OGH vom 24.03.1994, 2Ob516/94
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag.Waltraud R*****, vertreten durch Dr.Hans Pucher, Rechtsanwalt in St.Pölten, wider die beklagte Partei Raimund R*****, vertreten durch Dr.Hans-Jörg Haftner, Rechtsanwalt in St.Pölten, wegen Unterhalt (Streitwert S 90.000 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Berufungsgerichtes vom , GZ R 526/93-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes St.Pölten vom , GZ 2 C 143/92-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.443,60 (darin enthalten S 905,60 S Umsatzsteuer, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die volljährige Klägerin begehrt von ihrem Vater die Zahlung eines (weiteren) Unterhaltsbeitrages von monatlich 2.500 S. Sie brachte vor, das Studium der Betriebswirtschaft am mit der Diplomprüfung abgeschlossen zu haben, nunmehr habe sie das entsprechende Doktoratsstudium inskribiert. Der Beklagte weigere sich jedoch, ihr für die Dauer dieses Doktoratsstudiums den bisher bezahlten Unterhaltsbeitrag von 2.500 S weiterzubezahlen. Das Doktoratsstudium gehöre zu ihrer vollständigen Ausbildung.
Der Beklagte wendete ein, die Klägerin habe die Selbsterhaltungsfähigkeit erreicht; ihr Doktoratsstudium verbessere die Berufschancen in keiner Weise, weshalb keine Unterhaltsverpflichtung mehr bestehe.
Der Höhe nach wurde der geltend gemachte Unterhaltsbeitrag von 2.500 S außer Streit gestellt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es von folgendem Sachverhalt ausging:
Die Klägerin wurde am an der Wirtschaftsuniversität Wien zum Magister der betriebswirtschaftlichen Studienrichtung spondiert. Sie hat die erste Diplomprüfung mit der Durchschnittsnote 2,5 bestanden, was dem 72.Rang unter den 237 Studierenden ihres Abschlußtermins entspricht. Bei der zweiten Diplomprüfung erreichte sie die Durchschnittsnote 1,67 und Rang 8 unter den 237 Studierenden ihres Abschlußtermins. Sie hat das Studium in 9 Semestern absolviert, die durchschnittliche Studiendauer betrug bei ihrem Sponsionstermin 13,66 Semester. Ihre Diplomarbeit wurde mit gut beurteilt.
Am inskribierte die Klägerin das Doktoratsstudium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften im Fach Betriebswirtschaft. Dieses Studium besteht in der Absolvierung von fünf Seminaren und der anschließenden Dissertation. Im Wintersemester 1992/93 hat die Klägerin drei dieser fünf Seminare belegt und mit den Vorarbeiten zur Dissertation begonnen. Die Mindestdauer für das Doktoratsstudium beträgt zwei Semester, die durchschnittliche Studiendauer etwa vier Semester.
Die Klägerin strebt eine berufliche Stellung im Bereich des Rechnungswesens an. Aufgrund ihrer bisherigen Ausbildung könnte sie bereits eine derartige Stellung finden, jedoch sind sowohl die Aufnahmechancen in einem Betrieb als auch die Entlohnung von der Qualifikation der Bewerber abhängig und würden sich die entsprechenden Aussichten der Klägerin durch den Abschluß des Doktoratsstudiums erhöhen. Würde die Klägerin das Doktoratsstudium neben einer allfälligen Arbeit betreiben, würde sich die Studiendauer damit erheblich verlängern.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Finanzierung einer über den Abschluß einer Berufsausbildung hinausgehenden weiteren Berufsausbildung könne den unterhaltspflichtigen Eltern nur dann zugemutet werden, wenn das Kind für diese zusätzliche Ausbildung besonders geeignet erscheine, sie zielstrebig weiterverfolge und die Ausbildung ein besseres Fortkommen im neuen Beruf mit Sicherheit erwarten lasse. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall gegeben.
Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.
Das Berufungsgericht führte aus, daß die Frage, ob die Voraussetzungen für ein Weiterstudium gegeben seien, einerseits nach den Fähigkeiten und der Zielstrebigkeit des Unterhaltsberechtigten, anderseits nach der Leistungsfähigkeit und Zumutbarkeit beim Unterhaltsverpflichteten zu beurteilen seien. Die Fähigkeiten und Zielstrebigkeit der Klägerin seien im vorliegenden Fall äußerst positiv zu beurteilen, Einwendungen im Sinne einer mangelnden Leistungsfähigkeit bzw Zumutbarkeit habe der Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht erhoben.
Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.
Die Klägerin hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel des Beklagten keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Der Beklagte macht in seinem Rechtsmittel geltend, daß die Selbsterhaltungsfähigkeit grundsätzlich bei Abschluß der Berufsausbildung gegeben sei. Eine darüber hinausgehende Weiterfinanzierung eines Studiums müsse auch den Eltern, ihren Lebensverhältnissen entsprechend, zugemutet werden können. Im vorliegenden Fall könne dem Beklagten eine Weiterfinanzierung des Studiums nicht mehr zugemutet werden, weil er in sehr bescheidenen Verhältnissen lebe und nur über ein Einkommen von ca 10.000 S monatlich netto verfüge. Ob die Klägerin durch ein Doktoratsstudium mit einem besseren Fortkommen rechnen könne, könne objektiverweise nicht beurteilt werden und unterliege der Spekulation. Trotz der besonderen Eignung und Zielstrebigkeit der Klägerin sei ein besseres Fortkommen bei Abschluß des Studiums mit Doktorat nicht sicher zu erwarten.
Diese Ausführungen sind jedenfalls im Ergebnis nicht zutreffend.
Grundsätzlich kann die Selbsterhaltungsfähigkeit vor oder erst nach der Volljährigkeit des Unterhaltsberechtigten eintreten, sie ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn der sonst Unterhaltsberechtigte in der Lage ist, die Mittel zur Bestreitung seines standesgemäßen Unterhalts infolge seiner Berufsausbildung durch eigene Arbeit selbst zu verdienen (EvBl 1992/73; 1 Ob 506/93; 1 Ob 524/93 uva). Ein den Lebensverhältnissen der Eltern und den Anlagen und Fähigkeiten des Kindes entsprechendes Studium schiebt den Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit hinaus (Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung, Rz 54 Punkt 9. mwN). Die Finanzierung einer über die Selbsterhaltungsfähigkeit hinausgehenden Ausbildung setzt die sichere Erwartung eines damit verbundenen besseren Einkommens (SZ 58/83 ua) und die Zumutbarkeit dieser weiteren Ausbildung für die Eltern mit Rücksicht auf deren Lebensverhältnisse (EvBl 1992/73) voraus (1 Ob 506/93).
Im vorliegenden Fall ist die Klägerin aufgrund des abgeschlossenen Studiums grundsätzlich selbsterhaltungsfähig. Sie erfüllt jedoch auch die Voraussetzungen, die die Weiterfinanzierung ihres Studiums durch den Unterhaltspflichtigen rechtfertigen. Aus ihrem außergewöhnlichen Studienerfolg ergibt sich ihre besondere Eignung für die weitere Ausbildung, daß aufgrund des Doktoratsstudiums ein besseres Fortkommen zu erwarten ist, wurde von den Vorinstanzen festgestellt. Zutreffend macht der Beklagte zwar geltend, daß er eine weitere Ausbildung der Klägerin nur dann zu finanzieren hat, wenn ihm dies mit Rücksicht auf die Lebensverhältnisse zumutbar ist. Eine Unzumutbarkeit der weiteren Finanzierung des Studiums der Klägerin hat er aber im Verfahren erster Instanz nicht geltend gemacht, vielmehr hat er lediglich ausgeführt, die Klägerin habe die Selbsterhaltungsfähigkeit bereits erreicht, ihr weiteres Studium verbessere ihre Berufschancen in keiner Weise, "weshalb" auch keine Unterhaltsverpflichtung mehr bestehe (AS 21). Die Behauptungs- und Beweislast dafür, daß die Finanzierung des weiteren Studiums nicht mehr zumutbar ist, trifft als rechtshindernden Einwand den beklagten Unterhaltsschuldner, der dem diesbezüglichen Beweis auch näher ist (Laumen/Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht II, § 1603 BGB, Rz 1; vgl auch SZ 63/40).
Die Vorinstanzen sind daher zu Recht auf die Frage, ob dem Beklagten eine Weiterfinanzierung des Studiums der Klägerin zumutbar ist, nicht eingegangen, seiner unberechtigten Revision war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.