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OGH vom 24.09.2019, 6Ob112/19t

OGH vom 24.09.2019, 6Ob112/19t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Innsbruck zu FN ***** eingetragenen S***** GmbH mit dem Sitz in ***** über den Revisionsrekurs der Gesellschaft und des Geschäftsführers Dipl.-Vw. J*****, beide vertreten durch Dr. Christoph Sigl, öffentlicher Notar in Innsbruck, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 3 R 20/19v-8, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 50 Fr 49/19p-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Im Firmenbuch ist seit die S***** GmbH eingetragen, deren Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer Dipl.-Vw. J***** ist. Die Stammeinlage der Gesellschaft beläuft sich auf 35.000 EUR, wobei als gründungsprivilegierte Stammeinlage im Firmenbuch 10.000 EUR erfasst sind, auf die 5.000 EUR geleistet wurden.

Unter Anschluss eines notariell beurkundeten Protokolls über die außerordentliche Generalversammlung der Gesellschaft vom und einer gleichfalls notariell beurkundeten Erklärung über die Errichtung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vom selben Tag beantragte der Geschäftsführer die Löschung der gründungsprivilegierten Stammeinlage von 10.000 EUR und die Eintragung einer übernommenen Stammeinlage von 35.000 EUR, auf die derselbe Betrag geleistet worden sei.

Über Aufforderung des Erstgerichts, binnen drei Wochen eine „§ 10 GmbHG-Erklärung“ des Geschäftsführers und eine Bankbestätigung über die Einbezahlung der bisher aushaftenden Stammeinlage in Höhe von 30.000 EUR nachzureichen, erklärte der Antragsteller, diese Vorlagen seien nicht erforderlich.

Das Erstgericht wies das Eintragungsbegehren ab. Auch im Fall einer vorzeitigen Beendigung der Gründungsprivilegierung sei unter anderem der dritte Absatz des § 10 GmbHG anzuwenden.

Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs des Antragstellers und der Gesellschaft diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob auch bei Beendigung der Gründungsprivilegierung im Sinn des § 10b Abs 5 GmbHG die Voraussetzungen nach § 10 Abs 3 GmbHG erfüllt werden müssen.

In der Sache selbst bejahte das Rekursgericht unter Hinweis auf die nahezu einhellige Literatur diese Frage und meinte, die gegenteilige Auffassung würde die Möglichkeit eröffnen, einen Tag nach Eintragung einer gründungsprivilegierten GmbH mit einer insoweit privilegierten Stammeinlage von 10.000 EUR und einer hierauf geleisteten und nachgewiesenen Leistung von 5.000 EUR aufgrund eines entsprechenden Generalversammlungsbeschlusses einen – wie auch hier gegenständlichen – Antrag zu stellen, woraufhin der Zusatz „gründungsprivilegiert“ bei der Stammeinlage zu entfallen hätte und eine Leistung von 35.000 EUR auf die Stammeinlage einzutragen wäre, ohne dass die Einzahlung von weiteren 30.000 EUR näher geprüft werden könnte; dass dies dem Gesetzeszweck von Stammkapital und hierauf erfolgter Leistung widerspräche, bedürfe keiner Erörterung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers und der Gesellschaft ist zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014 (AbgÄG 2014 BGBl I 13/2014) wurden das Mindeststammkapital einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (wieder) auf 35.000 EUR angehoben und gleichzeitig § 10b GmbHG über die Gründungsprivilegierung eingeführt. Wird diese in Anspruch genommen, so ist im Gesellschaftsvertrag für jeden Gesellschafter auch die Höhe seiner gründungsprivilegierten Stammeinlage festzusetzen, die nicht höher als die jeweils übernommene Stammeinlage sein darf. Die Summe der gründungsprivilegierten Stammeinlagen muss mindestens 10.000 EUR betragen. Auf die gründungsprivilegierten Stammeinlagen müssen abweichend von § 10 Abs 1 GmbHG insgesamt mindestens 5.000 EUR bar eingezahlt werden; Sacheinlagen sind ausgeschlossen. Während aufrechter Gründungsprivilegierung sind die Gesellschafter abweichend von § 63 Abs 1 GmbHG nur insoweit zu weiteren Einzahlungen auf die von ihnen übernommenen Stammeinlagen verpflichtet, als die bereits geleisteten Einzahlungen hinter den gründungsprivilegierten Stammeinlagen zurückbleiben.

Die Entscheidung 6 Ob 194/17y (NZ 2018/6 [Walch] = GES 2018, 21 [Birnbauer, 88]), die sich mit dem Verhältnis der Gründungsprivilegierung zu Nachschüssen nach § 72 ff GmbHG zu befassen hatte, ging unter Verweis auf van Husen (in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 10b [2014] Rz 132, 133, 136) davon aus, dass die GmbH bei Inanspruchnahme der Gründungsprivilegierung zwar einerseits ein Stammkapital von 35.000 EUR hat, gleichzeitig aber gründungsprivilegierte Stammeinlagen von lediglich 10.000 EUR bestehen, wovon nur 5.000 bar eingezahlt sein müssen (ErwGr 1.3.). Dementsprechend sind auch bei der gründungsprivilegierten GmbH die gesamten übernommenen Stammeinlagen mit dem wirksamen Abschluss des Gesellschaftsvertrags bereits entstanden (Schopper in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG [2015] § 63 Rz 17/1).

2. Gemäß § 10b Abs 5 GmbHG kann die Gründungsprivilegierung durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrags beendet werden, wobei vor Anmeldung der Änderung zum Firmenbuch „die Mindesteinzahlungserfordernisse nach § 10 Abs 1 zu erfüllen sind“. Nach dieser Gesetzesstelle muss auf jede bar zu leistende Stammeinlage mindestens ein Viertel, jedenfalls aber ein Betrag von 70 EUR eingezahlt sein; soweit auf eine Stammeinlage weniger als 70 EUR bar zu leisten sind, muss die Bareinlage voll eingezahlt sein. Auf die bar zu leistenden Einlagen müssen mindestens insgesamt 17.500 EUR eingezahlt sein.

§ 10 Abs 2 GmbHG trifft nähere Bestimmungen über Art und Modalitäten der Leistung, § 10 Abs 3 GmbHG bestimmt, dass in der Anmeldung zum Firmenbuch die Erklärung abzugeben ist, dass die bar zu leistenden Stammeinlagen in dem eingeforderten Betrag bar eingezahlt sind und dass die eingezahlten Beträge sowie die Vermögensgegenstände, die nach dem Gesellschaftsvertrag nicht bar auf die Stammeinlagen zu leisten sind, sich in der freien Verfügung der Geschäftsführer oder des Treuhänders gemäß Abs 2 befinden. Es ist nachzuweisen, dass die Geschäftsführer in der Verfügung über den eingezahlten Betrag nicht, namentlich nicht durch Gegenforderungen, beschränkt sind. Der Nachweis der Einzahlung der in bar zu leistenden Einlagen ist jedenfalls durch Vorlage einer schriftlichen Bestätigung eines Kreditinstituts oder des Notars als Treuhänder zu führen; für die Richtigkeit der Bestätigung ist das Kreditinstitut oder der Notar als Treuhänder der Gesellschaft verantwortlich. Sind von dem eingezahlten Betrag Abgaben, Gebühren und Kosten bezahlt worden, so ist dies nach Art und Höhe der Beträge nachzuweisen.

3. Nach nahezu einhelliger Literatur gilt für die Art der Erfüllung der Einzahlungspflichten – auch wenn § 10b Abs 5 GmbHG nicht auf diesen verweise – § 10 Abs 2 GmbHG entsprechend. Dem Zweck der Regelungen der Kapitalaufbringung entsprechend müssten bei der Anmeldung eines Verzichts auf die Gründungsprivilegierung dieselben Unterlagen wie bei einer Gesellschaftsgründung beigelegt werden. Konkret gefordert sei etwa die Erklärung der Geschäftsführer, dass die bar zu leistenden Stammeinlagen in dem eingeforderten Betrag eingezahlt worden sind und zur freien Verfügung der Geschäftsführer stünden. Auch die Bestätigung eines Kreditinstituts über die Leistung zur freien Verfügung sei der Anmeldung beizulegen (Bachner, Die gründungsprivilegierte GmbH, RdW 2014, 118; Rauter, GmbH-Gründung – alt und neu zugleich, JAP 2013/2014, 233 [236]; Hartlieb/Saurer/Zollner, Die gründungsprivilegierte GmbH, SWK Spezial 4.3.; Schörghofer/Krausler, Gründungsprivilegierung nach § 10b GmbHG,GesRZ 2014, 168; Zollner in Gruber/Harrer, GmbHG² [2018] § 10b Rz 34, 40 f).

Der erkennende Fachsenat schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen schon allein deshalb an, weil es nicht einsichtig wäre, eine GmbH, die die Gründungsprivilegierung beendet, gegenüber einer GmbH besser zu stellen, die von Anfang an keine Gründungsprivilegierung in Anspruch genommen hat. Die „§ 10-Erklärung“ hat – wie das Rekursgericht bereits dargelegt hat – den Zweck, das Vorliegen der Mindesteinzahlungserfordernisse zu überprüfen, was in erster Linie dem Verkehrs- und Gläubigerschutz dient. Die am Wortlaut des § 10b Abs 5 GmbHG haftende Auslegung dieser Bestimmung durch den Revisionsrekurs überzeugt nicht.

Wenn Birnbauer (Praxisfragen zur gründungsprivilegierten GmbH, ÖRPfl 2015 H 2, 32) – soweit ersichtlich als einziger – die Auffassung vertritt, bei der Einzahlung handle es sich um einen Fall des § 26 Abs 1 GmbHG (weitere Einzahlung auf ausstehende Stammeinlagen), wobei eine diesbezügliche Anmeldung in vereinfachter Form gemäß § 11 FBG erfolgen könne, bei der Urkunden grundsätzlich nicht vorgelegt werden (RS0107904 [T4]), so vermag sich dem der erkennende Senat aus den dargelegten Gründen nicht anzuschließen. Im Übrigen handelt es sich bei der Beendigung der Gründungsprivilegierung nicht bloß um die Leistung einer Einzahlung, sondern um eine Änderung des Gesellschaftsvertrags, die auch erhebliche Auswirkungen auf den Haftungsumfang der Gesellschafter hat.

4. Damit war aber dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00112.19T.0924.000

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