran längst verblasst war.

Die Beklagte beruft sich darauf, dass sie in Wahrheit nur einen Teil jenes Plakats gezeigt habe, für dessen Gestaltung das Lichtbild verwendet worden war. Dieser Umstand ändert aber nichts an der schwerwiegenden Verletzung der Intimsphäre des Klägers. Weshalb aus der Entscheidung 4 Ob 20/88 (SZ 61/58 = MR 1988, 52 [Walter] - Lachen ist gesund) Gegenteiliges abgeleitet werden sollte, ist nicht erkennbar. Zwar können danach Missdeutungen einer Bildnisveröffentlichung ausgeschlossen sein, wenn es sich um Lichtbilder von Personen handelt, die an allgemein zugänglichen Orten oder an Orten aktuellen Geschehens aufgenommen wurden, sofern ihre Abbildung vom Geschehen nicht zu trennen oder für dessen Darstellung erforderlich ist; dies aber nur unter der weiteren Voraussetzung, dass die Veröffentlichung der Lichtbilder der Darstellung dieser Orte oder des aktuellen Geschehens dient. Hier ist aber keine dieser Voraussetzungen erfüllt. Zum einen geht es nicht um die „Missdeutung“ eines Lichtbilds, sondern schlicht um einen Eingriff in die Privatsphäre des Klägers. Zum anderen hat die Beklagte, wie schon das Erstgericht zutreffend festgehalten hat, gerade nicht über die konkrete Plakataktion berichtet, sondern das Lichtbild ausschließlich zur Erregung von Aufmerksamkeit für den gegen die Politikerin gerichteten Artikel verwendet. Zudem hätte auch bei einem Bericht über die Plakataktion eine Interessenabwägung vorgenommen werden müssen, die im Anlassfall - zumal die Beklagte das Gesicht mit Bildbearbeitungssoftware leicht hätte unkenntlich machen können - zugunsten der Privatsphäre des Klägers ausgefallen wäre.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
Schlagworte
Kinderkrebsforschung,Gewerblicher Rechtsschutz,Urheberrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00261.14G.0217.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
ZAAAD-45452

Ihre Datenbank verwendet ausschließlich funktionale Cookies,

die technisch zwingend notwendig sind, um den vollen Funktionsumfang unseres Datenbank-Angebotes sicherzustellen. Weitere Cookies, insbesondere für Werbezwecke oder zur Profilerstellung, werden nicht eingesetzt.

Hinweis ausblenden