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OGH vom 27.02.2019, 6Ob239/18t

OGH vom 27.02.2019, 6Ob239/18t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. H***** T*****, vertreten durch Aigner Rechtsanwalts-GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei H***** N.V, *****, Niederlande, vertreten durch Dorda Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 290.000 USD sA, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 2 R 51/18m-35, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 56 Cg 6/17h-30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird .

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 2.787,34 EUR (darin 464,56 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:

Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs im Sinn des Art 7 Z 2 EuGVVO 2012 selbst dann dort anzunehmen sei, wo sich der Wohnsitz und das Konto des Anlegers, von dem schadensauslösende Investition getätigt wurde, befinden, wenn in diesem Mitgliedstaat keine Prospekte, die Grundlage für die Anlageentscheidung waren, notifiziert wurden.

Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Österreich, die Zahlung zum Erwerb des Schiffsfonds erfolgte von einem Konto bei einer im Sprengel des Erstgerichts gelegenen Sparkasse, das Verrechnungskonto wird von einer Bank in Wien geführt. Für den Vertrieb des Fonds in Österreich war eine eigens von der Beklagten gegründete (mittlerweile gelöschte) Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Vertriebstochter) mit Sitz „in Wien bzw B*****“ zuständig, die auch eine österreichische Website betrieb und regelmäßige Informationsveranstaltungen in Wien abhielt. Die in den Niederlanden situierte Beklagte hatte eine in Wien ansässige Vertriebspartnerin für Österreich, über die die Beratung des Klägers und dessen Zeichnung des Fonds erfolgten; am Sitz dieser Vertriebspartnerin wurde der Kläger beraten und traf dort auch die Anlageentscheidung. Die Vertriebstochter der Beklagten stellte der Vertriebspartnerin auch Unterlagen für die Information und Beratung der Anleger zur Verfügung. In den jährlichen Geschäftsberichten der Beklagten wurde festgehalten, dass sie gemeinsam mit ihrer Vertriebstochter in Wien Fonds auch „für den (…) österreichischen Markt“ strukturiert.

Der Kläger stützt seine Schadenersatzklage auf eine fehlerhafte Prospektgestaltung; die Vertriebsunterlagen seien unrichtig, unvollständig und irreführend gewesen. Er habe einen Totalverlust erlitten.

Das Erstgericht wies die Klage mangels internationaler Zuständigkeit zurück, das Rekursgericht trug ihm die Behandlung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist ausschließlich Art 7 Z 2 EuGVVO 2012.

1. Nach Art 7 Z 2 EuGVVO 2012 kann, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes geklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.

Hängt die Entscheidung von der Lösung einer Frage des Unionsrechts ab, so ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zur Nachprüfung dessen Anwendung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nur zulässig, wenn der zweiten Instanz bei Lösung dieser Frage eine gravierende Fehlbeurteilung unterlief (RIS-Justiz RS0117100).

2. Zu Art 7 Z 2 EuGVVO hat der Oberste Gerichtshof jüngst in seiner Entscheidung 4 Ob 18

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/18m (ErwGr 2.11) unter Hinweis auf die Entscheidung des EuGH C304/17 (Löber/Barclays) EU:C:2018:701 klargestellt, dass aus der Rechtsprechung des EuGH abzuleiten sei, dass die Gerichte am Wohnsitz eines Anlegers für dessen (auf deliktische Ansprüche gestützte) Klage zuständig sind, wenn der Kläger seine anlage- und schadenstypisch beteiligten Konten bei Banken in Österreich hatte und die auch sonst vorliegenden Umstände (wie etwa Erwerb in Österreich, Prospektangaben bei der Österreichischen Kontrollbank notifiziert, Eingehen seiner Verpflichtung aufgrund dieser Angaben in Österreich) zur Zuweisung der Zuständigkeit an österreichische Gerichte (statt an die Gerichte am [Wohn-]Sitz der Beklagten) beitragen. Ein Abstellen auf den Ort des Sitzes der jeweiligen Banken, bei denen der Anleger Konten hält, sei zwar nicht sachgerecht; solches sei auch aus der erwähnten Entscheidung des EuGH nicht abzuleiten. Dagegen sei aber bei Bezugnahme auf den (Wohn)Sitz des Anlegers für einen Emittenten, der Finanzprodukte auch außerhalb seines eigenen Heimatstaats vermarktet, unschwer vorherzusehen, dass der Anleger, der einen Schaden erlitten zu haben behauptet, das sachlich und örtlich zuständige Gericht seines (Wohn)Sitzes anrufe, wenn auch sonst Umstände vorliegen, die auf die Zuständigkeit anderer Gerichte als der des (Wohn)Sitzes des beklagten Schädigers hinweisen (vgl auch 8 Ob 75/18i; Aigner, Prospekthaftung: Internationale Zuständigkeit, VbR 2018/135; siehe auch Oberhammer, Methodenfragen zum Deliktsgerichtsstand bei reinen Vermögensschäden, ecolex 2019, 138).

3. Das Rekursgericht bejahte die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts (ebenfalls) unter Hinweis auf die Entscheidung des EuGH C304/17 (Löber/Barclays) EU:C:2018:701. Im vorliegenden Fall sei es zwar nicht zu einer Notifizierung des Prospekts in Österreich gekommen, jedoch habe es sich bei den in Österreich verwendeten Vertriebsunterlagen, anhand welcher auch die Aufklärung des Klägers vorgenommen wurde, um Unterlagen gehandelt, die die österreichische Vertriebstochter den Anlageberatern zur Verfügung gestellt habe. Diese Unterlagen waren von der Vertriebstochter bearbeitet bzw zum Teil von ihr allein erstellt worden.

Dem hält die Beklagte im Revisionsrekursverfahren das Argument entgegen, der Erfolgsort im Sinn des Art 7 Z 2 EuGVVO 2012 liege hier in den Niederlanden, weil sie den Prospekt nicht in Österreich notifiziert habe; im Übrigen sei die Inanspruchnahme eines österreichischen Gerichtsstands für sie nicht vorhersehbar gewesen.

3.1. Der EuGH hat sich in seiner Rechtsprechung bereits mehrmals auf – neben dem Bankkonto des Anlegers – „andere spezifische Gegebenheiten“ des Falls berufen, die zur Zuweisung der Zuständigkeit an die Gerichte des Ortes beitragen müssen, an dem sich ein reiner Vermögensschaden verwirklicht hat (C-12/15 [Universal Music] EU:C:2016:449; C-304/17 [Löber/Barclays] EU:C:2018:701); dass die Notifizierung des Prospekts im Wohnsitzland des Anlegers unabdingbare Voraussetzung wäre, kann dieser Rechtsprechung nicht entnommen werden. Auch der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 4 Ob 185/18m (ErwGr 2.11) die „sonst vorliegenden Umstände“ lediglich beispielhaft angeführt, die Entscheidung 5 Ob 240/18g ließ es ausreichen, dass der (selbständige) Zahlungsfluss vom österreichischen Konto des Klägers ausging, die Vertragsunterlagen, durch die er seine ihn letztlich schädigende Verpflichtung einging, von ihm an seinem österreichischen Wohnsitz unterfertigt wurden und das Konto, auf das der Kläger seine Ansparbeträge überwiesen hatte, ein solches in Österreich gewesen war.

3.2. Weshalb eine Inanspruchnahme österreichischer Gerichte durch Anleger in die gegenständlichen Schiffsfonds für die Beklagte unvorhersehbar gewesen wäre, ist nicht nachvollziehbar, wurde doch in den jährlichen Geschäftsberichten der Beklagten selbst festgehalten, dass sie gemeinsam mit ihrer Vertriebstochter in Wien Fonds auch „für den (…) österreichischen Markt“ strukturiert; ihre österreichische Vertriebstochter betrieb auch eine österreichische Website und hielt regelmäßige Informationsveranstaltungen in Wien ab.

3.3. Die Bejahung der internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts durch das Rekursgericht ist vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH und des Obersten Gerichtshofs somit jedenfalls vertretbar. Der im Revisionsrekurs angeregten (nochmaligen) Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH bedarf es nicht.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00239.18T.0227.000

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