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OGH vom 26.11.2014, 7Ob189/14s

OGH vom 26.11.2014, 7Ob189/14s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr.

Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M***** H*****, vertreten durch Mag. Jörg C. Müller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei DI G***** H*****, vertreten durch Mag. Hans Christian Malburg, Rechtsanwalt in Wien, wegen vertretbarer Handlungen, über den Revisionsrekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 15 R 130/14v 14, womit der Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom , GZ 24 Cg 7/14y 10, teilweise bestätigt und teilweise ergänzt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden abgeändert. Die Einrede der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs wird verworfen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.735,14 EUR (darin enthalten 622,52 EUR an USt) bestimmten Kosten des Zwischenstreits binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Parteien sind Brüder. Beide sind im Erbweg und aufgrund eines Schenkungsvertrags je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft. Das Fruchtgenussrecht der gemeinsamen Mutter ist einverleibt.

Am schlossen die Parteien hinsichtlich der Liegenschaft ein Übereinkommen vor einem Notar, in dem Folgendes geregelt ist:

„II. Aufgriffsrecht:

(1) Die Vertragsteile verpflichten sich wechselseitig, die ihnen gehörigen Hälfteanteile an der ... Liegenschaft zu Lebzeiten ihrer Mutter … nicht zu veräußern.

(2) Herr ... (Beklagter) verpflichtet sich, die Liegenschaft sowie die auf ihr befindlichen Baulichkeiten in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten und sämtliche dafür erforderlichen Aufwendungen aus eigenen Mitteln zu bestreiten.

(3) Herr ... (Kläger) verpflichtet sich gegenüber Herrn ... (Beklagter), diesem nach dem Ableben von Frau ... (Mutter) den ihm gehörigen Hälfteanteil an der … Liegenschaft jederzeit über sein Verlangen zu verkaufen und zwar um einen Kaufpreis gemäß (4) bis (6).

(4) Der Kaufpreis errechnet sich aus dem Verkehrswert abzüglich eines Abschlags gemäß (5).“

Nach den Absätzen (5) und (6) soll der Verkehrswert, falls kein Einvernehmen zu erzielen ist, von einem Sachverständigen ermittelt werden. Vom Verkehrswert sollen je nach dem Zeitpunkt der Ausübung des Aufgriffsrechts Abschläge zugunsten des Beklagten berücksichtigt werden. Der Abschlag ist nach oben mit 25 % begrenzt. Der Prozentsatz ist nach Verstreichen von einer Frist von mehr als 15 Jahren ab dem Tag des Vertragsabschlusses erreicht.

Der Kläger begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, konkret genannte „Erhaltungs und Erneuerungsarbeiten“ auf eigene Kosten durchzuführen. In der Klage führt er aus, dass der Beklagte sein Aufgriffsrecht bisher nicht ausgeübt habe, weil die Mutter noch lebe. Die Liegenschaft habe sich im Jahr 1988 in einem guten, von den Eltern noch zwischen 1982 und 1987 hergestellten, Erhaltungszustand befunden. Der Beklagte sei seiner vertraglichen Verpflichtung, auf eigene Kosten für die Erhaltung dieses Zustands zu sorgen, nicht nachgekommen. Der Beklagte sei der Meinung, dass der Gebäudewert mittlerweile gegen Null tendiere. Falls dies zuträfe, sei die massive Entwertung der Baulichkeiten auf die Unterlassungen des Beklagten zurückzuführen. Die Situation sei für den Kläger untragbar, weil sein Hälfteanteil an der Liegenschaft massiv entwertet sein werde, wenn der Beklagte nach dem Ableben der Mutter den Anteil des Klägers aufgreifen werde. Die Fruchtgenussberechtigte stimme der Durchführung aller Sanierungsmaßnahmen durch den Beklagten zu, sofern dieser sie auf eigene Kosten und eigenes Risiko von befugten Gewerbsleuten vornehmen lasse.

Der Beklagte wendet unter anderem die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs ein, weil hier ein Anspruch nach § 838a ABGB geltend gemacht werde. Die mit dem Kläger getroffene Vereinbarung verpflichte ihn lediglich zur Erhaltung der „Baulichkeiten“ in dem bei Vertragsabschluss bestehenden Erhaltungszustand im Umfang wirtschaftlicher Sinnhaftigkeit. Er müsse nicht Verbesserungen oder Modernisierungen vornehmen. Der Verkehrswert der Liegenschaft ohne Gebäude abzüglich der Kosten für den Abriss sei höher als der derzeitige Wert der Liegenschaft im bebauten Zustand. Erhaltungsarbeiten würden daran nichts ändern. Der Verkehrswert werde durch die Berücksichtigung der optimal möglichen Nutzung der Liegenschaft bestimmt (Abriss der bestehenden Gebäude und Neuerrichtung einer Wohnhausanlage). Der gute Erhaltungszustand der Liegenschaft im Jahr 1988 werde ebenso bestritten wie die Notwendigkeit der vom Kläger behaupteten Erhaltungsarbeiten.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Der Außerstreitrichter habe zu klären, ob die begehrten Erhaltungs und Instandsetzungsarbeiten technisch notwendig und sinnvoll seien.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs teilweise Folge. Es sprach aus, dass 1. die Rechtssache im außerstreitigen Verfahren zu erledigen sei und das bisher durchgeführte Verfahren für nichtig erklärt werde, 2. das Erstgericht unzuständig sei, 3. die Rechtssache gemäß § 44 JN an das zuständige Bezirksgericht Purkersdorf überwiesen werde und 4. der Kläger zum Kostenersatz des als nichtig aufgehobenen Verfahrens verpflichtet sei. Der Kläger gründe seinen Anspruch substantiiert ausschließlich auf ein mit dem Beklagten geschlossenes Übereinkommen. Gegenstand des Rechtsstreits sei aber dennoch der Konflikt zwischen Miteigentümern über die Durchführung von konkreten Erhaltungs und Instandsetzungsarbeiten, im Kern somit ein typischer Streit um die (außer )ordentliche Verwaltung der Liegenschaft im Sinn der §§ 833 ff ABGB. Die Vereinbarung ändere daran nichts, weil damit noch nicht in (exekutiv) durchsetzbarer Form entschieden werde, welche konkreten Maßnahmen tatsächlich zu ergreifen seien. Zur Durchführung der geforderten Maßnahmen sei daher ein (weiterer) Beschluss der Miteigentümer über die konkret durchzuführenden Arbeiten erforderlich. Soweit der Kläger erstmals eine Verknüpfung zwischen der Erhaltungspflicht des Beklagten mit seinem Aufgriffsrecht herstelle, verstoße er gegen das Neuerungsverbot, sodass darauf nicht weiter eingegangen werde.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.

Der Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig. Die Wahl der Verfahrensart durch die verfahrenseinleitende Partei bestimmt die anzuwendenden Rechtsmittelvorschriften (3 Ob 32/14y; RIS Justiz RS0046238 [T2], RS0046245 [T4]). Das Erstgericht hat die Klage zurückgewiesen, das Rekursgericht hat sie gemäß § 40a JN in das Verfahren Außerstreitsachen überwiesen. Dies ist keine Maßgabebestätigung, sondern eine teilweise Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses. Der Beschluss des Rekursgerichts ist daher unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage anfechtbar (6 Ob 148/06t, 10 ObS 16/08p). Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Für die Frage, ob über ein Begehren im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist, kommt es auf dessen Inhalt an (RIS Justiz RS0013639, RS0005861, RS0005896). Grundsätzlich gehören alle in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Sachen auf den Prozessweg, sofern ein Gesetz nicht ausnahmsweise etwas anderes bestimmt (RIS Justiz RS0012214).

Der mit dem FamErbRÄG 2004, BGBl I 2004/58, eingefügte und mit in Kraft getretene § 838a ABGB verweist Streitigkeiten zwischen den Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten in das Verfahren Außerstreitsachen. Die Gesetzesmaterialien (ErlRV 471 BlgNR 22. GP 33) führen dazu aus, dass die Bestimmung nur für Streitigkeiten zwischen den Teilhabern einer Miteigentümergemeinschaft, nicht aber für solche mit Dritten gelte. In das Außerstreitverfahren fielen die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Teilhaber. Dies betreffe jedenfalls die dem Richter nach den §§ 833 bis 838 ABGB zukommenden Aufgaben, aber auch Streitigkeiten aus einer Benützungsregelung, den Anspruch auf Rechnungslegung und die Verteilung des Erlöses zwischen den Miteigentümern bzw die Verteilung des Nutzens und des Aufwands unter ihnen. Dabei mache es keinen Unterschied, ob der Auseinandersetzung der Teilhaber eine Vereinbarung zugrunde liege oder nicht. Die Verweisung in das Außerstreitverfahren erstrecke sich auch auf die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten. Ansprüche, die nicht nur auf das Miteigentumsverhältnis, sondern darüber hinaus auch noch auf weitere Rechtsgrundlagen gestützt würden (etwa Besitzstörungsansprüche, Schadenersatzansprüche, Bereicherungsansprüche oder ein auf das Nachbarrecht gestützter Unterlassungsanspruch zwischen Miteigentümern) seien weiterhin im streitigen Verfahren geltend zu machen.

Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits mehrfach mit § 838a ABGB auseinandergesetzt (ua RIS Justiz RS0127563, RS0124971, RS0013563, RS0122986, RS0129372).

Für den vorliegenden Rechtsfall ist nochmals hervorzuheben, dass § 838a ABGB nur Streitigkeiten zwischen Miteigentümern über die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Teilhaber in das außerstreitige Verfahren verweist. Nicht hingegen gehören Streitigkeiten zwischen Miteigentümern in das außerstreitige Verfahren, wenn der Anspruch nicht nur aus dem Miteigentumsverhältnis abgeleitet wird, sondern sich noch auf andere Rechtsgrundlagen stützt.

Der Kläger stützt seinen Anspruch auf das zwischen den Parteien bestehende Übereinkommen vom . Es ist richtig, dass das Bestehen einer Vereinbarung der Teilhaber über die Verwaltung und Benützung den außerstreitigen Rechtsweg nach der geltenden Rechtslage grundsätzlich nicht mehr ausschließt. Es kommt aber auf den Inhalt der Vereinbarung an, um beurteilen zu können, ob der streitige oder außerstreitige Rechtsweg zulässig ist.

Das Übereinkommen zwischen den Parteien regelt nicht die Verwaltung der gemeinsamen Sache an sich, sondern wie sich schon aus der Überschrift im Übereinkommen ergibt die Verpflichtungen des Beklagten zur Erhaltung der Baulichkeiten auf eigene Kosten im Zusammenhang mit dem ihm eingeräumten Aufgriffsrecht, worauf der Kläger bereits in der Klage hingewiesen hat. Der Umfang der übernommenen Erhaltungspflicht kann somit ausschließlich aus dem Übereinkommen und den ihm zugrunde gelegten Wertverhältnissen abgeleitet werden. Es gilt also, den Parteiwillen zum genauen Zweck der Vereinbarung und zur damit beabsichtigten Äquivalenz von Rechten und Verpflichtungen zu erforschen. Es ist nur an Hand der vereinbarten Kriterien eine allfällige Erhaltungspflicht zu beurteilen. Nicht hingegen kommt es auf Kriterien an, die allgemein für Miteigentümer im Fall von Meinungsverschiedenheiten gelten. Es geht nämlich um die Zuhaltung einer bereits geschlossenen, über die Verteilung der Verwaltung und Benützung wie insbesondere die Verteilung des Aufwands hinausgehende Vereinbarung, also um einen Rechtsgrund, der nicht von § 838a ABGB umfasst ist.

Der Kläger hat seinen Anspruch zutreffend im streitigen Verfahren geltend gemacht. Das Erstgericht hat das Verfahren fortzusetzen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 51 und 52 ZPO. Es handelt sich bei den Kosten des Rechtsmittelverfahrens um die Kosten eines Zwischenstreits (RIS Justiz RS0036009, RS0035955).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00189.14S.1126.000