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OGH vom 08.03.2007, 2Ob12/05m

OGH vom 08.03.2007, 2Ob12/05m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Unterbringungssache des Grzergorz R*****, vertreten durch die Patientenanwältin Mag. Barbara Reisegger, über den Revisionsrekurs des Patienten gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 48 R 344/04z-19, womit der Rekurs des Patienten gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Donaustadt vom , GZ 34 Ub 163/04h-11, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Gericht zweiter Instanz die neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Patienten unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Der Patient wurde am ohne Verlangen in der psychiatrischen Abteilung des SMZ Ost aufgenommen.

Mit Beschluss vom hat das Erstgericht die Unterbringung vorläufig und in der Folge mit Beschluss vom gemäß § 26 UbG bis endgültig für zulässig erklärt. Mit Beschluss vom wurde die weitere Unterbringung vorläufig für zulässig erklärt, ein psychiatrischer Sachverständiger bestellt und die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung für den anberaumt.

Durch Verfügung des Anstaltsleiters wurde am die Unterbringung des Patienten beendet.

Den gegen den Beschluss vom erhobenen Rekurs des Patienten hat das Gericht zweiter Instanz mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof vertrete in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass gegen die zweitinstanzliche Entscheidung über die vorläufige Zulässigkeit der Unterbringung nach der Erstanhörung der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei, weil die in § 20 Abs 3 UbG statuierte Unzulässigkeit eines abgesonderten Rechtsmittels einem generellen Rechtsmittelausschluss gleichzusetzen sei. Es solle möglichst rasch eine erste gerichtliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Unterbringung herbeigeführt werden, die nicht durch einen das Verfahren erschwerenden und unter Umständen verzögernden Instanzenzug relativiert werden möge, zumal sie ohnehin provisorischer Natur sei. Dies treffe auch auf Rekurse gegen eine erstinstanzliche Entscheidung über die vorläufige Zulässigkeit der Unterbringung zu. Dass die Gerichtshöfe zweiter Instanz - anders als der Oberste Gerichtshof - auch Tatsacheninstanzen seien, rechtfertige jedenfalls keine Ungleichbehandlung von Rekursen und Revisionsrekursen. Entfalle eine Endentscheidung, weil der Patient zwischenzeitig entlassen worden sei, so führe dies nicht zur Zulässigkeit des (Revisions-)Rekurses gegen die vorläufige Zulässigerklärung der Unterbringung sondern dazu, dass die eingehende Prüfung der materiellen und formellen Voraussetzungen der Unterbringung von Patienten beim Erstgericht beantragt werden könne. Erst gegen diese endgültige Entscheidung würden sodann Rechtsmittel an die zweite und dritte Instanz ergriffen werden können.

Dagegen richtet sich der von der zweiten Instanz zugelassene Revisionsrekurs des Patienten, vertreten durch die Patientenanwältin, mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache zur Sachentscheidung zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionrekurs ist zulässig und auch berechtigt. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels in dem hier maßgeblichen Verfahren außer Streitsachen (§ 12 Abs 2 UbG) setzt voraus, dass der Rechtsmittelwerber noch im Zeitpunkt der Entscheidung über sein Rechtsmittel durch die bekämpfte Entscheidung beschwert ist. In Fällen, in welchen der gerichtliche Beschluss das Grundrecht des Menschen auf persönliche Freiheit berührt, billigt die Rechtsprechung den in diesem Recht Beeinträchtigten auch noch nach Aufhebung der Unterbringung ein rechtliches Interesse an der Feststellung zu, dass die freiheitsbeschränkende Vorkehrung zu Unrecht erfolgt sei (2 Ob 523/95 mwN; RIS-Justiz RS0071267).

Gemäß § 20 Abs 3 UbG ist abgesehen vom Rekurs des Abteilungsleiters gegen eine Unzulässigerklärung der Unterbringung ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Der Patient (sein Vertreter) kann daher den Beschluss über die vorläufige Zulässigkeit der Unterbringung nicht selbständig bekämpfen. Aus der Formulierung des § 20 Abs 3, der nur ein abgesondertes Rechtsmittel ausschließt, ergibt sich aber, dass die Entscheidung gemeinsam mit der nächsten selbständig anfechtbaren Entscheidung - das ist die Entscheidung in der mündlichen Verhandlung gemäß § 26 UbG - angefochten werden kann. Entfällt diese, weil der Patient inzwischen entlassen wurde, so kann die Entscheidung selbständig angefochten werden (Kopecky, Unterbringungsrecht II, 657 f; Hopf/Aigner, Unterbringungsgesetz, § 20 Anm 17).

Der Rechtsmeinung des Rekursgerichtes, dass Rekurse gegen erstinstanzliche Entscheidungen über die vorläufige Zulässigkeit einer Unterbringung jedenfalls unzulässig seien, kann nicht gefolgt werden.

Der Revisionsrekurs hält dem mit Recht entgegen, dass im UbG ein Verfahren, wonach das Erstgericht seine eigene Entscheidung über eine vorläufige Zulässigkeit in einem neuen Verfahren über dieselbe Sache und denselben Zeitraum einer Unterbringung überprüfen soll, nicht vorgesehen ist. Im Übrigen normiert § 20 Abs 3 UbG - wie schon erwähnt - keinen absoluten Rechtsmittelausschluss, sondern nur den Ausschluss eines abgesonderten Rekurses. Wird aber die Sache - wie vorliegend - abgeschlossen, ohne dass eine weitere anfechtbare Entscheidung erfließt, so kann der - an sich aufgeschobene - Rekurs selbständig eingebracht werden (Hopf/Aigner, aaO), was grundsätzlich auch für den Revisionsrekurs gilt. Soweit sich aus 3 Ob 510/93 anderes ergeben sollte, kann dem nicht beigetreten werden. Da das Rekursgericht den Rekurs somit zu Unrecht zurückgewiesen hat, war spruchgemäß zu entscheiden.