TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 24.11.2011, 1Ob192/11h

OGH vom 24.11.2011, 1Ob192/11h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Limited, London, *****, vertreten durch Thum Weinreich Schwarz Fuchsbauer Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 1,8 Mio EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 214/10h 39, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 33 Cg 3/09t 33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung als Verschuldenselement ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich deshalb regelmäßig einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0110837). Hat das Berufungsgericht nun die Rechtsansicht der Organe der Finanzaufsichtsbehörde als vertretbar angesehen, läge eine erhebliche Rechtsfrage nur vor, wenn dies als gravierende Fehlbeurteilung anzusehen wäre (1 Ob 291/01b uva; RIS Justiz RS0110837 [T2]). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

2. Das Berufungsgericht hat in ausführlicher Auseinandersetzung mit den maßgeblichen Rechtsfragen dargelegt, dass es in Anbetracht der Umstände und insbesondere des Inhalts der von der Klägerin veranlassten Veröffentlichungen vertretbar gewesen sei, ihrer Tätigkeit auch Einlagengeschäfte, die eine Konzession erfordern, zuzuordnen. Insgesamt hätten die Mitteilungen der Klägerin den Eindruck erweckt, dass durch Hingabe des Geldes für Geschäftszwecke der Klägerin ein sicherer Rückzahlungsanspruch auf 122,5 % des erlegten Kapitals (nach drei Jahren) entstehe. Auch wenn das Geschäftsmodell vorgesehen habe, dass es letztlich zu einer Eigenverwaltung durch die Investoren kommen solle, sei dies nicht gewährleistet gewesen, zumal dafür die Änderung des Gesellschaftsvertrags erforderlich gewesen wäre. Der erkennende Senat vermag in dieser Beurteilung der Vertretbarkeit der Rechtsansicht keinen groben Fehler zu erblicken.

Unbestreitbar ist, dass die Publikationen der Klägerin darauf gerichtet waren, einen größeren Investorenkreis dazu zu bewegen, hohe Geldsummen zur Verfügung zu stellen, die nach wenigen Jahren mit erheblicher Verzinsung zurückgezahlt werden sollten. Anleger sollten also durch die garantierte Zusage einer erheblichen Verzinsung dazu angeregt werden, für einen Zeitraum von drei Jahren Investitionskapital zur Verfügung zu stellen. Wenn in einzelnen Unterlagen (zB Beil ./AA) davon die Rede ist, dass „Gelder“ bzw „Kundenbeträge“ angenommen werden, deren Rückzahlung nach drei Jahren zuzüglich 22,5 % Zinsen garantiert wird, kann durchaus der Eindruck eines Einlagegeschäfts im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 BWG entstehen. Zutreffend sind im Kern auch die Bedenken des Berufungsgerichts gegen die von der Klägerin behauptete absolute Sicherheit der gesellschaftsrechtlichen Konstruktion und die angestrebte „Eigenverwaltung“ durch die Investoren nach der geplanten späteren Änderung des Gesellschaftsvertrags. Warum Gewähr dafür bestehen sollte, dass es gerade zu der von den seinerzeitigen Verantwortlichen der Klägerin ins Auge gefassten Änderung des Gesellschaftsvertrags kommen würde, ist nicht zu erkennen und wird auch in der Revision nicht dargelegt. Sollte das wiederholt erwähnte Einstimmigkeitsprinzip auch für die Änderung des Gesellschaftsvertrags gelten, hätte es jeder einzelne Investor in der Hand, jegliche Änderung zu verhindern. Sollte dies hingegen nicht der Fall sein, könnte die jeweils erforderliche Mehrheit Änderungen des Gesellschaftsvertrags durchsetzen, ohne dabei auf die ursprünglichen Vorstellungen der „Gründer“ Bedacht nehmen zu müssen. Hat die Klägerin nun ungeachtet der aufgezeigten mangelnden Voraussehbarkeit der zukünftigen Entwicklung die Rückzahlung von 122,5 % nach drei Jahren versprochen, besteht kein Grund, die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts als erhebliche Fehlbeurteilung zu qualifizieren.

3. Gleiches gilt auch für die Beurteilung, die Qualifikation der Tätigkeit der Klägerin im Zusammenhang mit dem in den medialen Auftritten vorgestellten Geschäftsmodell als „unseriös“, sei gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht ganz zutreffend auf den eklatanten Widerspruch zwischen der plakativ hervorgehobenen Anpreisung, dass „keine Gebühren und keine Spesen“ anfallen und dem in einem gestellten Interview versteckten Hinweis, dass gleich zu Beginn eine „Managementgebühr“ von 3 % des Investitionskapitals eingehoben werde, verwiesen. Angesichts der Unmöglichkeit von sicheren Prognosen über die Wertentwicklung von Liegenschaften in der Zukunft und der erstmaligen Absicht der Erprobung einer ganz neuen Geschäftsidee ist dem Berufungsgericht auch nicht zu widersprechen, wenn es mit näherer Begründung dargelegt hat, es habe nicht mit der wiederholt zugesagten absoluten Sicherheit („Garantie“) damit gerechnet werden können, dass alle Anleger ungeachtet der gesellschaftsrechtlichen und wirtschaftlichen Entwicklung des Anlagemodells in drei Jahren 122,5 % des eingesetzten Kapitals ausgezahlt bekommen würden. Dazu kommt, dass die Klägerin bei ihrer Renditeberechnung selbst davon ausgeht, dass nach diesen drei Jahren nur ein Teil der den Investoren versprochenen Auszahlungsbeträge durch Kreditaufnahme „refinanziert“ wird und rund 37 % des weiteren Kapitalbedarfs wieder von den ursprünglichen Investoren eingebracht werden soll. Wie dieser Geschäftsplan funktionieren sollte, wenn alle Investoren auf der ihnen gegebenen Zusage einer Auszahlung nach drei Jahren bestehen, wird auch in der Revision nicht erklärt.

4. Es stellt auch keine unvertretbare Fehlbeurteilung eines Einzelfalls dar, wenn die Auffassung vertreten wird, die in einer Presseaussendung verwendete Formulierung „unseriöser Anbieter von Finanzdienstleistungen“ stelle nicht die Tätigkeit der Klägerin als Finanzdienstleister im Sinn der Definition des § 1 Abs 1 Z 19 BWG in den Vordergrund, sondern bezeichne ganz allgemein jemanden, der Geldveranlagungen im weitesten Sinn anbietet. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO stellt sich in diesem Zusammenhang nicht. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die im Zusammenhang mit der Investorenwarnung und der Pressemitteilung verwendete Formulierung sei vertretbar gewesen, weshalb daraus kein Amtshaftungsanspruch abgeleitet werden könne, ist mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbar. Da somit der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch vom Berufungsgericht schon auf der Basis der dargelegten Tatsachenfeststellungen in vertretbarer Weise verneint wurde, muss auf die darauf bezogenen weiteren Revisionsausführungen soweit sie überhaupt nachvollziehbar sind nicht eingegangen werden.

5. Im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Verletzung von Gemeinschaftsrecht durch den österreichischen Gesetzgeber bzw die Organe der Finanzmarktaufsicht verweist die Revisionswerberin wiederholt auf im Verfahren erster Instanz erstattete Schriftsätze sowie die Berufungsschrift. Derartige Verweise sind allerdings unzulässig und unbeachtlich (vgl nur RIS Justiz RS0043616, RS0007029) und können eine vollständige und in sich geschlossene rechtliche Argumentation in der Revision nicht ersetzen. Im Übrigen ist die Argumentation der Revisionswerberin zur Verletzung von Gemeinschaftsrecht kaum nachvollziehbar. Insbesondere wird nicht deutlich, welche gemeinschaftsrechtlichen Normen durch welches Vorgehen eines österreichischen Gesetzgebungs oder Vollziehungsorgans missachtet worden sein sollen und inwieweit daraus der behauptete Schaden entstanden sein soll. Die bloße Formulierung von Fragen, die „vom EuGH zu klären gewesen wären“, vermag eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den in Betracht kommenden Normen des Gemeinschaftsrechts nicht zu ersetzen. Wie die Revisionswerberin zutreffend darlegt, hat sich das Berufungsgericht ausführlich mit der Frage der „Staatshaftung aufgrund der Richtlinie“ auseinandergesetzt. Die dazu erstatteten Revisionsausführungen enthalten nicht einmal annähernd das Mindestmaß von Argumenten und rechtlichen Erörterungen, das ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof zumal ein außerordentliches aufzuweisen hat.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).