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OGH vom 14.03.2005, 4Ob260/04w

OGH vom 14.03.2005, 4Ob260/04w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Zanger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien (bis ) 1. a*****ges.m.b.H. (FN 99625h), vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, 2. h***** Gesellschaft m.b.H (FN 47951t), vertreten durch DDr. Karl Pistotnik, Rechtsanwalt in Wien, (ab :) erst- und zweitbeklagte Partei mit Vertrag vom verschmolzen zur h***** Gesellschaft m.b.H. (FN 92410y), Wipplingerstraße 31, 1010 Wien, 3. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Unterlassung, Feststellung, Beseitigung, Urteilsveröffentlichung und Schadenersatz (Streitwert im Sicherungsverfahren 21.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 2 R 172/04k-20, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 10 Cg 55/04z-2, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der h***** Gesellschaft mbH die mit 1.126,62 EUR (darin 187,77 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die (zweite) Revisionsrekursbeantwortung der heimatwerbung Gesellschaft mbH wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Vorausgeschickt wird, dass erst- und zweitbeklagte Partei mit Vertrag vom zur h***** Gesellschaft m.b.H. verschmolzen wurden; aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die Parteien gleich wie bisher benannt.

Die Klägerin, ein großes Werbeunternehmen, begehrt zur Sicherung ihres Anspruchs auf Unterlassung der Verletzung des Bundesvergabegesetzes und des § 1 UWG den Beklagten bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs folgende Handlungen zu setzen:

1. Der Drittbeklagten Republik Österreich als öffentliche Auftraggeberin, handelnd durch die Parlamentsdirektion als vergebende Stelle, ohne Durchführung eines den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes entsprechenden Verfahrens den Zuschlag des Auftrags im Vergabeverfahren "Baustellenwerbung ringstraßenseitig" zu erteilen und/oder einen Vertrag über diese Dienstleistungskonzession abzuschließen;

2. der Erst- und Zweitbeklagten sowie der Drittbeklagten als öffentliche Auftraggeberin, handelnd durch die Parlamentsdirektion als vergebende Stelle, Leistungen im Zusammenhang mit der Ausschreibung "Baustellenwerbung ringstraßenseitig" nachzufragen oder anzunehmen.

Die Klägerin stützt ihre Ansprüche auf § 1 UWG und § 879 ABGB. Im Zusammenhang mit der Sanierung von Teilen des Parlamentsgebäudes im Frühjahr 2004 (Rampe und Brunnen) sei eine Baustelleneinfriedung zu errichten gewesen. Die Einfriedung werde einem Werbeunternehmen zur Vermarktung für kommerzielle Außenwerbung zur Verfügung gestellt. Das Parlament nutze die von Werbeunternehmen errichteten Flächen auch für Eigenwerbung. Die Sanierung des Parlaments und die dadurch bedingte Einfriedung der Baustelle lägen im öffentlichen Interesse. Die Parlamentsdirektion habe den Auftrag weder ausgeschrieben noch sonst bekannt gemacht. Die Klägerin habe zufällig davon erfahren. Nachdem sie ihr Interesse bekundet habe, ein Angebot zu legen, sei ihr eine Punktation übergeben worden. Am habe die Klägerin ihr Angebot abgegeben. Darin habe sie einen gewellten Wandschirm mit fünf Werbeträgern („rolling boards") vorgesehen. Die dazwischen liegenden Wandflächen hätten dem Parlament als „historischer Infobereich" zur Verfügung stehen sollen. An den Seitenwänden des Parlaments sei die Errichtung von klassischen Plakatflächen und an den Eckpunkten der Ringstraßenfront von zwei weiteren „rolling boards" für Informationen des Parlaments vorgesehen gewesen. Die Klägerin habe der Parlamentsdirektion 75.000 EUR pro Jahr für die Nutzung der Werbeflächen angeboten. Darüber hinaus sollte die Parlamentsdirektion auf anderen Werbeflächen der Klägerin Eigenwerbung im Wert von 75.000 EUR pro Jahr betreiben können. Weiters sei eine Umsatzbeteiligung des Parlaments in Höhe von 50 % der Nettoeinnahmen „für vermarktete andere unkonventionelle Werbemöglichkeiten am Parlamentsgebäude" angeboten worden. Am sei der Klägerin mitgeteilt worden, Bestbieterin zu sein. Schließlich habe sie erfahren, dass der Zweitbeklagten die Möglichkeit gegeben werde, ihr Angebot nachzubessern. In der Folge habe die Zweitbeklagte ein neues Angebot eingereicht, dem das Angebot der Klägerin zugrunde gelegen sei. Das nachgebesserte Angebot der Zweitbeklagten sei jedoch zum Teil von vornherein nicht zu verwirklichen gewesen. Die Klägerin sei nach wie vor Bestbieterin. Am sei ihr mitgeteilt worden, dass der Auftrag der Zweitbeklagten erteilt werde. Die freihändige Vergabe sei rechtswidrig, weil sämtliche Voraussetzungen für eine Dienstleistungskonzession im Sinne des § 4 BVergG vorgelegen seien. Das Verhalten der Drittbeklagten verstoße gegen das BVergG und die im Vergaberecht herrschenden Grundsätze der Gleichbehandlung der Bieter und der Transparenz. Erst- und Zweitbeklagte hätten auch dadurch wettbewerbswidrig gehandelt, dass sie die mit viel Aufwand und kreativer Leistung erarbeiteten Pläne und das Angebot der Klägerin vollinhaltlich übernommen und als ihre eigenen ausgegeben hätten. Den Verstoß gegen die Vergabebestimmungen und die wettbewerbswidrigen Handlungen hätten die Beklagten in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken bewirkt.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag ohne Anhörung der Beklagten statt. Es hielt folgenden Sachverhalt für bescheinigt:

Die Klägerin hat sich um den Auftrag zur Errichtung einer Baustelleneinfriedung aus Anlass der Sanierung des Parlamentsgebäudes beworben. Die Parlamentsdirektion hat den Auftrag nicht ausgeschrieben. Die Klägerin hat ein Angebot am abgegeben und war Bestbieterin. Das Angebot war von seinem Umfang her mit dem Angebot von der Erst- und der Zweitbeklagten vom nicht zu vergleichen; Erst- und Zweitbeklagte haben nämlich Leistungsbestandteile angeboten, bei denen von Anfang an klar war, dass die zuständige Magistratsabteilung keine Genehmigung erteilen werde. Nach Eröffnung der Möglichkeit der Nachbesserung haben Erst- und Zweitbeklagte offensichtlich unter Zugrundelegung des Angebots der Klägerin am ein neues Angebot eingereicht. Schon die oberflächliche Betrachtung der Skizzen dieses Angebots macht deutlich, dass dem nachgebesserten Angebot das Angebot der Klägerin als Vorlage gedient hat. Auch nach der Nachbesserung sei jedoch die Klägerin immer noch Bestbieterin.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass es sich bei den in Auftrag gegebenen Leistungen um eine Dienstleistungskonzession in Form eines "Gestattungsvertrags" handle. Ein solcher Auftrag unterliege dem BVergG, sodass die Drittbeklagte verpflichtet gewesen wäre, den Auftrag zur Einfriedung des Parlaments auszuschreiben und die Ausschreibung samt den Ausschreibungsunterlagen bekannt zu machen. Eine freihändige Vergabe der Dienstleistungskonzession sei jedenfalls rechtswidrig. Die Drittbeklagte habe gegen die Bekanntmachungsvorschriften des BVergG und die im Vergaberecht herrschenden Grundsätze der Gleichbehandlung der Bieter und der Transparenz verstoßen. Darin liege zugleich ein Verstoß gegen § 1 UWG. Erst- und Zweitbeklagte hätten Pläne der Klägerin nachgeahmt und dadurch wettbewerbswidrig gehandelt.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil sich der Oberste Gerichtshof noch nicht mit einem vergleichbaren Fall eines (behaupteten) Wettbewerbsverstoßes durch Verletzung von Bestimmungen des BVergG befasst habe. Das Rekursgericht würdigte im Rahmen der Beweisrüge die vorgelegten Urkunden und gelangte zur Auffassung, die von der Klägerin angesprochenen Angebote stammten nicht von Erst- oder Zweitbeklagter, sondern von der h***** Gesellschaft m.b.H.. Die von der Klägerin behauptete Beteiligung der Erst- und der Zweitbeklagten an den Angeboten und den damit zusammenhängenden Vorgängen sei daher nicht bescheinigt. Die Feststellungen im angefochtenen Beschluss hätten daher insoweit zu entfallen, als darin zum Ausdruck komme, es wären Angebote oder nachgebesserte Angebote der Erst- oder der Zweitbeklagten vorgelegen oder Erst- oder Zweitbeklagte seien am festgestellten Sachverhalt beteiligt gewesen. Im Übrigen hielt das Rekursgericht folgenden Sachverhalt für bescheinigt:

Die Parlamentsdirektion beabsichtige, mit Werbung an der Einfriedung der Baustelle ringstraßenseitig Erträgnisse zu erzielen. Die Punktation Beil ./F gibt die für die Baustellenwerbung gesetzten Vorgaben wieder: "a) Die Werbung muss mit der Institution Parlament vereinbar sein (...) b) Es darf keine Werbung direkter oder indirekter Art für politische Parteien erfolgen (...) c) Es ist ein Vertrag über die Vermietung aufzusetzen, der die Regeln genauer definiert. So könnte daran gedacht werden, die einzelnen Werbeeinschaltungen auf Verwaltungsebene freizugeben. Andere Mechanismen, sofern erfolgversprechend, könnten überlegt werden. d) Der Vertrag wird über eine minimale Laufzeit von 18 Monaten (Frühjahr 2004 bis Herbst 2005) abgeschlossen. Eine Verlängerung auf maximal sechs Monate ist vom Baufortschritt abhängig. e) An der Baustelle sollen zwei Video-Screens eingerichtet werden. Die Standorte stehen noch nicht fest. Diese Screens könnten ebenfalls unter Anwendung der Regeln a) bis d) vermietet werden. f) Alternativangebote ebenfalls nach den Regeln a) bis d) für das Haus am Haus. Im Angebot ist auszuweisen, ob die Baustelleneinrichtung (Errichtung der Umfriedungsanlage nach architektonischer Vorgabe) bzw die Beistellung der/des Video-Screens seitens der Werbefirma erfolgt."

In rechtlicher Hinsicht ging das Rekursgericht davon aus, dass nach einhelliger Auffassung das BVergG (dem Wortlaut seines § 1 entsprechend) nur für Verfahren zur Beschaffung von Leistungen gelte; nur eine "Einkaufssituation", in der die öffentliche Hand am Markt als Nachfrager von Leistungen auftrete, unterliege dem Vergabegesetz. Eine "Verkaufssituation", in der die öffentliche Hand ihrerseits Leistungen anbiete, unterliege hingegen nicht den vergaberechtlichen Bestimmungen. Gleiches gelte für Verfahren, in denen die öffentliche Hand "Rechte" oder "Lizenzen" an den Meistbietenden versteigere oder nach einem bestimmten Anforderungsprofil an einen ausgewählten Kreis von Unternehmen vergebe. Gegenstand des BVergG seien Beschaffungsvorgänge; Veräußerungsgeschäfte, durch die sich der Staat eine weitere Einnahmequelle eröffne, seien grundsätzlich nicht erfasst. Da zu dieser Frage keine höchstgerichtliche Judikatur bestehe, habe mit gutem Grund vertreten werden dürfen, dass der Auftrag über die Baustellenwerbung an der Ringstraßenfront des Parlamentsgebäudes nicht dem BVergG unterliege. Damit liege insoweit auch keine sittenwidrige Wettbewerbshandlung vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

1. Zu Erst- und Zweitbeklagter

Nach den maßgeblichen Feststellungen des Rekursgerichts ist nicht bescheinigt, dass Erst- und Zweitbeklagte Angebote oder nachgebesserte Angebote abgegeben haben, um den Auftrag der Parlamentsdirektion zur Errichtung einer Baustelleneinfriedung im Zusammenhang mit der Sanierung des Parlamentsgebäudes zu erlangen. Das Rekursgericht gelangte deshalb zur Abweisung des Sicherungsantrags gegen diese beiden Parteien mangels passiver Klagelegitimation abgewiesen.

Die Klägerin hält dem im Revisionsrekurs entgegen, Erst- und Zweitbeklagte hätten "maßgeblichen Einfluss" auf jene "vorgeschobenen" Gesellschaften, die Angebote im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Auftrag abgegeben hätten, es bestünde Identität in der Person des Geschäftsführers, die verschiedenen Gesellschaften der "Unternehmensgruppe" träten im geschäftlichen Verkehr als unternehmerische Einheit auf; Erst- und Zweitbeklagte seien als "Dachorganisationen" zur Auswahl berechtigt gewesen, welches Unternehmen der Gruppe Vertragspartner für den hier zu beurteilenden Geschäftsfall werden sollte.

Mit diesem Vorbringen weicht die Klägerin von dem in erster Instanz behaupteten Sachverhalt ab. Sie verstößt damit gegen das auch im Sicherungsverfahren und selbst dann geltende Neuerungsverbot, wenn - wie hier - der Beklagte in erster Instanz nicht gehört worden ist (4 Ob 91/89 = ÖBl 1990, 32 - Vergleichsangebot an Dritte; RISJustiz RS0002445 [T4]; Kodek in Angst, EO § 402 Rz 8). Die im Revisionsrekurs vertretene Auffassung, in Wettbewerbsangelegenheiten sei das Unterlassungsbegehren "gegen jede Person berechtigt, die [...] als einflussnehmendes Unternehmen auf das wettbewerbswidrige Verhalten Auswirkungen hat", bedarf daher keiner näheren Prüfung.

2. Zur Drittbeklagten

Ein Gesetzesverstoß begründet nur dann sittenwidriges Handeln im Sinne des § 1 UWG, wenn er subjektiv vorwerfbar und geeignet ist, dem Verletzer einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen. Maßgebend ist daher, ob die Auffassung des Beklagten über die Auslegung der angeblich verletzten Norm durch das Gesetz so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten kann (stRsp 4 Ob 331/82 = ÖBl 1983, 40 - Metro Post I; 4 Ob 178, 179/89 = ecolex 1990, 426 [Kucsko] - Semmeln am Sonntag; zuletzt etwa 4 Ob 99/03t = ÖBl 2004, 57 - Veranstaltungshinweise uva). Im wettbewerbsrechtlichen Zusammenhang ist damit allein zu prüfen, ob die Auffassung der Drittbeklagten, der Vertrag über die Einfriedung der Baustelle ringstraßenseitig sei keine ausschreibungspflichtige Dienstleistungskonzession iSd § 4 Abs 2 BVergG und sein Abschluss daher kein dem BVergG unterliegender Beschaffungsvorgang, mit guten Gründen vertretbar ist.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung bei Großunternehmen strengere Anforderungen an die Vertretbarkeit einer Gesetzesauslegung stellt, weil diese in der Lage sind, sich mit Hilfe von Fachleuten selbst über schwierige Rechtsmaterien umfassende Kenntnisse zu verschaffen (4 Ob 99/03t = MR 2003, 263 - Veranstaltungshinweise; 4 Ob 209/03v; vgl auch 4 Ob 114/91 = SZ 65/23 = ÖBl 1992, 21 - Bausparer-Werbung). Das muss erst recht für den Bund gelten, an dessen guten Glauben bei der Rechtsanwendung daher besonders hohe Anforderungen zu stellen sind.

Die Klägerin hält die Rechtsmeinung für unvertretbar, die öffentliche Hand müsse, wenn sie einem Dritten vertraglich das Recht einräume, auf öffentlichem Grund Werbeanlagen aufzustellen und gegenüber Dritten auf eigene Kosten und eigenes Risiko zu vermarkten, einen solchen Vertrag nicht nach den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes (BVergG) ausschreiben. Es liege nämlich ein Dienstleistungskonzessionsvertrag iSd § 4 Abs 2 BVergG vor.

Nach § 1 BVergG 2002, BGBl I 2002/99, gilt das BVergG nunmehr auch für Dienstleistungskonzessionsverträge. Dienstleistungskonzessionsverträge sind Verträge, deren Vertragsgegenstand von Dienstleistungsaufträgen nur insoweit abweicht, als die Gegenleistung für die Erbringung von Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht (§ 4 Abs 2 BVergG); Dienstleistungsaufträge sind entgeltliche Aufträge, deren Vertragsgegenstand Dienstleistungen im Sinne der Anhänge III und IV sind (§ 4 Abs 1 BVergG). Anhang III nennt als prioritäre Dienstleistung (ua) „Werbung".

Durch § 4 Abs 1 BVergG wird Art 1 lit a DienstleistungsRL 92/50/EWG umgesetzt. Dienstleistungskonzessionsverträge werden von der Richtlinie nicht erfasst. Der Gesetzgeber hat die Bestimmung über Dienstleistungskonzessionsverträge zur Klarstellung in das Gesetz aufgenommen. In den EB (1087 BlgNR 21. GP 10) wird auf die Rechtsprechung des EuGH verwiesen, wonach bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionsverträgen die Grundsätze des EGV und insbesondere das Transparenzgebot eingehalten werden müssen. Der Auftraggeber müsse zugunsten potenzieller Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen, der den betreffenden Dienstleistungsmarkt öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt werden. Aus diesen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben resultiere ein gewisser Mindeststandard für Regelungen über die Vergabe von Dienstleistungskonzessionsverträgen. Diese grundsätzlichen Transparenzregelungen seien im BVergG selbst zu treffen, um den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen Genüge zu tun (s auch AB 1118 BlgNR 21. GP 12).

§ 4 Abs 2 BVergG nennt die wesentlichen Elemente eines Dienstleistungskonzessionsvertrags: Dem Konzessionsnehmer wird ein Nutzungsrecht eingeräumt; er erhält durch dieses Recht sein Entgelt nicht direkt vom Auftraggeber, sondern mittelbar aufgrund der Nutzung der Dienstleistung durch andere. Seine Gegenleistung besteht in der Dienstleistung; dazu kann auch ein Preis kommen, den er dem Auftraggeber zahlt. Weitere Merkmale eines Dienstleistungskonzessionsvertrags nennt § 4 Abs 2 BVergG nicht (s Hahnl, BVergG Bundesvergabegesetz 2002 § 4 K 3).

Vertragsinhalt eines Dienstleistungskonzessionsvertrags ist nach allgemeiner Ansicht, dass a) die Dienstleistung am Vertrag nicht beteiligten Dritten erbracht wird, also die Allgemeinheit/Öffentlichkeit unmittelbar Begünstigte der Dienstleistung ist, b) der Konzessionsnehmer an Stelle eines Entgelts vom Konzessionsgeber das Recht zur Ausübung der Dienstleistung eingeräumt erhält und c) der Konzessionär (zumindest im Wesentlichen) das mit der Dienstleistung verbundene wirtschaftliche Risiko trägt (Dullinger/Gruber, Dienstleistungskonzessionen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, JBl 2002, 19 ff, 23 f mwN).

Nach dem vom Rekursgericht ergänzend festgestellten Sachverhalt war es Ziel des von der Parlamentsdirektion erteilten Auftrags, durch Baustellenwerbung Einnahmen zu erzielen. Der Auftragnehmer sollte berechtigt sein, Werbeflächen an der Baustelleneinfriedung zu vermarkten. Seine Gegenleistung sollte einerseits in der Errichtung der Baustelleneinfriedung und der für die Werbung verwendeten Einrichtungen, andererseits in der Zahlung eines Geldbetrags bestehen. Ein Teil der Werbeflächen sollte dem Parlament für Eigenwerbung zur Verfügung stehen.

Die Drittbeklagte macht geltend, dass kein Dienstleistungskonzessionsvertrag vorliege, weil sie nicht verpflichtet sei, interessierten Unternehmen Werbeflächen gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen. Sie beruft sich damit auf die Auffassung, wonach Dienstleistungskonzessionen nur Tätigkeiten zum Gegenstand haben können, die im allgemeinen Interesse liegen und zu deren Erbringung der Auftraggeber auch verpflichtet ist.

Ob dieses Erfordernis tatsächlich besteht, ist strittig (zum Meinungsstand s Dullinger/Gruber aaO JBl 2000, 21). Gegen die Beschränkung von Dienstleistungskonzessionsverträgen auf im allgemeinen Interesse liegende Dienstleistungen spricht, dass § 4 Abs 2 BVergG ein derartiges Erfordernis nicht nennt. Auch der EuGH hat in seiner Entscheidung vom , C-324/98 - Telaustria (wbl 2001/44, 79) ein allfälliges Allgemeininteresse an den Dienstleistungen nicht geprüft. Der Auftraggeber wird aber ohnehin nur dann an der Erbringung von Leistungen durch den Konzessionsnehmer interessiert sein, wenn er diese Leistungen entweder selbst erbringen müsste oder jedenfalls berechtigt ist, sie zu erbringen. Ein Teil der Lehre will daher genügen lassen, dass öffentliche Auftraggeber in den Wettbewerb eingreifen (s Dullinger/Gruber aaO JBl 2000, 23; s auch Hahnl aaO § 4 K 4). Im vorliegenden Fall werden die Werbeflächen zum Teil für die Öffentlichkeits- und Informationsarbeit des Parlaments und damit für einen im Allgemeininteresse liegenden Zweck genutzt, wobei aber offen ist, welche Leistungen der Auftragnehmer im Zusammenhang damit erbringt.

Eine Besonderheit des vorliegenden Falls liegt darin, dass der von der Drittbeklagten angestrebte Vertrag nicht ausschließlich die zuvor beschriebenen Elemente einer Dienstleistungskonzession, sondern daneben - soweit er nämlich die Errichtung der Baustelleneinfriedung und der für die Werbung notwendigen Einrichtungen betrifft - auch einen „Lieferanteil" enthält. Es liegt demnach ein gemischter Vertrag vor, bei dem - nach dem offensichtlichen Parteiwillen der Drittbeklagten - von der Unteilbarkeit der Leistung auszugehen sein wird. Der Vertrag kann demnach unter vergaberechtlichen Gesichtspunkten nur einheitlich beurteilt werden. Für die Einordnung ist gem § 5 BVergG darauf abzustellen, welches Element den höheren wirtschaftlichen Wert besitzt.

Die Vorinstanzen haben dazu keine Feststellungen getroffen. Angesichts der vorgesehenen Dauer der Nutzung der Einfriedung für Werbezwecke für mindestens 18 und höchstens 24 Monate (abhängig vom Baufortschritt), spricht viel dafür, dass der Wert der vom Vertrag umfassten Dienstleistungen höher sein wird als der Gesamtwert der Baustelleneinfriedung und der Werbeeinrichtungen.

Wesentlicher Teil der Dienstleistungen ist kommerzielle Werbung für Dritte. Kommerzielle Werbung für Dritte gehört regelmäßig nicht zu den Dienstleistungen, die die öffentliche Hand erbringt. Insoweit kann daher auch nicht davon gesprochen werden, dass ein Beschaffungsvorgang und damit eine „Einkaufssituation" vorliege, in der die öffentliche Hand als Nachfrager auftritt. Die Anwendung des BVergG setzt aber nach einhelliger Auffassung eine solche „Einkaufssituation" voraus (Heid/Hauck/Preslmayr, Handbuch des Vergaberechts 33f; Heid/Schiefer, Das neue Vergaberecht 3/1; Hahnl, BVergG § 1 K.4; Brinker/Punz/Roniger/Vock, Österreichisches Vergaberecht Rz 197). Das gilt auch für Dienstleistungskonzessionen, weil die öffentliche Hand in diesem Fall ihr obliegende Dienstleistungen (oder jedenfalls Dienstleistungen, die sie zu erbringen beabsichtigt) von einem Dritten erbringen lässt und damit „einkauft". Kein Beschaffungsvorgang und keine „Einkaufssituation" in diesem Sinn kann aber angenommen werden, wenn das Schwergewicht eines Vertrags auf der Erzielung von Einnahmen für den Bund liegt.

Die Klägerin kann ihre Auffassung, dass dennoch eine dem BVergG unterliegende Dienstleistungskonzession vorliege, weder auf Rechtsprechung noch auf eindeutige Lehrmeinungen stützen. Ihre Anregung, ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH zur Auslegung der Vergaberichtlinie einzuleiten, zeigt, dass die Rechtslage auch ihrer Auffassung nach keineswegs eindeutig ist. Ist aber die Bedeutung der angeblich verletzten Norm nicht klar und bedarf ihre Auslegung einer Vorabentscheidung durch den EuGH, so kann auch dem Bund nicht vorgeworfen werden, dass er im Zeitpunkt der Vergabe seine Rechtsauffassung, den Auftrag „freihändig" vergeben zu dürfen, nicht mit guten Gründen hätte vertreten dürfen. Das schließt - wie oben dargelegt - einen Verstoß gegen § 1 UWG aus.

Der Revisionsrekurs musste erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.