OGH vom 16.12.2015, 3Ob172/15p

OGH vom 16.12.2015, 3Ob172/15p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** KG, *****, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei B*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Lothar Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 81.340 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 13 R 172/14f 20, womit das Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 27 Cg 76/13i 16, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das Zwischenurteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte führte zur Erlangung von baukünstlerischen Vorentwurfskonzepten für die Sanierung und Erweiterung eines Schulstandorts einen offenen einstufigen Realisierungswettbewerb mit anschließendem Verhandlungsverfahren für die Vergabe von Generalplanerleistungen durch. Der Rechtsvorgänger der Klägerin (im Folgenden: die Klägerin) gab im Zuge dieses Wettbewerbs am (und damit fristgerecht) eine Wettbewerbsarbeit ab.

Mit E-Mail vom teilte das von der Beklagten beauftragte Wettbewerbsbüro der Klägerin mit, dass der nach den Ausschreibungsbedingungen erforderliche, der Identifizierbarkeit des Verfassers nach Abschluss der Beurteilung der anonymen Wettbewerbsarbeiten durch das Preisgericht dienende Verfasserbrief zu ihrer Wettbewerbsarbeit fehle. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Preisgericht bereits entschieden, dieses Projekt keiner weiteren Prüfung zu unterziehen, sowie seine Beurteilung der zugelassenen Wettbewerbsarbeiten abgeschlossen und die Anonymität der Wettbewerbsarbeiten aufgehoben.

Auf Antrag der Klägerin erklärte das Bundesvergabeamt mit Bescheid vom die Entscheidung, sie nicht zur Teilnahme am anschließenden Verhandlungsverfahren zuzulassen, für nichtig. Gleichzeitig wurde auch die Zuweisung des Preisgeldes an den Preisträger und fünf weitere Personen für nichtig erklärt. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der Beklagten ab.

Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesvergabeamts und die wegen der bereits erfolgten Aufhebung der Anonymität der Teilnehmer bestehende Unmöglichkeit einer Nachbeurteilung des zu Unrecht ausgeschiedenen Projekts durch das Preisgericht an, den Wettbewerb zur Findung von Generalplanerleistungen zu widerrufen. Das Bundesvergabeamt wies den Antrag der Klägerin auf Nichtigerklärung dieser Widerrufsentscheidung mit Bescheid vom ab. Die Beklagte teilte daraufhin der Klägerin mit Schreiben vom mit, dass der Wettbewerb widerrufen wurde.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadenersatz von 81.340 EUR sA, nämlich einerseits die durch die Nichtberücksichtigung ihrer Wettbewerbsarbeit frustrierten Kosten für deren Erstellung (63.840 EUR) und andererseits ihre Rechtsanwaltskosten im Nachprüfungsverfahren vor dem Bundesvergabeamt (17.500 EUR). Der Widerruf des Wettbewerbs sei zwar zulässig gewesen, aber durch den rechtswidrigen Ausschluss (die Nichtzulassung) der Klägerin verursacht worden.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, die Wettbewerbsarbeit der Klägerin habe entgegen der Vorgabe keinen Verfasserbrief enthalten. Jedenfalls liege kein der Beklagten zurechenbares schuldhaftes Verhalten bzw kein qualifizierter Verstoß des von ihr beauftragten Wettbewerbsbüros vor. Aufgrund der Spezifikationen ihrer Wettbewerbsarbeit habe die Klägerin keine echte Chance gehabt, als Gewinner aus dem Wettbewerb hervorzugehen und in weiterer Folge eventuell den Zuschlag zu erlangen. Die Kosten der Nachprüfungsverfahren seien keinesfalls ersatzfähig. Außerdem sei insoweit der Rechtsweg unzulässig.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass die Klageforderung dem Grunde nach zu Recht bestehe. Der rechtskräftige Feststellungsbescheid des Bundesvergabeamts sei für das Gericht bindend. Für den Schadenersatzanspruch der Klägerin komme es nicht auf die Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Auftraggebers an. Die Klägerin habe somit nur noch die Kausalität des bindend festgestellten rechtswidrigen Verhaltens für den geltend gemachten Schaden zu beweisen. Sie mache das negative Vertragsinteresse geltend, das zustehe, wenn sie ein übergangener Bieter sei, der eine echte Chance auf den Gewinn des Wettbewerbs und damit auf Eintritt in das Verhandlungsverfahren gehabt hätte. Davon sei auszugehen, weil das Bundesvergabeamt nicht festgestellt habe, dass die Klägerin bei Einhaltung der Bestimmungen des BVergG keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags bzw Gewinn des Wettbewerbs gehabt hätte. Da die Nichtigerklärung des Ausschlusses der Klägerin vom Wettbewerb noch vor Zuschlagserteilung bzw Preisvergabe erfolgte, sei davon auszugehen, dass die eingeklagten Verfahrenskosten in erster Linie einen anderen Zweck als die Vorbereitung des gerichtlichen Verfahrens verfolgt hätten; daher könnten diese als materieller Schaden geltend gemacht werden.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil über Berufung der Beklagten auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Entgegen der rechtlichen Qualifikation des Erstgerichts liege hier kein Feststellungsbescheid iSd § 341 Abs 2 BVergG 2006 vor, sondern ein Nachprüfungsbescheid. Gemäß § 341 Abs 3 BVergG sei abweichend von Abs 2 eine Schadenersatzklage ohne vorherige Feststellung einer Vergabewidrigkeit durch die zuständige Vergabekontrollbehörde zulässig, wenn die Erklärung des Widerrufs eines Vergabeverfahrens nicht gegen das BVergG oder die hiezu ergangenen Verordnungen oder gegen Unionsrecht verstoßen habe, aber vom Auftraggeber schuldhaft verursacht worden sei. In einem solchen Fall sei im Prozess zu klären, ob ein berechtigter, aber vom Auftraggeber rechtswidrig veranlasster Widerruf vorliege, ob dieser kausal für den eingetretenen Schaden sei, wie hoch der Schaden sei und ob die behauptete Verursachung der Widerrufserklärung in einem Verstoß bestehe, der im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §§ 320 ff BVergG hätte geltend gemacht werden können. Der Nichtigerklärungsbescheid des Bundesvergabeamts treffe keine bindende Aussage zur Frage der Rechtmäßigkeit des Widerrufs, weil darüber nicht spruchgemäß erkannt worden sei. Da zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesvergabeamts die Anonymität der Teilnehmer am Wettbewerb bereits aufgehoben gewesen sei, sei jedoch von einem rechtmäßigen Widerruf des Verfahrens auszugehen. Ob der Widerruf schuldhaft erfolgt, also rechtswidrig veranlasst worden sei, dh ob der Ausschluss der Klägerin von einer weiteren Prüfung und Beurteilung ihrer Wettbewerbsarbeit einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen andere vergaberechtliche Bestimmungen dargestellt habe, könne mangels hinreichender Tatsachengrundlagen noch nicht beantwortet werden. Auch die Frage der Kausalität sei noch zu klären. Im Fall des § 341 Abs 3 BVergG habe der Auftraggeber keine Möglichkeit, die Feststellung der Vergabekontrollbehörde zu erwirken, dass der Geschädigte auch ohne den zum rechtmäßigen Widerruf führenden Verstoß keine echte Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätte, sodass dem Gericht auch insoweit die Prüfung obliege. In der Entscheidung 7 Ob 56/08y habe der Oberste Gerichtshof zwar ausgesprochen, dass es im Fall des rechtmäßigen Widerrufs vor Ablauf der Angebotsfrist auf die Frage der „echten Chance“ auf Erteilung des Zuschlags mangels Beurteilbarkeit nicht ankomme. Der vorliegende Fall sei hingegen mit einem Widerruf nach Ablauf der Angebotsfrist vergleichbar. Aus der genannten Entscheidung lasse sich nicht ableiten, dass dann, wenn mangels Durchführung eines Feststellungsverfahrens keine verbindliche Entscheidung der Vergabekontrollbehörde vorliege, die Frage der Kausalität vom Auftraggeber nicht aufgeworfen werden könne. Der Beklagten stehe deshalb im Verfahren der Einwand offen, die Klägerin hätte keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt. Auch dazu werde das Erstgericht ein Beweisverfahren durchzuführen haben. Für die eingeklagten Kosten sei der Rechtsweg zulässig, weil das Nachprüfungsverfahren nicht nur der Vorbereitung des Schadenersatzprozesses gedient habe.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluss mit der Begründung zu, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob in einer Konstellation wie der hier zu beurteilenden den Gerichten die Kausalitätsprüfung dahin obliege, ob der übergangene Bewerber oder Bieter auch bei Einhaltung der Vergabebestimmungen durch den Auftraggeber keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags bzw des Preisgeldes gehabt hätte, und ob die Kosten des Nachprüfungsverfahrens auch dann anderen Zwecken als der Prozessvorbereitung dienten (und deshalb als materiell rechtlicher Schadenersatz eingeklagt werden könnten), wenn das Nachprüfungsverfahren nicht geeignet sei, die Folgen eines Verstoßes gegen das Vergaberecht zu beseitigen.

In ihrem Rekurs macht die Klägerin zusammengefasst geltend, die schuldhafte Veranlassung des Widerrufs stehe entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts durch die Bescheide des Bundesvergabeamts bereits bindend fest und der Einwand der fehlenden „echten Chance“ sei im vorliegenden Fall nicht zulässig. Sie begehrt die Abänderung der Berufungsentscheidung dahin, dass das erstgerichtliche Urteil bestätigt werde; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung , den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig . Er ist auch berechtigt .

Rechtliche Beurteilung

1. Da das Erstgericht der Einrede der Beklagten, der Rechtsweg sei hinsichtlich der geltend gemachten Vertretungskosten unzulässig, die Berechtigung absprach und das Berufungsgericht diese Rechtsansicht in den Urteilsgründen bestätigte, ist der Oberste Gerichtshof daran gebunden. Auf diese Frage ist deshalb nicht weiter einzugehen (RIS Justiz RS0039774 [T8]; 3 Ob 123/14f).

2.1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe (gemeint: im Gerichtsverfahren ) eine Rechtswidrigkeit der Widerrufsentscheidung gar nicht behauptet, ist entgegen der Ansicht der Rekurswerberin nicht zu beanstanden. Damit steht auch nicht in Widerspruch, dass die Klägerin die Widerrufsentscheidung vor Einbringung der Klage erfolglos mit einem Nichtigerklärungsantrag bekämpft hat.

2.2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach der Nichtigerklärungsbescheid des Bundesvergabeamts keine bindende Aussage zur Frage der Rechtmäßigkeit des Widerrufs enthalte, weil darüber nicht spruchmäßig erkannt worden sei, beziehen sich zweifelsfrei auf den ersten (stattgebenden) und nicht, wie die Klägerin meint, auf den zweiten (den weiteren Nichtigerklärungsantrag abweisenden) Bescheid des Bundesvergabeamts. Dass das Bundesvergabeamt bereits im Spruch des ersten Bescheids über die Rechtmäßigkeit des damals von der Beklagten noch gar nicht erklärten Widerrufs abgesprochen hätte, behauptet die Klägerin zu Recht gar nicht.

3.1.

§ 338 Abs 1 BVergG 2006 idF BGBl I Nr 17/2006 sah eine Schadenersatzpflicht des Auftraggebers bei schuldhafter Verletzung des BVergG oder der aufgrund dieses Gesetzes ergangenen Verordnungen vor. § 337 Abs 1 BVergG 2006 idF BGBl I Nr 10/2012, der mit in Kraft trat, normiert als Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch des Auftraggebers nicht mehr eine schuldhafte Verletzung, sondern einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das BVergG. Mangels entsprechender Übergangsbestimmungen sind die neuen Bestimmungen auf den bereits vor ihrem Inkrafttreten verwirklichten schadenersatzbegründenden Sachverhalt allerdings nicht anwendbar (7 Ob 212/12w = RIS Justiz RS0031419 [T31]).

3.2.

Die dargestellte Novelle des BVergG 2006 hatte ihre Ursache in der über ein Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs ergangenen Entscheidung des , Stadt Graz. Darin stellte der EuGH klar, dass die Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom zur Koordinierung der Rechts und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom geänderten Fassung dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung, die den Schadenersatzanspruch wegen Verstoßes eines öffentlichen Auftraggebers gegen Vergaberecht von der Schuldhaftigkeit des Verstoßes abhängig macht, auch dann entgegensteht, wenn bei der Anwendung dieser Regelung ein Verschulden des öffentlichen Auftraggebers vermutet wird und er sich nicht auf das Fehlen individueller Fähigkeiten und damit auf mangelnde subjektive Vorwerfbarkeit des behaupteten Verstoßes berufen kann.

Im Hinblick darauf, dass die Gerichte nationale Vorschriften unangewendet zu lassen haben, die sie daran hindern, die Verpflichtungen aus den Bestimmungen der Richtlinie 89/665/EWG zu beachten, ist die im vorliegenden Fall noch anzuwendende Bestimmung des § 338 Abs 1 BVergG 2006 idF BGBl I Nr 17/2006 so zu lesen, dass bei Verletzung dieses Gesetzes oder der hiezu ergangenen Verordnungen durch Organe der vergebenden Stelle ein übergangener Bewerber oder Bieter gegen den Auftraggeber, dem das Verhalten der Organe der vergebenden Stelle zuzurechnen ist, Anspruch auf Ersatz der Kosten der Angebotsstellung und der durch die Teilnahme am Vergabeverfahren entstandenen Kosten hat, ohne dass es auf ein schuldhaftes Verhalten ankäme (

6 Ob 208/10x; 7 Ob 212/12w; RIS Justiz

RS0125143 [T2]).

3.3. In Abs 3 der verfahrensrechtlichen (weil die Zuständigkeit und die Zulässigkeit des Rechtswegs regelnden) Vorschrift des § 341 BVergG 2006 wird in der bei Einbringung der Klage geltenden und damit in diesem Verfahren bereits maßgeblichen (RIS Justiz RS0008733) Fassung BGBl I Nr 10/2012

ebenfalls nicht mehr auf ein Verschulden des Auftraggebers, sondern auf einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das BVergG also bloß auf ein rechtswidriges Verhalten ( Aicher in Schramm/Aicher/Fruhmann , Bundesvergabegesetz 2006 2 § 341 Rz 11) abgestellt.

4.1. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass hier ein Fall des § 341 Abs 3 BVergG 2006 vorliegt, sodass die vorherige Erlangung eines Feststellungsbescheids des Bundesvergabeamts keine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtswegs darstellt. Allerdings hat es übersehen, dass die Voraussetzungen für den Schadenersatzanspruch der Klägerin dem Grunde nach bereits bindend feststehen, sodass hiezu keine weiteren Beweisaufnahmen und Feststellungen notwendig sind.

4.2. Die Gerichte sind nämlich über die spezielle Vorschrift des § 341 Abs 2 letzter Satz BVergG 2006 hinaus generell an den Spruch eines rechtskräftigen (rechtsgestaltenden) Bescheids einer Verwaltungsbehörde gebunden (RIS Justiz

RS0037051). Von dieser Bindung ist lediglich die auf einen bestimmten Sachverhalt gestützte Beurteilung der Rechtsfrage (in der Begründung) nicht umfasst (RIS Justiz

RS0037015).

4.3. Nach dem Spruch des von der Klägerin im Nachprüfungsverfahren (§§ 320 ff BVergG 2006) erwirkten Bescheids des Bundesvergabeamts vom wurde die Entscheidung der Beklagten (als der Auftraggeberin), die Klägerin nicht zur Teilnahme am anschließenden Verhandlungsverfahren zuzulassen, ebenso für nichtig erklärt wie die Zuweisung des Preisgeldes an die Gewinnerin des Wettbewerbs sowie die fünf weiteren Preisträger. Ausgehend davon steht aber die Rechtswidrigkeit der Nichtzulassung der Klägerin und damit ein hinreichend qualifizierter Verstoß iSd § 341 Abs 3 BVergG 2006 als Ursache für den rechtmäßigen Widerruf des Wettbewerbs für das Gerichtsverfahren bindend fest.

5.1. Die Rekurswerberin steht auf dem Standpunkt, die dem Erstgericht vom Berufungsgericht aufgetragenen Beweisaufnahmen zu dem von der Beklagten erhobenen Einwand der fehlenden „echten Chance“ seien schon deshalb entbehrlich, weil die hier zu beurteilende Fallkonstellation sehr wohl jener entspreche, die der Entscheidung 7 Ob 56/08y zugrunde gelegen sei.

5.2. Dem kann nicht gefolgt werden. Gegenstand der genannten Entscheidung war nämlich der Anspruch der dortigen Klägerin auf Ersatz der frustrierten Kosten für die Vorbereitung eines Angebots aufgrund einer Ausschreibung, die vor Ablauf der Angebotsfrist widerrufen wurde, nachdem die dortige Klägerin wegen im Einzelnen angeführter Vergaberechtswidrigkeiten einen Nachprüfungsantrag beim Bundesvergabeamt eingebracht hatte. Es liegt auf der Hand, dass in dieser Konstellation, in der die dortige Klägerin gar kein Angebot gestellt hatte, der (allfällige) Einwand der dortigen Beklagten, sie hätte ohnehin keine echte Chance auf die Zuschlagserteilung gehabt, von vornherein nicht greifen konnte. Im Gegensatz dazu hat die Klägerin im vorliegenden Fall eine Wettbewerbsarbeit vorgelegt, die zu Unrecht nicht an das Preisgericht weitergeleitet wurde, das seine Entscheidung in weiterer Folge ohne Berücksichtigung der ausgeschiedenen Arbeit der Klägerin traf.

5.3. Das BVergG 2006 regelt in seinem § 337 (ebenso wie in § 338 idF vor BGBl I Nr 10/2012) einen Ersatzanspruch eigener Art, aufgrund dessen eine erweiterte Haftung des Auftraggebers insofern besteht, als das Erfordernis der Kausalität im Sinne des im allgemeinen Schadenersatzrecht geforderten Ursachen und Zurechnungszusammenhangs zwischen dem Verstoß gegen eine Vergabevorschrift und dem eingetretenen Schaden nicht besteht bzw immer schon dann erfüllt ist, wenn die Vergabekontrollbehörde nicht auf Antrag des Auftraggebers feststellt, dass der Bieter keine echte Chance auf die Zuschlagserteilung hatte ( Aicher aaO § 337 Rz 46 mwN; 7 Ob 101/12x). Die Funktion dieses „Gegenantragsverfahrens“ besteht in einer die Effektivität des unionsrechtlich gebotenen schadenersatzrechtlichen Schutzes der Bewerber und Bieter sichernden -Beweiserleichterung im Bezug auf den Nachweis der Kausalität. Der übergangene Bewerber oder Bieter wird für den Ersatz des frustrierten Beteiligungsaufwands von der Last des in der Regel kaum zu führenden Beweises entbunden, dass er bei korrektem Vorgehen den Zuschlag erhalten hätte ( Aicher aaO § 337 Rz 47).

5.4. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass es der Beklagten in der hier vorliegenden Konstellation des § 341 Abs 3 BVergG 2006 mangels Feststellungsverfahrens nicht möglich war, einen Gegenantrag auf Feststellung der fehlenden echten Chance der Klägerin iSd § 337 Abs 2 BVergG 2006 (bzw § 338 Abs 2 BVergG 2006 aF) zu stellen. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann keine Rede davon sein, dass der Beklagten in einem solchen Fall der Einwand der fehlenden echten Chance im Gerichtsverfahren von vornherein verwehrt wäre. Dass sich die Auftraggeberin darauf berufen darf, der übergangene Bieter bzw Bewerber hätte aus (konkret zu bezeichnenden) formellen Gründen, etwa wegen Nichterfüllung rechtmäßiger Ausschreibungsbedingungen, von vornherein also auch ohne den Vergaberechtsverstoß keine echte Chance gehabt, wurde bereits judiziert (7 Ob 101/12x).

5.5. Ob sich der Auftraggeber in einer solchen Konstellation im Gerichtsverfahren erfolgversprechend auch darauf berufen kann, dass der zu Unrecht nicht zugelassene Bewerber aufgrund der inhaltlichen Ausgestaltung seines Entwurfs also weil dieser „nicht gut genug“ gewesen sei keine echte (konkrete und nicht bloß abstrakte: so Aicher aaO § 337 Rz 48) Chance gehabt hätte, wovon das Berufungsgericht ausgeht, muss hier nicht beantwortet werden. Die Beklagte hat nämlich zu diesem Thema nur vorgebracht, dass der Rechtsvorgänger der Klägerin „aufgrund der Spezifikationen seiner Wettbewerbsarbeit“ also aus inhaltlichen Gründen keine echte Chance gehabt hätte, als Gewinner aus dem Wettbewerb hervorzugehen und in weiterer Folge eventuell den Zuschlag zu erlangen (S 4 in ON 10). Sie hat sich auch durch den zutreffenden Hinweis der Klägerin, diese Behauptung sei zu unkonkret (S 4 in ON 12), nicht zu einer Ergänzung ihres Vorbringens veranlasst gesehen. Auf dieses unsubstanziiert gebliebene Vorbringen ist deshalb nicht weiter einzugehen, ohne dass es einer vorherigen Erörterung dieses Umstands durch das Erstgericht bedurft hätte (RIS Justiz RS0122365). Aus diesem Grund sind auch zu diesem Thema keine ergänzenden Beweisaufnahmen erforderlich.

6.

In Stattgebung des berechtigten Rekurses ist daher das Zwischenurteil des Erstgerichts wiederherzustellen (§ 519 Abs 2 ZPO).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 iVm § 393 Abs 4 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00172.15P.1216.000